Beiträge von Atomium

    Hallo zusammen,
    hallo Hubert!


    Hubert hat geschrieben:

    Zitat

    wie kommt es, dass Du ausschließlich Schriftsteller der ehemaligen DDR nennst? Aber Du hast recht, sicher alles lesenswerte Bücher und es ist erstaunlich, dass diese Autoren immer wieder vergessen werden. Selbst MRR hat bei seinem Kanon deutschsprachiger Romane keinen Autor aus dem Osten genannt.


    Ich fand, dass diese Schriftsteller in den bisherigen Auflistungen in diesem Strang und auch generell hier im Forum noch nicht ausreichend gewürdigt wurden. Ich hatte mal eine Phase, da habe ich sehr viel DDR-Literatur gelesen. Allerdings nie Hermann Kant. Ich fand, dass die DDR-Autoren beim offiziellen Teil meiner literarischen Bildung zu kurz gekommen waren.


    Zitat

    Warum hast Du Hermann Kant nicht genannt?


    Nun, ich bin nicht in der DDR zur Schule gegangen, deshalb musste ich nicht. In der DDR stand "Die Aula" nämlich auf dem Lehrplan, gemeinsam mit Anna Seghers "Das siebte Kreuz" und Bruno Apitz "Nackt unter Wölfen". Seghers habe ich irgendwann entdeckt, habe auch "Transit" gelesen, beide Bücher sind empfehlenswert.


    Hermann Kant war mir persönlich sehr unsympathisch. Als Reiner Kunze die DDR verlies, hat er gesagt "Kommt Zeit, geht Unrat". Er war Vorsitzender des Schriftstellerverbandes der DDR und hat es den Kollegen, die nicht so "richtig sozialistisch werten" konnten (das ist ein Zitat aus dem Abiturzeugnis eines Freundes), nicht einfach gemacht. Manche der Bücher, die ich aufgelistet habe, waren in der DDR "Bückware", nur unter dem Tresen gestapelt, man musste Beziehungen haben, um sie zu bekommen - denn die Auflage war so klein.


    Ich habe lieber Uwe Johnsson gelesen - angefangen bei den "Mutmaßungen über Jakob" und "Ingrid Babendererde" und dann vieles andere, daher meine Liste, die übrigens nur die Bücher enthält, die ich wirklich empfehlen kann - dazu kommen sicher auch Johnsson und Seghers.


    Ich habe irgendwann angefangen, Bücher bewusst nicht zu lesen oder nicht zu Ende zu lesen. Ich denke, ich brauche "die Aula" nicht für mein Verständnis der DDR.


    Und Strittmaters "Der Laden" habe ich irgendwo in der Mitte zur Seite gelegt und werde es nie mehr zu Ende lesen.


    Gruß
    Atomium

    Hallo Hubert!


    Zitat

    Mehr muß man über den Krieg (jeden Krieg) eigentlich nicht sagen/wissen und es beeindruckt mich, mit wie wenig Text Dos Passos auskommt und doch schon vor über 70 Jahren, ohne Kampfhandlungen zu beschreiben, alles Wichtige über Krieg sagt.


    Stimmt.


    Doch es gibt Figuren (Eveline), die sich am Rande des Kriegs herumdrücken, ohne tatsächlich mit ihm in Berührung zu kommen.


    Das klingt ein bisschen nach "Wasch mich, aber mach mich nicht nass", einer Strategie, die die USA ja auch nach dem 1. Weltkrieg im Hinblick auf Europa angewandt haben. Dos Passos kritisiert im Buch bereits den Völkerbund... obwohl der zum Zeitpunkt der Niederschrift noch nicht (vollständig) gescheitert war.


    Gruß
    Atomium

    Also, ich hab gerade mal gestöbert und noch folgendes gefunden:


    Wilhelm Genazino, z. B "Ein Regenschirm für diesen Tag"
    s. auch: http://www.deutscheautoren.de/autor.asp?ID=61
    Ich habe das Buch vor kurzem gelesen, es liest sich leicht und ist nicht lang, man kann es gut einmal einschieben. Die Sprache ist schön, die Geschichte ungewöhnlich. Wenn ich das Lebensgefühl der Hauptperson beschreiben sollte: Gescheiterter Nach-68er, der in den Tag hineinlebt, aber das mit viel Sprachgefühl.


    Dadurch kam ich dann auf folgende Seite:
    http://www.deutscheautoren.de/index.asp
    , die u.a. W.G. Sebald und Wolf Wondraschek nennt, oder Raoul Schrott,
    ich habe allerdings von keinem dieser Autoren etwas gelesen.


    Und hier noch ein Link zum Perlentaucher:
    http://www.perlentaucher.de/artikel/1250.html
    Unter den "Büchern der Saison" sind danach viele von deutschen Autoren, links gibts wie immer zu den Besprechungen der überregionalen Zeitungen.


    Gruß
    Atomium

    Hallo Katy,


    ich finde es schön, dass außer mir noch jemand zum ursprünglichen Thema dieses Strangs zurückgekehrt ist.


    Deutsche Literatur der letzten fünf Jahre?


    Judith Herrmann: Sommerhaus, später - es gibt noch einen neueren Titel, den ich nicht gelesen habe.
    Ich fand die Geschichten zum Teil sehr gut, zum Teil eher weniger gelungen, aber insgesamt kann ich das Buch empfehlen.


    Ingo Schulze: Simple Stories, 33 Augenblicke des Glücks
    Beides ebenfalls kurze Geschichten, im zweiten Buch allerdings alle miteinander verbunden.


    Wladimir Kaminer: Russendisko, Mein deutsches Dschungelbuch, Militärmusik, Schönhauser Allee, ...
    vieles auch als Hörbuch
    Als Einwanderer sieht und hört Kaminer Dinge, die die Eingeborenen als gottgegeben hinnehmen. Wird wahrscheinlich kein Klassiker, ist aber amüsant.


    Falls jemand nun mal was anderes als Kurzgeschichten empfehlen kann - BITTE!


    Gruß
    Atomium

    Hallo zusammen!
    Ich bin dabei,
    auch wenn ich nicht weiss, wieviel Zeit ich haben werde.
    Ich habe mir das Buch in den Weihnachtsferien besorgt.
    Es gab drei Ausgaben zur Auswahl, leider keine gebundene:


    Reclam (für mich indiskutabel, da nicht haltbar)
    Insel Taschenbuch
    Hamburger Lesehefte


    Ich habe mich für letzteres entschieden.
    Welche Ausgaben habt Ihr denn?


    Gruß
    Atomium

    Hallo!


    sandhofer:
    Ich versuche, Deine Position zu verstehen, muss aber zugeben, dass es mir nicht gelingt.
    Wenn ich es richtig verstehe,
    dann findest Du, dass es verwerflicher ist, die Probleme der Zeit zu erkennen, wie die Ausbeutung der Unterschicht und der Arbeiter, sich politisch links einzuordnen und sich zu engagieren, aber nicht alles für die gute Sache zu geben, als von Anfang an nichts zu erkennen und sich nicht zu engagieren?


    Demnach ist Mary French, die aus welchen Gründen auch immer für die Sache der ausgemergelten Arbeiter kämpft, die Streiks organisiert, sich von den Luxus-Arbeitervertretern abwendet und ohne Bezahlung in einer kalten Stube haust, die dafür kämpft, dass Sacco und Vanzetti nicht hingerichtet werden, schlechter als Eveline Hutchinson, die immer nur an sich denkt und ihr bedeutungsloses (Liebes)leben, als Eleanor, die lieber ihren Vater ausbeutet, obwohl sie keine Gefühle für ihn hat, als wieder in einem billigen Zimmer zu hausen.


    Ich denke eher, dass dos Passos die herrschenden Umstände kritisiert, in denen so viele Leute wegsehen und damit das Elend ermöglichen. All die W.G.s und Dicks, die sich selber hocharbeiten und dann nicht mehr nach unten schauen, um das Elend nicht zu sehen, sie tragen doch zur Ausbeutung bei.


    Mary French ist das naive Mittelschichtmädchen, das sich dafür entscheidet, nach unten zu schauen. Und sie tut es. Sie hat zwar Phasen, wo sie gefährlich nah an die Rolle der Luxusfunktionärin herankommt, aber sie verlässt das goldene Nest wieder und zieht lieber in die ungeheizte Stube. Sympathisch ist sie mir zwar auch nicht, aber immerhin versucht sie etwas zu ändern, im Gegensatz zu unseren "Raumausstatterinnen" E&E.


    Dieses Scheitern am System ist für mich eine der Botschaften des Romans. Natürlich gilt "This is a free country" und der Weg vom Tellerwäscher zum Millionär steht jedem offen. Doch Millionär wird nur, wer bereit ist, selbst andere Tellerwäscher auszubeuten - und nur, weil er sie ausbeutet. Die Freiheit des einen führt zur Unfreiheit des andern.


    Dos Passos selbst ist ja ebenso am System gescheitert. Seine kommunistischen Ideale verliert er und neue Illusionen macht er sich nicht.


    Gruß
    Atomium

    Hallo Markus!
    Jane Eyre gehörte niemals zur Arbeiterklasse oder Unterschicht. Sie ist eine gebildete junge Frau mit abgeschlossener Schulausbildung. Das war zu der Zeit nicht gerade üblich, vor allem nicht für Frauen. Als ungebildete Arbeiterin hätte sie in einer Fabrik gearbeitet oder in einem Geschäft (s. Mary Gahrton von Elizabeth Gaskell - die im übrigen auch eine Charlotte Brontë Biographie geschrieben hat).


    Was Jane Eyre erlebt ist viel mehr der Snobismus der landbesitzenden Oberschicht gegenüber den verarmten Verwandten bzw. der armen unteren Mittelschicht.


    Jane Eyre sprach sicherlich ein korrektes und gutes Englisch - jedenfalls macht sich niemals jemand über ihre Sprache lustig. Auch dies ist ein Zeichen für ihre Schichtzugehörigkeit. Sprache ist übrigens in England immer noch ein Zeichen für die Schicht. Das was wir in der Schule lernen, wird von ca. 3% der Bevölkerung gesprochen...


    Die Sozialkritik Brontës betrifft auch vor allem die Stellung der Frau, die keine Möglichkeit hat, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Alle Berufe führen sie in dienende, abhängige Stellung.


    Gruß
    Atomium

    sandhofer:
    Ich finde es interessant, dass gerade Mac und Mary French Dich so in Wallungen bringen. Warum nicht Eleanor, die ja auch nicht gerade eine Sympathieträgerin ist, warum nicht Eveline, die ebenso die falschen Entscheidungen trifft. Warum nicht Dick E. S., der Opportunist?


    Es sind die beiden, die sich selbst als "Linke" bezeichnen würden, die Du so unsympathisch findest in ihrem Scheitern. Die anderen, die es erst gar nicht versuchen, kommen bei Dir besser weg. Warum?


    Hubert
    Die vier verschiedenen Textarten ergeben ein ganzes Bild. Auch wenn ich die Weltwochenschauen als eher störend empfunden habe am Ende. Es gibt zu viele bruchstückhafte Meldungen, die man heute nicht mehr nachvollziehen kann.
    Die Kurzbiographien dagegen habe ich sehr genossen und auch die Kameraaugen waren oft willkommene Unterbrechungen.
    Ich denke, dass die nicht erzählerischen Teile unabdingbar sind, denn die einzelnen Kapitel sind ja nicht immer verbunden. Viele der Personen begegnen sich nie, manche nur völlig am Rand. Das Buch wäre zu unverbunden ohne die Unterbrechungen (klingt absurd, ist aber so.)


    Gruß
    Atomium

    Mir fallen noch ein paar lesenswerte Bücher ein:


    Christa Wolf: Kassandra, Störfall,
    Christoph Hein: Drachenblut
    Stefan Heym: Der König David Bericht
    Ulrich Plenzdorf: Die neuen Leiden des jungen W., Die Legende von Paul und Paula,
    Günther de Bruyn: Buridans Esel
    Reiner Kunze: Die wunderbaren Jahre
    Jurek Becker: Jakob der Lügner


    Kassandra ist ein wunderbares Buch. Jeder kennt die Geschichte des Trojanischen Krieges, aber immer nur aus der Perspektive der "edlen Helden" und Krieger. Christa Wolf beschreibt den Krieg aus der Perspektive derer, die darunter leiden. Ich habe das Buch zum Beginn des dritten Golfkriegs wieder gelesen. Mein Lieblingszitat: "Wann Krieg beginnt, das kann man wissen. Aber wann beginnt der Vorkrieg? Wenn es da Regeln gäbe, müßte man sie weitersagen."


    Drachenblut ist die sehr beklemmende Geschichte einer einsamen Frau ohne Perspektive. Ärztin, geschieden - verbringt sie Weihnachten bei ihren Eltern, mit denen es keinen Austausch geben kann weil nichts sie verbindet. Nichts außer dem Eingeschlossensein in einen persönlichen Panzer und in einen gepanzerten Staat.


    Der König David Bericht erzählt ebenfalls eine bekannte Geschichte, die des biblischen David. Erzählt aus der Perspektive des Geschichtsschreibers, der den Bericht für die Nachwelt anfertigt zieht die Darstellung der Intrigen und Machtspiele in ihren Bann. Es bleibt die Frage, warum dieses Buch in der DDR veröffentlicht werden konnte. Haben die zuständigen Zensoren wirklich gedacht, es handele sich nur um Kritik an der Kirche?


    Die wunderbaren Jahre sind wirklich wunderbar, da gibt es kein besseres Adjektiv. Die oft kurzen Geschichten erzählen die Probleme von Jugendlichen mit Erwachsenen, Staat, Partei, Freunden.


    Gruß
    Atomium

    Frohe Feiertage!


    Pünktlich zum Fest bin ich fertig geworden, damit kann ich mich jetzt wieder anderen Dingen zuwenden. Die Familie freut sich :zwinker: .


    Ich habe im ganzen Buch keine Hauptfigur gefunden, die mir sympathisch ist. Das ist sicher Absicht.
    Die Männer haben fast alle ein Alkoholproblem. Da gibt es nicht nur Quartalssäufer, sondern mindestens zwei Pegeltrinker.
    Ich frage mich, ob das nicht eine Kritik an der Prohibitionspolitik ist, denn wir befinden uns ja mitten in dieser Zeit. Ständig hängt man in Speakeasies rum und geht zum Bootlegger...
    Dos Passos denkt offensichtlich, dass Prohibition nicht zu mehr Nüchternheit führt sondern nur zu mehr Aufwand beim Saufen.


    Die Frauen dieser Männer werden (nach der Geburt der Kinder) schizophren oder frigide.


    Die weiblichen Hauptfiguren lassen sich nur auf die falschen Männer ein. Es gibt im ganzen Buch auch keine gute Beziehung oder Ehe. Vielleicht kann man es auf den Satz bringen "Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen."


    Beim Durchlesen merke ich, dass mein Beitrag nicht gerade die passende Stimmung für den heutigen Tag verbreitet, deshalb höre ich jetzt auf. Ich habe noch weitere Beobachtungen wie diese auf Lager...


    Gruß
    Atomium

    Hallo!


    Die Pottermania macht vor der Autorin nicht halt! Im Gegensatz zu Herrn Tolkien, der allerdings auch schon tot ist, habe ich sogar ein Bild vor Augen - und das, ohne besonders darauf zu achten.


    Ich habe sowohl den Herrn der Ringe gelesen als auch Harry Potter (so, jetzt ist es raus :redface: ), allerdings ist ersteres verjährt - und ich würde die Zeit heute auch nicht mehr investieren.


    Die Qualitäten, die ich an Harry Potter schätze - und die ihn auch für Erwachsene interessant machen - sind beispielsweise:
    - Er entwickelt sich tatsächlich - im Gegensatz zu vielen anderen Kinderbuchserien, ich erinnere nur an Enid Blyton...
    - Gut und böse sind nicht schwarz-weiss dargestellt, mit zunehmendem Erzählfluss wird die Grauzone immer größer, Professor Snail wäre hier als Figur zu nennen (heisst er so? Über mein Namensgedächtnis habe ich mich heute schon einmal in einem anderen Thread ausgelassen).


    Gruß
    Atomium

    Hallo!


    Ich bin im drittletzten Teil des dritten Bandes angekommen. Aber ich werde wieder vorne beginnen und beim zweiten Lesen die Verbindungen zwischen den einzelnen Teilen besser nachvollziehen.


    Mir geht es im Leben wie beim Lesen leider so, dass ich mir Namen schlecht merken kann. Wenn dann Nebenfiguren in mehreren Kapiteln auftauchen, tue ich mir oft schwer mit Ihnen.


    Außerdem haben sich viele Fragen ergeben, für die ich Antworten suche.
    Warum spielt der Krieg in so vielen Kapiteln über den Krieg so eine marginale Rolle - beispielsweise?


    Ich werde mich in nächster Zeit aber nur sporadisch melden können,


    Gruß
    Atomium

    Hallo!


    Das Buch ist von Pauline Clark und heisst "Die zwölf vom Dachboden" oder im Original "The twelve and the Genii".
    Es hat 1962 die Carnegie Medal gewonnen und 1968 den Deutschen Jugendbuchpreis.
    Ich habe es selbst einmal gelesen, in einem verregneten Urlaub, gefunden in einer Leihbücherei. Ich habe es seitdem immer wieder einmal gesucht, es ist allerdings vergriffen und höchstens antiquarisch zu bekommen. Weder die englische noch die deutsche Ausgabe ergibt ein Resultat bei den bekannten online-Seiten. Die Stadtbücherei scheint deshalb der beste Ort für eine Suche zu sein.


    Kennt Ihr "Angria und Gondal"? Das ist in den achtziger Jahren bei der Frankfurter Verlagsanstalt aufgelegt worden.


    Gruß
    Atomium

    Hallo Emma, hallo zusammen,


    Fo'c'stle heisst "Forecastle" und ist nautisches Englisch. Es heisst Logis oder auch Vorschiff. (Ich wusste es auch nicht, besitze aber zum Glück einen Harper/Collins EN/DE, den ich nur empfehlen kann.)


    zu MAC: Dein Zitat über die Amerikanischen Karrieren finde ich sehr interessant: rags-to-rags statt rags-to-riches.
    Vom Tellerwäscher zum Tellerwäscher.


    Bemerkenswert ist doch, dass es Mac dann am besten geht, als er (vermutlich) durch das Verlassen seiner Familie dafür gesorgt hat, dass es der nächsten Generation auch nicht besser gehen wird und er in Mexico-Stadt als bourgeoiser Buchhändler lebt. Interessant ist hier auch, wie das Buchmotiv immer wieder aufgegriffen wird, um Macs Weg zu beschreiben. Vom Vertreter von Liebesromanen für die Dame und erotischen Romanen für den Herrn über den Besucher von Leihbibliotheken, der kommunistische Standardwerke verschlingt, bis hin zum Buchhändler. Allerdings dauert das Glück nur kurz an, dann muss er Mexiko-Stadt verlassen und wir erfahren nicht, wie die Geschichte weitergeht. Ich habe mittlerweile mit dem 3. Band begonnen und Mac ist noch nicht wieder aufgetaucht.


    Wenn man die Theorie rags-to-rags verfolgt, und sie erscheint mir gut zu belegen, dann ist das Verlassen der Familie und damit die Vekleinerung wenn nicht Zerstörung der Chancen der Kinder nur konsequent. Damit wäre auch die schlechte Beziehung zu Maisie ein Baustein in dem Bauwerk USA, in dem er es nicht weiter bringen kann. Maisies Ansprüche führen dazu, dass Mac keine Rücklagen bilden kann und von Krankheiten oder dem Tod des Vaters aus der Bahn geworfen wird.


    Interessant finde ich auch, dass nur kinderlose Frauen als gute Partnerinnen dargestellt werden. Bei Mac ist das die junge Frau aus Mexiko-Stadt, für J.W. Moorehouse seine Sekretärinnen Miss Rosendahl und Janey sowie seine Muse E.
    Sowie Frauen Kinder bekommen, werden sie zum Problem. J.Ws zweite Frau wird leidend und erotisch uninteressant, Maisie wird nervtötend mit ihren Forderungen, Anne-Elisabeth störend mit ihren Wünschen nach einer gemeinsamen Zukunft.


    Dos Passos wiederholt auch an mehreren Stellen, dass der wahre Kämpfer für die sozialistische Sache allein bleiben muss. Nur ist das ähnlich realistisch wie die tatsächliche Einhaltung des Zölibats. - Übrigens eine interessante Parallele: Sozialismus als Ersatzreligion.


    Was mich stört? Die Freiheit, die Fortpflanzung selbst bestimmen zu können, wird nicht als Recht wie die Rechte der Arbeiter erkannt. Dabei ist dieses Recht, wie man im Buch sieht, für die Wohlfahrt der Arbeiterklasse mindestens genauso wichtig. Doch das hatte die Sowjetunion ja am Ende ihrer Tage auch noch nicht wirklich begriffen. Abtreibungen waren leider häufiger als der Zugang zu funktionierenden Kontrazeptiva.


    Zum 42. Breitengrad:

    Zitat

    12) Außenpolitisch: Kontinentaler Interessenausgleich mit Spanien
    Florida wird im Adam-Onís-Vertrag 1819 an die USA abgetreten. Spanien akzeptiert amerikanische Expansion an den Pazifik über dem 42 Breitengrad; USA erkennen spanischen Besitz im Südwesten an (Texas und Mexiko: Problem jedoch für Spanien: Unabhängigkeitskriege. Spanien verliert 1821 Mexiko => Mexikanischer Präsident setzt 1835 Verfassung Texas außer Kraft => Texanische Revolution) Hintergrund für Monroe-Doktrin; Amerikanischer Kontinent verwahrt sich gegen Rekolonialisierung. (Selbständigkeit: 1810 Ecuador & Kolumbien, 1811 Paraguay. Venezuela, 1813 Rio de la Plata, Uruguay usw.) Realität sah anders aus: "Die lateinamerikanischen Nationen wußten nur zu gut, dass, wenn etwas ihre Unabhängigkeit bewahren helfen konnte, es die britische Kriegsmarinen und nicht die Erklärung Monroes war." (Dippel) Monroe-Doktrin aber Ausdruck gewachsenen Amerikanischen Selbstbewusstseins.


    Quelle: http://www.zum.de/psm/usa/usa4.php


    Der 42. Breitengrad war also eine Zeitlang auch die Grenze zwischen dem bereits unabhängigen Amerika und dem noch kolonialen Mexiko, das das heutige Kalifornien und Texas mit einschloss. Vielleicht auch ein Symbol für die Befreiung von Unterdrückung?


    1919


    AM 18. Januar 1918 beginnt in Paris die Friedenskonferenz.



    Hier sind noch interessante Links, z. B. zu Colonel House:


    http://www.nv.cc.va.us/home/ce…iplomats/House/House.html

    Zitat

    "at last, Mrs. Wilson heard her husband's door open and Colonel House take his leave. 'I opened the door connecting our rooms. Woodrow was standing. The change in his appearance shocked me. He seemed to have aged ten years. Silently he held out his hand which I grasped crying 'what is the matter? What has happened?' He smiled bitterly. 'House has given away everything I had before won before we left Paris'." (A)
    COLONEL HOUSE AND GERMANY'S WESTERN BORDER

    What brought about this traumatic scene? Woodrow Wilson had left Paris and the Paris Peace Conference from February fourteenth to March fifteenth, leaving Colonel Edward House in charge of the American delegation. Wilson made his dramatic response to his wife after being informed by House of what had happened while Wilson was gone. What did House do to make Wilson feel this way, what decisions had he made? House later claimed that he had tried to set the stage for Wilson to return and conclude all outstanding issues at the conference and that he, House, had no intention of finalizing any particular aspects of the treaty, such as the Franco-German border. But House had done enough to cause Wilson to feel that he had to redo everything.


    Ich habe mich lange gefragt, warum der zweit Band einer USA-Trilogie zu einem Großteil in Europa spielt. Eine Erklärung ist, dass dies der erste Auftritt der USA als Weltmacht war. Sicher, die USA haben viele Kriege geführt und gewonnen. Aber mit ihrem Einsatz im WELTkrieg wurden sie zur WELTmacht.


    So, genug,
    Gruß
    Atomium

    Wenn wir mit USA fertig sind, würde ich auch gerne den Grimmelshausen mit lesen. Bisher habe ich mich nicht dazu aufraffen können, hatte auch Angst, nicht durchzukommen.


    Nachdem mir aber das Gemeinsame Lesen von Dos Passos so gut gefällt, freue ich mich schon aufs nächste Buch.


    Es ist sehr anregend, mit anderen zu diskutieren und ich lerne viel dazu!
    Falls es also irgendwann im nächsten Jahr losgeht, ich bin dabei!


    Gruß
    Atomium

    Hallo Christoph,


    Deine Anfangsideen sind schon nicht schlecht. Aufklärung, Selbstbestimmung, Ausgang aus der Unmündigkeit.


    Es gibt ein paar Schlüsselwörter in der Fabel, die Dich noch auf eine weitere Spur bringen können:
    Frömmigkeit, Sittenrichter, heilig


    Außer dem Adel wäre eine weitere in der damaligen Gesellschaft wichtige Instanz eine mögliche Interpretation für die Bären - die Kirche.


    Kennst Du noch mehr Texte von Lessing, etwa den "Nathan" und besonders die Ringparabel?
    Was weisst Du über seine Gedanken zur Kirche?


    Was mir als Interpretationshilfe auch noch einfällt, ist folgender Zusammenhang:



    Zitat

    Jean La Fontaine (*1621 +1695).


    Lessing kannte LaFontaine. Er hat seine Fabeln auch bewusst als Kontrapunkt zu denen seines französischen Kollegen gesetzt:


    http://www.uni-essen.de/litera…orlesungen/epik/fabel.htm


    http://www.udoklinger.de/Fabeln/Gattung.htm


    http://www.udoklinger.de/Fabeln/Absicht.htm


    Du könntest auch einen kleinen Exkurs zum LaFontainschen Charakter der Figuren Bär und Fuchs machen und erklären ob und warum sich Lessings Charakterisierung von dieser unterscheidet.


    Ich hoffe, die Ideen helfen Dir weiter.


    Gruß
    Atomium

    Ist das folgende Fabel?


    Die Bären
    Den Bären glückt' es, nun schon seit geraumer Zeit,
    Mit Brummen, plumpem Ernst und stolzer Frömmigkeit,
    Das Sittenrichteramt, bei allen schwächern Tieren,
    Aus angemaßter Macht, gleich Wütrichen, zu führen.
    Ein jedes furchte sich, und keines war so kühn,
    Sich um die saure Pflicht nebst ihnen zu bemühn;
    Bis endlich noch im Fuchs der Patriot erwachte,
    Und hier und da ein Fuchs auf Sittensprüche dachte.
    Nun sah man beide stets auf gleiche Zwecke sehn;
    Und beide sah man doch verschiedne Wege gehn.
    Die Bäre wollen nur durch Strenge heilig machen;
    Die Füchse strafen auch, doch strafen sie mit Lachen.
    Dort brauchet man nur Fluch; hier brauchet man nur Scherz;
    Dort bessert man den Schein; hier bessert man das Herz.
    Dort sieht man Düsternheit; hier sieht man Licht und Leben;
    Dort nach der Heuchelei; hier nach der Tugend streben.
    Du, der du weiter denkst, fragst du mich nicht geschwind:
    Ob beide Teile wohl auch gute Freunde sind?
    O wären sies! Welch Glück für Tugend, Witz und Sitten!
    Doch nein, der arme Fuchs wird von dem Bär bestritten,
    Und, trotz des guten Zwecks, von ihm in Bann getan.
    Warum? der Fuchs greift selbst die Bäre tadelnd an.
    *
    Ich kann mich diesmal nicht bei der Moral verweilen;
    Die fünfte Stunde schlägt; ich muß zum Schauplatz eilen.
    Freund, leg die Predigt weg! Willst du nicht mit mir gehn?
    Was spielt man? Den Tartüff. Dies Schandstück sollt ich sehn?



    Und hier ein Link zu "Tartuffe" - von Molière:


    http://www.odysseetheater.com/tartuffe/tartuffe.htm



    Mit dem Wissen im Hinterkopf,
    was fällt Dir den selbst dazu ein?


    Gruß
    Atomium

    Hallo Hubert & Co.!


    Soso. Kondome also.
    Zunächst mal habe ich recherchiert:
    Bei Planned Parenthood (Pro Familia in USA) bin ich fündig geworden:


    Zitat

    Rubber condoms were mass-produced after 1844, when Charles Goodyear patented the vulcanization of rubber, which he invented five years earlier. Condoms made of sheep's intestines are still available. They are now disposable and should only be used once. In the 1940s and 50s, they were washed, slathered in petroleum jelly, and kept in little wooden boxes in a bedroom drawer—but they weren't talked about—in front of the kids, anyway.


    The American Social Hygiene Association fought hard to prohibit condom use in the early part of this century. Social hygienists believed that anyone who risked getting "venereal" diseases should suffer the consequences, including American "dough boys"—U.S. soldiers who fought in World War I. The American Expeditionary Forces, as our army was called, were the only armed forces in Europe during the war who were denied the use of condoms. It is not surprising that our troops had the highest rates of sexually transmitted infections of all—70 percent of our "boys" were just unable to "just say 'no.'"


    The Secretary of the Navy was only one of many military leaders who believed that condom use was immoral and "unChristian." It was a young Assistant Secretary of the Navy, Franklin Delano Roosevelt, who, when his boss was away from the office, ordered the distribution of prophylactic kits to help sailors treat infections that they could have prevented with condoms.


    Quelle: http://www.plannedparenthood.org/articles/condomhistory.html


    Das erklärt doch, warum die Seeleute und Soldaten alle solche Probleme haben. Und was J.W. und seine Abenteuer in Atlantic City angeht, da wird es noch eine kleine Enttäuschung in Hinblick auf Empfängnisverhütung geben...


    Doch nun zur interessanten Frage

    Zitat

    (Woher ich das weiss? ) Woher? Erzählen?


    In der Zeit kurz nach dem ersten Weltkrieg, so erzählte es mir die Zeitzeugin meines Vertrauens, damals ein Grundschulkind, hingen bei Ihrer Tante in der "Guten Stube", die nur am Sonntag betreten wurde (wenn überhaupt) merkwürdige Dinge zum Trocknen aufgespannt, längliche Säckchen unbestimmbarer Verwendung. Sie traute sich aber nicht die Tante zu fragen. Als sie ihre Mutter danach fragte gab die eine merkwürdige Antwort. Jahre später erklärte ihr die Mutter, dass es sich um Kondome gehandelt habe, wohl die oben erwähnte waschbare Sorte. Die Mutter hatte übrigens nach der Entdeckung ihrer Tochter auch dafür gesorgt, dass Ihre Schwägerin das Trocknen an einem unzugänglicheren Ort vornahm...


    Gruß
    Atomium

    Hallo!


    sandhofer: Ja, Dos Passos war in der Zeit, als er die Trilogie schrieb, noch Sozialist. Er hat seine positive Einstellung zum Sozialismus erst in Spanien in der Zeit der Befreiungskriege verloren:


    Zitat

    From Radical to Reactionary
    By the time U.S.A. was published, its author had moved away from the powerful clear indictment of a corrupting monopoly capitalism and his hope for redemption through collective action. In some ways the move was gradual as Dos Passos grew increasingly suspicious of the Communist Party. His visit to Soviet Russia in 1928 did not convince him that the Communist leaders were seriously improving the lives of common people. Nevertheless in America during the Twenties and into the Thirties, the causes Dos Passos supported had Communist support as well, and often, it seemed, when good-hearted liberals seemed to abandon justice if it threatened civility, the Communists remained true. Of all the forces on the political left which Dos Passos supported, the Communist Party, disciplined and organized, was the only one during the decades after World War I which appeared to have a chance of successfully organizing the working class. They were on the right side.
    However, there began to emerge in the American Communist Party a darker desire to control the movements of the political left, even when it meant undermining or destroying their allies. Dos Passos began to suspect more and more that the Communists' primary commitment lay with developing their own power, not that of the laboring man. He saw it in their desire to produce martyrs during the Harlan, Kentucky, Miner's Strike of 1931, and again in their disruption of a Socialist meeting at the Madison Square Garden in February, 1934. The critical moment occurred a few years later in Spain during the Spanish Civil War. The Communists targeted a fellow sympathizer, a close friend of Dos Passos, Jose Robles, and in 1937 set up his execution.
    The bullet which killed Jose Robles also killed any vestige of sympathy Dos Passos held for the Communists. He understood, with no turning back, that mass movements aimed at improving the common good were exceedingly susceptible to manipulation and control by despotic leaders. Hitler, Stalin, they were all the same. After 1937 the "enemy" which Dos Passos feared the most shifted from capitalists to the totalitarianism of fascism and communism. Both paid lip service to the "will of the people" while establishing despotic rule.

    (Link hab ich früher schon mal kopiert).


    Warum stellt er also Mac als Verlierer dar?


    Ein Teil der Sozialkritik ist es auch, zu zeigen, dass die Menschen von sich selbst aus nicht aus der Unfreiheit und Armut ausbrechen können. Das hat viel früher schon Elizabeth Gaskell gezeigt in "Mary Barton", noch ohne das Wort "Sozialismus" zu kennen, das zeigt Charles Dickens immer wieder. Mac ist das Produkt seiner Umwelt. Er weiß nicht viel, versucht, zu lernen, ist aber zu zögerlich.


    Mac lässt sich treiben, wird immer wieder von etwas eingefangen, macht sich aber wieder frei weil er denkt, er hätte ein besseres Ziel gefunden, lässt sich wieder treiben um gleich darauf wieder, wie ein Stück Holz, irgendwo hängen zu bleiben. Es scheint, als habe er immer nur die Antriebsenergie für das Losmachen, aber nicht mehr die Energie für den Weg, und ganz sicher nicht die Energie, am Ziel zu kämpfen.


    Viele der Figuren des Buchs lassen sich so treiben. Als Gemeinsamkeit aller Hauptfiguren fällt mir bisher folgendes auf:
    - alle haben eine sehr schwache Bindung an ihre Eltern,
    - alle verlassen das Elternhaus früh und kommen entweder nie oder extrem selten zurück,
    - Zufälle bestimmen die Entwickung stärker als der eigene Wille.


    Der einzige, der irgendwann genug eigene Ideen entwickelt um unabhängig zu werden, ist J. Ward Moorehouse.


    Die Männer sind alle stark triebgesteuert, zumindest alle in ihrer Jugend. Alkohol und Sex - natürlich auch in Verbindung - sind wichtiger als der Gedanke an die Zukunft, wichtiger auch oft als der Kampf für die gute sozialistische Sache :zwinker:


    Die Frauen, die näher vorgestellt werden, sind dagegen enthaltsam bis asexuell. Falls sie dieses Verhalten aufgeben folgt die Katastrophe auf den Fuß. Heilige oder Hure. Enthaltsam oder schwanger. Das sind die Alternativen.


    Was mich wundert - ungewollte Schwangerschaften und Geschlechtskrankheiten grassieren als wären sie unausweichlich. Waren Kondome damals in den USA ungebräuchlich? In Deutschland wurden sie in der gleichen Zeit, zumindest in protestantischen Kreisen, schon erfolgreich verwendet. (Woher ich das weiss? :lol: )


    Gruß
    Atomium

    Guten Abend!


    Ich habe im Moment einen Durchhänger. Ich bin irgendwo im zweiten Band. Alle Protagonisten sind irgendwo in Europa, zumeist unterwegs. Wollen zwar beim Krieg dabeisein aber möglichst nicht so nah. Das ergibt ein endloses hin- und herreisen, eine kette von Saufgelagen usw.


    Immer wieder wird von den deutschen Grausamkeiten gesprochen. Weiss jemand etwas darüber? Ich hatte bisher immer geglaubt, dass im ersten Weltkrieg die Schlachten zwar fürchterlich waren, dass es aber nicht als Regelfall zu Grausamkeiten gegenüber der Zivilbevölkerung kam. Da ist von belgischen Babys die Rede, denen die Deutschen die Hände abhacken.


    Ich wohne in Belgien und habe davon noch nie gehört.


    Was will Dos Passos mit diesen Aussagen erreichen?


    Gruß
    Atomium