Reinkriech...

  • Hallo zusammen,
    ich bin Samara, 23 aus Augsburg. Was treibt mich her? Mein Studium und meine Liebe zur Literatur... Ich studiese im Hauptfach Kommunikationswissesnchaft, in den Nebenfächern englische Literaturwissenschaft und Komparatistik. Da meine ZP in Komparatistik ansteht, lese ich gerade meine Lektüreliste (genannt "kleine Liste der Weltliteratur") rauf und runter - gerade hab ich "Schuld und Sühne" begeistert weggelegt, und nun ist wohl Tristram Shandy dran, oder sonst einer dieser riesenlangens chinken. wenn man drüber diskutieren kann, ist es viel schöner... und drum bin ich hier!

    Heb Deh Hag Heb Warhoaz Hirio Ne Dalv Ket C' Hoaz
    <br />- ohne ein gestern und ein morgen ist ein heute nichts wert -

  • Hallo Samara,


    herzlich willkommen hier bei uns im Klassikerforum. :blume: :blume: :blume:


    Wie ich gesehen habe, hast Du dich ja schon bei einem Lesevorschlag eingetragen. Hoffentlich finden sich bald Mitleser. „Tristram Shandy“ ist einer der wenigen Klassiker, die nicht so mein Ding waren. Vielleicht muss ich es nochmals versuchen?


    Da bei Dir „Schuld und Sühne“ als frisches Leseerlebnis noch aktuell ist, sei eine Frage erlaubt, die mich im Zusammenhang mit Zolas „Thérèse Raquin“ interessiert. Warum hat sich Rodin letztendlich gestellt? Weil sich sein Gewissen zu stark meldete?, Weil er Sonjas Liebe spürte und so auf eine Zukunft hoffen konnte? Weil sich ein/sein Glaube an Gott meldete?


    Hoffentlich habe ich Dich jetzt nicht erschreckt?


    Liebe Grüße von Hubert :sonne:


    PS: Deine Signatur „- ohne ein gestern und ein morgen ist ein heute nichts wert“, wer sagt den so was? Widerspricht das nicht dem „Carpe Diem“?


    :winken:

  • Hallo Hubert!


    Danke für die nette Begrüßung!
    Zu tristram shandy: na, den will ich treffen dessen fall das ist... schon stressig dieses buch - wenn man mit herkömmlichen leseerwartungen drangeht. wenn man sich auf das abenteuer einlässt, kann es sicher spaß machen und witzig sein. aber ich hab wie gesagt erst kurz reingeschnuppert.


    warum hat sich raskolnikow gestellt. hm. ich glaube, einerseits wuchs der druck auf ihn, weil ja petrowitsch trotz allem hinter ihm her war, und die sache mit swidrigailow hat sich ja erst kurz vor seinem geständnis erledigt. raskolnikow fühlte sich also extrem unfrei, weil alle möglichen leute von seiner schuld wußten. und da auch sonja, die ihm ja einiges bedeutete, weil er doch eine zukunft mit ihr sah, ihm nahegelegt hatte, sich zu stellen, genau wie petrowitsch, wählte er diese option, um frei zu sein. interessant ist ja, daß er, obwohl er vor seinem geständnis von swidrigailows selbstmord erfährt, dennoch gesteht. ich denke, in dem moment als er sich entschlossen hat, etwas zu tun, z.b. zu gestehen (wie auch den mord zu begehen!), tut er es auch, egal ob sich die umstände ändern. da sind doch erstaunliche parallelen zwischen mord und geständnis. insofern ist raskolnikow doch ein charakterstarker, beeindruckender mensch und eben kein böser mörder.
    im endeffekt läuft sein geständnis wohl darauf hinaus, daß er seine freiheit wiederhabe möchte, denn solang seine schuld geheim war, konnte man nicht nur ihn, sondern auch seine lieben damit erpressen. er fühlt sich zwar nicht als verbrecher, aber er sieht ein, daß er sich durch seine tat in eine extreme lage gebracht hat, aus der es eben nur zwei auswege gibt: selbstmord oder geständnis. da er, im gegensatz zu swidrigailow, nicht alleine ist, sondern wirklich liebt und geliebt wird um seiner selbst willen und trotz seines geständnisses, wählt er den weg des geständnisses.



    was meine signatur betrifft: das ist ein bretonisches sprichwort, soweit ich weiß. meine mutter ist bretonin und ich fühl mich dem land sehr verbunden. gestern unn morgen sind für mich doch sehr wichtig - ich bin niemand der in den tag hineinlebt, ich denke viel über die zukunft nach und auch die vergangenheit hat mich zu dem gemacht, was ich bin. man kann das heute eben schwer verstehen, wenn man nicht auch sieht, wie es dazu gekommen ist und sich gedanken darüber macht, was daraus werden könnte. das heißt nicht, daß man den tag nicht nutzen sollte... ich sehe da also keinen widerspruch zu "carpe diem" - denn das besagt für mich auch nur, daß man nicht herumtrödeln und faulenzen sollte, sondern jeden tag als gelegenheit nutzen sollte, etwas großes zu tun!

    Heb Deh Hag Heb Warhoaz Hirio Ne Dalv Ket C' Hoaz
    <br />- ohne ein gestern und ein morgen ist ein heute nichts wert -

  • Hallo Samara,
    durch dich habe ich den ersten bretonischen Satz gelesen - und nicht verstanden. Gut, dass es eine Übersetzung dazu gab. Zu welcher Sprachgruppe gehört diese Sprache. Ich vermute, dass es eine keltische Sprache ist, bin mir aber nicht sicher. Sprichst du diese Sprache selber?


    Mit großem Interesse habe ich deine Interpretation von Rastolnikows Geständnis gelesen. Ich habe Schuld und Sühne hier im Klassikerforum gelesen. Deine Erklärung leuchtet mir ein. Ich bin mir nicht sicher, ob es einen Beweis für seine Morde gab, aber der Kriminalist wusste ja recht genau, dass er der Täter war. Durch sein Geständnis wurde er frei.


    Eine Frage habe ich noch:
    Was ist Komparatistik?


    Gruß
    Erika


    :blume:

    Wer Klugheit erwirbt, liebt das Leben und der Verständige findet Gutes.
    <br />Sprüche Salomo 19,8

  • Zitat von "Samara"


    was meine signatur betrifft: das ist ein bretonisches sprichwort, soweit ich weiß. meine mutter ist bretonin und ich fühl mich dem land sehr verbunden. gestern unn morgen sind für mich doch sehr wichtig - ich bin niemand der in den tag hineinlebt, ich denke viel über die zukunft nach und auch die vergangenheit hat mich zu dem gemacht, was ich bin. man kann das heute eben schwer verstehen, wenn man nicht auch sieht, wie es dazu gekommen ist und sich gedanken darüber macht, was daraus werden könnte. das heißt nicht, daß man den tag nicht nutzen sollte... ich sehe da also keinen widerspruch zu "carpe diem" - denn das besagt für mich auch nur, daß man nicht herumtrödeln und faulenzen sollte, sondern jeden tag als gelegenheit nutzen sollte, etwas großes zu tun!


    Hallo Samara,


    was Du da jetzt geschrieben hast, gefällt mir sehr gut, insofern hat sich meine kleine Provokation ja gelohnt. Vielen Dank.


    Die Sprache hatte ich für Gällisch gehalten, aber Bretonisch und Gällisch haben ja den gleichen Ursprung und sind vermutlich sehr ähnlich?


    Vielen Dank auch für Deine Erklärungen zu "Schuld und Sühne", das hat mir jetzt sehr geholfen (ist doch schon lange her, dass ich das gelesen habe). Im Prinzip sehe ich das alles genau so, bis auf eine Kleinigkeit:


    insofern ist raskolnikow doch ein charakterstarker, beeindruckender mensch und eben kein böser mörder


    M.M. nach ist Raskolnikow ein böser Mörder, - dass aus ihm nach Straflager und mit Sonjas Hilfe noch ein brauchbarer Mensch werden kann, denke ich allerdings auch. Und ob das wirklich charakterstark war, oder doch starrköpfig?


    Gruß von Hubert

  • bretonisch ist eine keltische sprache, wird in der bretagne (langsam wieder) gesprochen, nachdem sie lang durch die französische regierung unterdrückt wurde. sie ist insofern mit gälisch verwandt, genauso wie mit walisisch, wobei ich die sprachgeschichte grad nicht im kopf hab... so was mit wem näher und wo welche abspaltung etc....
    zur zeit der einwanderung der angelsachsen in england sind einige briten übers meer in die heutige bretage gelangt und haben sich dort angesiedelt. meine mutter ist bretonin und insofern liegen einige meiner wurzeln dort.
    leider sprech ich die sprache selber nicht, nur ein paar brocken, aber ich hoffe daß ich mal die zeit finde, sie zu lernen. dafür bin ich zwisprachig deutsch-französisch aufgewachsen, auch schon was. meine mutter beherrscht auch kein bretonisch, wie gesagt, das wurde lange vernachlässigt und ist erst in den letzten jahrzehnten wieder mehr beachtet worden.


    zu schuld und sühne: raskolnikow geht einen schritt, der moralisch schwierig ist: er unterscheidet seine mitmenschen danach, ob sie gute menschen sind. im falle der pfandleiherin befand er, daß die keiner vermissen wird - tut auch niemand, nur lisaweta wird von einigen betrauert, und um die tut es raskolnikow auch leid, denn die wollte er nicht töten. für die andere empfindet er keine reue. das mit lisaweta war aber doch eher mord im affekt, weil nicht geplant. dagegen hat er sehr wohl ein gewissen was "gute menschen" angeht, wie man am beispiel der familie von marmeladow sieht, da verhält er sich selbstlos und hilft. das meine ich mit gut - es ist zwar moralisch gesehen eine schwierige sache, aber im endeffekt hat er durchaus eine nachvollziehbare einstellung zum leben anderer menschen.
    charakterstark ist er für mich eben insofern, daß er etwas durchzieht, wenn er sich dafür entschieden hat. das kann natürlich zu starrköpfigkeit werden - dennoch ist das eine eigenschaft, die schwache menschen nicht haben. zu seiner entscheidung stehen und mit den konsequenzen leben - das empfinde ich als beeindruckende eigenschaft, weil eben vielen menschen vor allem in seiner situation nicht gelungen wäre.


    Erika: komparatistik ist das gleiche wie allgemeine und vergleichende literaturwissenschaft, ist also ein fach mit zwei verschiedenen ansätzen. beschäftigt sich zum einen mit literatur im allgemeinen, also erzähltheorie, verschiedenen philosophischen ansätzen wie strukturalismus und poststrukturalismus, gattungsgeschichte, ansätzen von gender studies und postcolonial studies, zum anderen behandelt sie verschiedene motive vergleichend in verschiedenen literaturen (teufelsgestalten in der literatur o.ä.), fragt nach gemeinsamkeiten und unterschieden in den literaturen der welt etc. also insgesamt ein superinteressantes fach - leider nur mein nebenfach...

    Heb Deh Hag Heb Warhoaz Hirio Ne Dalv Ket C' Hoaz
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