wer kennt Céline?

  • Hallo - ich lese gerade "Le voyage au bout de la nuit" von Céline, auf französisch. Da ich Sprachen liebe, lese ich öfters mal was auf französisch oder englisch (an türkisch oder holländisch habe ich mich noch nicht gewagt :zwinker: ).
    Dieses Buch ist genial - ich habe so etwas noch nie gelesen. Seit längerer Zeit bereue ich, dass ich mir am Anfang nur immer kleine Häppchen gegönnt habe; es ist doch leichter zu verstehen und auch zu behalten, wenn größere Abschnitte am Stück gelesen werden denke ich - die Erfahrung habe ich jedenfalls im Urlaub gemacht.
    Da in Deutschland wohl nur wenige Leute Céline kennen, hoffe ich, hier vielleicht jemand zu finden.
    Ich habe jetzt gehört, dass es seit kurzer Zeit eine deutsche Übersetzung dieses Buches gibt - ich halte es eigentlich für unmöglich, das Buch zu übersetzen, so dass der Erzählstil beibehalten bleibt - kennt vielleicht jemand zufällig die Übersetzung und kann etwas dazu sagen?


    :winken:


    Daniela

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving

  • Hallo Elahub,


    Es gibt wohl eine Übersetzung aus den dreißiger Jahren, die nicht sehr gut sein soll, und die neue im Rowohlt Verlag erschienene. Gelesen habe ich keine von beiden, aber Celine steht auf meiner (imaginären) Lesewunschliste. Allerdings werde ich die Übersetzung lesen - mein Französisch ist zu schwach für einen so anspruchsvollen Autor.


    Auf Celine bin ich übrigens durch die Comic-Version von Jacques Tardi aufmerksam geworden.


    Für Niederländisch-Anfänger würde ich De Aanslag (Das Attentat) von Harry Mulisch empfehlern, oder Oeroeg (Urug) von Hella S. Haasse. Oder auch das Tagebuch von Anne Frank.


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo Daniela


    Ich habe das Buch auch noch nicht gelesen, aber schon einiges davon gehört und auch bei mir steht es weit oben bei den Wunschbüchern.
    Aufmerksam darauf geworden bin ich vor allem durch eine Sendung des "Literaturclub" in der die Neuübersetzung besprochen wurde. Die Kritikerin Gabriele von Arnim bezeichnete es als Meisterwerk der Literatur des 20. Jahrhunderts, allerdings als ein schwer verdauliches. Soweit ich mich erinnere sprach sie von "ausgekotztem Weltdreck" der ihr ziemlich zugesetzt habe. Diese schonungslose, deprimierende und konsequent negative Darstellung der menschlichen Existenz ohne Hoffnung würde einen auf dei Dauer doch sehr zermürben.
    Vielleicht kannst Du mal schildern, ob Du es ähnlich empfindest.
    Sobald diese Neuübersetzung als Taschenbuch erscheint (Mai 2004 soviel ich weiß) werde ich sie mir zulegen. Vielleicht sind noch mehr Forumsmitglieder daran interessiert und es kommt eine gemeinsame Leserunde zustande.
    Übrigens wird das Buch am 31. 12. von 16.10 - 16.30 Uhr im Deutschlandfunk in der Sendung "Büchermarkt" besprochen.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo ..


    Zitat

    ...."ausgekotztem Weltdreck" der ihr ziemlich zugesetzt habe...


    Ich denke, der Titel verrät schon, dass es sich hier nicht um Geplänkel vor dem Kamin handelt; wer sich also "diesen Dingen" nicht aussetzen will, da sie zu sehr zusetzen, sollte das Buch nicht lesen.


    Es wird hier das Leben eines Herrn geschildert, der tatsächlich nicht viel Glück gehabt hat und viel Schlechtes erleben musste, auch viel Deprimierendes.
    Solche Lebensläufe gibt es aber leider sehr viele und das wird auch deutlich. Ich hatte das Gefühl, dass ich Herrn Bardamu oder eine der anderen Personen jederzeit treffen könnte.


    Zitat

    ohne Hoffnung

    ... traurig vielleicht, aber es ging immer weiter - eine Reise eben.


    Ich kann nur sagen, dass das Buch wirklich ein Meisterwerk ist. Der Schreibstil ändert sich nicht, nur die Geschichte nimmt immer wieder eine unerwartete Wendung.
    Jeder sollte gleich am Anfang merken, ob er das Buch durchhalten wird oder nicht.


    Einzigartig: diese bissige, irgendwie realistische Ironie.


    Vielen Dank für den "Radiotipp", hoffentlich verpasse ich das nicht.


    :winken:


    Daniela

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving

  • Hallo Daniela,


    von dem Buch gibt es zwei Übersetzungen ins Deutsche, eine ältere und eine ziemlich neue. Beide sollen sehr schlecht (gekürzt bzw. geglättet) sein. Ich selbst habe von diesem Autor noch nichts gelesen. In Frankreich hat er, wie ich von franz. Bekannten weiß, keinen guten Ruf. Er gilt als Faschist, der u.a. wegen antijüdischer Hetzschriften in seiner Heimat verfolgt wurde und als Kollaborateur 1944 nach Deutschland, beim Zusammenbruch von Nazideutschland nach Dänemark ging. Wie mir meine Bekannten sagten, schreibt er sehr chauvinistisch und z.T. auch vulgär.


    Da Du jetzt so von dem Buch schwärmst, frage ich mich: wurde ich falsch informiert, denn dass Du an antisemitischen, chauvinistischen Büchern Gefallen findest, kann ich mir nicht gut vorstellen?. Es könnte natürlich auch sein, dass sein in den 30er Jahren erschienener Romanerstling („Reise ans Ende der Nacht“) von diesen Tendenzen noch frei war und erst seine späteren Werke „Tod auf Kredit“ sowie die Trilogie „Von einem Schloß zum anderen/Norden/Rigodon“ zu diesem Urteil führten?. Sicher ist aber, dass es sich um keinen Klassiker handelt.


    Gruß von Hubert

  • Zitat

    Sicher ist aber, dass es sich um keinen Klassiker handelt.



    Sicher? Ich widerspreche dem. Die Reise ist einer. Was ein Autor lebte und was er schrieb, sollte man schon trennen. Siehe Hamsun.


    Selbstverständlich ist das Leben eines Autors, nicht entscheidend, für die Beurteilung eines Buches, aber ob ein Buch ein Klassiker ist, hängt auch nicht davon ab, ob einem ein Buch im Einzelfall gefällt. Sicher ist, dass ein Klassiker ein gewisses Alter erreicht haben muß und immer noch gelesen wird. Welches Alter? Da gibt es bei Bücher zwei Meinungen: entweder es heißt Bücher des 19. Jahrh. oder älter sind, wenn sie noch gedruckt und gelesen werden, Klassiker (diese Grenze ist natürlich fließend, man könnte grob sagen das Buch muss 100 Jahre alt sein), oder es heißt Bücher, die nach erlöschen des Copyright, also 70 Jahre nach Tod des Autors? noch gedruckt und gelesen werden, sind Klassiker, andere also Bücher des 20. oder 21. Jahrhunderts (und somit auch die Reise) wären dann zeitgenössische Literatur. Das ist kein Qualitätsmerkmal.


    Wir hier im Klassikerforum, sind da etwas großzügiger. So kann man Romane, die in Schülerkanons, Kanons von Universitäten oder sonstigen Kanons immer und immer wieder auftauchen, durchaus schon zu den Klassikern zählen, obwohl sie eigentlich zeitgenössische Literatur sind, weil sie durch ihre Kanonzugehörigkeit diesen Status mit Sicherheit erreichen werden. Aber auch über diese Schiene kann man aus der Reise keinen Klassiker machen. Das Buch gehört weder in seinem Heimatland zu den vielgelesenen Büchern noch ist es ein Welterfolg und m.M. nach in keinem Kanon zu finden.

  • Zitat von "Hubert"

    Es könnte natürlich auch sein, dass sein in den 30er Jahren erschienener Romanerstling („Reise ans Ende der Nacht“) von diesen Tendenzen noch frei war...


    Sicher ist aber, dass es sich um keinen Klassiker handelt.


    Hallo zusammen!


    Ich habe das buch vor einiger zeit gelesen und glaube, dass ich bzgl. antisemitischer und anderer menschenverachtender untertöne ausserordentlich sensibilisiert bin. in der "reise" konnte ich jedoch keine antisemitischen tendenzen erkennen, für die célines spätwerk ja leider berühmt wurde.
    die "reise" würde ich allerdings schon als "klassiker" bezeichnen, gehört sie doch zu célines anspruchsvollsten und erfolgreichsten werken - so wird das buch nicht nur in frankreich, sondern weltweit gelesen. anderen "klassikern" blieb ein solcher globaler erfolg bis heute verwehrt...


    liebe grüße
    Settembrini

    "Herr Settembrini, du pädagogischer Satana - du bist zwar ein Windbeutel und Drehorgelmann, aber du meinst es gut..."

  • Hallo


    Zitat

    ...In Frankreich hat er, wie ich von franz. Bekannten weiß, keinen guten Ruf. Er gilt als Faschist


    Ich habe das Buch gelesen, weil es mir von einem Bekannten, einem Franzosen, empfohlen wurde. Dieser Mann ist meines Wissens kein Faschist; er hat mir mit auf den Weg gegeben, dass Céline ein Arzt ist (was auch in dem besagten Buch deutlich wird) und das er fälschlicherweise von vielen, die ihn missverstanden haben, als Nazi bezeichnet wird.


    Ich werde mich jetzt nochmal an mehreren Stellen schlau machen, was dies betrifft. In dem Buch allerdings ist von solchen oder ähnlichen "Neigungen" nichts zu spüren.


    liebe Grüße


    :winken:


    Daniela

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving

  • Hallo



    Zitat

    erst seine späteren Werke „Tod auf Kredit“ sowie die Trilogie „Von einem Schloß zum anderen/Norden/Rigodon“ zu diesem Urteil führten?.


    ich habe jetzt nachgeschaut auf mehreren Internetseiten, französisch und deutsch und es scheint so zu sein, dass "Reise ans Ende der Nacht" Célines erster und erfolgreichster Roman gewesen ist. Insgesamt hat er 6 oder 7 geschrieben, ein Theaterstück ....
    und außerdem 4 "Pamphlete".


    Es sind diese Pamphlete, die antisemitischen Inhalt aufweisen, aber auch sich gegen das sowjetische Regime richten, gegen die Vereinigten Staaten, gegen das Erziehungssystem ....
    Viele von denen, die Céline als Antisemiten bezeichnen, sollen angeblich diese Pamphlete noch nicht einmal gelesen haben; sie sind auch nicht mehr zu bekommen.


    Er selbst hat in einem Interview gesagt, dass er wohl antisemitisch gewesen sei, in dem Maße, wie er geglaubt habe, dass die Juden Frankreich in den Krieg schubsen.
    Er hat nie mit dem Nazi Regime zusammengearbeitet, das Nazi Regime hat allerdings einige seiner Werke verboten.


    Kurz: auch der "Tod auf Kredit" oder die "Trilogie" zeigen angeblich keine antisemitischen Spuren ... Dies werde ich bei Gelegenheit einmal überprüfen :zwinker:
    Wobei mir mein Bekannter gesagt hat, dass "Le voyage" das beste Buch sei..


    :winken:


    Daniela

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving

  • Hallo ..


    Zitat

    Auf Celine bin ich übrigens durch die Comic-Version von Jacques Tardi aufmerksam geworden.


    Harald - ich habe bei altavista.de nachgeschaut und einiges über Jacques Tardi, den ich nicht kenne (bin auch keine Comicleserin), gefunden.
    Allerdings nichts, was Céline ähnelt. Hast Du einen Link für mich, wo ich mal kurz in die Geschichte schauen könnte oder so?
    Interessiert mich schon, wie so etwas verarbeitet wird.


    liebe Grüße


    :winken:


    Daniela


    (P.S. - ich habe mal Grün ausprobiert :smile: )

    "Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde." - John Irving

  • Hallo Daniela,


    Ich habe mich ungenau ausgedrückt. Es handelt sich nicht um einen Comic, sondern um eine reich (400+ Zeichnungen) illustrierte Ausgabe von "Voyage au bout de la nuit", die den kompletten Text enthält. Erschienen bei Futuropolis, Paris.


    In meinem Besitz befindet sich aber nur die niederländische Übersetzung: Reis naar het einde van de nacht, Uitgeverij van Oorschot, 1989. Das Copyright für die Zeichnungen liegt bei Futuropolis, Paris, 1988.


    Suche auf http://www.amazon.fr nach "celine tardi", dann findest Du die französische Ausgabe.


    Über Jacques Tardi ließe sich einiges sagen: "Les aventures extraordinaires d'Adele Blanc-Sec [sic!]", eine mehrbändige Comicreihe, ist etwas für Freunde des skurrilen, schwarz angehauchten Humors. Er hat auch einige der Kriminalromane von Leo Malet (Detektiv Nestor Burma) in Comic-Form umgesetzt, u.a. "120, Rue de la Gare". Sehr leidenschaftlich seine Kritik an der französischen (europäischen) Politik/Gesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg und dem Krieg selber.


    Soviel in aller Kürze dazu. Lass es mich wissen, wenn Du an "Reis naar het einde van de nacht" Interesse hast. Ich werde es wohl nicht mehr in dieser Version lesen. Und holländisch liest Du doch, oder? ;-)


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Zitat

    Celine gilt neben Marcel Proust als einflußreichster Schriftsteller der französischen Literatur des 20. Jahrhunderts


    Zitat

    Für mich ist auch ein Buch, das literaturgeschichtlich einen gewissen Einfluß ausübte, ein Klassiker. Und das ist bei Celines Nacht zweifellos der Fall


    Hallo Markus,


    auch ich habe keine Lust mit Dir über die Kriterien eines Klassikers zu diskutieren. Deine beiden o.a. Statements wirst Du aber noch etwas erläutern müssen, damit ich sie Ernst nehme.


    Wer, außer einigen Enthusiasten, liest denn das Nibelungenlied, wer die Werke Wieland und Jean Pauls?


    1.. Germanisten (Woher ich das weiß: *)
    2. an echten (nicht modernen) Klassikern interessierte Leser
    3. ich (und ich bin weder Germanist, noch Enthusiast)
    4. wie ich sicher weiß, bin ich nicht der Einzige hier im Klassikerforum, der Jean Paul gelesen hat und es gibt sogar einen Lesevorschlag von Nimue: Jean Paul - Flegeljahre

    * Es gibt ein Büchlein von Wulf Segebrecht: „Was sollen Germanisten lesen?“ Aufgeführt ist nicht nur das Nibelungenlied, sondern auch Wieland (mit 4 Werken) und Jean-Paul (mit ebenfalls 4 Werken). Im gleichen Büchlein gibt es auch eine Empfehlung für (nicht deutschsprachige) Weltliteratur. Neben Proust sind folgende franz. Werke des 20. Jahrhunderts enthalten:
    Camus: „Die Pest“,
    Gide: „Die Schule der Frauen“ und
    Sartre: „Die schmutzigen Hände“.
    Ein Werk von Céline konnte ich nicht entdecken.


    Um zu prüfen, ob Segebrecht der einzige ist, der neben Proust - Camus, Gide und Sartre aber nicht Céline als wichtigen franz. Autor des 20. Jahrhunderts nennt, habe ich noch in folgendes Buch gesehen:


    „Romane des 20. Jahrhunderts – Die wichtigsten Romane der Moderne“ von J. Scholl.. Folgende franz. Romane aus der ersten Hälfte des 20. Jahrh. werden behandelt:
    Marcel Proust: „A la recherche du temps perdu“
    André Gide:: « Les faux-monnayeurs »
    Jean-Paul Sartre: « La nausée »
    Albert Camus: «L’Etranger
    Auch hier bei Céline: Fehlanzeige. Ich könnte weitere Beispiele bringen, habe aber keine Lust mehr. Allerdings frage ich mich, ob alle diese Autoren irren und nur Du die 2 einflussreichsten Schriftsteller der französischen Literatur des 20. Jahrhunderts richtig nennen kannst? :klatschen: Könnte ja sein. :rollen:

  • ich kenne celine noch nicht, weiß aber, daß in den in den letzten monaten in der tagespresse erschienenen rezensionen von einem "meisterwerk" gesprochen wurde.
    Dort, wie auch im kindler, kann man lesen, daß er menschlich schwieirig, zunächst stalinist, dann bekennender antisemit und faschist war. Da liegt der gedanke nahe, daß dieser autor lange tabuisiert wurde und jetzt erst wiederentdeckt wird.
    Laut kindler scheint dem -frühen- werk eine nicht geringe stellung zuzukommen: "Der 1962 in die reihe 'bibiothekque de la pleiade' aufgenommene roman bezeichnet zweifellos ein datum der französischen literatur...Der roman steht neben malraux' 'la condition humaine',...,er unterscheidet sich von diesen werken durch die intensivität, mit der er die falschen weltverhältnisse denunziert...Ohne celine's frühe romane sind weder sartre noch camus denkbar..."
    "Ausgekotzter weltdreck" und "pornographie" sind der kindler-darstellung zufolge nicht unangebracht.
    Vielleicht wurde hier der frühe autor mit dem späteren menschen in sippenhaft genommen. Ob man jetzt schon von einem echten klassiker reden kann, -wie zB wird er heute in frankreich rezipiert?-, ist natürlich spekulation.


    wieland und jean paul wurden tatsächlich von MRR im spiegel-interview aus dem lesekanon in den schoß der germanistik verbannt. Vielleicht deswegen habe ich beide bislang links liegen gelassen. Neulich aber habe ich in einer anthologie etwas von jean paul gelesen: interessant!
    gruß hafis

  • Ich denke, es ist schwer, von hier aus (aus dem deutschsprachigen Raum) zu beurteilen, wie "einflußreich" ein Autor in der französischsprachigen Literatur war. Für Germanisten konzipierte Leselisten sind da kein Maßstab. Im Reclamheftchen "Die Leseliste" (enthält ca. 600 kommentierte Titel, Schwerpunkt deutschsprachige Literatur, mit kleineren Kapiteln für fremdsprachige Literaturen) wird Voyage au bout de la nuit mit acht weiteren Titeln der französischen Literatur des 20. Jahrhunderts genannt - dafür aber fehlt Camus - ist also alles nicht zu ernst zu nehmen.


    Übrigens lese ich auch Wieland und bin kein Germanist (aber sicher ein Literaturenthusiast).


    Die Qualifikation "echte (nicht moderne) Klassiker" halte ich dagegen für bedenklich.


    Ich würde die Tatsache, dass man sich um Celine streitet, eher als Hinweis darauf werten, dass möglicherweise etwas dran ist (daran, dass Celine als moderner Klassiker zu werten ist), mit dem Vorbehalt, dass ich meine Meinung nach der Lektüre evtl. revidieren muss. Was Hafis über Celines Bedeutung zitiert, klingt interessant. Auf meiner Lesewunschliste ist der Roman schon mal nach oben gerückt :-) Es scheint mir doch besser, <b>nach</b> der Lektüre zu urteilen.


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo


    Zitat

    Camus: „Die Pest“,
    Gide: „Die Schule der Frauen“ und
    Sartre: „Die schmutzigen Hände“.
    Ein Werk von Céline konnte ich nicht entdecken.



    Von Sartre habe ich mal etwas gelesen, kann mich aber nicht mehr daran erinnern, was es war (soll nicht gegen die Qualität sprechen :zwinker: )
    Von Camus haben wir in der Schule sowohl die Pest als auch den Fremden gelesen.
    Beides bestimmt gute Bücher aber kein Vergleich, weder inhaltlich, noch was den Stil betrifft, mit der Reise.


    Ich denke auch nicht, dass ein Buch gut ist, weil es empfohlen wird. Jemand anders hat mir gesagt, einen Klassiker (oder einen zukünftigen Klassiker) erkennt man einfach, man weiß, dass es sich um einen handelt.
    Auch eine Sichtweise :smile:



    Den Begriff "ausgekotzter Weltdreck" mag ich nicht und finde ihn auch nicht passend - von Pornographie war in diesem Buch weit und breit nichts zu finden, auch nicht mit viel Phantasie.


    :winken:


    Daniela



    P.S. - sollte sich aufgrund unserer Diskussionen hier mal eine Leserunde Céline zusammenfinden - ich bin dabei:))

    &quot;Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde.&quot; - John Irving

  • Zitat von "Dostoevskij"


    Ich verstehe schon das Anliegen, die Schnittmenge der Klassiker "rein" zu halten, um sie desto klarer in Abgrenzung zu sehen.


    Darum ging es mir nicht. Es ist ein Problem der Begriffsbildung: Wenn man "echte (nicht moderne) Klassiker" sagt, impliziert das, dass die modernen Klassiker irgendwie "unecht" sind. Dann wären sie aber aber keine modernen, sondern überhaupt keine Klassiker.


    Zitat von "Dostoevskij"


    Selbstverständlich möchte auch jeder "seine" Autoren möglichst als Klassiker gewertet sehen und sich als deren Leser in ihrem Lichte sonnen.


    Keineswegs. Ich kann auch Bücher lesen, an denen ich Spaß habe, ohne sie als Klassiker werten zu müssen, z.B. Krimis. Andere lesen mit Begeisterung SF oder Fantasy und würden auch nicht all das als Klassiker einordnen wollen.


    Zitat von "Dostoevskij"


    Lesen wir einfach die Bücher, die uns Freude machen und weiter bringen, seien sie nun vor 1000 Jahren erschienen oder letzte Woche, seien sie Klassiker oder Saisonware.


    Hundertprozentige Zustimmung!


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • hallo zusammen,


    Célines "Reise ans Ende der Nacht" habe ich vor gut einem halben Jahr auch gelesen. Es ist so ein Buch, dass ich persönlich toll fand, aber niemandem empfehlen würde. Mich hat es damals emotionell sehr mitgenommen. An diesem Buch haftet ein solcher Schmerz und eine solche Trauer über die Verlorenheit und die Einsamkeit des Menschen in der Welt, denen man sich kaum entziehen kann. Wenn man den Protagonisten eins zu eins mit Céline liest, dann wundert einen auch seine spätere Unterstützung des Vichy-Regimes sowie seine agitatorischen, antisemitischen Schriften, nicht mehr. Denn schon in diesem Roman verschafft sich sein seelisches Leiden häufig Luft in gewalttätigen Ausbrüchen. Tragisch und bedauerlich... So hat er sich um seine eigene Wirkungsgeschichte gebracht, ähnlich wie bei Hamsun in Norwegen...


    Beeindruckt hat mich das Buch auch, weil ich nicht für möglich gehalten hätte, dass jemand schon zu Beginn der 30er Jahre so abgrundtief modern schreiben konnte. Erinnert bisweilen stark an Houellebecq oder Beigbeder, die sicherlich von ihm gelernt haben dürften...


    Klassiker hin oder her - auf jeden Fall ein außergewöhliches Buch !!


    Grüsse,
    Lucien

  • Hallo ... jetzt habe ich diese Diskussion mit einer, wie ich dachte, harmlosen Frage angefangen und sie hat sich ja ganz schön entwickelt ...
    Beweis für die Qualität dieses Forums (nimue :zwinker: )
    Ich habe jetzt ein ähnliches Forum in Frankreich entdeckt und mich zu dem Thema gleich mal schlaugefragt und kopiere für Euch jetzt mal, was mir ein französischer Leser, Interviewer und Kritiker gesagt hat:
    (Tut mir Leid, aber ich bin nun mal so ein Vogel, solche Sachen lassen mir keine Ruhe) also:



    Was "Klassiker aus Altersgründen" angeht - ich habe nochmal nachgerechnet: Das Büchlein ist immerhin schon 70 Jahre alt, also gar nicht mehr soweit entfernt von den grob 100 Jahren und momentan sieht es nicht so aus, als wenn keiner es mehr lesen würde.


    @Dostoevski - vielen Dank für Link mit der Radiosendung, habe ich mir gleich gestern angehört und fand sie gut.


    liebe Grüße


    :winken:


    Daniela

    &quot;Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde.&quot; - John Irving

  • Elahub hat gepostet:
    Ich habe jetzt ein ähnliches Forum in Frankreich entdeckt und mich zu dem Thema gleich mal schlaugefragt und kopiere für Euch jetzt mal, was mir ein französischer Leser, Interviewer und Kritiker gesagt hat:
    (Tut mir Leid, aber ich bin nun mal so ein Vogel, solche Sachen lassen mir keine Ruhe) also
    :


    Hallo Daniela,


    schön, dass Du am Thema dran bleibst. Vielleicht kannst Du mal recherchieren, ob Céline außer in Frankreich und neuerdings in Deutschland auch in anderen Ländern gelesen wird?


    1998 unter die fünf größten Romane des 20. Jhdts gewählt. 100 vorgeschlagene Bücher sollten bewertet werden.


    Weiß man welches die anderen vier großen Romane waren?


    Gruß von Hubert

  • Hallo allerseits
    Hallo Hubert



    Gesagt, getan .. ich habe gleich gestern abend noch "Jules" für mich arbeiten lassen :eis: :zwinker:
    und es folgt seine Antwort - bei den Titeln, die ich nicht kenne, und das sind einige :sauer: .. habe ich die französische Version stehenlassen.
    Er erinnert sich nicht mehr soooo genau, da diese Geschichte ja nun schon 5 Jahre zurückliegt, also keine Garantie :smile:


    1 - Kafka "Der Prozess", 2- Proust "Du côté de chez Swann",
    3- Céline "Le Voyage au bout de la nuit"
    Unter den ersten zehn
    "Der kleine Prinz" von Saint-Exupéry, "La Condition Humaine" von Malraux, "Der Fremde" von Camus, "Pour qui sonne le glas" von Hemingway und auch "Le grand Meaulnes" von Alain Fournier.
    Unter den ersten zwanzig
    Faulkner "Le bruit et la fureur", Yourcenar "L'oeuvre au noir" .
    Bei den Zeitgenössischen Philip Roth mit "Portnoy et son complexe" und Jim Harrison mit "Dalva".
    Unter den ersten fünfzig
    einen Tintin, einen Simenon, einen Le Clézio, Duras, einen Astérix etc.
    ZUr Erklärung:
    Ein Autor konnte nur ein einziges Mal mit einem einzigen Titel in der Liste der ersten hundert auftauchen. Die befragten Personen mussten einen bestimmten Titel angeben.
    Die Person, deren Einschätzung am dichtesten beim Ergebnis lag, gewann eine 14tägige Reise (nicht "die Reise" :zwinker: ) in die Vereinigten Staaten.
    "Le voyage", handgeschrieben von Céline, wurde später für 1.800.000 Euro verkauft.


    Was die andere Frage betrifft .... nicht leicht zu beantworten, vielleicht kommt da ja noch was nach ...
    also: der Amerikaner Charles Bukowski hat einen Roman geschrieben "Pulp", in dem Céline mit dem Tod quasi die Hauptpersonen sind.
    Ein anderer großer amerikanischer Autor, James Salter, spricht in seinen Werken oft von Céline und seinem großen Talent.


    Das wär's für heute .. :winken: und gute Nacht


    Daniela

    &quot;Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde.&quot; - John Irving