Hier schreiben wir zum Gipfel der Trilogie - "Wallensteins Tod" -, am 20.4.1799 in Weimar uraufgeführt.
Der Cliffhanger, mit dem "Die Piccolomini" aufhörten, wird nicht direkt aufgenommen. Erst im zweiten Aufzug kommt es zu dem Gespräch zwischen Max und Wallenstein.
Aber was für ein erster Aufzug! Schiller at his best! Mir gefällt an diesem Drama gerade das, vor dessen Bewältigung Schiller lange zurückschreckte, sodass er den Beginn der Arbeit am Drama immer weiter herausschob. Es gibt hier keinen richtigen Helden im Sinne einer nahezu idealen Person (vielleicht bis auf Max Piccolomini), Politik, Kriegsgeschehen und Intrigen bestimmen die Handlung, der historische Hintergrund ist komplex, das Personal sehr groß. Schwierig, daraus einen Knaller für die Bühne zu formen. Aber Schiller schafft das. Durch die hinzugefügte Liebesgeschichte wird die Emotionalität etwas stärker einbezogen, auch durch Max' Gefühle.
Hier, im dritten Teil, stehen zunächst die Politik und die Intrige im Vordergrund. Wallensteins geheimer Vermittler zu den Sachsen und Schweden, Sesin, ist von den Kaiserlichen gefangengenommen worden, sodass Wallensteins doppeltes Spiel aufgeflogen ist. Er muss nun Farbe bekennen. In einem großen Monolog (I.4) wird ihm klar, dass sein Spiel mit dem Feuer, seine Machtträume und auch Unternehmungen, Verhandlungen ihn nun in eine Situation geführt haben, wo kaum ein Ausweg möglich scheint, als den offenen Bruch mit dem Kaiser zu vollziehen:
Der Unschuld
Des unverführten Willens mir bewusst,
gab ich der Laune Raum, der Leidenschaft -
Kühn war das Wort, weil es die Tat nicht war.
...
So hab ich
mit eignem Netz verderblich mich umstrickt,
Und nur Gewalttat kann es reißend lösen.
Kaum jemals wird Hybris sprachlich so schön und auch so menschlich, allzu menschlich geschildert. Wallenstein ist ein Machtmensch und wird von seinen eigenen Träumen verführt. Eigentlich lebt er noch in dem traditionellen System der überkommenen Verpflichtungen, sieht aber - auch durch die entmenschlichenden und entpflichtenden Kriegshandlungen, die er selbst aufs Grausamste gestaltet, indem er das Land den Söldnerkrieg bezahlen lässt, neue, vorher nie geahnte Möglichkeiten für sich, den aus einfachem Adel emporgestiegenen Feldherrn. Wäre es möglich, König von Böhmen zu werden? Vor sich selbst zum Teil ehrlich, versucht er dann wieder sich als Retter des Reiches, der Reichsidee aufzuspielen, will die Schweden auch als mögliche Bündnispartner nicht dauerhaft auf deutschem Territorium dulden. Er ist so widersprüchlich, wie es viele Machtmenschen sind und auch so irrational, wie sein Sternenglauben beweist, der ihn vom rechtzeitigen Handeln abhält. Mir erscheint dieser Wallenstein gerade im Moment, wo viele Staaten von solchen selbstverliebten Despoten regiert werden, unglaublich aktuell.
Eine grandiose Szene finde ich auch I,7: Wallenstein will Gräfin Tersky, seine Schwägerin, nicht sprechen lassen, da dieses "kein Geschäft für Weiber" sei. Aber dann ist es gerade sie, die - im Gegensatz zu Illo und Tersky, ihn endlich überzeugt, handeln zu müssen. Auf der einen Seite ein Schachzug dramatischer Ironie, fällt Gräfin Tersky auch die klassische Rolle der Eva mit der Schlange zu , die Wallenstein endgültig dazu verführt, vom Kaiser abzufallen.