In meinem letzten Beitrag für diese Woche möchte ich noch ein Mal zu Sachar Stellung beziehen:
Die Behandlung Sachars durch Oblomow ist unwürdig. Was die Ursache für Oblomows Verhalten ist, wird im Roman, wenigstens im ersten Buch, nicht sichtbar. Es kann daran liegen, dass Sachar seine Aufgaben nie ordnungsgemäß erfüllt hat, oder auch an Oblomows Erziehung. Es ist ein feudales Herr-Knecht-Verhältnis. Keiner hat Respekt vor dem anderen.
Welche Möglichkeiten haben beide, diese Beziehung zu verändern?
Oblomow als Herr kann Sachar zurück ins Dorf schicken oder ihn zu feuern und sich einen anderen Diener suchen oder kommen lassen. Sachar der Machtlose, hat die Möglichkeit zu fliehen oder die Beziehung so auf die Spitze treiben, dass er nach einer Tracht Prügel die er bezieht, Oblomow zu einer der vorher genannten Maßnahmen zwingt. Soweit aus meiner Sicht, die innere Logik des Romans.
Da gibt es jedoch auch die äußere Logik. Der Schriftsteller Gontscharow herrscht über den Roman, wie der Gott den Descartes definiert über die Welt, nämlich als der große Uhrmacher. Er hat also seinen Grund, den Charakter Sachars so zu gestalten.
Ich sehe die Absicht Gontscharows darin, Sachar als einen Persönlichkeitsteil von Oblomow darzustellen, der ebenso zur Passivität neigt, die sich in seiner Trägheit zeigt, der aber gezwungen ist, wenigstens vordergründig, den unausweichlichen Anforderungen, die Oblomow an ihn stellt, zu folgen, so wie Oblomow auf die unausweichlichen, von außen kommenden Forderungen, irgendwann reagieren muss. O. in Gedanken und Plänen, S. mit möglichst wenig anstrengender Aktivität. O. wird Sachar nicht Herr, weil er sich selbst nicht Herr wird, beide sind miteinander verwoben, wie ein lange zusammen lebendes Ehepaar, das sich nichts mehr zu sagen hat, nebeneinander her lebt, sich gegenseitig das Leben schwermacht und weil beide Partner Angst vor der Einsamkeit außerhalb der Ehe haben doch zusammen bleiben. Beide sind passiv, beide benötigen der Führung. Sachar hat eine schlechte Führung, ob O. durch Führung sein Leben ein Mal bewältigen kann ist ein Thema des Romans, das wird sich zeigen. Vielleicht kommt hier Stolz ins Spiel.
Die Bemerkungen Jaqui über den häufig genannten Staub, der beide umgibt, hat mir auch zu denken gegeben. Ist das nur eine Übertreibung, oder benutzt Gotscharow Staub als Metapher? Real ist es für mich kaum vorstellbar, gegen solche Mengen an Staub nicht den Kampf aufzunehmen. An Allegorien kann ich mir zu viel vorstellen. Andererseits sollte man G. nicht zu viel Hintergründiges unterstellen, in den Kapiteln wimmelt es von Nebensächlichkeiten, die nicht weiter verfolgt werden. Vielleicht ist vieles Erinnerung an eigene Erlebnisse und in der Erinnerung wird manches größer, als es bei näherer Betrachtung ist. Ich kommt bei diesem Punkt zu keinem klaren Schluss.
Der Meinung Sir Thomas, nach der Gontscharow eine gewisse, eingeschränkte Sympathie für Oblomow fühlen lässt, wollte ich zunächst nicht zustimmen. Im Traumkapitel zeigt G. jedoch Mitgefühl mit dem Knaben, der durch die Erziehungsumstände seine Charakterbildung nur unvollkommen abschließen kann. Sir Thomas war da feinfühliger als ich, und ich kann ihm jetzt besser folgen.