Beiträge von Harald

    Hallo Sandhofer,


    Klar sagt mir Celestino Piatti etwas. Von meinen dtv-Bänden mit Piatti-Design sind mir nicht viele geblieben (unter ihnen Heinrich Mann, Der Untertan). Wie kommst Du gerade jetzt auf ihn?


    Gruß, Harald

    Hallo zusammen,


    Ich habe gestern das zweite Buch zuende gelesen.


    Zitat von "Sandhofer"

    Nicht nur Milton. Das Paradies, von dem hier die Rede ist, der ursprüngliche Aufenthaltsort von Adam und Eva, wurde eigentlich schon immer auf der Erde lokalisiert. Es gibt noch ein zweites, himmlisches: den Aufenthaltsort der Engel und Gottes. Milton erzählt davon in Buch V. Es ist auch dieses zweite Paradies, das Dante besucht.


    Ich meine mich zu erinnern, dass Dante auch das irdische Paradies gesehen hat. Es liegt auf dem Gipfel des Läuterungsberges..?!


    Was Milton vor Dante voraus hat, ist eine profunde Kenntnis auch der griechischen Überlieferung. Mein Kommentar nennt aber auch immer wieder Anklänge an Shakespeare, Tasso, Spenser... Wie reich die literarische Tradition schon zu Miltons Zeiten war, ist ja beinahe beängstigend.


    Die Erzählperspektive (Allwissenheit des Erzählers) ist doch ganz normal für fiktionale Texte?


    Ansonsten finde ich, dass die Darstellung der gefallenen Engel, der Hölle und was man indirekt vom Himmel vernimmt, sehr "irdisch" ist, d.h. die Darstellung ist sehr plastisch und anschaulich. Der Konflikt zwischen Satan und Gott wird wie der Kampf um ein Königreich geschildert. Nach dem gescheiterten Aufstand wird man ins Exil (= Hölle) getrieben und berät, wie man am geschicktesten weiter vorgeht.


    Sehr schön finde ich auch die Formulierung


    a race of upstart creatures


    (Buch 2, Zeile 834?)


    frei übersetzt, "ein Geschlecht von Emporkömmlingen". Damit meint Satan die Menschen! Man hört die Verachtung des Alt-Aristokraten für den "homme nouveau", der plötzlich auch etwas sein will... also alles in allem sind es von der Psychologie her Menschen in Engels-/Teufelsgestalt, nicht umgekehrt.


    Die verschiedenen Wortfelder waren mir so nicht aufgefallen... werde da jetzt mehr drauf achten.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Zitat von "Hubert"

    Hast Du die Definition im folgenden nicht indirekt geliefert?


    Wenn Du es so sehen willst, ja. Nur dass ich meine, dass es so etwas nicht geben kann. Man kann ja auch den Begriff "hölzernes Eisen" oder "Primzahl größer 24 und kleiner 28" definieren, mit der Folge, dass nichts unter diesen Begriff fällt.


    Trotzdem gefällt mir die Definition. Ich kann sie zumindest verstehen. Das Existenzproblem liegt dann auf einer anderen Ebene.


    Zitat von "Hubert"

    Ich war mal auf einem Seminar "Freier Wille - gibt's das?" und da wurde das so definiert. Und der Dozent gab am Schluß Anleitungen, wie man freies Handeln trainieren kann. (Also theoretisch ist der Freie Wille vorhanden, er wird nur nicht genutzt, weil die Menschen determiniert oder zufällig handeln)


    Ich bin immer wieder erstaunt, was Du alles weißt bzw. schon gemacht hast. In diesem Fall würde ich aber vermuten, dass das Training darin besteht, eine Determinierung (ein inneres "Programm") durch ein anderes zu ersetzen. Wie ein Computer, der sein eigenes Programm modifizieren kann. Vielleicht ist es auch das, was Hofstadter meint.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Zitat von "Hubert"

    wenn also Hofstadters Argumentation in „Gödel, Escher, Bach“ für Maschinen richtig ist, dann muss sie auch für den Menschen richtig sein.


    Ja, wenn seine Argumentation stimmt und in dem Sinne, in dem er "frei" verwendet. Welcher Sinn das ist, ist mir im Moment unklar.


    Zitat von "Hubert"

    Im übrigen gibt es Wege, den freien Willen zu trainieren.


    Wie kann man das sagen, wenn man noch gar nicht weiß, was "freier Wille" heißen soll??? Außerdem, wenn der Wille frei ist, was gibt es da zu trainieren?


    Herzlichen Gruß, Harald

    Hallo Fuu,


    Danke für die Info. Obwohl, dass die erste Übersetzung erst 1793 vorgelegen haben soll...?? Google-Suche ergab:


    http://susi.e-technik.uni-ulm.…D=1068016549290&BandNr=11


    Übersetzt wurde das Gedicht zuerst von Th. Haake (gest. 1690), doch ist diese Übersetzung jetzt verloren; dann von Bodmer (Zürich 1732), Zachariä (Altona 1762), Bürde (Berl. 1793), Prieß (Rostock 1813), Rosenzweig (Dresden 1832), Kottenkamp (Stuttgart 1841), A. Böttger, Schuhmann (2. Aufl., Stuttg. 1877), Eitner (Hildburgh. 1867).


    Kurios, eine verlorengegangene Übersetzung... also etliche Übertragungen, die aber nicht mehr leicht zugänglich sein dürften.


    Zitat

    Also rennt mir nicht zu schnell.


    Bei mir besteht da keine Gefahr :smile:


    Gruß, Harald

    Hallo Fuu,


    Zitat von "Fuu"

    Persönlich frei sein, heißt für mich, dass keine andere Person über die meinige verfügen darf. Das, was ich darf oder nicht darf, sollte dann von der Bestimmung eines Anderen nicht abhängig sein.


    In diesem Sinne ist natürlich niemand frei.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Hallo markizy,


    Zitat von "markizy"

    Der Mensch ist frei etwas tun zu können (Handlungsfreiheit) und kann aus den vielen Handlungsvarianten eine auswählen (Wahlfreiheit).


    Hubert hatte schon verdeutlicht, dass es keine Handlungsfreiheit gibt.


    Was die Wahlfreiheit betrifft, so ist das Problem, wie schon mehrfach von mir beschrieben, folgendes: Auch wenn die Entscheidung eines Menschen eine Auswahl aus mehreren Möglichkeiten ist, muss doch irgendetwas diese Entscheidung bestimmen. Das muss kein äußerer Zwang sein, das kann auch eine innere Instanz sein. Ich sehe nur zwei Möglichkeiten: Entweder es gibt eine (innere oder äußere) Ursache für eine konkrete Entscheidung - dann war die Entscheidung davon determiniert, oder es gibt gar keine Ursache - dann handelt es sich um reinen Zufall. Ich sehe nicht, wie eine dritte Möglichkeit logisch konstruiert werden kann.


    Um auf das Beispiel der geworfenen Roulettekugel noch einmal einzugehen. Vom Gesichtspunkt der klassischen Mechanik ist ihr Verhalten 100% determiniert: Wenn man die Drehung der Scheibe, den Anwurf der Kugel (Richtung, Geschwindigkeit) und die Materialeigenschaften der beteiligten Gegenstände (Elastizität der Kugel etc.) kennt, steht das Ergebnis nach den Gesetzen der Mechanik schon in dem Zeitpunkt fest, wo die Kugel geworfen wird. Wir wissen zwar nicht, was herauskommt, weil die Berechnung viel zu kompliziert ist, aber theoretisch steht das Ergebnis fest.


    Es gibt also keinen Zufall!!! Warum reden wir trotzdem von Zufall, Wahrscheinlichkeiten (1/37 pro Zahl etc.) usw.? Nur weil wir das Ergebnis nicht berechnen können. Der Vorgang des Werfens der Kugel ist so aufgebaut, dass die Variation der Anfangsbedingungen bei jedem Wurf zu einer gleichmäßigen Verteilung der Resultate führt.


    Der Mensch ist ungleich komplizierter als eine Roulettekugel. Trotzdem wäre es auch hier denkbar, dass die unterschiedlichen Ergebnisse z.B. der Berufswahlen (einer wird Richter, ein anderer Schreiner etc.) nur zufällig verteilt erscheinen, in Wirklichkeit aber in jedem Einzelfall zu 100% determiniert sind - dass wir diese Determination nicht berechnen können, beweist noch nichts.


    Zitat von "markizy"

    Wenn wir eine Statistik erstellen würden, wie viele Menschen in welchen Berufen arbeiten, so würden wir beispielsweise feststellen, dass 1,3 % der Bevölkerung Fernfahrer sind, 5% Ärzte, 4% Richter, 6% Lehrer und 2% Schreiner (alles fiktive und erdachte Zahlen, hat nichts mit der Realität zu tun). Also könnte ich, um beim Modell zu bleiben, behaupten, dass mein Nachbar mit der Wahrscheinlichkeit von 2% Schreiner werden kann.


    Das ist ein typischer Irrtum im Umgang mit Statistik, den man häufiger findet. Zur Aufklärung: Wahrscheinlichkeitsaussagen beziehen sich immer auf bestimmte Grundmengen, nie auf singuläre Objekte. Wenn z.B. 2% der Bevölkerung Schreiner sind, dann gilt folgendes: Wenn Du aus eben dieser Gesamtmenge (die deutsche Bevölkerung z.B.) zufällig einen auswählst, d.h. so, dass jeder mit gleicher Wahrscheinlichkeit ausgewählt werden kann, dann bekommst Du mit einer Wahrscheinlichkeit von 2% einen Schreiner. Es ist aber falsch zu sagen, dass ein bestimmtes Individuum dieser Menge mit 2% Schreiner ist. Das ist schon deshalb falsch, weil jedes Individuum zu unterschiedlichen Gesamtheiten gehört und weil die Wahrscheinlichkeiten entsprechend variieren können.


    Zitat von "markizy"

    Was ich mit diesem Beispiel zeigen wollte, ist, dass des Menschens Verhalten weder determiniert noch zufällig ist, sondern von einem freien Willen bestimmt ist.


    Das eben verstehe ich nicht. Was heisst denn nun "freier Wille"? Das ist immer noch nicht erklärt worden. Siehe oben!


    Zitat von "markizy"

    Da ich unter gleichen Umständen eben nicht anders entscheide, weil ich es nicht will und es faktisch auch nicht kann, folgt dann daraus, dass der Mensch keinen freien Willen hat? Ich behaupte, dass er es als gesamte Gattung Mensch dennoch ist, aus der gesamten Menschheit würden sich bestimmt einzelne Exmplare finden, die die eben genannte Variante präferieren würden.


    Deine Argumentation: Der Wille ist frei, weil einige Menschen so und andere anders entscheiden, ist ja durch mein Beispiel der Roulettekugel widerlegt worden. Auch dort "entscheidet" sich die eine Kugel für die 17, die andere für die 24, und trotzdem gibt es keinerlei "Freiheit". Noch mal zur Verdeutlichung meines Argumentes: Wenn Deine Argumentation für die Menschen zulässig und richtig ist, dann muss sie auch für die Kugel zulässig und richtig sein, weil die Voraussetzungen gleich strukturiert sind. Wir wissen aber von der Roulettekugel, dass die Schlussfolgerung nicht zutrifft. Also kann die Argumentation auch an anderer Stelle nicht stimmen. Das bedeutet nicht, dass das Ergebnis dieser Argumentation nicht wahr ist! Es bedeutet, dass an der Herleitung des Ergebnisses etwas faul ist.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Zitat von "Hubert"

    Im übrigen habe ich auch schon versucht, Diskussionsteilnehmer für diese Diskussion zu gewinnen.


    Ja, das habe ich gesehen :smile:


    Zitat von "Hubert"

    Hattest Du nicht eigentlich mal Interesse am Bibelprojekt gezeigt? Was hindert dich an der Teilnahme?


    PS: Und wieso hast du dich damals so kommentarlos aus der Grimmelshausen-Leserunde verabschiedet?


    Das Interesse hatte ich und habe ich noch immer. Mich hindern nur Zeitgründe. Den Grimmelshausen hatte ich übrigens mit zuende gelesen, soweit ich mich erinnere, aber beim Dorian Gray bin ich rausgepurzelt... Erst hatte ich zuviel zu tun, um posten zu können, dann war ich krank... und dann lag ich soweit zurück, dass es keinen Sinn mehr machte. Zugegeben, es war nicht die feine Art, sich sang- und klanglos zu verabschieden... :redface:


    Aber gerade deshalb möchte ich mich jetzt nur noch zu Leserunden anmelden, bei denen ich sicher bin, dass ich auch dabei bleiben und dazu beitragen kann.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Ja, das zweimalige "einst" in der Übersetzung, dem im Original nichts entspricht, war mir auch aufgefallen. Es verleitet natürlich dazu, das Imperfekt als Vorvergangenheit zu interpretieren.


    Nun, der Übersetzer muss nicht nur die Aussage, sondern auch das Versmaß übertragen. Ich vermute deshalb, dass das "einst" hauptsächlich der Vervollständigung des Versmaßes dient.


    Eigentlich schade, dass nur diese eine Übersetzung erhältlich ist. Es muss doch etliche Übertragungen ins Deutsche gegeben haben. Weiß jemand etwas darüber? Und wer hat die Reclam-Version übersetzt?


    Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Zitat von "Hubert"

    Ich selbst glaube nicht, dass logische Beweisführungen uns bei sozialen Problemen weiterbringen.


    Nein, aber sie können die Zulässigkeit von Begriffsbildungen überprüfen helfen. Und da Begriffe wie der, über den wir in diesem Thread diskutieren, auch in Diskussionen um soziale Probleme verwendet werden, kann es meiner Meinung nach nicht schaden, die Analysefähigkeit zu stärken. Ich gebe aber gern zu, dass das nicht jedermanns Sache ist.


    Zitat von "Hubert"

    wirst Du mich verteidigen, wenn ich morgen eine Bank überfalle und der Richter mir nicht glaubt, dass ich jede Handlung, die ich unterlassen darf, auch ausführen darf?


    Nein, das würde ich nicht. Ich würde dem Richter erklären, dass ich nicht gesagt habe, dass man alles, was man unterlassen darf, auch ausführen darf. Ich würde dem Richter weiter erklären, dass ich gar nichts über "dürfen" oder "nicht dürfen", sondern nur etwas über "müssen" und "können" gesagt habe. Schließlich würde ich nachweisen, dass ich nur folgendes gesagt habe: Eine Unterlassung nicht tun zu müssen ist gleichbedeutend damit, die Handlung tun zu können. Beispiel: Wenn ich nicht gezwungen bin, nicht zu rauchen, bedeutet das soviel wie dass ich rauchen kann (nicht "darf").


    Tja - Pech für Dich! :zwinker:


    Das mit der Bank überlegst Du Dir noch mal, ja?


    Zitat von "Hubert"

    Davon abgesehen, konnte ich bei deiner Beweisführung keine Stelle finden, die die von mir abgelehnte These, dass es bei 1 Mose 3 um Sex geht, unterstützt.


    Sorry, ich war noch nicht so weit gekommen, auf den entsprechenden Teil Deines Postings einzugehen. Also jetzt:


    Zitat von "Hubert"

    Das alles ist aber i.M. nicht mein Thema. Im Bibelprojekt ging es mir nur darum, zu sagen, dass der Jahwist in 1 Mose 3 nicht von Sexualität spricht. Wenn Du da anderer Meinung bist, können wir darüber gerne diskutieren. Oder hast Du darüber noch nicht nachgedacht?


    Ich habe in der Tat noch nicht darüber nachgedacht. Ich habe noch nicht einmal den 1 Mose 3 gelesen... kann deshalb nichts Vernünftiges dazu sagen. Vielleicht ein anderes Mal.


    Zitat von "Hubert"

    In diesem Buch „Gödel, Escher, Bach“ geht der AI-Forscher Douglas R. Hofstadter davon aus, dass sich freier Wille mechanisieren lässt, d.h. eines Tages wird es entscheidungsfreie Maschinen geben.


    Das Buch ist mir natürlich ein Begriff, gelesen habe ich es aber noch nicht. Wäre doch sehr interessant, 1. wie Hofstadter in diesem Zusammenhang "freien" Willen definiert und 2. wie er zu diesem auf den ersten Blick paradoxen Ergebnis kommt.


    Danke für den Hinweis! Auf Hofstadter als Quelle zum Problem der Willensfreiheit wäre ich nicht gekommen, aber so abwegig ist es eigentlich nicht...


    Herzlichen Gruß, Harald

    Hallo marin und Hubert,


    Ich sehe kein Problem, wenn man die von Milton verwendete Vergangenheitsform auf den Erzählzeitpunkt statt auf den Handlungszeitpunkt bezieht. Milton hat ja nicht die Vorvergangenheit gewählt:


    "And more endangered than when Argo had passed"


    etc., also ist es aus Sicht des Erzählers einfach Vergangenheit und nicht notwendig vor der Satan-Handlung.


    Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Zitat von "Hubert"

    Ich habe m.W’s im Bibelprojekt gesagt, dass es m.M.n. bei 1 Mose 3 nicht um Sexualität geht, sondern um freien Willen. Damit ist noch nicht gesagt, dass wir Menschen völlige Willensfreiheit haben und auch wenn man sich nicht auf jede Diskussion einlässt, heißt das noch nicht, dass man sich zu diesem Thema noch keine Gedanken gemacht hat, manchmal fehlt die Zeit oder man hat einfach keinen Diskussionsbedarf.


    Einverstanden. Meine zugegebenerweise etwas provokante Formulierung war übrigens nicht speziell auf Dich gemünzt und außerdem durch "Scheint" etwas abgemildert... ich freue mich aber über jede Antwort.


    Zitat von "Hubert"

    Das ist m.M.n. schon mal ein absurder Gedanke, kein Mensch kann tun, was er will. Ich z.B. will fliegen wie ein Vogel,- aber ich kann’s nicht tun. Also wenn Du das unter „Willensfreiheit“ verstehst, dann gibt es keine.


    Ebenfalls einverstanden. Die Frage ist dann aber: Ist der Wille irgendwie da - oder ist der Wille gewollt? Mit anderen Worten: Gibt es nur den Willen, der sich auf eine Handlung richtet, oder gibt es auch den Willen, der sich auf den Willen richtet - usw. in beliebig hoher Stufenfolge? Wenn man die (für mich) etwas abstruse Vorstellung einer Stufenleiter von Willensentscheidungen ablehnt, muss man annehmen, dass der Wille (z.B. der Wille "ich will fliegen") einfach da ist, d.h. irgendwie aus dem Inneren der Seele hervorkommt, ohne jede bewußte Entscheidung. Was bedeutet dann aber "Freiheit"?


    Zitat von "Hubert"

    Wille wäre m.M.n. als Fähigkeit zur autonomen Entscheidung, Ausführung und Beurteilung eigener Handlungen, unabhängig von inneren oder äußeren Zwängen zu verstehen.


    Diese Definition scheint mir Sandhofers Lexikondefinition sehr ähnlich zu sein (Wille als bewußte Entscheidung). Ich dachte aber, der Wille wäre die "autonome Entscheidung, Ausführung etc.", was etwas ganz anderes ist als "die Fähigkeit zur autonomen Entscheidung, Ausführung etc.".


    Zitat von "Hubert"

    Ich gebe Dir zwar recht, dass man mit Zitaten nichts beweisen kann, trotzdem finde ich in diesem Zusammenhang das folgende Zitat von Jean Jacques Rousseau sehr passend:
    "Die Freiheit eines Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will."


    Interessantes Zitat. Ich kann beweisen, dass aus der zweiten Alternative die erste folgt. Hier der Beweis:


    Annahme: Ein Mensch (M) muss nicht tun, was er nicht will. D.h.


    M will H nicht tun => M muss H nicht tun


    wobei H für eine beliebige mögliche Handlung steht. Nun gibt es zu jeder Handlung H auch die Unterlassung dieser Handlung, nennen wir sie U(H), die man ebenfalls wollen und tun kann. Da obiges für alle Handlungen gilt, gilt es auch für U(H):


    M will U(H) nicht tun => M muss U(H) nicht tun


    In Worten: Aus "man muss nicht tun, was man nicht will" folgt: "Man muss keine Unterlassung tun, die man nicht will".


    U(H) nicht tun wollen heißt aber H tun wollen. Und U(H) nicht tun müssen heißt H tun können. Also bedeutet der Satz:


    M will H tun => M kann H tun


    und das für jede denkbare Handlung H.


    :smile: :smile: :smile:


    Ich glaube, das reicht für's erste...


    Herzlichen Gruß, Harald

    Hallo zusammen,


    Vielen Dank für Eure Meinungen! Da ich am Wochenende offline war, komme ich erst heute dazu, meine Antworten zu formulieren. Ich fange mal mit Hafis' Beitrag an:


    Zitat von "hafis50"

    Handelt ein triebtäter, ein wahsinniger ohne willen? Wohl nur im extremfall wäre die forensische unzurechnungsfähigkeit anzunehmen


    Nun, das ist eben eine Definitionsfrage. Wenn man "Wille" wie im von Sandhofer angeführten Lexikoneintrag definiert, dann ist die Zielgerichtetheit eines Triebtäters, Wahnsinnigen (oder z.B. eines intelligenten Tieres) eben nicht als "Wille" zu bezeichnen, da es sich nicht um eine "bewußte Wahl" handelt.


    Nun wissen wir seit Freud, wieviel Unbewußtes auch in unserem Bewußtsein mitwirkt. Es könnte durchaus sein, dass "Bewußtsein" oder "bewußte Entscheidung" eine innere Illusion ist. Diese psychologische Sichtweise ist allerdings eine ganz andere Problematik. Mir geht es eher um die Logik der Begriffe. Z.B. im folgenden:


    Zitat von "hafis50"

    Die handlungsfreiheit des gelähmten ist gebunden, seine willensfreiheit nicht.


    Erstens, wenn die Handlungsfreiheit durch körperliche Konstitution gebunden sein kan, wieso dann nicht die Willensfreiheit durch geistige Konstitution? Wenn mir z.B. eine Handlungsalternative nicht einfällt, weil ich die Intelligenz oder die Phantasie dazu nicht habe, schränkt das nicht den Willen (d.h. nach Sandhofers Definition: Die Wahlfreiheit meines Bewußtseins) ein? Zweitens, mir ist noch immer unklar, was "Willensfreiheit" heißt. Aber Du sagst ja selbst:


    Zitat von "hafis50"

    Willensfreiheit ist ein diffuses konzept. Die FAZ brachte in den letzten monaten zahlreiche artikel, in denen dieser philosophische begriff sich an den erkenntnissen moderner hirnforschung messen lassen mußte.
    Es gab starke argumente dafür, daß es sich sich mehr um ein konstrukt denn um ein reales belegbares faktum handelt.


    Das halte ich für sehr plausibel. Schade, dass mir diese Artikel entgangen sind.


    Zitat von "hafis50"

    Die einfachste definition von willensfreiheit wäre wohl: die freiheit, sich unter den gleichen umständen anders entscheiden können.
    Aber wie will man dies nachweisen?


    Das ist ein sehr interessanter Gedanke. Dies würde ich gerne etwas ausführlicher kommentieren.


    Gleich vorweg meine Arbeitshypothese: Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Jedes beobachtbare Phänomen (damit auch der Wille) ist entweder determiniert oder völlig zufällig. Es kann auch eine Kombination aus Determiniertheit und Zufall geben, aber nichts Drittes.


    Die von hafis gebrauchte Formulierung "unter gleichen Umständen" verweist auf einen Grundbegriff der Wissenschaft: Das Experiment. Ein Experiment erlaubt, ein Phänomen "unter gleichen Umständen" zu reproduzieren. Wenn das Verhalten unter gleichen Umständen dasselbe ist, sprechen wir von Determiniertheit. Wenn es unterschiedlich ausfällt, handelt es sich um Zufall.


    Nehmen wir an, ein über der Welt stehender Experimentator hätte die Möglichkeit, die gesamte Welt (auch wiederholt) in einen bestimmten Zustand zu versetzen und den weiteren Ablauf zu beobachten. Nehmen wir weiter an, dass dieser Zustand beinhaltet, dass ein Mensch kurz davor steht, eine Entscheidung zu fällen. Nehmen wir weiter an, dass unser Experimentator sein Experiment hundert Mal wiederholen würde. Was würde passieren?


    Erste (plausibelste) Möglichkeit: Die Entscheidung ist jedesmal dieselbe. Die Entscheidung ist dann durch den gesamten Zustand des Universums zu diesem Zeitpunkt determiniert. Das schließt insbesondere den Zustand des Menschens zu diesem Zeitpunkt ein: Sein Wissen, seine Gewohnheiten, sein Gewissen, seine Intelligenz, seine Erfahrung, mit einem Wort: sein geistiger, aber auch sein körperlicher Zustand. Aus welchem Grund sollte der Wille (die bewußte Wahl) bei exakt gleichem Ausgangszustand unterschiedlich ausfallen?


    Zweite Möglichkeit: Die Entscheidung fällt von Mal zu Mal unterschiedlich aus. Da aber der gesamte Kontext jedesmal identisch ist, gibt es nichts, was die unterschiedlichen Entscheidungen erklären könnte. Ergo: Reinster Zufall (statistische Verteilung).


    Wenn also "Freiheit des Willens" darin besteht, sich unter gleichen Umständen anders entscheiden zu können, dann läuft sie auf eine statistische Zufallsverteilung hinaus. Dies steht aber leider dem populären Begriff von Freiheit völlig entgegen...


    Wenn aber die "andere" Entscheidung irgendwie begründet werden kann, sind wir wieder beim Determinismus.


    Hubert: Auf Deinen Beitrag gehe ich im nächsten Posting ein.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Hallo Fuu,


    Zitat von "Fuu"

    Trennen wir ersteinmal beide Wörter,Hubert


    Hubert hat sich in diesem Thread noch gar nicht zu Wort gemeldet...?!?


    Du postest häufig Zitate. Zitate beweisen nur leider gar nichts und tragen in diesem Fall auch nichts zum Verständnis bei.


    Ich habe eine Anfrage an diejenigen gerichtet, die diesen Begriff verwenden (ich selber tue es nicht), um herauszubekommen, ob sie sich etwas dabei denken (und wenn ja, was). Scheint aber nicht der Fall zu sein.


    "Doch ein Begriff muss bei dem Worte sein."


    Nein, auch mit Wörtern, denen sich keine Begriffe zuordnen lassen, kann man gut diskutieren. Vielleicht sogar besonders gut?


    Gruß, Harald

    Hallo alle,


    Ich habe etwas mehr als die Hälfte des ersten Buches gelesen. Da ich das Original lese, geht es nicht so schnell. Zum Glück ist die Penguin-Ausgabe ausführlich kommentiert.


    Nach der Anrufung der Musen beginnt die Geschichte mit dem Heer der gefallenen Engel, die für ihren Aufstand im Himmel (unter der Leitung von Satan) von Gott in die Tiefe (d.h. in die Hölle) gestürzt wurden. Dieser Aufstand fand offenbar noch vor der Erschaffung der Menschen statt. Satan, Beelzebub und ganze Heerscharen liegen in einem Feuermeer. Satan kommt zu sich und beschließt: Jetzt erst recht! Lieber in der Hölle herrschen, als im Himmel dienen! Und schon beginnt er, seine Mannschaften um sich zu versammeln. Interessant, dass selbst Gott nicht die Macht hat, die Engel zu vernichten; auch Gott ist dem Fatum untertan. Scheint mir eher ein antiker als ein christlicher Gedanke zu sein.


    Gruß, Harald

    Hallo zusammen,


    Ich habe "Paradise Lost" (Penguin) seit einiger Zeit ungelesen im Regal stehen. Da ich gerade einen dicken Roman zuendegelesen habe (Frances Burney, "The Wanderer"), könnte ich mich eigentlich der Leserunde anschließen, wenn noch Platz frei ist...


    Herzlichen Gruß, Harald

    Hallo Sandhofer,
    Hallo alle!


    Wille als geistiger Akt, das kann ich zumindest vorläufig so stehenlassen. Dann aber:


    Zitat von "Schmidt / Schischkoff"

    Der Wille ist, als geistiger Akt, stets freier Wille. D.h., er hat die Möglichkeit, unter verschiedenen Motiven zu wählen


    Ist das die Definition des Begriffs "freier Wille", oder ist das die Begründung, warum der Wille frei ist?


    Wenn ein "geistiger Akt" unter verschiedenen Möglichkeiten wählen kann, wird der Akt doch erst durch die Wahl zum Akt, oder? Nun muss doch etwas diese Wahl bestimmen - irgendetwas muss den Ausschlag geben, dass die Wahl auf diesen Wert und nicht auf jenen fällt. Und wo bleibt dann die Freiheit?


    Genauso könnte man sagen: Die Roulettekugel ist beim Wurf frei, denn sie kann jede von 37 möglichen Zahlen treffen.


    Gruß, Harald

    Hallo finsbury,


    Zitat von "finsbury"

    Es gibt sehr häufig die von euch schon erwähnten feststehenden Formeln, die mit der mündlichen Überlieferung von Versatzstücken des Werks zu tun haben, aber die Gesamtkomposition, die Konzentration auf den Konflikt des Achilles mit Agamemnon, Hektor und sich selbst, kann m.E. nur das Werk eines großen, bewusst gestaltenden Autors sein.


    Und so ähnlich, glaube ich, ist auch Latacz' Position. Ich habe mir sein Buch inzwischen besorgt, aber erst die ersten 20 Seiten gelesen. Wenn ich etwas weiter bin, werde ich evtl. dazu posten.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Hallo zusammen,


    Im Forum "Gemeinsames Lesen" wurde in "Huberts Bibelprojekt" wiederholt der Begriff "Willensfreiheit" / "Freiheit des Willens" benutzt. Ich habe diesen Begriff nie verstanden. VIelleicht hat einer von denen, die diesen Begriff benutzen, Zeit und Lust, ihn mir zu erklären und ggf. darüber zu diskutieren?


    Ich fange mal damit an, dass ich schon nicht weiß, ob mit "Willensfreiheit" gemeint ist "jemand kann tun, was er will" oder "jemand kann wollen, was er will". Im ersten Fall müßte man wohl eher von Handlungsfreiheit sprechen. Andererseits ist das Handeln dann vom Willen abhängig, also wiederum nicht frei. Wenn aber das letztere gemeint ist, dann heisst das, dass der Wille zweistöckig ist (mindestens): Erstens der Wille, etwas zu tun, und zweitens der Wille, dieses tun zu wollen. Der untere Wille wäre dann nicht frei, da vom oberen Willen abhängig. Dann kommt man aber leicht dazu, dass auch dieser höhere Wille "gewollt" ist, und wo hört diese Stufenfolge auf?


    Fragen über Fragen!!


    Gruß, Harald

    Hallo zusammen,


    Ich habe zwar keine Zeit, den Kohlhaas mitzulesen, schaue aber ab und zu in die Diskussionen hinein. Zum Thema Zigeuner fällt mir ein: Eine Truppe von Zigeunern taucht auch in Henry Fieldings epochemachendem Roman "Tom Jones" (1748) auf. Noch nicht im Sinne der Romantik, aber durchaus positiv dargestellt: So wird die Weisheit, mit der das Oberhaupt der Zigeuner sein Volk regiert, als moralisches Gegenbild zur zeitgenössischen englischen Gesellschaft vorgestellt.


    Herzlichen Gruß, Harald