Mai 2004: Heinrich von Kleist - Prinz Friedrich von Homburg

  • Zitat von "Berch"

    Was mir besonders ins Auge gefallen ist: Der Prozeß des Umdenkens beim Prinzen, seine verbale Auseinandersetzung mit Natalie und auch das Aufbegehren der anderen Offiziere ist durchaus in angemessener Länge dargelegt worden. Die eigentliche Schlußszene (9. - 11. Auftritt) mit der Auflösung des Konfliktes ist dafür aber erstaunlich kurz ausgefallen. Gibt es dafür plausible Gründe?


    Hallo Berch,


    ja, sehe ich auch so, die Auflösung des Konflikts (10. und 11. Auftritt im letzen Akt) ist etwas kurz geraten. M.M.n. hängt das mit Kleists Versuch zusammen, seinen Dramen eine vollkommene Form zu geben. So hat er z.B. die Akte 1. und 5. spiegelbildlich angelegt. Also 1. Akt mit mehreren Szenen im Garten und einer kurzen Schlußszene im Schloß, dem entsprechend im letzten Akt mehrere Szenen im Schloß und einen kurzen Schluß im Garten. Besser wäre wahrscheinlich gewesen Kleist hätte mehr auf den Inhalt und weniger auf die Form geachtet.



    Und: Welche Funktion hat der Traum des Prinzen im Hinblick auf das Ende des Stückes? Es ist ja fast schon eine selbsterfüllende Prophezeiung. Hätte der Kurfürst in Unkenntnis dieses Traums wohlmöglich anders gehandelt? Ist der schlußendlich positive Ausgang also rein von der Kenntnis/ Unkenntnis dieses Traums abhängig? Wie seht Ihr da die Zusammenhänge und wie würdet Ihr die Bedeutung des Traumes für das Stück allgemein einordnen? Mir scheint es fast das zentrale Element zu sein


    Der Traum ist sicher ein zentrales Element, wenn auch m.M.n. nicht das zentrale Element wie er häufig in der Sekundärliteratur hingestellt wird. Ich sehe in ihm den ersten Schritt, des geschichtsphilosophischen Dreierschritts, den Kleist in seinem Essay „Über das Marionettentheater“ beschrieben hat.
    - Der Traum im 1. Akt führt den Prinzen als „Marionette“ vor
    - Nach dem Erwachen beginnt mit der Reflexion die „Verwirrung der Gefühle“
    - Mit der Annahme des Todesurteils tritt der Prinz in das Stadium des „Ewigen Gefühls“ ein.


    Kann sein, dass ich mich täusche, aber wenn ein Dichter gleichzeitig ein Essay und ein Drama schreibt, liegt es m.M.n. nahe, dass sich das eine auf das andere bezieht. Und nur so kann ich im „Prinzen“ einen tieferen Sinn entdecken, ansonsten wär’s wieder einmal Kabarett.


    Gruß von Hubert

  • Hallo zusammen,
    hallo Hubert,


    Zitat

    M.M.n. hängt das mit Kleists Versuch zusammen, seinen Dramen eine vollkommene Form zu geben. So hat er z.B. die Akte 1. und 5. spiegelbildlich angelegt.


    Das wäre natürlich ein Grund. Man kann natürlich jetzt darüber streiten, ob ein 'Zurechtstutzen' des Inhalts zugunsten der Form wirklich sinnvoll ist, aber das ist wohl müßig. Vielleicht legen heutige Leser andere ästhetische Maßstäbe an. Mir persönlich ist diese abgerundete Form nicht wirklich ins Auge gestochen, obwohl ich sie jetzt auch erkenne. Zeitgenössische Leser oder vor allem wohl Zuschauer mögen da eine andere Blickrichtung und ein geschulteres Auge gehabt haben.


    Zitat

    Der Traum ist sicher ein zentrales Element, wenn auch m.M.n. nicht das zentrale Element wie er häufig in der Sekundärliteratur hingestellt wird. Ich sehe in ihm den ersten Schritt, des geschichtsphilosophischen Dreierschritts, den Kleist in seinem Essay „Über das Marionettentheater“ beschrieben hat.
    - Der Traum im 1. Akt führt den Prinzen als „Marionette“ vor
    - Nach dem Erwachen beginnt mit der Reflexion die „Verwirrung der Gefühle“
    - Mit der Annahme des Todesurteils tritt der Prinz in das Stadium des „Ewigen Gefühls“ ein.


    Kann sein, dass ich mich täusche, aber wenn ein Dichter gleichzeitig ein Essay und ein Drama schreibt, liegt es m.M.n. nahe, dass sich das eine auf das andere bezieht. Und nur so kann ich im „Prinzen“ einen tieferen Sinn entdecken, ansonsten wär’s wieder einmal Kabarett.


    Ich muß zugeben, ich habe keinerlei Sekundärliteratur zu Rate gezogen und auch sein Essay nicht gelesen. Meine Rückschlüsse auf die Zentralität des Traumes entstammten also meinen eigenen Eindrücken.
    Deine Sichtweise ist aber durchaus nachvollziehbar. Die Tatsache, daß Kleist beide Texte gleichzeitig geschrieben hat, läßt durchaus den Schluß zu, daß es Bezüge gibt. Das Drama also als Ausgestaltung der theoretischen Überlegungen? Verstehe ich Dich da richtig?


    Gruß
    Berch

  • Hallo Ihr Lieben,
    sorry ich habe den Prinzen total verdrängt. :entsetzt:
    Hubert, Du wolltest ein Fazit von mir? Mir fällt abschließend nicht mehr viel ein. Ich weiß jetzt wieder, warum ich den Prinzen nicht so mochte. Das Stück gibt mir nicht viel, weder vom Inhalt, noch von den Charakteren.


    Hubert hat gefragt: "Gibt es eigentlich eine Beziehung zwischen der Insubordination des Prinzen und seinem anfänglichen Traum? "


    Meiner Meinung nach ein ganz klares JA! Dieser Traum und das Spiel des Kurfürsten, läßt den Prinzen tatsächlich an einen Triumph glauben. Er kann sich ja an alles erinnern, außer seltsamerweise an Natalie. Er hat Lorbeer und den Handschuh. Als er nun bemerkt, daß der Handschuh Natalie gehört, ist er von einem Sieg fast besessen,


    Zitat

    (steht einen Augenblick, wie vom Blitz getroffen da; dann wendet er sich mit triumphierenden Schritten wieder in den Kreis der Offiziere zurück).
    Dann wird er die Fanfare blasen lassen!
    (Er tut, als ob er schriebe.)


    Der Prinz ist so unaufmerksam, daß er keinen Befehl mitbekommt, er träumt nur noch von der FANFARE.
    "Auf! Laß Fanfare blasen! Folge mir! " Er will unbedingt eingreifen, ansonsten kann sein Traum ja nicht in Erfüllung gehen.


    Meines Erachtens ist die Sache zweischneidig. Zum einen hat der Prinz nicht zugehört und kennt seinen Befehl nicht und andererseits glaubt er, daß ihm der Sieg vorherbestimmt ist. Es kann also gar nichts schief gehen.


    Ob er deshalb schuldig im Sinne der Anklage ist, das kann und möchte ich nicht entscheiden. Ich glaube, daß das auch nicht so wichtig ist.


    Merkwürdig finde ich auch, daß der Prinz im ersten Akt sehr negativ geschildert wird: selbstsüchtig, eingebildet, erfolgssüchtig und ungestüm. Am Ende verteidigen ihn plötzlich alle. Meiner Meinung nach ist das von Kleist schlecht hergeleitet. Auch die Beziehung/ Verlobung mit Natalie ist äußerst merkwürdig.


    Viele Grüße Jacky

  • HUHU Papst, wo bist DU?
    Du mußt mir bitte noch erklären, warum das Dein LIeblingsstück ist :rollen:
    Die Soldatenromantik kann doch nicht alles sein.
    liebe Grüße Jacky

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  • Zitat von "Berch"

    Hallo zusammen,
    hallo Hubert,



    Zeitgenössische Leser oder vor allem wohl Zuschauer mögen da eine andere Blickrichtung und ein geschulteres Auge gehabt haben.


    Hallo zusammen,
    hallo Berch,


    m.M.n. ist es eine Frage, ob ich ein Stück lese oder wie vorgesehen auf der Bühne sehe. Meist werden die Regieanweisungen nicht aufmerksam, wenn überhaupt, gelesen, auf der Bühne fällt es aber schon auf, wenn am Anfang eine lange Gartenszene und am Schluß eine kurze ist.


    Übrigens ist der 3. und 4. Akt ebenso spiegelbildlich angelegt:
    Gefängnis - Schloß : Schloß - Gefängnis.
    Das hat schon was auf der Bühne, aber beim Lesen merkt man's nicht so.



    Zitat

    Das Drama also als Ausgestaltung der theoretischen Überlegungen? Verstehe ich Dich da richtig?


    Ja, genau, zumindest sehe ich das so. Ich hatte ja mal darauf hingewiesen, dass es Sinn macht, das Marionettentheater mit dem Prinzen zu lesen, aber anscheinend hat es niemand getan. Es ist ein kurzer Text, aber m.M.n. für das Verständnis Kleists ein notwendiger.



    Zur Sekundärliteratur: Normalerweise lese ich bei neueren Texten (sagen wir mal Texte nach Goethe) keine vor oder während des Lesens, weil man vieles dann schon nicht mehr mit eigenen Augen sieht. Aber bei älteren Texten, sagen wir mal Dante oder auch Grimmelshausen, macht es m.M.n. nicht viel Sinn ohne Kommentar oder ähnliches. Bei Kleist ist das so, dass ich mich schon öfter mit ihm befasste und eigentlich sein Gesamtwerk kenne (gesehen und gelesen)


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "Jacky"

    Hallo Ihr Lieben,
    sorry ich habe den Prinzen total verdrängt. :entsetzt:
    Hubert, Du wolltest ein Fazit von mir? Mir fällt abschließend nicht mehr viel ein. Ich weiß jetzt wieder, warum ich den Prinzen nicht so mochte. Das Stück gibt mir nicht viel, weder vom Inhalt, noch von den Charakteren.


    Hallo Jacky,


    da ist Dir ja doch noch ganz viel eingefallen. Vielen Dank für Deine Anmerkungen. Ich hatte auch gedacht, dass Paul uns hier noch auf einiges hinweisen kann, nachdem der das Stück ja so gelobt hatte ("kann es mit jedem Goethe oder Schiller aufnehmen", habe ich in Erinnerung). Meine Meinung zu dem Stück hat sich jetzt nicht sonderlich geändert: Kleist hat besseres geschrieben z.B. den "Krug", "Penthesilea" und vor allem seine Erzählungen. Deshalb wäre es jetzt auch gut, den Michael Kohlhaas zu lesen.


    Zitat


    Merkwürdig finde ich auch, daß der Prinz im ersten Akt sehr negativ geschildert wird: selbstsüchtig, eingebildet, erfolgssüchtig und ungestüm. Am Ende verteidigen ihn plötzlich alle. Meiner Meinung nach ist das von Kleist schlecht hergeleitet. Auch die Beziehung/ Verlobung mit Natalie ist äußerst merkwürdig.


    M.M.n. erwartet Kleist zu viel von seinem Publikum, nämlich z.B. dass man seine Gedanken kennt, dann bräuchte er nämlich nichts mehr herleiten. Eine Hilfe ist da natürlich, wenn man seine theoretischen Schriften kennt.


    Liebee Grüße von Hubert