Maria hat es angeregt und ich will mich nicht drücken und ein klein wenig zugeben für die vielen Anregungen die Maria hier gibt.
In "Grimms Wörter" bin nun gerade bis zum Kapitel über das D gekommen. Hier sind meine vorläufigen Eindrücke:
Grass hat keinen Roman geschrieben, sondern hat ein Gemisch aus politischer Autobiographie, Biographie und phantasievoller Beschreibung seines Handwerks, dem Umgang mit der Sprache, verfasst. Zu Beginn liest sich das Buch wie eine literarisch ambitionierte biographische Skizze über Jakob und Wilhelm Grimm und rief in mir Erinnerungen an Kehlmanns "Die Vermessung der Welt" wach. Schnell tritt jedoch das zentrale Thema, die Beschäftigung mit dem Wörterbuchprojekt der Grimms in den Vordergrund. Grass gliedert sein Buch in Kapitel, die den Buchstaben des Alphabets gewidmet sind. So wie Eichhörnchen Nüsse sammeln um sie mit artistischen Sprüngen von Baum zu Baum in den verschiedensten Verstecken zu deponieren, so sammelt Grass Wörter, entwickelt mit guter Ironie Beziehungen zu seinen Themen und spielt mit ihrer Herkunft, ihren Bedeutungen und Widersprüchlichkeiten. Nach meinem Eindruck schreibt hier ein Genussmensch, der seine Genüsse nicht nur durch essen, trinken, Tabak und Frauen befriedigt, sondern auch durch das spielen mit der Sprache und ihren Wörtern. Wenn ich mir Thomas Mann versunken an seinem Schreibtisch vorstelle, so stelle ich mir Grass beim schreiben seines Buchs zwischen seinen Stehpulten hin und her tanzend vor.
Schon nach den etwas mehr als hundert Seiten, die ich bisher gelesen habe, ordne ich "Grimms Wörter" hochrangig ein.
Was seine Selbstdarstellung betrifft, so bin ich voreingenommen, ich bin ihm politisch nahe und habe immer geschätzt, wenn er meinem unduldsamen Überschwang den Spiegel vorgehalten hat. In ihm wird gerne der Rechthaber gesehen, dabei ist er meistens nur konsequent und angreifbar, was greifbar ist, und das ist meiner Einschätzung nach eher eine respektable Eigenschaft von Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Grass gehört eben nicht zu den "Skeptikern", die sich immer nur zwischen die Stühle setzten, damit sie nicht in Gefahr geraten Flecken auf Hose oder Rock zu bekommen.