Beiträge von Berch

    Hallo zusammen,
    hallo Hubert,


    Ja, zu diesem Ergebnis bin ich auch gekommen. Nach den Metzlerschen Kriterien würde ich auch Eindeutig eine Zuordnung "Kohlhaas" = Roman, "Prozeß" = Erzählung vornehmen. Einzig die Länge des Stückes würde vielleicht dagegen sprechen, da der "Kohlhaas" zumindest im direkten Vergleich kürzer ist. Allerdings halte ich das Kriterium 'Länge' für das am wenigsten wichtige unter den Angeführten und darüber hinaus sind beide Werke ja im Vergleich zu manch anderen Romanen mit z.T. weit mehr als 600 Seiten verhältnismäßig kurz.


    Dieses Ergebnis ist zudem das Gleiche, das auch die von Dir angeführten Kriterien m.M.n. ergeben haben.


    Vielleicht können wir ja noch ein paar weitere Meinungen zu diesem Thema einholen und im Anschluß ggf. auch einmal darüber nachdenken, weshalb die klassische Einteilung dieser beiden Werke (Du nanntest ja bereits Reich-Ranicki) eher genau andersherum läuft.


    In den letzten Tagen ist leider nicht mehr viel Substantielles zu unserer Diskussion hinzu gekommen, vielleicht können wir das Thema aber noch ein bißchen beleben, sobald wir wissen, auf welchem Lesestand alle Teilnehmer sind.
    Mich würde dies sehr freuen, denn es gäbe durchaus noch ein paar Aspekte, die mich interessieren würden.
    Mögliche Fragestellungen wären z.B.:


    - K.'s Schuldfrage, die meiner Ansicht nach noch nicht hinreichend geklärt ist
    - intertextuelle Bezüge
    - mögliche Anknüpfungspunkte des von der Realität doch recht abgehoben Textes an die Realität
    - und nich zuletzt ein über die Gattung hinausgehender Vergleich von Kleist und Kafka, der ja als übergeordnetes Thema dieser Leserunden angesetzt war


    Gruß
    Berch

    Hallo zusammen,


    bevor dies nun im Sande verläuft und die Diskussion um Kafkas 'Prozess' abebbt, möchte ich noch einmal auf die interessante Frage der Gattungszuordnung von 'Prozess' und 'Michael Kohlhaas' zu sprechen kommen.
    Eigentlich hatte ich geplant, mich vor genau einer Woche näher damit zu befassen, aber leider blieb mir in der letzten Woche nicht die nötige Zeit.


    Zur Erinnerung:
    Hubert hat in einem früheren Beitrag schon ein paar Hinweise für eine mögliche Zuordnung gegeben:


    Zitat

    Hinweise können die Erzählperspektive oder Zeitliche Abfolge u.ä. geben, also z.B. in einer reinen Erzählung, sollte der Erzähler keine Kommentare oder Erklärungen abgeben, in einem Roman kann er das durchaus oder in einer Erzählung sollte es keine zeitlichen Rückblenden geben, in einem Roman ist das durchaus üblich, auch ist der Stil bei einer Erzählung eher einheitlich, in einem Roman kann er durchaus wechseln.


    Ich habe mich jetzt zunächst mal im Metzler kundig gemacht. Die Definition, die sich dort zum 'Roman' findet ist allerdings doch recht schwammig, da mehr Wert auf eine Binnendifferenzierung als auf eine Abgrenzung zu anderen epischen Textformen oder aber auf romaneigene Kriterien gelegt wird.
    Unter dem Eintrag 'Erzählung' allerdings habe ich eine recht brauchbare Abgrenzung zum Roman, sowie zu anderen epischen Gattungen, die aber weniger in unserem Interesse liegen, gefunden:

    Zitat

    [...]die Erzählung ist kürzer, weniger welthaltig, weniger figurenreich und weniger komplex in Handlung und Ideengehalt als der Roman; [...]


    Leichte Probleme habe ich mit der Definition des Begriffs "welthaltig". Ist dies gemeint als weniger realitätsbezogen oder aber als 'nur einen kleineren Auschnitt der 'Welt' betrachtend'?


    Gruß
    Berch

    Hallo Hubert,


    Zitat

    Mitleid kann/muss man wohl mit beiden haben, Verständnis oder sogar Sympathie darf aber m.M.n. für einen Kinderschänder nicht artikuliert werden.


    Das ist eben so interessant. Daß Verständnis und Sympathie unangebracht sind, da sind wir uns ja einig, aber es bleibt das Mitleid. Wir beide haben also während der Lektüre Mitleid mit Humbert Humbert gehabt. Wieder auf einen realen Fall bezogen, kann ich jedoch nicht behaupten, jemals für einen solchen Verbrecher auch nur etwas annähernd Ähnliches wie Mitleid empfunden zu haben.
    Allein an der Ich-Perspektive kann es eigentlich nicht liegen, denn Stellungnahmen von realen Schwerverbrechern haben dies nicht fertig gebracht. Leider bin ich bisher auch noch nicht dahinter gekommen, was, bzw. welche Kombination von Gründen, dieses Mitleid für H.H. auslöst und meine Lektüre liegt nun auch schon 2-3 Jahre zurück, sodaß mir das Buch in allen Einzelheiten auch nicht mehr präsent ist. Ich werde also nicht umhin kommen, das Buch noch einmal zu lesen. Wert ist es das auf jeden Fall.


    Gruß
    Berch

    Hallo zusammen,


    sandhofer: Du hast Recht, eine große Nabokov-Diskussion gehört hier sicher nicht hin, aber einmal muß ich noch dürfen, es brennt mir so unter den Nägeln. :zwinker:



    @ Hubert


    Zitat von "Hubert"


    zwar weiß ich nicht welche Normen Du zu Grunde legst, für mich ist ein Mann, der einem 12-jährigen Mädchen sehr starke Schlaftabletten gibt, unter dem Vorwand es wären Vitamintabletten und in der Absicht sich an dem schlafenden Mädchen sexuell zu vergehen, ein Schwein und kein Opfer.


    Wie ich geschrieben habe, ist H.H. ein kriminell und moralisch verwerflich handelnder Mensch. Das ist gar keine Frage. In einem vergleichbaren realen Fall würde ich Zeter und Mordio schreien und eine möglichst harte Bestrafung für den Täter fordern und selbstverständlich würde ich alle Versuche des Täters, sich als Opfer darzustellen, als vorgeschobene und schändliche Rechtfertigungsversuche deuten.
    Aber genau das macht 'Lolita' in meinen Augen so faszinierend. Stellenweise hatte ich fast Mitleid mit dem 'armen Tropf' und hätte ihm am liebsten zugerufen "Laß es, laß es doch!" (und das nicht um Lolitas, sondern um seiner selbst willen), nur um zu lesen, daß er sich immer weiter in den kriminellen Sumpf reitet. Ich finde es wirklich faszinierend, daß es Nabokov gelungen ist, eine Figur zu kreieren, die eine der schändlichsten Taten begeht, die ich mir denken kann und die dennoch, wenn auch nicht Verständnis oder gar Sympathie, so doch zumindest in gewissem Maße Mitleid dafür erntet.


    Gruß
    Berch

    Hallo onyx,


    erst einmal auch von mir Herzlich Willkommen!


    Darf ich fragen, welche Verfilmung Du gesehen hast? Die 62er von Kubrick oder die 97er von Lyne oder vielleicht eine ganz andere Verfilmung, die ich noch nicht kenne?


    Hubert: Humbert Humbert ist sicherlich, unsere Normen zu Grunde gelegt, ein kriminell und moralisch verwerflich handelnder Mensch. Allerdings wird er meiner Meinung nach schon eher als Opfer dargestellt, denn als krimineller Täter. Ein Opfer Lolitas Verführung, seiner eigenen Lust, Gier und Zügellosigkeit, im Grunde ein Opfer seiner krankhaften Sucht, die von Lolita gezielt bedient wird.


    Gruß
    Berch

    Hallo sandhofer,


    das ist eigentlich eine sehr gute Idee, aber ich befürchte, ähnlich wie Hubert, daß die Fragen trotzdem nicht ausbleiben werden. Wir haben ja auch trotz der 'Schüleranweisung' noch immer Fragen wie: 'Ich brauche dringend eine Interpretation zu XY.' Lediglich die Sommerferien haben uns wohl in dieser Hinsicht die letzten Wochen etwas geschont. Davor habe ich sogar zwei Anfragen für Interpretationen per PM erhalten.


    Aber für neue Mitglieder, die sich in Ruhe einfinden wollen, könnte das ja schon nützlich sein, bzw. auch für Leser, die überlegen, hier mitzuposten. Diese könnten dann im Vorfeld schonmal schauen, ob dieses Forum mitsamt Inhalt, Regeln, etc. ihnen gefällt...


    Gruß
    Berch

    Hallo zusammen,


    hallo Hubert,


    zu Boccaccio kann ich leider nicht viel sagen, da ich seine Novellen bisher nicht gelesen habe. Das erschwert natürlich meine Argumentation auf diesem Gebiet schon ein wenig.
    Was Goethes Defintion angeht, so muß ich sagen, daß sie zumindest für einen großen Teil "moderner" Novellen sehr problematisch ist. Z.B. Schnitzlers 'Traumnovelle' oder auch Texte anderer Autoren, die diese selbst als Novellen bezeichnet haben, sprengen den von Goethe gesteckten Rahmen.
    Dennoch verwende ich meist Goethes Defintion, ganz im Gegensatz zu meiner sonstigen Skepsis in Bezug auf Goethe, weil sie mir von den mir bekannten Definitionsversuchen noch am plausibelsten erscheint und nach dieser Defintion wären, wie Du sagtest, weder der 'Prozeß' noch der 'Kohlhaas' Novellen.


    Die von Dir angesprochenen gattungsprägenden Merkmale sprechen eher für eine Zuteilung der beiden Werke, die der üblichen entgegen läuft. Ich werde mich am Montag noch einmal näher mit den beiden Gattungen beschäftigen, um dann vielleicht noch ein paar weitere Kriterien in die Diskussion einbringen zu können.


    Gruß
    Berch

    Hallo Sigit,


    Zitat

    Eine Seite der Onkel heisst Karl, aber der Onkel selbe sagte zum Advokat „Albert, dein alter Freund ist es“. Ich glaube beide Karl und Albert sind Vorname, nicht wahr? Kann jemand erklären?


    Das ist recht einfach aufzuklären. Beides sind tatsächlich Vornamen. Der Vorname des Onkels ist Karl. Der Vorname des Advokaten ist Albert. Karl spricht also in Deinem Zitat den Advokaten zunächst persönlich an, indem er dessen Namen nennt. Dann sagt Karl dem Advokaten, daß er, Karl, sein alter Freund anwesend ist. Der Satz ist vielleicht einfacher verständlich, wenn man ihn ein wenig umstellt. Dies könnte dann so formuliert sein: "Hallo Albert. Ich, dein Alter Freund Karl, bin hier."


    Zitat

    Was ist noch nicht klar für mich, warum suchte K. plötzlich vor dem Gerichthalle Tischler Lanz, der Neffe der Frau Grubach?. Hat Lanz eine Beziehung zum Untersuchungsrichter oder etwas andere Bedeutung? Weil bei ersten Kapitel gibt es keine Bemerkung.


    Wenn ich diese Stelle richtig verstanden habe, dann versucht K. ja in dieser Szene, den Gerichtssaal zu finden, da er zwar die Adresse kennt, aber nicht die Wohnung, bzw. den Raum, in dem das Gericht untergebracht ist. Tischler Lanz ist dabei nur eine vorgeschobene Angabe, die er macht, um so in die Wohnungen der Leute sehen zu können, um den Gerichtssaal zu finden. Er "erfindet" den Tischler also nur als Vorwand.


    Zitat

    Wort: Dunkel
    Kafka hat einmal gesagt, ich schreibe wie in eine dunkel Tunnel. Also, in diese Kapitel Wort „dunkel“ ist 7 mal geschrieben.


    Das ist eine sehr interessante Beobachtung. Es könnte ein Hinweis darauf sein, weshalb viele Leser den 'Prozeß' für düster oder bedrohlich halten.


    Gruß
    Berch

    Moin,


    der Kindler schlägt folgende Literatur vor:


    LITERATUR: W. T. Noon, J. and Aquinas, New Haven (Conn.)/Ldn. 1957. – R. M. Kain u. R. E. Scholes, The First Version of J.'s »Portrait« (in Yale Review, 49, 1960). – R. S. Ryf, A New Approach to J., Berkeley/Los Angeles 1962. – J.'s »Portrait«. Criticisms and Critiques, Hg. T. E. Conolly, NY 1962. – The Workshop of Daedalus. J. J. and the Raw Materials for »A Portrait of the Artist as a Young Man«, Hg. R. E. Scholes u. R. M. Kain, Evanston/Ill. 1965. – W. Erzgräber, J. J.: »A Portrait of the Artist as a Young Man« (in Der moderne engl. Roman, Hg. H. Oppel, Bln. 1965; 21971, S. 78–114). – L. Hancock, Word Index to J. J.'s »Portrait of the Artist«, Carbondale (Ill.)/Ldn. 1967. – Ch. G. Anderson, J. J. and His World, Ldn. 1967. – D. C. Gifford u. R. J. Seidman, Notes for J. »Dubliners« and »A Portrait of the Artist as a Young Man«, NY 1967. – Twentieth-Century Interpretations of »A Portrait of the Artist as a Young Man«: A Collection of Critical Essays, Hg. W. M. Schutte, Englewood Cliffs/N.J. 1968. – T. F. Staley, A Critical Study Guide to J. J.'s »A Portrait of the Artist as a Young Man«, Totowa/N.J. 1968. – K. E. Robinson, The Stream of Consciousness Technique and the Structure of J.'s »Portrait« (in J. J. Quarterly, 9, 1971, S. 63–84). – J. J.'s »Portrait«: Das ›Jugendbildnis‹ im Lichte neuerer dt. Forschung, Hg. W. Füger, Mchn. 1972. – J. J.: »Dubliners« and »A Portrait of the Artist as a Young Man«. A Casebook, Hg. M. Beja, Ldn. 1973. – H. P. Sucksmith, J. J.: »A Portrait of the Artist as a Young Man«, Ldn. 1973. – Materialien zu J. J.s »Ein Porträt des Künstlers als junger Mann«, Hg. K. Reichert u. F. Senn, Ffm. 1975 (m. Bibliogr.; es). – H.-W. Ludwig, Stephen Dedalus als Sprachkünstler: J. J.s Künstlerbildnis zwischen Ästhetizismus u. Moderne (in Anglia, 94, 1976, S. 98–120). – Approaches to J.'s »Portrait«: Ten Essays, Hg. T. F. Staley u. B. Benstock, Pittsburgh 1976. – A. Heller, Ambiguous Equilibrium: J.'s »A Portrait« Reconsidered (in LWU, 11, 1978, S. 32–41). – J. J.'s »A Portrait of the Artist as a Young Man«, Hg. H. Bloom, NY 1988.


    Aber da hast Du ja bestimmt schon nachgeguckt, nehme ich an. Ist ja quasi eine der ersten Anlaufquellen...


    Gruß
    Berch

    Hallo Hubert,


    Zitat

    Warum keine Novelle? Es hat eine einsträngige Handlung und eine unerhörte Begebenheit, ergibt sich schon im ersten Satz!


    Tja, wie gesagt, ich kann es nicht genau begründen. Es stimmt schon, die Handlung ist einsträngig und auf die unerhörte Begebenheit wird man quasi direkt mit der Nase gestoßen. Dennoch, irgendetwas in mir sträubt sich dagegen. Das ist sicherlich weder eine fundierte, noch eine wirklich befriedigende Begründung, aber leider die einzige, die ich aktuell wirklich geben kann. Vielleicht liegt mein Widerwille z.T. darin begründet, daß die Thematik des Textes doch alles in allem recht bizarr und realitätsfern ist und nach Goethes Defintion der Erzählgegenstand "eine sich ereignete unerhörte Begebenheit" ist. Das hat für mich schon einen gewissen "Wahrheitsanspruch" und den sehe ich im 'Prozeß' eigentlich nicht wirklich.
    Nebenbei wird mir gerade wieder bewußt, daß ich das Projekt "russische Novellen" in der letzten Zeit vernachlässigt habe. Werde mich nach meinen Hausarbeiten wieder mehr damit beschäftigen.


    Zitat

    Epik ist ja erzählende Literatur, aber das Wort Erzählung bezeichnet schon eine eigene Gattung.


    Mir ist schon bewußt, daß 'Erzählung' auch als Gattungsbegriff, vor allem für kürzere Texte, die keiner anderen Gattung eindeutig zugeordnet werden können, dient.
    Darüber hinaus finden sich aber immer auch Defintionen, die Erzählung als einen Oberbegriff für erzählende Literatur allgemein verwenden. Dies ist wohl eine ältere, bzw. inzwischen auch eher veraltete Sichtweise, die die genauer definierten und abgegrenzten Gattungsbegriffe wie Roman, Märchen, Kurzgeschichte, etc. etwas außen vor läßt. Dennoch halte ich diese Möglichkeit für durchaus hilfreich, wenn man die eigentliche Gattung eines Textes bei dessen Analyse zunächst einmal außer Acht lassen möchte, um nicht mit vorgefertigten, gattungsspezifischen Erwartungen
    an einen Text heran zu gehen, aber dennoch eine grobe Abgrenzung zu Lyrik und Drama wünscht.


    Ich stimme Dir durchaus zu, eine vernünftige Einordnung beider Texte wäre sicherlich sehr interessant. Welcher Gattung würdest Du denn beide Texte zuordnen?


    Gruß
    Berch

    Hallo Hubert,


    Zitat

    ... und keiner von uns der Meinung ist, er hätte die Weisheit allein gepachtet


    Das beanspruche ich nur in Fußballfragen für mich und all die Male, wenn Dortmund dann doch verliert, bestätigt das nur die Regel, daß ich eigentlich immer Recht habe, wenns um Fußball geht :zwinker:


    Ich hoffe, damit jetzt nicht auch noch eine Fußballdiskussion los zu treten...


    Gruß
    Berch

    Hallo zusammen,


    ich muß sagen, daß sich diese Diskussion inzwischen ein ganz schönes Stück vom ursprünglichen Thema wegbewegt hat. Dies war auch einer der Gründe, weshalb ich mich nicht mehr daran beteiligt habe, denn bzgl. Urknall, Quantenphysik und co. könnte ich bestenfalls noch Halbwissen anbieten.
    Die letzten 10-15 Posts dieser Diskussion hätte man vermutlich prima unter den Titel: "wissenschaftliche Stellungsnahmen zur Schöpfungsgeschichte" stellen können, aber mit dem Gottesbild in der Literatur hatte es eigentlich nichts mehr zu tun.


    Zugegeben, auch die Diskussion zwischen Hubert und mir bzgl. der Existenz/ Nichtexistenz Gottes bzw. mögliche Belege dafür oder dagegen, war schon etwas ausschweifend, aber zumindest verlief die Diskussion ohne daß wir gegenseitig unsere Sätze zerfleischt hätten. Wir hatten vorher wie nachher Standpunkte, die sehr weit auseinanderliegen, aber zumindest ich kann (und ich denke, Dir, Hubert, wird es ähnlich gehen) mit dem vorläufigen Ende (ein endgültiges Ende wird man bei dieser Diskussion wohl nicht erreichen können) dieser Diskussion gut leben.


    Es wäre wünschenswert, wenn dies auch in anderen Diskussionen möglich wäre.


    Gruß
    Berch

    Hallo Sigit,


    ein Rock ist eigentlich nicht direkt ein Mantel, sondern eher eine Art Jackett mit einem verlängerten Rückenteil. Ist vielleicht recht schwierig zu beschreiben und heute auch nicht mehr sehr verbreitet. Jedenfalls gehört dieser Rock als eine Art Anzugjacke zum Anzug. Darüber kann dann noch ein Mantel getragen werden.


    Zwischen einem Wächter und einem Aufseher würde ich eigentlich keinen großen Unterschied machen und die Worte relativ synonym gebrauchen.


    Gruß
    Berch

    Hallo zusammen,
    hallo Hubert,


    ich habe die Lektüre vor ein paar Minuten beendet. Zur Gattungsfrage:


    Zitat

    Und ich bin, nicht nur wegen dem Anfang, der Meinung, „Der Prozeß“ ist eigentlich kein Roman, sondern eine Novelle oder Erzählung.


    Ich muß sagen, 'der Prozeß' scheint mir auch kein typischer Roman zu sein.
    Der Anfang könnte typischer Weise tatsächlich am Beginn einer Kurzgeschichte stehen, aber dennoch fällt diese Gattung wohl schlicht aufgrund der Länge des Textes aus.
    Mit der Bezeichnung Novelle tue ich mir in diesem Fall auch ein wenig schwer, ohne dies ad hoc wirklich begründen zu können und Erzählung ist meiner Ansicht nach mehr eine Oberkategorie. Ich verwende den Begriff Erzählung meist nahezu gleichbedeutend mit Epik.


    Was mir auffiel war, daß ich an jedem Kapitelende dachte: "So, und nun?" Gerade die letzten Kapitel wirkten auf mich sehr unvollendet. Ich hätte eine logische Fortsetzung des Bisherigen, eine direkte Anknüpfung im folgenden Kapitel erwartet, stattdessen wirkten die einzelnen Kapitel auf mich nahezu unverbunden, der Lesefluß wurde durch den letzten Satz eines Kapitels jäh unterbrochen. Besonders auffällig war dies zwischen dem Kapitel 'Im Dom' und dem Kapitel 'Ende'.
    Dies mag natürlich vom Autor so gewollt sein, aber die Einschätzung Kafkas, der den 'Prozeß' als unvollständig beschrieb, spricht eigentlich nicht dafür.
    Ich würde den Prozeß also vielleicht als Roman-Fragment bezeichnen.



    Zitat

    Ich selbst, empfinde das Buch mit jedem weitern Lesen, als weniger bedrohlich und mehr humorvoll, zum Lachen bringt es mich zwar noch nicht, aber schmunzeln muss ich schon, wenn z.B bei der Verhaftung die Zahl der Zuschauer im gegenüberliegenden Haus in gleicher Weise zunimmt als die Zahl der Verhaftenden.


    Als bedrohlich habe ich den Text auch nicht empfunden. Daß er düster wirken kann, läßt sich vielleicht dadurch erklären, daß z.B. die 'Büroräume' des Gerichtes von einer sehr stickigen, drückenden, krank machenden Luft dominiert sind und viele Szenen in sehr düsteren Räumen spielen (Dom, Stube des Advokaten). In dieser Hinsicht könnte es interessant sein, mal darauf zu achten, welche Personen in diesen Szenen für Licht sorgen, die einzige Lichtquelle halten oder das Licht ggf. auch löschen (Kirchendiener im Dom). Licht in Form von Kerzen, etc. wird ja oft auch sinnbildlich für das Licht der Aufklärung gebraucht, Eichendorff verwendet diese Symbolik beispielsweise in "Auch ich war in Arkadien!".


    Gruß
    Berch[/quote]

    Hallo zusammen,


    Kafkas Handschrift hat mich auch etwas überrascht. Auf den ersten Blick wirkt es doch sehr 'schluderig'. Dies fiel mir umso mehr auf, als mir meine Oma immer wieder berichtet, wie peinlich genau in ihrer Schulzeit (etwa 15-20 Jahre nach der Entstehung des Prozesses) auf eine saubere, ordentliche und klare Handschrift geachtet wurde. Zwar verändern sich Handschriften natürlich im Laufe des Lebens, aber zumindest bei meinen Großeltern hat sich dieses 'saubere', 'gestochene' Element bis ins hohe Alter gehalten.
    Generell finde ich solche Handschriften sehr interessant, weil man einerseits, auch ohne wirklich viele Kenntnisse von Schriftanalyse, ein wenig auf den 'Charakter', zumindest aber auf die aktuelle Verfassung des Autors schließen kann und andererseits auch den 'Entstehungsprozeß' durch Streichungen, Anmerkungen, etc. ein wenig mitverfolgen kann.


    Zitat

    Allgemein wird ja immer die düstere Atmosphäre des Romans angesprochen. Achtet mal drauf wie oft im "Prozeß" von Josef K. oder von anderen Personen, gelächelt, gelacht oder etwas lächerlich empfunden wird. Vielleicht erscheint der Roman dann gar nicht mehr so düster?


    Ich will nicht zuviel vorwegnehmen, aber bisher erscheint mir der Roman, bzw. die Situationen im Roman auch nicht wirklich düster, eher etwas bizarr oder unwirklich. Ob dies nun mit den Situationen, in denen gelacht, gelächelt, etc. zusammen hängt, weiß ich nicht, ich werde da morgen mal näher drüber nachdenken, möchte aber vorweg anmerken, daß ein Lachen oder Lächeln allein noch nicht grundweg positiv sein muß, denn es kann ja auch verhöhnend oder unheilvoll, ja sogar drohend benutzt werden.


    Gruß
    Berch

    Hallo zusammen,


    ich habe mal eben einen Eintrag in der Chronik vorgenommen und ein paar grundlegende Links zusammen getragen. Zu mehr fehlte mir leider die Zeit. Bin aktuell etwas knapp bemessen, meine Dozenten haben sich dann doch mal entschieden, mit den Abgabeterminen für die Hausarbeiten etwas zu drängeln.



    Gruß
    Berch

    "Der Prozess" entstand zwischen 1914 und 1915 und wurde 1924 nach dem Tode Kafkas von Max Brod veröffentlicht. Kafka selbst betrachtete seinen Roman als 'unvollendet'.


    Sein Geschehen erstreckt sich vom Morgen des 30. Geburtstags Josef K.s, der Hauptfigur, bis zum Vorabend des 31., an dem er exekutiert wird. Der erste Satz des Romans formuliert im Gestus der erlebten Rede, die die Perspektive des Erzählers und der Figur vereint und auch den Leser mit einbezieht, ein Urteil über einen Vorfall nach dem Erwachen Josef K.s, das eine klassische Kriminalerzählung einleiten könnte: »Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.« Die hier geweckte Erwartung der Aufklärung eines Rechtsirrtums und der Identifizierung eines im Verborgenen wirkenden Bösen wird aber im Verlauf des Geschehens immer nachhaltiger enttäuscht. Die Verhaftung und ihre begleitenden Umstände, das Gericht und seine ausführenden Organe sowie das Gesetz, dem diese folgen, erscheinen mysteriös und bleiben unverständlich, aber auch K.s eigenes Verhalten ist rätselhaft. (Quelle: Kindlers Literaturlexikon)


    Diese Leserunde ist Teil eines Leseprojekts Kleist-Kafka, bei dem zunächst Kleist 'Prinz Friedrich von Homburg' und anschließend Kleist 'Michael Kohlhaas' gelesen und diskutiert wurde.


    Chronik "Gemeinsames Lesen" Juni 2004 Kleist "Prinz Friedrich von Homburg":
    http://www.klassikerforum.de/forum/viewtopic.php?t=843


    Chronik "Gemeinsames Lesen" Juli 2004 Kleist "Michael Kohlhaas":
    http://www.klassikerforum.de/forum/viewtopic.php?t=874


    Der Text beim Projekt-Gutenberg
    http://gutenberg.spiegel.de/kafka/prozess/prozess.htm


    Die kritische Ausgabe des Textes bei kafka.org.
    http://www.kafka.org/projekt/process/process.html


    Um sich vielleicht einen kleinen Einblick in den Schreibprozess Kafkas zu verschaffen, könnte es sich lohnen, bei kafka.org auch diese Seite anzuschauen http://www.kafka.org/imdom.html
    Hier findet sich die eingescannte Handschrift des Kapitels im Dom.


    Hier noch der Link zum "Gemeinsamen Lesen": http://www.klassikerforum.de/forum/viewtopic.php?t=817


    Gruß
    Berch

    Hallo zusammen,


    vielleicht sollten wir es dann am Besten nicht mehr unter "Gemeinsam Lesen", sondern "Gemeinsam Diskutieren" fassen :zwinker:
    Denn Diskussionsbedarf wird bestimmt bestehen, zumindest, wenn ich aus meiner bisherigen Konfusion beim Lesen schließe...


    Gruß
    Berch