Bov Bjerg: Auerhaus


  • Moin, Moin!



    Dafür, daß es quasi als Heilsbringer in Sachen 'Jugendverstehen heute' gefeiert worden ist, frage ich mich, was das so Besondere an dem Buch sein soll. Ich habe viermal sehr herzhaft gelacht - keine schlechte Ausbeute - und mich auch ganz ordentlich amüsiert. Trotzdem las ich mit "Das fabelhafte Jahr der Anarchie" von André Kubiczek, abgesehen von der Freitodproblematik, ein thematisch nicht ganz unähnliches Buch. Und auch das erst kürzlich gelesene "89/90" spielt das Thema eines zeitlich begrenzten Zusammenseins von Jugendlichen durch. Vielleicht stand ja Herrndorfs <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Tschick_%28Roman%29">"tschick"</a> bei alldem Pate. (?). Durch Auerhaus bin ich wie durch Butter hindurchgepflügt (gerade mal 3 Stunden Lektüre), was mich etwas skeptisch macht, ohne daß ich das an etwas Konkretem festmachen kann.


    Kein Wunder; "Auerhaus" scheint mir ein typisches "Westbuch" aus einem bestimmten zeitlichen Abschnitt zu sein. Wenn man dann in 3 Stunde "hindurchpflügt", wie Du, dann scheint einiges nicht verstanden worden zu sein.
    Eben "our house in the middle of the street", besser "one step beyond" :breitgrins:


  • Kein Wunder; "Auerhaus" scheint mir ein typisches "Westbuch" aus einem bestimmten zeitlichen Abschnitt zu sein. Wenn man dann in 3 Stunde "hindurchpflügt", wie Du, dann scheint einiges nicht verstanden worden zu sein.


    Das Buch spielt offenbar in den 80er Jahren, die Gruppe der Auerhäusler macht gerade ihr Abitur in Westdeutschland. Damit trifft es genau meine Lebenssituation, ich habe Mitte der 80er Jahre Abitur irgendwo im 'Westen' gemacht - ich hätte also während des Lesens resp. Hörens eine ganze Menge an déjà vu-Erlebnissen haben können. Die blieben aber sämtlich aus. Das Buch hat m. E. keinerlei besondere Qualitäten eines Zeitromans oder Generationsromans.

  • Moin, Moin!


    Das Buch spielt offenbar in den 80er Jahren, die Gruppe der Auerhäusler macht gerade ihr Abitur in Westdeutschland. Damit trifft es genau meine Lebenssituation, ich habe Mitte der 80er Jahre Abitur irgendwo im 'Westen' gemacht - ich hätte also während des Lesens resp. Hörens eine ganze Menge an déjà vu-Erlebnissen haben können. Die blieben aber sämtlich aus. Das Buch hat m. E. keinerlei besondere Qualitäten eines Zeitromans oder Generationsromans.


    Bov Bjerg ist im selben Alter wie wir und hat sich diese Zeit - unsere Jugendzeit - sicherlich bewußt ausgewählt. Ich weiß nicht, ob ich mir Frank Witzels Buch antun werde, das ebenso tief in der damaligen westdeutschen Lebenswirklichkeit spielt. Andererseits dürften dann André Kubiczeks "Das fabelhafte Jahr der Anarchie" sowie Peter Richters "89/90" für westdeutsche Augen/Ohren eigentlich uninteressant sein. Oder Tellkamps "Der Turm"?


    So einfach sollte man sich das nicht machen und gute Literatur ist ja gerade solche, die fremde Lebenswirklichkeiten für einen selbst nachvollziehbar schildert. Jedenfalls habe ich Ralf Rothmanns Ruhrpott-Romane und Arnold Stadlers autobiografisch geprägte Romane sehr gerne gelesen und fand sie spannend.


    Vielleicht tue ich Auerhaus unrecht und verkenne in Anbetracht des humorgetränkten Grundtons dessen einschneidende Wirkung auf alle anderen Leser und die Kritiker.

  • [quote author=Dostoevskij]
    Bov Bjerg ist im selben Alter wie wir und hat sich diese Zeit - unsere Jugendzeit - sicherlich bewußt ausgewählt. Ich weiß nicht, ob ich mir Frank Witzels Buch antun werde, das ebenso tief in der damaligen westdeutschen Lebenswirklichkeit spielt. Andererseits dürften dann André Kubiczeks "Das fabelhafte Jahr der Anarchie" sowie Peter Richters "89/90" für westdeutsche Augen/Ohren eigentlich uninteressant sein. Oder Tellkamps "Der Turm"?


    So einfach sollte man sich das nicht machen und gute Literatur ist ja gerade solche, die fremde Lebenswirklichkeiten für einen selbst nachvollziehbar schildert. Jedenfalls habe ich Ralf Rothmanns Ruhrpott-Romane und Arnold Stadlers autobiografisch geprägte Romane sehr gerne gelesen und fand sie spannend.
    [/quote]


    Ich denke, es zeichnet einen Zeit- oder Generationenroman ja gerade aus, dass er eine andere, fremde oder vergangene Lebenswirklichkeit erschließt. Bei Uwe Tellkamp ging es mir so, dass ich das Leben im Dresdner Villenviertel förmlich gerochen und geschmeckt habe. Von Frank Witzels Roman kenne ich bisher nur Ausschnitte, aber da ging es mir so, dass er sofort Dinge und Situationen aufgerufen hat, die mir aus meiner Kindheit bekannt waren. Insofern halte ich deren Bücher als Zeitromane schon einmal für geglückt.


    Genau das passierte aber bei Bov Bjerg nicht. Josmars Einwand schien ja zu sein, dass der Roman das leiste und Du das übersehen hättest. Dem wollte ich meine eigene Leseerfahrung entgegensetzen.

    Zitat gerade gebogen - nix für Ungut. sandhofer

  • So sollte, könnte, müßte es sein.
    Soweit die hehre Theorie! Klar, altersmäßig haut das hin, keine Frage. Aber klappt das auch bei der unterschiedlichen Sozialisation? Es ist eine Jugendzeit West und eine Ost! Wie soll da ein Roman auf beiden Seiten funktionieren, welchen Spagat soll er hinlegen? Ich bin da ganz ehrlich, aus diesem Grunde interessiert mich zB Tellkamps Turm überhaupt nicht!
    Das Beispiel Rothmann zeigt es wunderbar. Sorry, nicht verstanden, Rothmann hat keine "Ruhrpott" Romane geschrieben, er hat die Gegenden seiner Jugend liebevoll verewigt! (btw, Orte, die mir häufig bekannt sind). Der Begriff "Ruhrpott", na, so gerne dürfte er wohl nicht gehört werden! Ist er eher ein Marketing-Begriff der letzten Jahre! Jedenfalls kaum ein Begriff, den Rothmann verwenden würde, also schon ein Bsp., daß es nur schwerlich funktioniert!
    Weiteres Beispiel Wolfgang Welt, ebenso, wunderbarer Schriftsteller, wunderbare Milieubeschreibungen, kaum zum Transport von "fremden Lebenswirklichkeiten" zu gebrauchen!
    Jetzt könnte ich noch auf die Musik eingehen, lasse es aber, es führt zu weit...


    Ich glaube, da wird, jedenfalls in unserer Generation, noch nichts zusammenwachsen...literarisch sind diese Beispiele für mich dafür signifikant!


    sandhofer; den Begriff "Anpflaumungen" empfand ich als außerordentlich unpassend und unsachlich!
    In einem Forum, das, mEn, schon seit geraumer Zeit "kuschelig" dahin dümpelt, mag eine
    kleine Zuspitzung durchaus zulässig und erlaubt sein. Ich fand lediglich den Begriff "durchgepflügt" einem Buch, auch als Bild, nicht angemessen. Äcker sollten gepflügt werden, nicht Bücher! :sauer:
    gruß
    josmar

  • Soweit die hehre Theorie! Klar, altersmäßig haut das hin, keine Frage. Aber klappt das auch bei der unterschiedlichen Sozialisation?


    Damit verneinst Du jede Möglichkeit, einen Roman zu lesen, der aus einer andern Zeit oder einem andern Ort stammt, als der Leser selber. Goethe wurde anders sozialisiert als wir (egal, ob Ost oder West). Und Schiller nochmals anders als Goethe. Und als wir (egal, ob Ost oder West). Von Homer schon gar nicht zu sprechen. Oder Konfuzius ... oder ... oder ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Nein, ich bin nur konkret bei diesen hier genannten Romanen, nirgendwo anders...
    Hier verneine ich es, das ist richtig, verallgemeinern würde ich das nicht!


    gruß
    josmar

  • ... bei diesen hier genannten Romanen ... hm ... ich behaupte immer noch, dass Goethes "Werther" nichts anderes war und ist als ein Generationenroman - genau wie dieser hier. Und also genau in die Kategorie "Kann-ich-nicht-nachvollziehen-weil-ich-nicht-in-dieser-Zeit-und-an-diesem-Ort-aufgewachsen-bin" fällt.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Moin, Moin!


    Ich kann den aktuellen Thread nicht beleben, denn seit Tagen übelste Zahnschmerzen. Gestern gebohrt, Schmerzen blieben. Heute nach der Nachtschicht wieder hin, Nebenzahn aufgebohrt und Nerv gezogen. Mit Ibuprofen 800 nun Schlafversuch. Und hier also eher Aua-Haus als Auerhaus. :breitgrins:


  • ... bei diesen hier genannten Romanen ... hm ... ich behaupte immer noch, dass Goethes "Werther" nichts anderes war und ist als ein Generationenroman - genau wie dieser hier. Und also genau in die Kategorie "Kann-ich-nicht-nachvollziehen-weil-ich-nicht-in-dieser-Zeit-und-an-diesem-Ort-aufgewachsen-bin" fällt.


    Stimmt. Wobei Goethe ja das Gefühl seiner Zeit in Worte gebracht hat, während die hier genannten Romene die Gefühle und die Atmosphäre füherer Zeiten beschwören wollen.


    Dass es an der Ost-West-Trennung liegen sollte, kann ich ganz und gar nicht nachvollziehen. Man nehme nur zum Beispiel Hermann Kants 'Aula' oder Uwe Johnsons 'Ingrid Babendererde'. In diesen Büchern kann ich als Wessi erfahren, wie sich das Leben in der frühen DDR angefühlt hat. Wenigstens bekomme ich davon einen lebendigen Eindruck. Ich denke, hier sieht man einfach, was gute Literatur schaffen kann, wenn es glückt. Und vor dieser Frage scheint mir das Auerhaus kapitulieren zu müssen.


  • ... bei diesen hier genannten Romanen ... hm ... ich behaupte immer noch, dass Goethes "Werther" nichts anderes war und ist als ein Generationenroman - genau wie dieser hier. Und also genau in die Kategorie "Kann-ich-nicht-nachvollziehen-weil-ich-nicht-in-dieser-Zeit-und-an-diesem-Ort-aufgewachsen-bin" fällt.


    Ich bleibe dabei, die Diskussion weg vom Konkretum hin zum Abstraktum ist hier lediglich verwässernd. MEn ist hier die politische Entwicklung nach 1989 und der persönliche Hintergrund des einzelnen wichtig. So erlebe ich es hier und in vielen Gesprächen mit Freunden aus der Ex-DDR. Überspitzt habe ich manchmal den Eindruck, man spricht kaum dieselbe Sprache. :-)


    Gruß
    josmar

  • Ich bleibe dabei, die Diskussion weg vom Konkretum hin zum Abstraktum ist hier lediglich verwässernd.


    Insofern als dass das Konkretum hier Deine persönliche Erfahrung ist, die keiner von uns teilen kann - egal, ob Wessi oder Ossi - ist eine Verlagerung hin zum Abstraktum nur natürlich. :zwinker:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Nein, das Konkretum ist der Roman "Auerhaus" mit den Beschreibungen eines Autors im West der Republik Mitte der 80 er Jahre!
    Nichts anderes; das was Du tust, ist das Ziehen eines Schlusses daraus. In meinen Augen durchaus zulässig, aber nicht begründet. Du übersiehst, ich wiederhole mich, die spezifische Situation im wiedervereinigten Deutschland.
    Gruß
    josmar

  • Nun wüsste ich doch sehr gerne einmal, worin denn diese besonderen Qualitäten des Autors in der Schilderung der Jugend im Westen der Republik Mitte der 80er Jahre liegen sollen... ? Mir als Leser, der exakt zu dieser Zeit im Westen der Republik Jugendlicher war, haben sie sich jedenfalls in keiner Weise offenbart. Und das kann ja wohl kaum an der 'anderen Sozialisation' liegen. Und um es gleich zu sagen: ein bisschen musikalisches Name-Dropping ist dabei nicht ausreichend.


  • Nun wüsste ich doch sehr gerne einmal, worin denn diese besonderen Qualitäten des Autors in der Schilderung der Jugend im Westen der Republik Mitte der 80er Jahre liegen sollen... ? Mir als Leser, der exakt zu dieser Zeit im Westen der Republik Jugendlicher war, haben sie sich jedenfalls in keiner Weise offenbart. Und das kann ja wohl kaum an der 'anderen Sozialisation' liegen. Und um es gleich zu sagen: ein bisschen musikalisches Name-Dropping ist dabei nicht ausreichend.


    Wer hat denn was von Qualität geschrieben? Bitte genau lesen!
    Falls ich mit dem "musikalischen Name-Dropping" gemeint sein sollte, ist mir der Zusammenhang ebenfalls völlig schleierhaft. Ich lasse es an dieser Stelle auf sich beruhen in der Erkenntnis: ich lese lieber Bücher als sie zu "durchpflügen".
    So long
    josmar