Der Novellenzyklus mit Rahmenhandlung wurde 1795 in Schillers Zeitschrift " Die Horen" veröffentlicht.
Goethe bezieht sich in der Rahmenhandlung auf die Besetzung des linksrheinischen Rheinlands durch die Franzosen 1793 und die Mainzer Republik. Eine Baronesse flieht mit ihrer Familie und Freunden von ihren linksrheinischen Besitzungen vor den Franzosen auf ihre rechtsrheinischen Güter: Unter Auswanderung versteht man heute da doch etwas Anderes.
Neben den Befürchtungen um Hab und Gut und die Gesundheit der Angehörigen unterhält sich die Flüchtlingsgemeinschaft auch über die politischen und ideologischen Hintergründe der Besetzung, und es kommt zu einer Auseinandersetzung zwischen dem jüngsten Sohn der Baronesse, der weiterhin den Idealen der Französischen Revolution anhängt und sich von der Besetzung Mainz' erhofft, dass diese Ideale auch wenigstens teilweise auf deutschem Boden durchgesetzt werden, und einem ihrer alten konservativen Freunde, der erzürnt die Gemeinschaft verlässt.
Daran anknüpfend verlangt die Baronesse, dass man zu einer unpolitischen, Meinung und Gefühle schonenden Unterhaltung mit hohem moralischen Anspruch findet und eröffnet dadurch einen Reigen von immer länger und komplexer werdenden Novellen, die von den Söhnen, insbesondere aber dem katholischen Hausgeistlichen erzählt werden. Im Anschluss daran folgt immer eine kleine Auseinandersetzung über die Bedeutung der Erzählung, bevor die nächste folgt. Am Ende steht das berühmte "Märchen", das ziemlich unverbunden angehängt und auch nicht kommentiert wird.
Das "Märchen" habe ich noch nicht durch, neige aber nach den ersten Seiten dazu, es für den absoluten erzählerischen Höhepunkt der "Unterhaltungen" anzusehen.
Der Anfang der Geschichte hat durch die Zeitgebundenheit der Rahmenhandlung noch seinen Reiz, die Novellen selbst sind sehr zeitverhaftet: Es geht in ihnen zunächst um Geistererscheinungen bzw. das merkwürdige Zusammenspiel unterschiedlicher Ereignisse, Themen, die zu jener Zeit scheint's sehr beliebt waren, zu beobachten auch an Schillers "Geisterseher" oder vielen Texten der Romantiker. Auch die längeren moralischen Novellen, die danach folgen, haben für mich heute etwas Zopfiges, doch kann man durchaus eine erzählerische Steigerung in ihnen nachvollziehen.
Mit der Rahmenhandlung hat sich Goethe aber nach dem Anfang gar keine Mühe mehr gegeben, und dass am Ende auf das Märchen nur kurz verwiesen, es gar nicht situativ eingeleitet und am Ende die Rahmenhandlung nicht mehr aufgenommen wird, halte ich für ein weiteres Manko des Werks.
Zu dem "Märchen" schreibe ich noch etwas, sobald ich damit fertig bin. Den Rest kann man sich meiner Ansicht nach sparen: Da gibt es so viel mehr Goethe, der sich lohnt.