Bezogen auf seine Lebensdaten ist Lernet-Holenia eigentlich noch kein Klassiker (1897 - 1976), aber aufgrund seiner Themen und seines Stile möchte ich ihn gern dazurechnen. Im Regal muss er neben Leo Perutz stehen. Ich mache diesen Faden hier auf, weil ich einen Dünndruckband mit vier Romanen von Lernet-Holenia gefunden habe, die ich alle vier in diesem Jahr lesen möchte. (Im letzten Jahr hatte ich "Ein Traum in Rot" gelesen, was mir sehr gefallen hat.)
Der erste Roman heißt "Die Auferstehung des Maltravers". Der Gleichklang mit der Auferstehung des Lazarus ist natürlich beabsichtigt.
Der Held Graf Maltravers befindet sich auf dem Landgut seines Bruders als Gast, niemand seiner Verwandten kann ihn leiden, und als er sterbenskrank wird (er ist etwas über 60, wenn ich es richtig behalten habe), schauen ihm alle nicht ungern beim Sterben zu. Maltravers bittet noch einen Bekannten, den "Chevalier de la Baume le Bouteillier d'Outremer" (!), an sein Sterbebett zu eilen. Denn dieser Chevalier stammt von einem Geschlecht ab, das an den Kreuzzügen teilgenommen hat, und allen Abkömmlingen dieses Geschlechts eilt der Ruf voraus, durch Handauflegen heilen zu können.
Der Chevalier, der mit Vornamen "Anne" heißt, von Maltravers aber beharrlich "Anna" angeredet wird (so heiße ich auch!), legt wunschgemäß die Hand auf, aber Maltravers stirbt trotzdem. Er wird in der Familiengruft beigesetzt. Traurig ist niemand. Einen Tag danach befreit er sich aus dem Sarg, völlig gesund.
Den weiteren Werdegang Maltravers' lasse ich hier weg. Es geht um Nahtoderfahrung und Moralgesetze - und so ganz einverstanden ist übrigens Maltravers mit seiner Auferstehung gar nicht ... Das Beste an dem Roman ist die unglaublich elegante, geradezu singende Prosa, dazu ein skurriler Humor, der seinesgleichen sucht - ein Lesegenuss der besonderen Art. Kurz nach seiner Auferstehung sucht Maltravers jenen Chevalier auf, um ihm zu danken, weil er immer noch glaubt, durch dieses Handauflegen wiedererstanden zu sein. Dieses Gespräch ist einfach zum Schieflachen. Die gehobene philosophische Ebene des Dialogs wird auf jeder Seite ironisch gebrochen durch Maltravers' Anrede "mein lieber Anna!", was den Chevalier jedesmal in Wut versetzt. Ein herrliches Buch! Und es enthält noch drei weitere Romane, auf die ich mich jetzt schon freue.