Jean Paul: Leben des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wuz

  • Hallo finsbury


    Ich habe mir erlaubt, den - sehr unspezifischen Titel "Leserunde" - so abzuändern, dass Autor und Titel aufgeführt sind. Nix für Ungut! :winken:


    Grüsse


    sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Danke, sandhofer, ich werde die Kalendereintragungen wohl nie richtig machen. Früher musste man kein Textfeld dazu ausfüllen. Das irritiert mich immer, weil der Thread ja eigentlich noch gar nicht gestartet werden soll.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Heute beginnt unsere Leserunde zum "Schulmeisterlein".


    Ich lese die Erzählung in einer Ausgabe aufgrund der sogenannten Hempelschen Ausgabe. Der Text umfasst - klein gedruckt - etwas über 30 Seiten.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo zusammen,


    ich lese die gemeinfreie Gutenbergausgabe.
    Gleich auf der ersten Seite schmückt das Büchlein ein idyllisches Bild eines Pärchens das flaniert in ländlichen Gefilden. Ein sehr schönes Bild.


    der Titel lautet ja vollständig...... Leben des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wutz in Auenthal. Eine Art Idylle.


    Da kam mir doch ganz frech die Hobbits im Auenland in den Sinn :breitgrins:


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Ich lese ein Insel Taschenbuch. Der Text folgt der Werkausgabe des Hanser Verlags, 1960. Hier umfasst die Erzählung 56 Seiten.



    Dieses Bild ist auch auf meiner Ausgabe. :winken:


    Hihi, der Gedanke ans Auenland kam mir auch. :zwinker:


    Gruß, Gina

  • Nun habe ich auch mit der Lektüre begonnen.


    Am Anfang deutet Jean Paul einen Erzählrahmen an, der schon auf das Idyllische der Erzählung hinweist. Die Läden sollen geschlossen, die Vorhänge vorgezogen werden, die Außen- und vor allem die große Welt wird ausgesperrt, damit alle dem Erzähler in traulichem Beisammensein bei Kerzenschein lauschen können, wenn er vom Schulmeisterlein erzählt. Lustig, dass er den Erzähler ein wenig großväterlich erscheinen lässt, indem er in einem ebensolchen Stuhl Platz nimmt und sich ein kleiner Christian - wie ein Enkel - an ihn ankuscheln soll. Dabei ist das Schulmeisterlein ein Frühwerk des Autors!


    Wir erfahren dann, dass der Schulmeister im Auental anscheinend ein familiäres Erbamt ist, und unser Maria nur eine Momentaufnahme einer jahrhundertealten Dynastie von Schulmeistern ist.


    Ein kurzer Rückblick in Marias Jugend und schon sind wir bei seinem besonderen Hobby: Weil Bücher sehr teuer sind, schreibt er sich die Neuerscheinungen nach dem (Leipziger?) Messkatalog selber und bringt es so zu einer stattlichen Handschriftenbibliothek. Wenn die dann ein wenig vom eigentlichen Thema abweicht und vom hochphilosophischen "Raum und Zeit" zum konkreten Schiffsraum und der Menstruationszeit der Frau wird, zeigt das doch nur die weite Interessenssphäre unseres Schulmeisterleins :zwinker:.



    Übrigens musste auch ich sofort an das Auenland der Hobbits denken, und nicht nur die Namensähnlichkeit verführt dazu, denn die Teile der Tolkienschen Romane, die dort spielen, haben ja auch etwas stark Idyllisches.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Ich habe mich bei meinem Start gestern erst etwas schwergetan, habe mich dann aber schnell eingelesen.


    Mir hat gleich der erste Absatz sehr gefallen, denn er liest sich wie ein vorgezogenes Lebensresümee des Schulmeisterleins.



    Am Anfang deutet Jean Paul einen Erzählrahmen an, der schon auf das Idyllische der Erzählung hinweist. Die Läden sollen geschlossen, die Vorhänge vorgezogen werden, die Außen- und vor allem die gr0ße Welt wird ausgesperrt, damit alle dem Erzähler in traulichem Beisammensein bei Kerzenschein lauschen können, wenn er vom Schulmeisterlein erzählt. Lustig, dass er den Erzähler ein wenig großväterlich erscheinen lässt, indem er in einem ebensolchen Stuhl Platz nimmt und sich ein kleiner Christian - wie ein Enkel - an ihn ankuscheln soll. Dabei ist das Schulmeisterlein ein Frühwerk des Autors!


    Ja, der Erzähler schafft hier eine richtig heimelige Atmosphäre. Eine Schlafmütze habe ich mir zwar nicht aufgesetzt :smile:, aber es mir auf dem Sofa gemütlich gemacht. Das etwas Großväterliche ist mir auch aufgefallen, aber vielleicht wollte Jean Paul ja gar nicht mit dem Erzähler gleichgesetzt werden.


    Die dann folgenden Beschreibungen zeigen einen aufgeweckten, aber auch ein wenig frechen jungen Wutz. Wie er einfach die Texte/Predigten beim Vorlesen ändert, hat mich sehr amüsiert.



    Ein kurzer Rückblick in Marias Jugend und schon sind wir bei seinem besonderen Hobby: Weil Bücher sehr teuer sind, schreibt er sich die Neuerscheinungen nach dem (Leipziger?) Messkatalog selber und bringt es so zu einer stattlichen Handschriftenbibliothek. Wenn die dann ein wenig vom eigentlichen Thema abweicht und vom hochphilosophischen "Raum und Zeit" zum konkreten Schiffsraum und der Menstruationszeit der Frau wird, zeigt das doch nur die weite Interessenssphäre unseres Schulmeisterleins :zwinker:


    Wie sich hier der Erzähler wieder zu Wort meldet, dazu das Bild mit den drei auf- und drei absteigenden Altersstufen "bis Wutz am Fuß der tiefsten Stufe vor uns ins Grab fällt", fand ich sehr gelungen. Ja, und Wutzens ganz besonderes Hobby ist einfach köstlich beschrieben.



    Übrigens musste auch in sofort an das Auenland der Hobbits denken, und nicht nur die Namensähnlichkeit verführt dazu, denn die Teile der Tolkienschen Romane, die dort spielen, haben ja auch etwas stark Idyllisches.


    Wie wahr!


    Gruß, Gina

  • Hallo Gina und Finsbury


    Mit dem reinkommen ins Werk hapert es bei mir (noch). Manche Sätze versteh ich nur teilweise und somit habe ich das Gefühl, dass ich einen feinen Humor verspüre, aber ihn nicht greifen kann.



    Mir hat gleich der erste Absatz sehr gefallen, denn er liest sich wie ein vorgezogenes Lebensresümee des Schulmeisterleins.


    Ja, es begann eigentlich vielversprechend. Wenn ich eine Schlafmütze hätte, hätte ich sie aufgesetzt, so charmant fand ich die Einladung des Erzählers. Maria Wutzsches Leben verlief sanft und meerstille. bis ins Grab. Aber vorher werden wir mit dem Schulmeisterlein langsam in den drei aufsteigenden Zeichen der Alterstufen hinauf und auf der andern Seite in den drei niedersteigenden wieder hinab gegangen werden –bis Wutz am Fuß der tiefsten Stufe vor uns ins Grab fällt.



    Diese Sätze gefallen mir durchaus.



    [Quote author=finsbury link=topic=5029.msg58534#msg58534 date=1460126849]
    Am Anfang deutet Jean Paul einen Erzählrahmen an, der schon auf das Idyllische der Erzählung hinweist. Die Läden sollen geschlossen, die Vorhänge vorgezogen werden, die Außen- und vor allem die gr0ße Welt wird ausgesperrt, damit alle dem Erzähler in traulichem Beisammensein bei Kerzenschein lauschen können, wenn er vom Schulmeisterlein erzählt. Lustig, dass er den Erzähler ein wenig großväterlich erscheinen lässt, indem er in einem ebensolchen Stuhl Platz nimmt und sich ein kleiner Christian - wie ein Enkel - an ihn ankuscheln soll. Dabei ist das Schulmeisterlein ein Frühwerk des Autors!
    [/quote]



    Und es wird angedeutet, dass der Erzähler aus Erinnerungen erzählt, die schriftlich festgehalten wurden von Maria Wutz. Fand ich auch interessant.



    [quote author=Gina]Die dann folgenden Beschreibungen zeigen einen aufgeweckten, aber auch ein wenig frechen jungen Wutz. Wie er einfach die Texte/Predigten beim Vorlesen ändert, hat mich sehr amüsiert.[/quote]



    Ja, in diesem Bezug zieht der Junge sich einen Dr. Fausts-Mantel an. Ein Zeichen für das Kindsein, oder eine Art schalkhafte Verjüngung? Oder wisst ihr was ein Dr. Fausts-Mantel ist?


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • [quote author=Gina]Die dann folgenden Beschreibungen zeigen einen aufgeweckten, aber auch ein wenig frechen jungen Wutz. Wie er einfach die Texte/Predigten beim Vorlesen ändert, hat mich sehr amüsiert.


    Ja, in diesem Bezug zieht der Junge sich einen Dr. Fausts-Mantel an. Ein Zeichen für das Kindsein, oder eine Art schalkhafte Verjüngung? Oder wisst ihr was ein Dr. Fausts-Mantel ist?


    Gruß,
    Maria
    [/quote]


    Ich konnte damit nichts anfangen und habe ein wenig gesucht. Im Faust II, Zweiter Akt gibt es eine Szene, in der Mephisto sich Fausts alten Mantel anlegt, um sich als Dozent zu verkleiden.


    Vielleicht bezieht sich Jean Paul darauf: Die blaue Schürze dient Wutz als "himmelfarbiges Meßgewand", um der Magd die Sünden vorzuhalten. Die Schürze ist also seine Verkleidung, sein Dr. Fausts-Mantel, als Geistlicher ... - So habe ich es mir zumindest zusammengereimt.


    Edit: Wobei sich Jean Paul natürlich nicht auf Goethes Faust, sondern eventuell auf den Fauststoff an sich bezieht (beziehen kann)!!


    Gruß, Gina

  • Ja, in diesem Bezug zieht der Junge sich einen Dr. Fausts-Mantel an. Ein Zeichen für das Kindsein, oder eine Art schalkhafte Verjüngung? Oder wisst ihr was ein Dr. Fausts-Mantel ist?


    Gruß,
    Maria


    Ich konnte damit nichts anfangen und habe ein wenig gesucht. Im Faust II, Zweiter Akt gibt es eine Szene, in der Mephisto sich Fausts alten Mantel anlegt, um sich als Dozent zu verkleiden.


    Vielleicht bezieht sich Jean Paul darauf: Die blaue Schürze dient Wutz als "himmelfarbiges Meßgewand", um der Magd die Sünden vorzuhalten. Die Schürze ist also seine Verkleidung, sein Dr. Fausts-Mantel, als Geistlicher ... - So habe ich es mir zumindest zusammengereimt.


    Edit: Wobei sich Jean Paul natürlich nicht auf Goethes Faust, sondern eventuell auf den Fauststoff an sich bezieht (beziehen kann)!!


    Gruß, Gina
    [/quote]


    Hallo Gina,


    Das ist eine sehr gute Erklärung. Den Faust habe ich bisher nicht vollständig gelesen.


    Blau die Farbe des Himmels. Madonnen werden auch oft mit einem blauen Mantel dargestellt. Blau bedeutet auch romantische Sehnsucht in der Literatur des 19. Jahrhundert. Vielleicht spielt ja Jean Paul gern mit Farbsymbolik. Ich kenne ja bisher keins seiner Werke. Doch ich komme nicht umhin zu bemerken, dass Jean Paul einen umfassenden Wortschatz und Wissen besaß.


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Danke, @Gina, für die Erklärung des Faustmantels. Das klingt absolut treffend.
    Mich ärgert beim Jean-Paul-Lesen immer, dass die anmerkungswürdigen Stellen oft nur sehr willkürlich ausgewählt werden. Ich nehme an, dass das bei der historisch-kritischen Ausgabe anders ist, aber wer kann sich die schon leisten. Und wenn ich auch in einer Universitätsstadt wohne, ist es mir zu kompliziert, mich bei der dortigen Bibliothek anzumelden und die schweren Bände nach Hause zu schleppen. Bei der Ausgabe, die ich nun lese, gibt es zwar einige Anmerkungen (54 Stück), aber diese sind hin und wieder relativ überflüssig, z.B. wenn es um die Erläuterung geht, was ein Pansen ist, und dann fehlen eben ganz viele wichtige Stellen. Ein Apparat bei Jean Paul bedeutet ja wohl auch für jede Seite Text mindestens zwei Seiten Kommentar.
    Aber ich habe mich inzwischen davon gelöst, bei diesem Autor alles verstehen zu wollen. Das kann einem den Spaß beim Lesen verderben. Und das hat er wirklich nicht verdient!



    Blau die Farbe des Himmels. Madonnen werden auch oft mit einem blauen Mantel dargestellt. Blau bedeutet auch romantische Sehnsucht in der Literatur des 19. Jahrhundert. Vielleicht spielt ja Jean Paul gern mit Farbsymbolik. Ich kenne ja bisher keins seiner Werke. Doch ich komme nicht umhin zu bemerken, dass Jean Paul einen umfassenden Wortschatz und Wissen besaß.


    O ja, den und das hat er, und Farbsymbolik ist ihm so wichtig, dass ich schon öfter das Empfinden hatte, er sei sogar ein Synästhetiker gewesen, insbesondere im optischen Bereich. Letztes Jahr las ich den "Hesperus", JPs zweiten Roman, der ja zeitlich nicht weit vom "Schulmeisterlein" entfernt ist, und da schreibt er sich in einen ganzen Farbenrausch herein. Durch diesen Roman, @Gina, habe ich mich übrigens verführen lassen, dass sich der Autor in dem Erzähler selber zumindest mit andeutet, denn das tut er im Hesperus ganz explizit, indem er selber sogar später zur Romanperson und damit allerdings fiktiv wird. Aber das gilt für diese Erzählung wohl nicht.


    Ich bin nun an der Stelle, wo Wuz regelmäßig von seinem "Alumneum" nach Auental zurückwandert, um seine angebetete Justina mit einem Potentaten-Bild und einem Pfefferkuchen zu beschenken, den er allerdings als Wegzehrung 'unauffällig' anknabbert und schließlich ganz "fressen" muss, da der Kuchen durch die Bemühungen um symmetrische Reduzierungen zu klein wurde. Wenn man schon Angst hat, dass die arme Justina mit dem selbst gemachten Potentaten-Konterfei vorliebnehmen muss, stellt sich aber heraus, dass der vorausschauende Wuz tief in die Tasche gegriffen hat und angesichts seiner Lüsternheit lieber gleich zwei Pfefferkuchen gekauft hat.


    Manchmal ist Jean Pauls Wortwahl so, dass ich die heutige Wortnutzung an die Seite stellen und genau auf die Grammatik achtend mir überlegen muss, was der Ausdruck bedeuten könnte.
    So leitet er die oben umschriebene Stelle mit den Potentaten und Pfefferkuchen ein:
    "[...] ich will über beide ganz befriedigend sein."
    Bevor ich weiterlas, dachte ich, er wolle das Thema nicht weiter ausführen, weil er mit dem bereits Beschriebenen zufrieden sei, aber es bedeutet wohl, dass er uns Leser befriedigend ausführlich über das Thema unterrichten will.


    Weiter vorne ist wieder so eine schöne Stelle, für die ich diesen Autor liebe. Gerade hat er seine Justina kennen und lieben gelernt, die weiß, wie man kokett ein rotes Taschentuch einsetzen kann.
    "Wuz trug seinen mit dem Gas der Liebe aufgefüllten und emporgetriebnen Herzballon freudig ins Alumneum zurück, ohne jemand eine Silbe zu melden, am wenigsten der Schnupftuchfahnenjunkerin selber [...]".
    So schöne anrührende und dennoch humorvolle Bilder konnte kein anderer deutscher Klassiker.


    Neben all der schelmischen Naivität seines Wuz lässt Jean Paul auch ganz schön kräftig die Satire-Peitsche wirbeln wie zum Beispiel, wenn er die Armut und Quälerei in der Lehrerausbildung geißelt.


    Nun stirbt gerade sein Vater und ein neuer Lebensabschnitt unseres Wuz beginnt.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)


  • Den Faust habe ich bisher nicht vollständig gelesen.


    Den zweiten Teil kenne ich auch nicht, ich habe Wikipedia befragt. :zwinker:


    Überhaupt wäre ich ohne den schnellen Blick ins Internet (vor allem Wikipedia und das Grimmsche Wörterbuch) ziemlich verloren, denn in meiner Ausgabe gibt es keine Anmerkungen ...


    Mir geht es auch so, dass ich nicht unbedingt alles verstehen will/muss. Ein paar Sätze/Passagen verstehe ich nach zwei- oder dreimaligem Lesen immer noch nicht ganz - das ist dann eben so. Aber mir macht das Lesen des Schulmeisterlein großen Spaß, da es so wunderbare Sätze gibt, einzigartige Bilder und vor allem den Humor mag ich sehr.


    Vielen Dank für den Hinweis auf den "Hesperus", finsbury. Jetzt verstehe ich, wieso Du Jean Paul eher als den Erzähler gesehen hast und ich als Jean Paul-Neuling nicht.



    So leitet er die oben umschriebene Stelle mit den Potentaten und Pfefferkuchen ein:
    "[...] ich will über beide ganz befriedigend sein."
    Bevor ich weiterlas, dachte ich, er wolle das Thema nicht weiter ausführen, weil er mit dem bereits Beschriebenen zufrieden sei, aber es bedeutet wohl, dass er uns Leser befriedigend ausführlich über das Thema unterrichten will.


    Ich war sehr froh, dass er diese Stelle ausgeführt hat, denn ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, welche Potentaten er Justina schenkt, "die nicht wußte, was sie mit dem historischen Bildersaale machen sollte." :breitgrins: - Ausgesprochen kreativ und phantasievoll ist unser Wutz.


    Das Zitat mit dem "Herzballon" habe ich mir auch notiert - wunderbar!


    Gruß, Gina

  • Freilich du, mein Wutz, kannst Werthers Freuden aufsetzen, da allemal deine äußere und deine innere Welt sich wie zwei Muschelschalen aneinander löten und dich als ihr Schaltier einfassen; aber bei uns armen Schelmen, die wir hier am Ofen sitzen, ist die Außenwelt selten der Ripienist und Chorist unsrer innern fröhlichen Stimmung; –höchstens dann, wenn an uns der ganze Stimmstock umgefallen und wir knarren und brummen; oder in einer andern Metapher: wenn wir eine verstopfte Nase haben, so setzt sich ein ganzes mit Blumen überwölbtes Eden vor uns hin, und wir mögen nicht hineinriechen.


    Solche Sätze sind schon besonders!
    Glücklicher Wutz, dessen Außen- und Innenwelt im Einklang ist.


    Wie standen denn Goethe und Jean Paul zueinander? Kannten sie sich persönlich?



    und aus der zersprengten schwarzen Alumnus-Puppe brach ein bunter Schmetterling von Kantor ins Freie hinaus.


    Sehr schöne Metapher!


    Wutz heiratet nun seine Justine am 09. Julius. Soweit bin ich nun.


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Wie standen denn Goethe und Jean Paul zueinander? Kannten sie sich persönlich?


    Sie sind sich mehrfach begegnet, konnten sich allerdings, insbesondere von Goethes Seite, nicht besonders leiden (S. 34 des Links).


    Ich bin noch nicht ganz bei der Hochzeit, sondern noch in der bräutigamlichen Erwartung, da ich momentan nur abends zum Lesen komme und dann immer darüber einschlafe :sauer:.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)


  • und aus der zersprengten schwarzen Alumnus-Puppe brach ein bunter Schmetterling von Kantor ins Freie hinaus.


    Und wieder eine Stelle, die ich auch notiert habe. :smile:



    ..., da ich momentan nur abends zum Lesen komme und dann immer darüber einschlafe :sauer:.


    Das kann ich gut nachvollziehen. Wenn ich in den letzten Tagen nicht tagsüber Zeit und vor allem Ruhe gehabt hätte, würde ich vermutlich noch auf den ersten Seiten festhängen. Abends bin ich zu müde.


    Jetzt ist es mir fast ein bisschen peinlich, aber ich hatte einen regelrechten "Wutz-Flow", weshalb ich die Erzählung inzwischen beendet habe. :redface:


    Die Beschreibung von Wutz' acht Wonne-Wochen ist teilweise "Idylle pur" und teilweise "typisch Wutz": Er füttert die Vögel, umsorgt seine Mutter ein wenig, schnitzt Kochlöffel, malt sich die Zukunft aus und dichtet. Nur bekommt Wutz nichts Verständliches zustande und da Not erfinderisch macht, schreibt er die Hexameter unleserlich, "was auch gut war. Durch diese poetische Freiheit bog er dem Verstehen ungezwungen vor." :breitgrins:


    Das Wesen des Wutz zeigt sich auch sehr schön daran, dass er zwar ein Einnahmen-, aber kein Ausgabenbuch hat.


    Und dann kommt eine Stelle, an der der Erzähler die Idylle durchbricht: "Die Gesetze des Romans würden verlangen, daß das Schulmeisterlein sich anzöge und sich auf eine Wiese unter ein wogendes Zudeck von Gras und Blumen streckte ..." - Stattdessen rupft Wutz Geflügel, spaltet Holz usw., es ist eine "Wutzsche Art der Idylle".


    Gruß, Gina

  • Dank einer wachen Nachtstunde habe ich jetzt auch das Schulmeisterlein bis an seine Gruft begleiten dürfen. Mir ist insgesamt aufgefallen, dass uns der Autor an den besonderen Zeiten Wuzens teilnehmen lässt, während er Jahrzehnte mit wichtigen, aber alltäglichen Geschehnissen für überflüssig hält. So begleiten wir Wuz durch seine Verlobungszeit bis zu seinem Hochzeitstag. Aber die Zeit der ehelichen Konsolidierung, die Kinder, all das bekommen wir nicht mitgeteilt. Es ist nicht so, dass der Autor sich dafür nicht interessiert, schließlich handelt sein Siebenkäs unter anderem ausschweifend davon. Aber wir haben es hier mit einer kurzen Prosaform zu tun, da muss er reduzieren. Und so ist es auch ganz gut gelungen, den "Flow" (@Gina :breitgrins:) aus der Verlobungszeit und dem Hochzeitstag zu kontrastieren mit der Sterbeszene oder eben doch nicht zu kontrastieren,weil unser Maria
    Wuz selbst in dieser existenziellen Abschlusssituation immer noch mindestens auf "Wolke vier" tanzt.
    Wuz soll wohl auch als Kontrastiv zu uns allen mit unseren existentiellen und Alltagsängsten dienen, die manchmal unsere Lebensfreude auffressen. Insofern nehme ich aus diesem kurzen Text durchaus auch einiges für mich mit!

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Ein schönes und sehr treffendes Schlusswort, finsbury. :klatschen:


    Ich war auch erst über den großen Zeitsprung nach der Hochzeit überrascht, aber nach den letzten Seiten war es für mich stimmig.


    Mir hat das Schulmeisterlein insgesamt sehr gut gefallen und Spaß gemacht - trotz oder vielleicht auch wegen der Mühe, die das Lesen teilweise bereitet hat. Jetzt weiß ich, dass ich auf jeden Fall noch mehr von Jean Paul lesen werde. :smile:


    Und eine kleine Prise Wutz kann im Alltag sicher nicht schaden.


    Gruß, Gina