Der erste Artikel, den ich in den Horen gelesen habe ist eine naturphilosophische Betrachtung von Wilhelm von Humboldt: Über den Geschlechtsunterschied und dessen Einfluß auf die organische Natur. (im 2. Stück, 1795)
Aus einem mechanistischen Ansatz heraus, erklärt Humboldt aus einem Kraftbegriff heraus, das Wirken der Geschlechter auf die physische, psychische(moralische) und geistige Natur aller Lebewesen.
Da ich nicht den Begriffsapparat der Wissenschaften im 18. Jahrhundert beherrsche, wirkt einiges, besonders was den Kraftbegriff betrifft, auf mich ziemlich wirr, doch bin ich sicher, die Gelehrten Zeitgenossen wussten, über was Humboldt da schreibt.
Er nimmt das 1. (Trägheitsgesetz) und 3. Newtonsche Gesetz (actio=reactio) ordnet dem männlichen Geschlecht die Tätigkeit (Zeugungskraft) zu, dem Weiblichen die Empfänglichkeit, leitet daraus, zusammen mit eine an Hegel erinnernden Dialektik und dem Endziel der geschlechtlichen Wirkung, der Zeugung, ein Fülle von Erscheinungen ab, wobei er zwischen deduktiver und induktiver Argumentation munter hin und her springt.
Neben den vielen, mittlerweile obsolet gewordenen, Ansichten, finden sich auch bemerkenswert weitblickende Bemerkungen.
Da ist zum Beispiel:
„Denn auf Wechselwirkung allein beruht das Geheimnis der Natur.“
eine durchaus moderne Ansicht, oder:
„Gleich allem Erzeugen entsteht etwas vorher nicht vorhandenes. Gleich der Schöpfung, ruft die Zeugung neues Dasein hervor, und unterscheidet sich nur dadurch von derselben, daß dem neu Entstehenden ein schon vorhandener Stoff vorhergehen muß.“
eine Bemerkung, die mit Sympathie betrachtet, schon so was wie einen evolutionären Keim enthält.
wenn es um die Rolle der Geschlechter und um den Zweck der Zeugung geht, kommt man schnell in frivole Sphären, für die in diesem Forum natürlich kein Platz ist. So soll sich jeder selbst seinen Teil denken, wenn zum Beispiel solche Sätze wie dieser im Artikel zu finden sind:
„Leichter als der Augenblick, in welchem daß neue Daseyn erweckt wird, ist der Zustand zu beobachten, welcher demselben vorhergeht. In dieser Stimmung der schöpferischen Weihe ist, von welcher Art auch die Zeugung seyn möge, das Gefühl einer überfliessenden Fülle mit dem eines bedürftigen Mangels verbunden.“
Diesen Artikel sollte man natürlich mit Respekt und dem gebotenen Ernst lesen, aber ich gebe zu, wenn ich Humor besäße, hätte ich bei manchen Passagen vor lauter Lachen nicht mehr weiterlesen können.