Brecht mal ganz kurz

  • Hallo ihr Lieben,
    ich bin vor einigen Tagen das erste Mal auf diese Seite gestoßen und habe einen Beitrag über Brecht und Gay gelesen. Ich wollte hier nur noch einiges über die Person Brecht mitteilen. Dabei allerdings weniger auf die Werke eingehen. Da empfehle ich die Literatur aus dem Reclam-Verlag. und vieles mehr. Brecht ist ja kein unbekannter Autor.


    alle Infos zu Brecht aus: Jan Knopf: Bertolt Brecht. Reclam (7,10 Euro)
    zu Leben:
    10. Februar 1898 (Augsburg) - 14. August 1956 (Berlin)
    Bert Brechts Vater Berthold Friedrich war zuerst kaufmännischer Angestellter, später stieg er auf und wurde Fabrikbesitzer einer Papierfabrik. (Bert Brechts Geburtsname lautete: Eugen Berthold, später nannte sich BB: Bert oder Bertold Brecht). Brecht war schon seit seiner Geburt Herzkrank.
    da der Vater beruflich Karriere machte, lebten die Brechts schnell in guten Verhältnissen. Allerdings wohnten sie in der Klaucke-Vorstadt Augsburgs im Arbeiterviertel.
    Brecht lernte früh Latein, brachte sich autodidaktisch die verschiedensten Gedichtformen bei und spielte Gitarre, dichte Lieder dazu. Englisch und Französisch waren nicht unbedingt seine Lieblingssprachen, weil er sie nicht so gut beherrschte.
    Brecht wäre beinahe von der Schule verwiesen worden. Grund: Brecht sollte 1916 einen Aufsatz zu dem Thema schreiben: warum es süß und ehrenvoll sei, für das Vaterland zu sterben. Brechts Antwort: Das sei alles nur Zweckpropaganda. Es ist nicht ehrenvoll für das Vaterland zu sterben. Jeder hat Angst vor dem Tod. Schon früh zeigt sich Brechts Widerspruchsgeist. Die Lust, gesellschaftlich gegebene Verhältnisse nicht als gegeben anzusehen, sondern sie zu kritisieren. (später entwickelte er aus diesem Ansatz - das sage ich jetzt ganz lax dahin, ohne dass ich das irgendwie überprüft habe!!!! - seine theoretischen Überlegungen zum epischen Theater (Verfremdungs-Effekt), in denen es genau darum geht: die gegebenen Verhältnisse so zu verfremden, dass das Gewöhnliche/Alltägliche nicht mehr zu erkennen ist. Eine neue Situation entsteht, die darauf wartet, neu gesehen zu werden und verändert zu werden.)
    Brecht studierte Medizin in München und wurde 1917/18 Militärkrankenwärter in Augsburg. In München besuchte er auch ein Theaterseminar, durch das er Frank Wedekind kennen lernte.
    Brecht suchte schon früh Kontakt zu anderen Künstlern. Er lernte 1918/19 Karl Valentin, Leon Feuchtwanger, Arnold Bronnen usw. kennen. In der Zeit schreibt er seine ersten Stücke.
    Schon 1923 (1. Hitlerputsch) wurde BB auf eine schwarze Liste der Nationalsozialisten gesetzt, weil er das Gedicht: "Die Ballade vom toten Soldaten" geschrieben hat. Falls die Nationalsozialisten an die Macht kamen, gehörte Brecht zu den ersten Personen, die zu verhaften seien.
    im Februar 1933 floh Brecht aus Deutschland. Im Exil gründete er den DAD (Deutscher Autorendienst). Brecht half emigrierten Schriftstellern zu etwas Geld, indem er kleine poetische und feuilletonistische Texte vermittelte. Brecht selbst erhielt von seinem Verlag kein Geld mehr. Brechts Vater Friedrich unterstützte hier seinen Sohn finanziell.
    Brecht lebte polygam, er war mit Helene Weigel (Jüdin) verheiratet. lebte Brecht im Einverständnis seiner Frau polygam? wusste seine Frau von seinen Geliebten? ich weiß es nicht. ist das für seine texte wichtig? gibt es da widersprüche zwischen seinen texten und seinem leben?
    Brecht hat in vielen Stücken, die er schrieb, andere Prosa und Dramenstücke als Grundlage gehabt. Aber er hat sie umgearbeitet und ihnen eine neue Aussage gegeben. (Allerdings habe ich mich nicht so intensiv damit beschäftigt. da gibt es andere Brecht-experten, die mehr dazu sagen können, als ich. allerdings ist das auch immer eine nette angelegenheit, texte miteinander zu vergleichen.) Brechts Dreigroschen-Oper und Gays Beggar s Opera: Brecht übernimmt viele Figuren und Handlungszüge aus der Vorlage Gays. Bei Brecht neu ist 1) die zu Beginn des Stückes ausgeführte Hochzeitsszene: Polly heiratet Mackie Messer. 2) Gay hat zeitgeschichtliche Kritik an den Politikern geübt und Brecht hat die gesellschaftlichen Verhältnisse der Arbeiter und Angestellten und ihre Ausbeutung von den Arbeitgebern angesprochen. Das sieht man, wenn man Den Arbeitgeber Peachum mit seinen angestellten Bettlern vergleicht. Es gibt dazu bestimmt noch einiges zu sagen.
    Brecht selbst arbeitete gerne im Kollektiv, mit mehreren Menschen zusammen. Brecht wollte nicht nur für das Theater schreiben, sondern auch für das neue Medium: Film. Die Dreigroschenoper wurde zum Film: Die Beule umgearbeitet. Zu Brechts Arbeitshaltung hat auch Walter Benjamin einiges gesagt.)
    zentrale Themen Brechts: Hunger, Armut, Ausbeutung: wie lebe ich mit bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen, ohne mich selbst zu verraten oder aufzugeben? welche kompromisse kann ich eingehen, welche nicht? (ist mir spontan gekommen. ich denke da an galilei, der ja seine these widerrufen hat, weil die wahrheit nicht aufzuhalten ist, und er noch weiter leben und weiter forschen kann. oder auch an die 7 Todsünden der Kleinbürger. Das Ziel der Hauptfigur ist das eigene Haus. Dafür geht sie mehrere Kompromisse ein, entwürdigt sich auch.)
    Brechts Menschenbild (Mackie Messer) Ich lasse mal Mackie Messer aus der Dreigroschen-Oper sprechen:
    „2. Dreigroschen-Finale: Mac: (...) Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Erst muss es möglich sein auch armen Leuten Vom großen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden. (...) Denn wovon lebt der Mensch? Indem er stündlich den Menschen peinigt, auszieht, anfällt, abwürgt und frisst. Nur dadurch lebt der Mensch, dass er so gründlich vergessen kann, dass er ein Mensch doch ist.“ (S. 64)
    Wird hier der Mensch als rein guter Mensch betrachtet? Meiner Ansicht nach nicht. Hier wird der Mensch als jemand gesehen, der als arbeitender Mensch aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse ausgebeutet wird bzw. selbst ausbeutet.
    Denkt man beispielsweise an die Angestellten der Billig-Lebensmittel-Läden (Aldi, Lidl). Die Angestellten verdienen wenig, dürfen keiner Gewerkschaft angehören, arbeiten viel. Dennoch wird der Aldi/Lidl gut besucht, gerade weil dort die Lebensmittel billig sind. Das Preisverhältnis kann aber nur u.a. durch die Ausbeutung der Angestellten gesichert werden. Und Geld spielt leider eine große Rolle, spätestens dann, wenn sich jeder selbständig finanzieren muss. Dann ist es wichtig, wie viel der einzelne verdient, um seine notwendigen Ausgaben (Versicherungen, Lebensmittel, Miete usw.) decken zu können und seine Wünsche (Urlaub, Bücher, Sport) zu erfüllen.
    zentral: nicht der Charakter (psychologisch, Innenleben) einer Figur war für Brecht wichtig, sondern eine gewisse Haltung/Einstellung. So war die Figur des Galilei Wissenschaftler. Und als Forscher geht er seinen Wissenschaften nach, auch wenn er von der Kirche eingesperrt/bewacht wird.
    (Eine Warnung vorab: selbst wenn ich jetzt auf den ersten Blick recht viel schreibe, heißt das nicht, dass das Geschriebene nicht mit vorsicht zu genießen ist oder immer gar wahr/richtig ist. Ich habe aber meine Quelle angegeben, so dass sich jeder eine eigene Meinung bilden kann.!!!!)
    zu den Werken empfehle ich jetzt wirklich den Jan Knopf. Der ist ein Mitherausgeber der Gesamten kritischen Werke.)

    Wer nicht lachen kann, ist nicht ernst zu nehmen. (Thomas Bernhard: Der Untergeher)

  • Hier findet ihr eine 12seitige Brecht-Zeitung des Suhrkamp Verlages zum Brechtjubiläum.


    Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • "... mal ganz kurz" halte ich für Etikettenschwindel.


    H.-P.Haack :grmpf:


    Nachtrag am 16. August 2006: Bin neidisch, dass Dein Beitrag so oft angeklickt worden ist, im Gegensatz zu meinen!


    H.-P.Haack

    "Trau deinen Augen" (Otto Dix)

    Einmal editiert, zuletzt von H.-P.Haack ()

  • Auf einen spektakulären [url=http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,2135880,00.html]Brechtnachlassfund[/url] machte uns Lucida im Literaturcafé aufmerksam. Ich finde das beeindruckend. Schön, wenn soetwas mal vorkommt. Da wird wohl die Gesamtausgabe erweitert werden müssen. FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Tot oder nur gestorben? fragt Die Zeit vom 10.08.2006 über Brecht, was ich nicht gerecht finde. Brecht wird zu sehr politisch und moralisch eingeordnet, ohne Augenmerk für dessen künstlerisches Genie! Dies besteht unbedingt in seiner Lyrik! Brecht lebt und wird es - für Lyrikfreunde wage ich dies sogar zu prohezeien - auch in Zukunft tun. Brecht ist ein Klassiker und wird auch von seinen Gegnern nicht wegzudiskutieren sein! Meint FA.

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hallo zusammen!


    Besten Dank für Eure Links!


    Was ich mich frage: Habe ich etwas verpasst? Ich meine ... diese Dekonstruktion von Brechts Person und Charakter ... Das haben wir doch schon vor einem Vierteljahrhundert gewusst ... Wozu, woher und wohin die Aufregung?


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo sandhofer,


    wie kommst du auf Aufregung?


    Brecht wurde immer scharf angegriffen, das ist sicher und meist hatte dies einen Grund, der eben nicht literarisch zu sehen war. Bracht anzugreifen ist eine alte Tatsache, umso erstaunlicher finde ich, dass man immer noch nicht davon lassen kann. Das gilt für mich als Aktualitätsbeweis von Brechts Werk. Ich kam auf den Gedanken, mich darüber zu äußern auf Grund einiger Artikel, die ich unlängst las. Nebenbei dachte ich, warum sollte ich im Brechtjahr nicht auch versuchen, eine Brechtdiskussion zu beleben und einen alten Ordner nach oben zu fischen. Mich erstaunte, dass gerade einmal die Hälfte der Deutschen einen ihrer wichtigsten Dramatiker und Lyriker überhaupt kennen (und das im Brechtjahr). Ich gebe zu, kein Brechtkenner zu sein. Ich finde aber, dass Brecht eine sehr interessante Person ist, sowohl was den Schriftsteller, wie auch den Menschen selbst betrifft. Entschuldigt, wenn ich eine alte Diskussion wieder aufgewärmt habe. Aber die alte Diskussion ist gleichzeitig eine neue und ehrlich geschrieben: dies freut mich. Hauptsache, es gelingt nicht, Brecht auf einen Liebeslyriker zu reduzieren, wie es bei MRR unlängst noch den Eindruck machte. Nein, ich bestehe darauf, den Brecht zu lassen wie er ist und sich an seinem Werk zu erfreuen oder sich darüber aufzuregen. Die Weillschen Vertonungen seiner Gedichte mag ich sehr, auch wenn ich nicht immer in der Stimmung bin, sie mir anzuhören...


    Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

    Einmal editiert, zuletzt von Friedrich-Arthur ()

  • Hallo zusammen!


    wie kommst du auf Aufregung?


    Damit wir uns richtig verstehen: Ich meinte nicht eine eventuelle Aufregung hier im Forum (da ist nämlich keine ... ), sondern die in der deutschen Presse. Es werden dort wieder einmal uralte Kamellen ausgegraben. Aber präsentiert, als hätte der Feuilletonskribent sie gerade eben entdeckt ... :rollen:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo sandhofer,


    vielleicht wollte das Feuilleton und der Literaturbetrieb ein Sommerloch schließen. MRRs Sondersendung passt da ins Bild. Wie dem auch sei, Brecht steht über dem Feuilleton und dem Literaturbetrieb. Beide können Brecht nichts mehr anhaben. Da wurden die dollsten Artikel geschrieben, manchmal frage ich mich aber, was das eigentlich mit Brecht und besonders Brechts Werk zu tun hat. Vielleicht verstehe ich aber auch nicht alles. Brechts Werk ist eine buntschillernde Sekundär- und Tertiärliteratur oder nennen wir es -publizistik gefolgt, die Brechts Werk aus unterschiedlichsten Beweggründen und Anlässen versucht hat (und es immer noch macht) auf diesen oder jenen Teilaspekt zu reduzieren. Ich lese, da bin ich ehrlich, diese Artikel sehr gern, aber sie bringen mich nicht weiter, bringen mir den eigentlichen Brecht nicht näher. Das können wohl nur seine Bücher, von denen ich noch einige ungelesen hier habe. Ja, ich sehe es ein, ich sollte lieber Brecht, als all die Artikel über Brecht lesen. Ich lasse mich da manchmal noch zu sehr von den Medien locken...


    Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

    Einmal editiert, zuletzt von Friedrich-Arthur ()

  • Mich wundert ja, dass der FAZ-Mensch nicht auch die Story mit Klabund erwähnte: angeblich(?) hat Brecht sich von dessen Kreidekreis inspirieren lassen und dann am Sterbebett die Frau abspenstig zu machen versucht.


    In einem "kleinen, ambitionierten Theater", der Werkstattbühne in Würzburg, sah ich letzt den Arthuro Ui - wirklich beste Unterhaltung, ich bin sicher an dem Stück hat auch Freude, wem Theater normal nicht zusagt (solange er ein funktionsfähiges Gehirn besitzt und die Story mit der Weimarer Republik und dem dritten Reich zumindest ind Grundzügen kennt). Da kann die FAZ doch schreiben was sie will, und auch Reich-Raniki (oder so) dozieren was er mag, dass Brecht nicht mit Proletariern "abhing", wie es sein Image wollte, sondern stattdessen solche Stücke und die bereits erwähnte Lyrik schrieb, soll mir recht sein.


    Gruß!