Altgriechische Literatur

  • Hm, auch das Versmaß der Edda garantierte, dass die Heldengesänge der Germanen über Jahrhunderte genau überliefert wurden. Das hat aber den Verfasser des Nibelungenliedes nicht davon abgehalten, etwas eigenes zu formulieren.

  • Zitat von "xenophanes"

    L. geht es eher um die Überlieferung bestimmter Wörter. Durch feste Formeln seien oft Phrasen überliefert worden, die im normalen Sprachgebrauch ein paar hundert Jahre gar nicht mehr verwendet worden seien.
    CK


    Dazu L:


    In jüngster Zeit wird die Sichtbegrenztheit des Oral poetry-Ansatzes allmählich überwunden; mit der Anwendung von Methoden der modernen Erzähltheorie auf die homerischen Epen wird der Unterschied zwischen mündlicher und schriftlicher Kompositionsweise zu überbrücken gesucht .... Die „Homerische Frage“ in ihrer ursprünglichen Form existiert heute nicht mehr. ... Von der – inzwischen hinlänglich bekannten – Dichtungstechnik Homers her ist die homerische Frage heute anders zu formulieren: Was hat Homer, als er das Großepos schuf, mit und aus der mündlichen Epik seiner Vorgänger und zeitgenössischen Sängerkollegen, die er in reicher Fülle kannte und beherrschte, gemacht?



    Vielleicht lässt sich das, was ich meine, an einem Beispiel verdeutlichen:


    Wenn in 3.000 Jahren jemand Ecos Roman „Im Namen der Rose“ untersucht, könnte er durch den Buchanfang „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ (dieser Satz wurde zu letzt vor 2.000 Jahren in einem Buch verwendet) und weitere in festen Formen überlieferte Phrasen die dieser Roman enthält auf die Idee kommen, „Der Name der Rose“ sei mindestens 5.000 Jahre alt und seit dieser Zeit unverändert überliefert. Die Arbeit Ecos wäre dann nur in einer Überlieferung zu sehen. M.M.n. wäre aber dieser Ansatz falsch und ich denke, obwohl Eco solche Zitate benutzt, ist er doch als Verfasser nicht als Überlieferer von „Der Name der Rose“ anzusehen.


    H

  • Hallo Hubert,


    Mein Beitrag ist eben abhanden gekommen... ich versuche es noch einmal:


    Ich verstehe dieses Zitat von Latacz noch weniger als das vorige. Z.B.:


    In jüngster Zeit wird die Sichtbegrenztheit des Oral poetry-Ansatzes allmählich überwunden


    Das klingt nach "die alte Theorie gefällt uns nicht mehr, probieren wir mal eine neue aus"... es muss doch ein Argument geben, was am Oral poetry Ansatz nicht stimmt?


    mit der Anwendung von Methoden der modernen Erzähltheorie auf die homerischen Epen wird der Unterschied zwischen mündlicher und schriftlicher Kompositionsweise zu überbrücken gesucht


    Schön, dass es eine moderne Erzähltheorie gibt, aber was hat das mit Homer zu tun? Der kannte diese Theorie doch nicht... :zwinker: Im Ernst: Handelt es sich um eine beweisbare und bewiesene Theorie? Aus der sich Aussagen über die Wirklichkeit ableiten lassen? Noch dazu eine fast dreitausend Jahre zurückliegende Wirklichkeit? Ich bezweifle das. In den Geisteswissenschaften sind "Theorien" eher Begriffsgebäude, die dazu dienen, unsere Sicht der Dinge zu strukturieren, als dass sie in der Lage wären, die den Dingen innewohnenden Gesetzmäßigkeiten bloßzulegen.


    Auch deutet die Formulierung


    wird der Unterschied zwischen mündlicher und schriftlicher Kompositionsweise zu überbrücken gesucht


    eher auf eine Gestaltung eines (Homer-)bildes hin als auf den Versuch, die Übereinstimmung des Bildes mit seinem Gegenstand zu verifizieren.


    Von der – inzwischen hinlänglich bekannten – Dichtungstechnik Homers


    Die Technik Homers kann man nicht kennen - nur seine Dichtungen. Oder hat ihm jemand beim Dichten über die Schulter geschaut?


    Es mag übrigens sein, dass es für alles stichhaltige Beweise gibt, nur gibt das Zitat das nicht her.


    Was Dein Beispiel betrifft, so ist es nicht glücklich... es ist mir schon klar, was Du sagen willst, aber im Fall von Ecos Roman kann man nicht schließen, dass er 5000 Jahre alt ist, weil die von Dir zitierten Sätze im Original (vermute ich zumindest...) auf Italienisch sind, eine Sprache, die es vor 2000 Jahren noch nicht gab, während das Griechische des Neuen Testamentes als Literatursprache heute nicht mehr existiert (behaupte ich mal...).


    Dieses Argument liefert einen Hinweis auf Indizien, die mehr Erkenntnisgewinn liefern dürften als Theorien, nämlich "Klassische Philologie": Wenn sich z.B. nachweisen ließe, dass bestimmte grammatische Formen oder phonetische Eigenheiten in bestimmten Textbausteinen (z.B. wiederkehrende Formeln) anders lauten als in anderen Teilen des Textes... usw.


    Vielleicht könnte man ein wissenschaftstheoretisches Gesetz draus machen:


    "Die Wiederholfrequenz von Theorienbildungen in Bezug auf eine wissenschaftliche Frage verhält sich umgekehrt proportional zur Quantität der verwertbaren Fakten." :zwinker:


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo Harald,


    dass das Beispiel mit Eco hinkt (wie übrigens alle Beispiele) war mir schon klar, wenn Du aber daraus verstanden hast, was ich meine, dann war es als Beispiel doch okay. Mehr wollte ich mit dem Beispiel auch nicht erreichen.




    Ich habe aus einer Zusammenfassung zitiert, dass ganze Buch war mir zu viel zumal es noch einen 18-seitigen Anhang mit zitierter Literatur hat die man ja auch mitlesen müsste. Warum sollte ein Wissenschaftler wie L. solche Dinge schreiben, wenn es nicht Argumente dafür gäbe. Ich jedenfalls gehe davon aus, dass wissenschaftliche Erkenntnisse, der letzten 20 Jahre, die allgemein anerkannt werden, richtiger sind, als Erkenntnisse die 70 Jahre und älter sind. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse selbst nachzuprüfen fehlt mir die Zeit und meistens auch die Fähigkeit. Kann ich mich nicht auf die neuesten Erkenntnisse stützen, dann ist Wissenschaft eh in Frage zu stellen.


    Argumente wie, Homer kannte ja die moderne Erzählltheorie nicht, deshalb kann diese keine Erkenntnisse über Homer geben, finde ich insofern albern, weil Homer ja auch den Oral Poetry Ansatz des Herrn Milman Parry nicht kannte, wieso soll dieser dann Erkenntnisse geben?


    Ich werde jedenfalls auch in Zukunft dafür sorgen, dass im Klassikerforum veraltete Theorien durch neuere Theorien, sofern mir diese bekannt sind, ergänzt werden. Das soll aber niemanden hindern, an den veralteten Theorien festzuhalten.


    Falls ich mal nicht auf dem neuesten Stand bin, bin ich übrigens auch froh, wenn ich ergänzt werde.


    Gruß von Hubert

  • Hallo Hubert, Xenophanes und Harald,


    vielen Dank für eure Ausführungen zu Homer und "oral poetry". Das ist für mich sehr lehrreich in Bezug auf meine Grundfrage nach den Überlieferungswegen altgriechischer Literatur.
    Wisst ihr zufällig, ob im Internet ein einschlägiger, einsichtiger und moderner Aufsatz zum Thema existiert? :rollen:


    Gruß
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo finsbury,


    Zitat

    Wisst ihr zufällig, ob im Internet ein einschlägiger, einsichtiger und moderner Aufsatz zum Thema existiert?


    Weiß ich leider nicht, aber such doch auf Google nach "oral poetry", wenn es überhaupt so einen Artikel gibt, müßte er sich finden lassen.


    Hallo Hubert,


    Zitat

    Warum sollte ein Wissenschaftler wie L. solche Dinge schreiben, wenn es nicht Argumente dafür gäbe.


    Da kann ich mir einige Gründe denken:


    - Weil er sich als Wissenschaftler profilieren möchte, und das nur kann, indem er etwas Neues aufbringt
    - Weil er rational nicht herleitbare (ihm aber emotional wichtige) Überzeugungen vertritt
    - Weil er als kreativer Mensch seine Kollegen und/oder die interessierte Öffentlichkeit dazu motivieren will, die Dinge von einem anderen Standpunkt zu betrachten


    womit ich Herrn Latacz keine dieser Motive unterstellen will. Ich bin nur für gesunde Skepsis. Ich glaube nicht, dass alles stimmt, was in einem "wissenschaftlich" daherkommenden Buch steht. Wenn es dazu noch ein Text ist, der nicht für die Fachwelt geschrieben ist, sondern sich an interessierte Laien wendet, und ich die Argumentation nicht nachvollziehen kann, werde ich mißtrauisch.


    Zitat

    Ich jedenfalls gehe davon aus, dass wissenschaftliche Erkenntnisse, der letzten 20 Jahre, die allgemein anerkannt werden, richtiger sind, als Erkenntnisse die 70 Jahre und älter sind.


    Es geht aber doch gar nicht um Erkenntnisse. Was für Erkenntnisse? Weiß man heute mehr über Homer als vor zweieinhalbtausend Jahren? Es gibt doch nur mehr oder weniger plausible Theorien. Werden die Theorien besser? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wie auch immer, ich möchte die Argumente für oder gegen eine Theorie verstehen können, damit ich mir mein eigenes Urteil bilden kann.


    Zitat

    Kann ich mich nicht auf die neuesten Erkenntnisse stützen, dann ist Wissenschaft eh in Frage zu stellen


    Wissenschaft ist immer in Frage zu stellen. Die Wissenschaft selbst lebt davon, dass sie sich selber immer in Frage stellt.


    Zitat

    Argumente wie, Homer kannte ja die moderne Erzählltheorie nicht, deshalb kann diese keine Erkenntnisse über Homer geben, finde ich insofern albern


    Bei dieser Aussage stand ein Smiley...


    Was ich damit sagen wollte: Mir scheint die Theorienbildung mehr ein Eingeständnis unseres Unwissens als echter Erkenntnisgewinn zu sein... Um mein "wissenschaftstheoretisches Gesetz" (Smiley!!) zu wiederholen: Je weniger man weiß, desto mehr wird spekuliert, und diese Spekulationen sagen mehr über uns aus als über Homer (und damit pointiert, meinetwegen albern: Was wußte Homer von unseren Theorien?).


    Zitat

    Ich werde jedenfalls auch in Zukunft dafür sorgen, dass im Klassikerforum veraltete Theorien durch neuere Theorien, sofern mir diese bekannt sind, ergänzt werden.


    Womit ich sehr einverstanden bin.


    Zitat

    Das soll aber niemanden hindern, an den veralteten Theorien festzuhalten.


    Ach, es geht doch nicht um neu oder alt, sondern darum, was überhaupt gesicherte Erkenntnis ist. Meine Skepsis gilt genauso den alten Theorien wie den neuen.


    Bei nächster Gelegenheit werde ich mir das Buch von Latacz (Homer: Der erste Dichter des Abendlandes) vornehmen. Ich wollte sowieso die Ilias und die Odyssee wieder lesen (meine letzte Lektüre liegt mindestens fünfzehn Jahre zurück...). Dann kann ich vielleicht aus dem Zusammenhang begründeter urteilen als aus einem einzigen Zitat.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Zitat von "xenophanes"


    Passt auch nicht ganz zu anderen aktuellen Thesen Latacz', wo er argumentiert, das das Versmaß eine genaue genau Überlieferung über mehrere Jahrhunderte "garantiert" (Troia und Homer).


    Zur Erläuterung Latacz im Wortlaut:


    Hier kamen neuere Erkenntnisse der Historischen Sprachwissenschaft zu Hilfe. Das Versmaß der von Sängern bei jedem Vortrag neu improvisierten DIchtung war schon lange vor Homer der Hexamter [...]
    Im Griechischen ist das ein äußerst anspruchsvoller Vers. Um natürlich zu klingen, erfordert er vom Sänger das Verinnerlichen zahlreicher Regeln. Dem Sänger, der eine lange Reihe von Hexametern zu bilden hat, erleichtert es die Arbeit, wenn er nicht alles, was zu formulieren ist, jedes Mal vollkommen neu erfinden muss. Ausdrücke, Wortverbindungen, ja ganze Verse, die von Vorgängern geprägt wurden, speichert er darum in einem Formelrepertoire ab, das zu seinem Handwerkszeug gehört. Solche Formeln können durchaus von Sängergeneration zu Sängergeneration unverändert weiterwandern: "schnellfüssiger Achilleus", helmschüttelnder Hektor [...]
    In solchen Formeln eingeschlossen konnten theoretisch Wissensinhalte über Jahrhunderte hinweg weitergegeben werden, also auch solche aus der mykenischen Epoche. Vorausgesetzt, der Hexamter war bereits damals in Gebrauch.
    Genau dies haben Sprachwissenschaftler in den letzten zwanzig Jahren plausibel gemacht.

    Quelle: Abenteuer Archäologie 2/2004, S. 35

  • Zitat von "xenophanes"

    Zur Erläuterung Latacz im Wortlaut:


    [i]Hier kamen neuere Erkenntnisse der Historischen Sprachwissenschaft zu Hilfe. Das Versmaß der von Sängern bei jedem Vortrag neu improvisierten DIchtung war schon lange vor Homer der Hexamter [...]
    ...
    In solchen Formeln eingeschlossen konnten theoretisch Wissensinhalte über Jahrhunderte hinweg weitergegeben werden, also auch solche aus der mykenischen Epoche. Vorausgesetzt, der Hexamter war bereits damals in Gebrauch.


    Den Text kannte ich schon. Nur hat der nichts mit Homer zu tun. M.M.n. wird hier gesagt, wenn es in der mykenischer Epoche schon den Hexameter gegeben hätte, dann wäre es theoretisch möglich gewesen, dass in der Zeit vor Homer formelhafte Inhalte über Jahrhunderte hinweg mündlich überliefert worden wären. Tolle Erkenntnis. Hab ich auch nichts gegen.
    Aber jetzt hat man erkannt, dass Homer kein Sänger war, sondern der Verfasser der Ilias und dass er wahrscheinlich dazu Schrift benutzt hat.
    Auch nicht schlecht.


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "Harald"


    Da kann ich mir einige Gründe denken:


    - Weil er sich als Wissenschaftler profilieren möchte, und das nur kann, indem er etwas Neues aufbringt
    - Weil er rational nicht herleitbare (ihm aber emotional wichtige) Überzeugungen vertritt
    - Weil er als kreativer Mensch seine Kollegen und/oder die interessierte Öffentlichkeit dazu motivieren will, die Dinge von einem anderen Standpunkt zu betrachten


    womit ich Herrn Latacz keine dieser Motive unterstellen will. Ich bin nur für gesunde Skepsis. Ich glaube nicht, dass alles stimmt, was in einem "wissenschaftlich" daherkommenden Buch steht. Wenn es dazu noch ein Text ist, der nicht für die Fachwelt geschrieben ist, sondern sich an interessierte Laien wendet, und ich die Argumentation nicht nachvollziehen kann, werde ich mißtrauisch.


    Das geht mir genauso. Deshalb bin ich auch von Anfang an dieser oral poetry Annahme skeptisch gegenüber gestanden.


    Aber Latacz ist ein weltbekannter Wissenschaftler, der braucht sich nicht mehr profilieren, deshalb ziehen in seinem Fall deine Argumente nicht. Außerdem werden seine Erkenntnisse auch von seinen Fachkollegen anerkannt und deshalb sehe ich hier keinen Grund zum Zweifel



    Wie auch immer, ich möchte die Argumente für oder gegen eine Theorie verstehen können, damit ich mir mein eigenes Urteil bilden kann.


    Geht mir genauso. Dann erklär mir doch schnell einmal die Argumente der oral poetry Annahme. Die hab' ich bis heute nicht verstanden.



    Bei nächster Gelegenheit werde ich mir das Buch von Latacz (Homer: Der erste Dichter des Abendlandes) vornehmen. Ich wollte sowieso die Ilias und die Odyssee wieder lesen (meine letzte Lektüre liegt mindestens fünfzehn Jahre zurück...). Dann kann ich vielleicht aus dem Zusammenhang begründeter urteilen als aus einem einzigen Zitat.


    Dann lies aber vorher das von mir auch genannte, von Latacz herausgegebene Buch "Wege der Forschung - Homer".


    Vielleicht hätten wir uns einige Schreibarbeit sparen können, wenn Du gleich auf mein ersten Posting zu diesem Thema ungefähr so geantwortet hättest:


    Danke, Hubert, für den Tipp. Ich werde mir das Buch besorgen und mir mein eigenes Urteil bilden. Dann werde ich euch über meine Meinung informieren.


    Nur als Tipp, für's nächste Mal. :zwinker:


    Gruß von Hubert

  • Hallo Hubert,


    Du hattest geschrieben:


    Zitat von "Hubert"

    Warum sollte ein Wissenschaftler wie L. solche Dinge schreiben, wenn es nicht Argumente dafür gäbe.


    Das ist eine rhetorische Frage. Sie besagt, dass alles, was ein Wissenschaftler wie L. schreibt, auf guten Argumenten beruhen muss. Ich habe mir erlaubt, an der grundsätzlichen Zulässigkeit dieser Annahme zu zweifeln, und habe ein paar Argumente für diese Zweifel gebracht. Ich habe damit nicht behauptet, dass Latacz These falsch ist, sondern nur gesagt, dass mir die bloße Aufstellung einer These als Begründung nicht ausreicht.


    Ich habe nicht gesagt, dass L. sich profilieren will etc. Ich habe nur gesagt und auch begründet, dass die in Form einer rhetorischen Frage gekleidete Aussage so nicht stimmen muss.


    Weiter sagst Du:


    Zitat von "Hubert"

    Außerdem werden seine Erkenntnisse auch von seinen Fachkollegen anerkannt


    Das stimmt definitiv nicht. Zitat von einem Studenten der Altphilologie:


    Kritisch sind die Ausführungen deshalb zu lesen, weil der von Latacz dargestellte Forschungsstand nicht die communis opinio der Forschung ist; das Gegenbild findet sich v.a. bei D. Hertel, Troia, München 2001 (zur Archäologie) und Ch. Ulf (Hg.), Der neue Streit um Troia, München 2003. Einen bösen Ausrutscher leistet sich Latacz vor allem, als er Hesiod (ca. 700 v. Chr.), den Zeitgenossen Homers, als „boiotische[n] Sängerdilettant[en]" (S. 82 in der Ausgabe von 2003) im Gegensatz zu Homer als dem „professionell[en] ionische[n] Sänger" bezeichnet - wer die „Werke und Tage" Hesiods gelesen hat, kann hier nur den Kopf schütteln.


    Aus einer Amazon-Rezension von Latacz: Homer, Düsseldorf 2003. Die Rezension ist ansonsten übrigens sehr positiv. Hier der Link:


    http://www.amazon.de/exec/obid…_11_3/028-6138337-4679752


    Ähnliche Aussagen habe ich unter dem Etikett "Der neue Streit um Troja" auch an anderen Stellen gelesen.


    Zitat von "Hubert"

    Dann erklär mir doch schnell einmal die Argumente der oral poetry Annahme


    Wann habe ich den Oral Poetry Ansatz vertreten? Wenn Du meine Postings liest, wirst Du zweierlei feststellen: Erstens, dass ich für die Verwerfung dieses Ansatzes gerne Argumente gesehen hätte. Das heißt doch nicht, dass ich diesen Ansatz für erwiesen halte! Rein logisch formuliert: Wenn ich daran zweifle, dass A bewiesen ist, heißt das doch nicht, dass ich die Aussage "nicht-A" vertrete! Ich schaffe es, "A" und "nicht-A" zu bezweifeln :zwinker: . Und zweitens habe ich doch deutlich gesagt, dass meine "Skepsis" allen Ansätzen (alte wie neue, "Oral Poetry"-Theorie wie "Elaborierte-Dichtungs"-Theorie) gilt. Hier das Zitat:


    Zitat von "Harald"

    Meine Skepsis gilt genauso den alten Theorien wie den neuen.


    Zitat von "Hubert"

    Dann lies aber vorher das von mir auch genannte, von Latacz herausgegebene Buch "Wege der Forschung - Homer".


    Nein, das werde ich nicht tun. Erstens kann man nicht alles lesen, auch wenn es noch so interessant ist. Zweitens besteht ein großer Unterschied zwischen einem Forschungsbericht und einem populärwissenschaftlichen Werk. Forschungsartikel setzen einen Kontext voraus, in den sich einzuarbeiten jemand, der nicht gerade als Altphilologe sein Brot verdient, einfach nicht bewältigen kann. Populäre (na ja, für gebildete Interessierte) Werke fassen diesen Kontext in einem Werk zusammen und sollten es ermöglichen, die Hauptlinien und -argumente der Forschung ohne weitläufiger Literaturrecherche nachzuvollziehen.


    Na ja, wem sage ich das, diese Unterscheidung ist Dir ja klar. Du wirst aber vielleicht akzeptieren können, dass ich nicht jeden Lektüretipp aufnehmen kann, auch wenn er wie hier durchaus gehaltvoll ist.


    Zum guten Schluß zu Deinem Vorschlag:


    Zitat von "Hubert als Harald-Suggestiv"

    Danke, Hubert, für den Tipp. Ich werde mir das Buch besorgen und mir mein eigenes Urteil bilden. Dann werde ich euch über meine Meinung informieren.


    Ja, das hätte ich so schreiben können. Nur: Ist dies nicht ein Diskussionsforum? Zudem ging es bei der Diskussion (zumindest aus meiner Sicht) nicht um die Homerische Frage oder um Latacz' Thesen, sondern um das Herangehen an Homerische Fragen und an Latacz' Thesen. Dein Herangehen habe ich so verstanden: "L. hat es geschrieben, er ist ein angesehener Wissenschaftler, es gibt daher keinen Grund zu Zweifeln." Mein Herangehen ist: "L. vertritt einen Standpunkt unter verschiedenen möglichen, es gibt Argumente dafür und dagegen, denen man je nach Überzeugungskraft der Argumentation mehr oder weniger Plausibilität zumessen kann."


    Deinen Vorschlag, meine Schlußfolgerungen nach der Lektüre zu posten, nehme ich gerne auf. Vielleich kommt auch einmal eine Leserunde "Odysee" zusammen (wie ich sehe, gab es schon eine).


    Herzlichen Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Zitat von "Harald"

    .


    Das stimmt definitiv nicht. Zitat von einem Studenten der Altphilologie:


    Kritisch sind die Ausführungen deshalb zu lesen, weil der von Latacz dargestellte Forschungsstand nicht die communis opinio der Forschung ist; das Gegenbild findet sich v.a. bei D. Hertel, Troia, München 2001 (zur Archäologie) und Ch. Ulf (Hg.), Der neue Streit um Troia, München 2003. Einen bösen Ausrutscher leistet sich Latacz vor allem, als er Hesiod (ca. 700 v. Chr.), den Zeitgenossen Homers, als „boiotische[n] Sängerdilettant[en]" (S. 82 in der Ausgabe von 2003) im Gegensatz zu Homer als dem „professionell[en] ionische[n] Sänger" bezeichnet - wer die „Werke und Tage" Hesiods gelesen hat, kann hier nur den Kopf schütteln.


    Hallo zusammen,
    hallo Harald!


    Das Zitat stammt nicht von einem Studenten der Altphilologie, sondern von einem Studenten der Archäologie, der im Nebenfach Kunstgeschichte und Altgriechisch studiert, aber selbst wenn er Student der Altphilologie wäre, würde ich ihn nicht als Kollegen von Latacz bezeichnen, der emeritierter Professor für Altphilologie ist. D. Hertel ist m.W’s Archäologe, also auch kein Fachkollege eines Altphilologen. Bei Hertel geht es im übrigen weniger um die homerische Frage, sondern um die trojanische Frage. Während der Archäologe Manfred Korfmann, der die Ausgrabungen in Troja schon seit Jahren leitet, der Ansicht ist, Troja war eine bedeutendes Zentrum, um das es sich für die Griechen gelohnt hat zu kämpfen, vertritt Hertel, (um sich zu profilieren?) die Meinung, Troja war nur ein kleiner Fürstensitz und der trojanische Krieg frei (von Homer?) erfunden. Hätte Hertel Recht, würde sich die oral poetry Annahme für die Ilias eh erübrigen, weil was nicht stattgefunden hat, braucht auch nicht mündlich überliefert zu werden.


    Da ich mir vor drei Jahren die Ausgrabungen von Korfmann vor Ort angesehen habe, neige ich, wie Latacz, dazu Korfmann Recht zu geben. Bei der vor noch nicht allzu langer Zeit stattgefundenen Troja-Ausstellung habe ich einige Vorträge/Vorlesungen des Begleitprogramms in Stuttgart und Bonn besucht. Dabei standen alle Altphilologen und Archäologen (außer Hertel) die ich gehört habe, auf der Seite von Latacz/Korfmann.


    Hesiods „Werke und Tage“ habe ich gelesen und ich habe nicht, wie von obigem Studenten empfohlen, den Kopf geschüttelt. Dass Homer literarisch gesehen eine Klasse über Hesiod steht, auch das ist m.M.n. unbestritten.




    Zitat von "Harald"

    Wann habe ich den Oral Poetry Ansatz vertreten?
    ...
    Und zweitens habe ich doch deutlich gesagt, dass meine "Skepsis" allen Ansätzen (alte wie neue, "Oral Poetry"-Theorie wie "Elaborierte-Dichtungs"-Theorie) gilt. Hier das Zitat:


    Meine Skepsis gilt genauso den alten Theorien wie den neuen.


    Dieses Zitat steht am Schluß der Diskussion. Jedenfalls hast Du als Roquairol und Xenophanes über die oral poetry Annahme sprachen (Durchbruch nicht nur in der Homerforschung) keine Zweifel angemeldet, sondern erst, als ich erwähnte, es gibt auch neuere Erkenntnisse.



    Zitat von "Harald"

    Zum guten Schluß zu Deinem Vorschlag:



    Ja, das hätte ich so schreiben können. Nur: Ist dies nicht ein Diskussionsforum? Zudem ging es bei der Diskussion (zumindest aus meiner Sicht) nicht um die Homerische Frage oder um Latacz' Thesen, sondern um das Herangehen an Homerische Fragen und an Latacz' Thesen. Dein Herangehen habe ich so verstanden: "L. hat es geschrieben, er ist ein angesehener Wissenschaftler, es gibt daher keinen Grund zu Zweifeln." Mein Herangehen ist: "L. vertritt einen Standpunkt unter verschiedenen möglichen, es gibt Argumente dafür und dagegen, denen man je nach Überzeugungskraft der Argumentation mehr oder weniger Plausibilität zumessen kann."


    Das wir hier ein Diskussionsforum sind, siehst Du richtig, deswegen ist auch gegen solche Diskussionen grundsätzlich nichts einzuwenden. Die Frage ist höchstens, hätte man in der Zeit nicht Interessanteres diskutieren können?


    Mein Herangehen hast Du falsch verstanden. Gerade ich, melde immer, auch hier im Forum, meine Zweifel an Aussagen von Fachleuten an, wenn ich berechtigte Zweifel habe. An Latacz Thesen habe ich keine Zweifel, nicht weil er angesehener Wissenschaftler ist, sondern weil mich seine Argumente überzeugt haben, und weil es keine ernstzunehmenden aktuellen Gegenargumente gibt.


    Dass die Odyssee hier schon gelesen wurde, schließt nicht aus, sie noch mal zu lesen. Davon abgesehen wurde die Ilias hier noch nicht gelesen.


    Gruß von Hubert

  • Hallo Hubert,


    Zitat von "Hubert"

    Die Frage ist höchstens, hätte man in der Zeit nicht Interessanteres diskutieren können?


    Natürlich möchte ich Dich nicht zu einer Diskussion nötigen, an der Dir nichts liegt. Ich weiß nicht, wie Andere das sehen: Ich jedenfalls bin nicht beleidigt, wenn mir jemand auf eine Mitteilung, die ich unaufgefordert eingehängt habe, nicht antwortet. Also wäre mein Vorschlag: Lasse links liegen, was Dich nicht interessiert. Das wäre mir lieber, als wenn ich (wenn auch ungewollt) Deine Zeit verschwenden würde.


    Herzlichen Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Zitat von "xenophanes"


    Und? Habe das auch nirgends behauptet.
    CK


    Hallo CK,


    explizit behauptet, hast Du das nicht. Wenn Du aber in einer Diskussion in der aktuell die Frage von Homers Blindheit diskutiert wird, auf mein Zitat von Latacz, warum dies vermutlich eine Legende sei, postest:
    Passt auch nicht ganz zu anderen aktuellen Thesen Latacz', wo er argumentiert, das das Versmaß eine genaue genau Überlieferung über mehrere Jahrhunderte "garantiert"


    dann ist darin implizit natürlich zu verstehen, dass es bei diesen anderen Thesen Latacz auch um Homer geht. War Dir aber zum Zeitpunkt deines Postings schon klar, dass es dabei nicht um Homer geht, dann verstehe ich Dein Posting, nicht nur als fehlerhaften Hinweis, wie er ja mal passieren kann und verzeihlich wäre, sondern als bewusste Falschinformation um eine Diskussion zu stören,
    und somit, mit Verlaub gesagt, als eine Unverschämtheit.



    Harald hat gepostet:
    Natürlich möchte ich Dich nicht zu einer Diskussion nötigen, an der Dir nichts liegt.
    .....
    Also wäre mein Vorschlag: Lasse links liegen, was Dich nicht interessiert.


    Hallo Harald,


    Hättest Du Deinen Hinweis, auf Homers Blindheit, oder dass das menschliche Gedächtnis mehr Kapazität hat, als der größte Computer, irgendwo gepostet, hätte ich sicher meine Zeit nicht dafür eingesetzt Dir zu antworten. Da Du es aber im Klassikerforum getan hast, sehe ich es als Administrator dieses Forums als meine Aufgabe an, solche Postings richtig zu stellen, bzw. zu relativieren.


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "finsbury"

    Seit eineinhalb Jahren beschäftige ich mich mit den griechischen Klassikern, immer in kleinen Häppchen und nebenbei. Nachdem ich die Epiker Homer und Hesiod gelesen habe,


    Hallo Finsbury,


    mit Homer und Hesiod habe ich mich auch schon beschäftigt. Natürlich auch mit anderer griechischer Literatur, vor allem auch dem griechischen Drama und der Lyrik und m.M.n. kann, was die Griechen vor über 2000 Jahren geschrieben haben, noch immer mit heutigen Erzeugnissen mithalten.


    Aktuell gibt es ja durch das Bibelprojekt wieder Gelegenheit in den Hesiod zu schauen. Bei der „Schöpfungsgeschichte“ hat sich ein Vergleich zwischen Genesis 1 und dem Anfang von Hesiods „Theogonie“ angeboten, bei unserem aktuellen Thema (Paradies –Genesis 3) wäre m.M.n. ein Vergleich mit Hesiods „Werke und Tage“ angebracht, wo auch über ein Goldenes Zeitalter berichtet wird, indem Menschen und Tiere friedlich zusammen leben und die Menschen noch keine Sorgen haben, also im Paradies leben. Vielleicht hast Du ja Lust dazu im Bibelprojekt etwas zu sagen.


    Gruß von Hubert


  • Danke für den Hinweis. In dem Bibelpojekt finde ich mich nicht so gut zurecht: Ihr seid da ja unglaublich fleißig mit Bezügen und Sekundär-literatur, aber da braucht man ja schon eine Flatrate, um das alles zu lesen.
    Mit dem goldenen Zeitalter bei Hesiod wird - glaube ich - ein Grundmythos der Menschen berührt, sowas Ähnliches kommt meines Erachtens schon im Gilgamesch vor - in der Freundschaft zwischen Gilgamesch und Enkidu, wenn ich mich richtig erinnere.


    Gruß und vielen Dank
    finsbury


    PS. Ich komme mit dem Markieren noch nicht so gut zurecht, bzw. mein Computer macht da nicht mit (Windows NT 97). Deshalb ist ein Teil meiner Antwort in dem Zitat aus deinem Brief versteckt :zwinker: .

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo finsbury!


    OT:

    Zitat von "finsbury"

    Ich komme mit dem Markieren noch nicht so gut zurecht, bzw. mein Computer macht da nicht mit (Windows NT 97). Deshalb ist ein Teil meiner Antwort in dem Zitat aus deinem Brief versteckt :zwinker: .


    Was für einen Browser benutzt Du denn? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es am einfachsten ist, wenn man die BBCode-Tags (oder wie die Dinger offiziell immer heissen) selber schreibt und sich nicht auf Markierungen verlässt.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • hallo sandhofer,


    vielen Dank für deinen Tipp. Ich habe den normalen Microsoft Internet Explorer. Auch mit den tags - falls das die eckigen Klammern mit den Befehlen sind, ich hab nämlich wenig bis keine Ahnung von sowas -komme ich nicht klar. Wenn ich Hervorzuhebendes mit diesen Befehlen umgebe, nützt das genauso wenig, wie wenn ich sie markiere und die entsprechenden Befehle anwähle. Irgendwas mach ich wohl grundlegend
    falsch. Aber ansonsten machts trotzdem Spaß! :breitgrins:
    Gruß
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)