Zitat von "Berch"Was mir besonders ins Auge gefallen ist: Der Prozeß des Umdenkens beim Prinzen, seine verbale Auseinandersetzung mit Natalie und auch das Aufbegehren der anderen Offiziere ist durchaus in angemessener Länge dargelegt worden. Die eigentliche Schlußszene (9. - 11. Auftritt) mit der Auflösung des Konfliktes ist dafür aber erstaunlich kurz ausgefallen. Gibt es dafür plausible Gründe?
Hallo Berch,
ja, sehe ich auch so, die Auflösung des Konflikts (10. und 11. Auftritt im letzen Akt) ist etwas kurz geraten. M.M.n. hängt das mit Kleists Versuch zusammen, seinen Dramen eine vollkommene Form zu geben. So hat er z.B. die Akte 1. und 5. spiegelbildlich angelegt. Also 1. Akt mit mehreren Szenen im Garten und einer kurzen Schlußszene im Schloß, dem entsprechend im letzten Akt mehrere Szenen im Schloß und einen kurzen Schluß im Garten. Besser wäre wahrscheinlich gewesen Kleist hätte mehr auf den Inhalt und weniger auf die Form geachtet.
Und: Welche Funktion hat der Traum des Prinzen im Hinblick auf das Ende des Stückes? Es ist ja fast schon eine selbsterfüllende Prophezeiung. Hätte der Kurfürst in Unkenntnis dieses Traums wohlmöglich anders gehandelt? Ist der schlußendlich positive Ausgang also rein von der Kenntnis/ Unkenntnis dieses Traums abhängig? Wie seht Ihr da die Zusammenhänge und wie würdet Ihr die Bedeutung des Traumes für das Stück allgemein einordnen? Mir scheint es fast das zentrale Element zu sein
Der Traum ist sicher ein zentrales Element, wenn auch m.M.n. nicht das zentrale Element wie er häufig in der Sekundärliteratur hingestellt wird. Ich sehe in ihm den ersten Schritt, des geschichtsphilosophischen Dreierschritts, den Kleist in seinem Essay „Über das Marionettentheater“ beschrieben hat.
- Der Traum im 1. Akt führt den Prinzen als „Marionette“ vor
- Nach dem Erwachen beginnt mit der Reflexion die „Verwirrung der Gefühle“
- Mit der Annahme des Todesurteils tritt der Prinz in das Stadium des „Ewigen Gefühls“ ein.
Kann sein, dass ich mich täusche, aber wenn ein Dichter gleichzeitig ein Essay und ein Drama schreibt, liegt es m.M.n. nahe, dass sich das eine auf das andere bezieht. Und nur so kann ich im „Prinzen“ einen tieferen Sinn entdecken, ansonsten wär’s wieder einmal Kabarett.
Gruß von Hubert