Beiträge von Harald

    Hallo Sandhofer,


    Deine Kritik ist berechtigt, der Link auf die Wikipedia war mir entgangen. Ich werde mich bessern.


    Dass Artikel für oder gegen spekulative Theorien (als solche würde ich die Urknalltheorie einstufen) Partei sind oder sein können, würde ich dagegen als normal ansehen. Dagegen ist aus meiner Sicht nichts zu sagen. Ein expliziter Hinweis beim Posten eines Links kann natürlich nichts schaden. Ich vertrete übrigens die Ziele von ProGenesis nicht, nur um neuen Mißverständnissen vorzubeugen.


    Glaubensfragen sind bei solchen DIskussionen um Gottesbilder allerdings schwer zu vermeiden. Ich selbst versuche, wenn ich mich denn an der Diskussion beteilige, rational zu argumentieren und genau auf das einzugehen, worauf ich antworte. Solltest Du mich jemals bei Unsachlichkeiten (Rhetorik oder Polemik) ertappen, bitte ich darum, mir auf die Finger zu klopfen. Das ist nun gar nicht meine Absicht, und ist auch mein Fehler, wenn meine Mitteilung so rübergekommen ist.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Zitat von "Hubert"

    Die Frage ist höchstens, hätte man in der Zeit nicht Interessanteres diskutieren können?


    Natürlich möchte ich Dich nicht zu einer Diskussion nötigen, an der Dir nichts liegt. Ich weiß nicht, wie Andere das sehen: Ich jedenfalls bin nicht beleidigt, wenn mir jemand auf eine Mitteilung, die ich unaufgefordert eingehängt habe, nicht antwortet. Also wäre mein Vorschlag: Lasse links liegen, was Dich nicht interessiert. Das wäre mir lieber, als wenn ich (wenn auch ungewollt) Deine Zeit verschwenden würde.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Zitat von "Hubert"

    Danke Troll, für Deine klärenden Worte.


    Nanu... was hat denn Troll geklärt?


    Zur Sache: Die "kurze" Zeit sind 10 hoch -43 Sekunden, die sogenannte Planck-Zeit. D.h. ein Zeitraum, der mit einer Million Million Million Million Million Million Million multipliziert 0,1 Sekunden ergibt. Kurz genug? :zwinker:


    Im übrigen würde ich die Urknalltheorie mit großer Skepsis betrachten. Es ist eine Gleichung mit zu vielen Unbekannten.


    Siehe z.B. hier für eine Kritik an der Urknalltheorie:


    http://www.progenesis.ch/artic…e/cosmologystatement.html


    Eine kurze Zusammenfassung der Urknalltheorie:


    http://fam-pape.de/raw/ralph/studium/urknalltheorie/
    http://abenteuer-universum.vol4u.de/urkna.html


    Alles ganz interessant, aber meiner Meinung nach ähnlich spekulativ wie Theorien um die Homerische Frage :zwinker:


    Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Du hattest geschrieben:


    Zitat von "Hubert"

    Warum sollte ein Wissenschaftler wie L. solche Dinge schreiben, wenn es nicht Argumente dafür gäbe.


    Das ist eine rhetorische Frage. Sie besagt, dass alles, was ein Wissenschaftler wie L. schreibt, auf guten Argumenten beruhen muss. Ich habe mir erlaubt, an der grundsätzlichen Zulässigkeit dieser Annahme zu zweifeln, und habe ein paar Argumente für diese Zweifel gebracht. Ich habe damit nicht behauptet, dass Latacz These falsch ist, sondern nur gesagt, dass mir die bloße Aufstellung einer These als Begründung nicht ausreicht.


    Ich habe nicht gesagt, dass L. sich profilieren will etc. Ich habe nur gesagt und auch begründet, dass die in Form einer rhetorischen Frage gekleidete Aussage so nicht stimmen muss.


    Weiter sagst Du:


    Zitat von "Hubert"

    Außerdem werden seine Erkenntnisse auch von seinen Fachkollegen anerkannt


    Das stimmt definitiv nicht. Zitat von einem Studenten der Altphilologie:


    Kritisch sind die Ausführungen deshalb zu lesen, weil der von Latacz dargestellte Forschungsstand nicht die communis opinio der Forschung ist; das Gegenbild findet sich v.a. bei D. Hertel, Troia, München 2001 (zur Archäologie) und Ch. Ulf (Hg.), Der neue Streit um Troia, München 2003. Einen bösen Ausrutscher leistet sich Latacz vor allem, als er Hesiod (ca. 700 v. Chr.), den Zeitgenossen Homers, als „boiotische[n] Sängerdilettant[en]" (S. 82 in der Ausgabe von 2003) im Gegensatz zu Homer als dem „professionell[en] ionische[n] Sänger" bezeichnet - wer die „Werke und Tage" Hesiods gelesen hat, kann hier nur den Kopf schütteln.


    Aus einer Amazon-Rezension von Latacz: Homer, Düsseldorf 2003. Die Rezension ist ansonsten übrigens sehr positiv. Hier der Link:


    http://www.amazon.de/exec/obid…_11_3/028-6138337-4679752


    Ähnliche Aussagen habe ich unter dem Etikett "Der neue Streit um Troja" auch an anderen Stellen gelesen.


    Zitat von "Hubert"

    Dann erklär mir doch schnell einmal die Argumente der oral poetry Annahme


    Wann habe ich den Oral Poetry Ansatz vertreten? Wenn Du meine Postings liest, wirst Du zweierlei feststellen: Erstens, dass ich für die Verwerfung dieses Ansatzes gerne Argumente gesehen hätte. Das heißt doch nicht, dass ich diesen Ansatz für erwiesen halte! Rein logisch formuliert: Wenn ich daran zweifle, dass A bewiesen ist, heißt das doch nicht, dass ich die Aussage "nicht-A" vertrete! Ich schaffe es, "A" und "nicht-A" zu bezweifeln :zwinker: . Und zweitens habe ich doch deutlich gesagt, dass meine "Skepsis" allen Ansätzen (alte wie neue, "Oral Poetry"-Theorie wie "Elaborierte-Dichtungs"-Theorie) gilt. Hier das Zitat:


    Zitat von "Harald"

    Meine Skepsis gilt genauso den alten Theorien wie den neuen.


    Zitat von "Hubert"

    Dann lies aber vorher das von mir auch genannte, von Latacz herausgegebene Buch "Wege der Forschung - Homer".


    Nein, das werde ich nicht tun. Erstens kann man nicht alles lesen, auch wenn es noch so interessant ist. Zweitens besteht ein großer Unterschied zwischen einem Forschungsbericht und einem populärwissenschaftlichen Werk. Forschungsartikel setzen einen Kontext voraus, in den sich einzuarbeiten jemand, der nicht gerade als Altphilologe sein Brot verdient, einfach nicht bewältigen kann. Populäre (na ja, für gebildete Interessierte) Werke fassen diesen Kontext in einem Werk zusammen und sollten es ermöglichen, die Hauptlinien und -argumente der Forschung ohne weitläufiger Literaturrecherche nachzuvollziehen.


    Na ja, wem sage ich das, diese Unterscheidung ist Dir ja klar. Du wirst aber vielleicht akzeptieren können, dass ich nicht jeden Lektüretipp aufnehmen kann, auch wenn er wie hier durchaus gehaltvoll ist.


    Zum guten Schluß zu Deinem Vorschlag:


    Zitat von "Hubert als Harald-Suggestiv"

    Danke, Hubert, für den Tipp. Ich werde mir das Buch besorgen und mir mein eigenes Urteil bilden. Dann werde ich euch über meine Meinung informieren.


    Ja, das hätte ich so schreiben können. Nur: Ist dies nicht ein Diskussionsforum? Zudem ging es bei der Diskussion (zumindest aus meiner Sicht) nicht um die Homerische Frage oder um Latacz' Thesen, sondern um das Herangehen an Homerische Fragen und an Latacz' Thesen. Dein Herangehen habe ich so verstanden: "L. hat es geschrieben, er ist ein angesehener Wissenschaftler, es gibt daher keinen Grund zu Zweifeln." Mein Herangehen ist: "L. vertritt einen Standpunkt unter verschiedenen möglichen, es gibt Argumente dafür und dagegen, denen man je nach Überzeugungskraft der Argumentation mehr oder weniger Plausibilität zumessen kann."


    Deinen Vorschlag, meine Schlußfolgerungen nach der Lektüre zu posten, nehme ich gerne auf. Vielleich kommt auch einmal eine Leserunde "Odysee" zusammen (wie ich sehe, gab es schon eine).


    Herzlichen Gruß, Harald

    Hallo Hafis,


    Zitat

    Richtig. Dementsprechend gibt es ja schöpfungsmythen, die ein ungeschaffenes chaos vor der schöpfung der welt sehen, sei es "Wasser", ein drachen oder auch ein unbefruchtetes ei (jetzt wissen wir, ob zuerst die henne oder das ei war).


    Nur dass dann Gott als "erster Verursacher" ausfällt.


    Das Kreter-Paradoxon ist erstens auch einfach und zweitens kein Paradoxon.


    Zitat

    Soweit ich weiß, sagt die quantentheorie, dasß tatsächlich im kosmos laufend materie aus dem nichts entsteht


    Ja! Wenn auch nur für Nanosekunden. Zwei entgegengesetzte Teilchen (Materie - Antimaterie) entstehen und vernichten sich wieder gegenseitig. Ein Beispiel dafür, dass Argumentationen wie "es muss doch einen Grund geben" mit Vorsicht zu genießen sind.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Hallo finsbury,


    Zitat

    Wisst ihr zufällig, ob im Internet ein einschlägiger, einsichtiger und moderner Aufsatz zum Thema existiert?


    Weiß ich leider nicht, aber such doch auf Google nach "oral poetry", wenn es überhaupt so einen Artikel gibt, müßte er sich finden lassen.


    Hallo Hubert,


    Zitat

    Warum sollte ein Wissenschaftler wie L. solche Dinge schreiben, wenn es nicht Argumente dafür gäbe.


    Da kann ich mir einige Gründe denken:


    - Weil er sich als Wissenschaftler profilieren möchte, und das nur kann, indem er etwas Neues aufbringt
    - Weil er rational nicht herleitbare (ihm aber emotional wichtige) Überzeugungen vertritt
    - Weil er als kreativer Mensch seine Kollegen und/oder die interessierte Öffentlichkeit dazu motivieren will, die Dinge von einem anderen Standpunkt zu betrachten


    womit ich Herrn Latacz keine dieser Motive unterstellen will. Ich bin nur für gesunde Skepsis. Ich glaube nicht, dass alles stimmt, was in einem "wissenschaftlich" daherkommenden Buch steht. Wenn es dazu noch ein Text ist, der nicht für die Fachwelt geschrieben ist, sondern sich an interessierte Laien wendet, und ich die Argumentation nicht nachvollziehen kann, werde ich mißtrauisch.


    Zitat

    Ich jedenfalls gehe davon aus, dass wissenschaftliche Erkenntnisse, der letzten 20 Jahre, die allgemein anerkannt werden, richtiger sind, als Erkenntnisse die 70 Jahre und älter sind.


    Es geht aber doch gar nicht um Erkenntnisse. Was für Erkenntnisse? Weiß man heute mehr über Homer als vor zweieinhalbtausend Jahren? Es gibt doch nur mehr oder weniger plausible Theorien. Werden die Theorien besser? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wie auch immer, ich möchte die Argumente für oder gegen eine Theorie verstehen können, damit ich mir mein eigenes Urteil bilden kann.


    Zitat

    Kann ich mich nicht auf die neuesten Erkenntnisse stützen, dann ist Wissenschaft eh in Frage zu stellen


    Wissenschaft ist immer in Frage zu stellen. Die Wissenschaft selbst lebt davon, dass sie sich selber immer in Frage stellt.


    Zitat

    Argumente wie, Homer kannte ja die moderne Erzählltheorie nicht, deshalb kann diese keine Erkenntnisse über Homer geben, finde ich insofern albern


    Bei dieser Aussage stand ein Smiley...


    Was ich damit sagen wollte: Mir scheint die Theorienbildung mehr ein Eingeständnis unseres Unwissens als echter Erkenntnisgewinn zu sein... Um mein "wissenschaftstheoretisches Gesetz" (Smiley!!) zu wiederholen: Je weniger man weiß, desto mehr wird spekuliert, und diese Spekulationen sagen mehr über uns aus als über Homer (und damit pointiert, meinetwegen albern: Was wußte Homer von unseren Theorien?).


    Zitat

    Ich werde jedenfalls auch in Zukunft dafür sorgen, dass im Klassikerforum veraltete Theorien durch neuere Theorien, sofern mir diese bekannt sind, ergänzt werden.


    Womit ich sehr einverstanden bin.


    Zitat

    Das soll aber niemanden hindern, an den veralteten Theorien festzuhalten.


    Ach, es geht doch nicht um neu oder alt, sondern darum, was überhaupt gesicherte Erkenntnis ist. Meine Skepsis gilt genauso den alten Theorien wie den neuen.


    Bei nächster Gelegenheit werde ich mir das Buch von Latacz (Homer: Der erste Dichter des Abendlandes) vornehmen. Ich wollte sowieso die Ilias und die Odyssee wieder lesen (meine letzte Lektüre liegt mindestens fünfzehn Jahre zurück...). Dann kann ich vielleicht aus dem Zusammenhang begründeter urteilen als aus einem einzigen Zitat.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Mein Beitrag ist eben abhanden gekommen... ich versuche es noch einmal:


    Ich verstehe dieses Zitat von Latacz noch weniger als das vorige. Z.B.:


    In jüngster Zeit wird die Sichtbegrenztheit des Oral poetry-Ansatzes allmählich überwunden


    Das klingt nach "die alte Theorie gefällt uns nicht mehr, probieren wir mal eine neue aus"... es muss doch ein Argument geben, was am Oral poetry Ansatz nicht stimmt?


    mit der Anwendung von Methoden der modernen Erzähltheorie auf die homerischen Epen wird der Unterschied zwischen mündlicher und schriftlicher Kompositionsweise zu überbrücken gesucht


    Schön, dass es eine moderne Erzähltheorie gibt, aber was hat das mit Homer zu tun? Der kannte diese Theorie doch nicht... :zwinker: Im Ernst: Handelt es sich um eine beweisbare und bewiesene Theorie? Aus der sich Aussagen über die Wirklichkeit ableiten lassen? Noch dazu eine fast dreitausend Jahre zurückliegende Wirklichkeit? Ich bezweifle das. In den Geisteswissenschaften sind "Theorien" eher Begriffsgebäude, die dazu dienen, unsere Sicht der Dinge zu strukturieren, als dass sie in der Lage wären, die den Dingen innewohnenden Gesetzmäßigkeiten bloßzulegen.


    Auch deutet die Formulierung


    wird der Unterschied zwischen mündlicher und schriftlicher Kompositionsweise zu überbrücken gesucht


    eher auf eine Gestaltung eines (Homer-)bildes hin als auf den Versuch, die Übereinstimmung des Bildes mit seinem Gegenstand zu verifizieren.


    Von der – inzwischen hinlänglich bekannten – Dichtungstechnik Homers


    Die Technik Homers kann man nicht kennen - nur seine Dichtungen. Oder hat ihm jemand beim Dichten über die Schulter geschaut?


    Es mag übrigens sein, dass es für alles stichhaltige Beweise gibt, nur gibt das Zitat das nicht her.


    Was Dein Beispiel betrifft, so ist es nicht glücklich... es ist mir schon klar, was Du sagen willst, aber im Fall von Ecos Roman kann man nicht schließen, dass er 5000 Jahre alt ist, weil die von Dir zitierten Sätze im Original (vermute ich zumindest...) auf Italienisch sind, eine Sprache, die es vor 2000 Jahren noch nicht gab, während das Griechische des Neuen Testamentes als Literatursprache heute nicht mehr existiert (behaupte ich mal...).


    Dieses Argument liefert einen Hinweis auf Indizien, die mehr Erkenntnisgewinn liefern dürften als Theorien, nämlich "Klassische Philologie": Wenn sich z.B. nachweisen ließe, dass bestimmte grammatische Formen oder phonetische Eigenheiten in bestimmten Textbausteinen (z.B. wiederkehrende Formeln) anders lauten als in anderen Teilen des Textes... usw.


    Vielleicht könnte man ein wissenschaftstheoretisches Gesetz draus machen:


    "Die Wiederholfrequenz von Theorienbildungen in Bezug auf eine wissenschaftliche Frage verhält sich umgekehrt proportional zur Quantität der verwertbaren Fakten." :zwinker:


    Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Natürlich hast Du recht, dass meine Bemerkung über Blindheit nichts über Homer beweist. Ich halte es aber für denkbar, dass einige Rhapsoden blind waren, und dass auf diese Weise die Anekdote von Homers Blindheit entstanden ist.


    Was aber das Zitat von Latacz betrifft:


    die angebliche Blindheit des Dichters, die manche Forscher bis in die Gegenwart hinein für ein Stück erwägenswerter Überlieferung halten, erweist sich angesichts der außerordentlichen visuellen Sensitivität der homerischen Welt- und Menschenformung als Legende


    so kann ich die Argumentation nicht nachvollziehen. Sie setzt voraus, dass Homer die Ilias und die Odyssee im modernen Sinne verfaßt hat. Nun fand der Trojanische Krieg mehrere Jahrhunderte vor Homers Geburt statt. Homer muss sich also auf eine Überlieferung stützen. Gerade die in diesem Thread angedeuteten Forschungsergebnisse von Milman Parry legen nahe, dass Texte über mehrere Jahrhunderte mit großer Genauigkeit mündlich überliefert werden können (Ähnliches hat man bei der Erforschung der großen indischen Epen herausgefunden). Visuelle Sensitivität der Dichtung und Blindheit eines Überlieferers schließen sich also per se nicht aus.


    Damit will ich Latacz' Aussage nicht bestreiten, nur seine Argumentation überzeugt mich nicht.


    Wenn Latacz die Notwendigkeit von Notizen und Entwürfen annimmt, scheint er in der Tat davon auszugehen, dass Homer eher ein Verfasser ("Dichter") als ein Überlieferer war.


    Gruß, Harald

    Hallo Roquairol und xenophanes,


    Zum Thema Gedächtnisleistung: Es gibt irgendwo in der antiken Literatur (ich habe vergessen wo) die Behauptung, dass Homer blind gewesen sei. Kürzlich habe ich einen Artikel gelesen, wonach Psychologen herausgefunden haben, dass Menschen, die von Geburt an blind sind, eine erstaunlich hohe Gedächtnisleistung u.a. für sprachliche Information erbringen können. Offenbar kann das Gehirn Kapazitäten, die normalerweise für die Verarbeitung visueller Informationen verwendet werden, für andere Zwecke "umfunktionieren". Die Möglichkeit, dass Homer ("der" Homer oder "ein" Homer) blind war, wird damit besonders plausibel.


    Im übrigen glaube ich nicht, dass wir heute eine geringere Gedächtnisleistung erbringen als die Rhapsoden des Altertums, eher im Gegenteil. Man bedenke, wie sehr unser Wissens- und Bildungshorizont sich erweitert hat - Sprachen, Geschichte, Naturwissenschaften etc., ganz abgesehen vom Alltagswissen. Es ist bis heute nicht gelungen, das durchschnittliche Alltagswissen selbst mit größten Datenbanken und komplexester Software maschinell nachzubilden.


    Gruß, Harald

    Hallo,


    Ich habe mir ein Exemplar des Buches aus den Penguin Classics besorgt, stecke aber noch in der Einführung. Ist aber sehr interessant, vor allem die zeitgenössische Reaktion war wohl eher heftig und vielfach ablehnend, mit anderen Worten: Der Roman war ein Skandal.


    Später mehr... Gruß,


    Harald

    Hallo elahub,


    Zitat von "elahub"


    Was mir dieses Mal mehr als bei den vorherigen Büchern aufgefallen ist:
    Es wird oft auf längst vergangene Ereignisse angespielt, an die meine Erinnerung schon nicht mehr so genau war.
    Und: Diese "alten" Ereignisse bekommen eine Bedeutung, die man ihnen an der originalen Stelle der Geschichte noch nicht ablesen konnte, werden sozusagen jetzt erst erklärt.


    Also werde ich versuchen, herauszubekommen, ob Mrs. Rowling diese Interpretationen schon von Anfang an im Sinn hatte oder ob sie ihr so nach und nach eingefallen sind. Die Gesamtgeschichte ist doch sehr komplex ....


    Ich glaube, dass dies schon beabsichtigt ist. Der Gesamtverlauf der Geschichte stand von Anfang an fest, wenn auch nicht in allen Einzelheiten. Das Ende des 7. Bandes ist schon geschrieben (und liegt in irgend einem einbruchsicheren Tresor).


    Gruß, Harald

    Hallo Sandhofer,


    Zitat von "Sandhofer"

    Ist dann nicht 'Hochddeutsch', 'Standard-Deutsch' oder wie immer Ihr das Ding nennen wollt, das wir z.B. hier im Forum benutzen, auch 'tot'?


    Ursprünglich vielleicht ja, aber inzwischen nicht mehr. Ich jedenfalls habe diese Sprache mehr oder weniger als Muttersprache gelernt, wenn auch das "Schriftdeutsch" einen starken Einfluss auf meine Ausdrucksweise gehabt hat, z.B. auch hier, wo ja geschrieben wird. Eine tote Sprache kann also durchaus wieder zum Leben erweckt werden, z.B. Ivrit (modernes Hebräisch)! Jetzt eine lebende Sprache im Sinne meiner Definition.


    Gruß, Harald

    Hallo,


    "Tote" Sprachen sind Sprachen, die nicht mehr als Muttersprache vorkommen (d.h. nur noch als Zweitsprachen, ob gesprochen oder nicht). Daher werden Latein und (Alt-)Griechisch m.E. zu Recht als tote Sprachen bezeichnet.


    Gruß, Harald

    Hallo Bluebell,


    Ich könnte vor Neid erblassen - ich habe mich auch mit Altgriechisch beschäftigt, mehrere Anläufe genommen und es immerhin bis zur Übersetzung von Teilen aus Platos Symposion gebracht, mittlerweile aber vieles wieder vergessen. Ich habe mich sogar mit einer dritten "toten" Sprache beschäftigt - Sanskrit, das so tot übrigens gar nicht ist. Im Moment fehlt mir einfach die Zeit - ich schaffe es nicht einmal, mein Italienisch aufzubessern...


    Du solltest Dir genug Zeit nehmen. Man kann das Graecum vielleicht in einem Jahr schaffen, muss dafür aber das ganze Jahr konzentriert arbeiten. Plane lieber zwei Jahre bis zur Lektüre. Auf längere Sicht kommt es mehr auf Selbstdisziplin als auf Enthusiasmus an.


    Übrigens glaube ich, dass Griechisch, wenn man über die Anfangsschwierigkeiten hinweg ist, leichter als Latein ist.


    Dass ich der Meinung bin, dass Griechisch sich lohnt, brauche ich wohl nicht mehr zu betonen... ich wünsche Dir viel Spaß beim Lernen!


    Gruß, Harald

    Hallo Prinz,


    Zitat

    Mein Prof. (ein Naturwissenschaftler), sagt immer wieder was von Naturwissenschaftlicher Erkenntnis zu halten ist:
    Sie ist immer nur der aktuelle Stand des Irrtums!


    Du hast offenbar die Stärke dieses Ansatzes nicht verstanden.


    Wieviele Irrtümer sind nicht schon in den Archiven verschwunden, weil es zum Ehrenkodex eines Wissenschaftlers gehört, vor dem Frühstück drei liebgewordene Theorien zu verwerfen - <b>und</b> sich an Beobachtungen statt an Spekulationen zu halten (Beispiel: Das Michelson-Morley-Experiment).


    Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Ist es nicht offensichtlich? Der Traum, oder besser die Vision der damaligen Gesellschaft. Die "Wurzeln" (die Bauern) beschaffen die Nahrung. Weiter oben die "oberen" Schichten der Gesellschaft, aber auch das Kriegsvolk, das einerseits Krieg gegen seine eigene Lebensgrundlage führen, andererseits aus diesem Boden immer wieder ergänzt wird.


    Natürlich kann Simplicissimus eine solche Vision nicht haben, es ist Grimmelshausens Sicht. So psychologisch-realistisch schrieb man zu Grimmelshausens Zeiten noch nicht.


    Gruß, Harald

    Hallo hafis,


    Gut gebrüllt, Löwe... Ich kann mich Deinen Ausführungen zur Rationalität nur anschließen. Ich habe aus Zeitgründen auf eine Antwort an Lothar verzichten müssen, obwohl es mir in den Fingern juckte, deshalb freue ich mich besonders, dass Du so ausführlich geantwortet hast.


    Gruß, Harald

    Hallo Hubert,


    Die rororo-Monographie über Grimmelshausen ist wie alle Bändchen dieser Reihe kurz (ca. 130 Seiten, viele Illustrationen), eignet sich also in erster Linie als Einführung in den Autor, sein Werk und seine Zeit. Als solche finde ich sie sehr gelungen, sehr lesbar. Schwerpunkt ist natürlich der Simplicissimus, aber auch seine anderen Werke werden besprochen. Wie bei allen Bänden dieser Reihe gibt es eine Zeittafel und eine ausführliche Bibliographie.


    Wenn Du allerdings Grimmelshausens Biographie, soweit sie erforscht ist, schon kennst, wird Dir das Buch nicht viel Neues bringen.


    Für mich war besonders die folgende Erkenntnis interessant: Abgesehen von allem, was er als Junge und als junger Mann erlebt hat, hat die Tatsache, dass er im Alter von 13 Jahren von Soldaten verschleppt wurde, dazu geführt, dass sein vorgezeichneter Bildungsweg abrupt unterbrochen wurde. Er hat dann als erwachsener Mann versucht, das Versäumte nachzuholen, und muss wohl immer unter diesen Defiziten gelitten haben. Er hat gelesen, was immer erreichbar war. Sein Bildungshunger hat dann aber nicht dazu geführt, dass er als Autor der Gelehrsamkeit gehuldigt hätte: sondern im Gegenteil hat er gegen alle diejenigen polemisiert, die eine für sein Gefühl unnatürliche (gekünstelte) Sprache sprechen oder schreiben. Er hat sich über jede Art von Eitelkeit und geziertem Getue lustig gemacht. Seine ganze Persönlichkeit ist von den Kriegsjahren geprägt worden (Lebensjahre 13 bis 27!), und alles, was er später gelernt hat, hat diese Erfahrungen nicht mehr verdrängen können. So hat es sich dann auch in seinen sehr viel später erschienenen Schriften Bahn gebrochen.


    Der Simplicissimus war übrigens so erfolgreich, dass Grimmelshausen bald weitere Schriften derselben Art und zum Teil mit demselben Personal nachgeschoben hat (eine Praxis, die also nicht der Hollywood-Film des 20. Jahrhunderts erfunden hat...), u.a. Courasche, Springinsfeld, Das wunderliche Vogelnest. Er hat aber auch einige Romane im Stil der damals gängigen Literatur geschrieben, u.a. "Der keusche Joseph" - der erste Josephsroman der deutschen Literatur! Den werde ich mir bei Gelegenheit besorgen, wenn er überhaupt zu beschaffen ist. Mich würde schon interessieren, wie der sich von den simplizianischen Schriften unterscheidet.


    Gruß, Harald