Hallo Hubert,
Du hattest geschrieben:
Zitat von "Hubert"
Warum sollte ein Wissenschaftler wie L. solche Dinge schreiben, wenn es nicht Argumente dafür gäbe.
Das ist eine rhetorische Frage. Sie besagt, dass alles, was ein Wissenschaftler wie L. schreibt, auf guten Argumenten beruhen muss. Ich habe mir erlaubt, an der grundsätzlichen Zulässigkeit dieser Annahme zu zweifeln, und habe ein paar Argumente für diese Zweifel gebracht. Ich habe damit nicht behauptet, dass Latacz These falsch ist, sondern nur gesagt, dass mir die bloße Aufstellung einer These als Begründung nicht ausreicht.
Ich habe nicht gesagt, dass L. sich profilieren will etc. Ich habe nur gesagt und auch begründet, dass die in Form einer rhetorischen Frage gekleidete Aussage so nicht stimmen muss.
Weiter sagst Du:
Zitat von "Hubert"
Außerdem werden seine Erkenntnisse auch von seinen Fachkollegen anerkannt
Das stimmt definitiv nicht. Zitat von einem Studenten der Altphilologie:
Kritisch sind die Ausführungen deshalb zu lesen, weil der von Latacz dargestellte Forschungsstand nicht die communis opinio der Forschung ist; das Gegenbild findet sich v.a. bei D. Hertel, Troia, München 2001 (zur Archäologie) und Ch. Ulf (Hg.), Der neue Streit um Troia, München 2003. Einen bösen Ausrutscher leistet sich Latacz vor allem, als er Hesiod (ca. 700 v. Chr.), den Zeitgenossen Homers, als „boiotische[n] Sängerdilettant[en]" (S. 82 in der Ausgabe von 2003) im Gegensatz zu Homer als dem „professionell[en] ionische[n] Sänger" bezeichnet - wer die „Werke und Tage" Hesiods gelesen hat, kann hier nur den Kopf schütteln.
Aus einer Amazon-Rezension von Latacz: Homer, Düsseldorf 2003. Die Rezension ist ansonsten übrigens sehr positiv. Hier der Link:
http://www.amazon.de/exec/obid…_11_3/028-6138337-4679752
Ähnliche Aussagen habe ich unter dem Etikett "Der neue Streit um Troja" auch an anderen Stellen gelesen.
Zitat von "Hubert"
Dann erklär mir doch schnell einmal die Argumente der oral poetry Annahme
Wann habe ich den Oral Poetry Ansatz vertreten? Wenn Du meine Postings liest, wirst Du zweierlei feststellen: Erstens, dass ich für die Verwerfung dieses Ansatzes gerne Argumente gesehen hätte. Das heißt doch nicht, dass ich diesen Ansatz für erwiesen halte! Rein logisch formuliert: Wenn ich daran zweifle, dass A bewiesen ist, heißt das doch nicht, dass ich die Aussage "nicht-A" vertrete! Ich schaffe es, "A" und "nicht-A" zu bezweifeln :zwinker: . Und zweitens habe ich doch deutlich gesagt, dass meine "Skepsis" allen Ansätzen (alte wie neue, "Oral Poetry"-Theorie wie "Elaborierte-Dichtungs"-Theorie) gilt. Hier das Zitat:
Zitat von "Harald"
Meine Skepsis gilt genauso den alten Theorien wie den neuen.
Zitat von "Hubert"
Dann lies aber vorher das von mir auch genannte, von Latacz herausgegebene Buch "Wege der Forschung - Homer".
Nein, das werde ich nicht tun. Erstens kann man nicht alles lesen, auch wenn es noch so interessant ist. Zweitens besteht ein großer Unterschied zwischen einem Forschungsbericht und einem populärwissenschaftlichen Werk. Forschungsartikel setzen einen Kontext voraus, in den sich einzuarbeiten jemand, der nicht gerade als Altphilologe sein Brot verdient, einfach nicht bewältigen kann. Populäre (na ja, für gebildete Interessierte) Werke fassen diesen Kontext in einem Werk zusammen und sollten es ermöglichen, die Hauptlinien und -argumente der Forschung ohne weitläufiger Literaturrecherche nachzuvollziehen.
Na ja, wem sage ich das, diese Unterscheidung ist Dir ja klar. Du wirst aber vielleicht akzeptieren können, dass ich nicht jeden Lektüretipp aufnehmen kann, auch wenn er wie hier durchaus gehaltvoll ist.
Zum guten Schluß zu Deinem Vorschlag:
Zitat von "Hubert als Harald-Suggestiv"
Danke, Hubert, für den Tipp. Ich werde mir das Buch besorgen und mir mein eigenes Urteil bilden. Dann werde ich euch über meine Meinung informieren.
Ja, das hätte ich so schreiben können. Nur: Ist dies nicht ein Diskussionsforum? Zudem ging es bei der Diskussion (zumindest aus meiner Sicht) nicht um die Homerische Frage oder um Latacz' Thesen, sondern um das Herangehen an Homerische Fragen und an Latacz' Thesen. Dein Herangehen habe ich so verstanden: "L. hat es geschrieben, er ist ein angesehener Wissenschaftler, es gibt daher keinen Grund zu Zweifeln." Mein Herangehen ist: "L. vertritt einen Standpunkt unter verschiedenen möglichen, es gibt Argumente dafür und dagegen, denen man je nach Überzeugungskraft der Argumentation mehr oder weniger Plausibilität zumessen kann."
Deinen Vorschlag, meine Schlußfolgerungen nach der Lektüre zu posten, nehme ich gerne auf. Vielleich kommt auch einmal eine Leserunde "Odysee" zusammen (wie ich sehe, gab es schon eine).
Herzlichen Gruß, Harald