Marlen Haushofer: Die Wand


  • Keine Sorge - es gibt einen urplötzlichen Akt unglaublicher Brutalität. Aber das Ende des Romans ist eher hoffnungsvoll.


    In der Tat, eine kluge Schriftstellerin. Das Schreckliche kommt ganz plötzlich und ist fast ebenso schnell bewältigt. Die Folgen sind kein großes Thema mehr.


    Dank an diejenigen, die mir den Roman schmackhaft gemacht haben.

  • @ JH Newmann:
    Gerade habe ich in mein Zitatebuch eine schöne Stelle aus "Die Wand" geschrieben, die zeigt, wie sehr sich Haushofer in diesem Roman mit den existentiellen Fragen auseinandersetzt:


    Die Dinge geschehen eben, und ich suche, wie Millionen Menschen vor mir, in ihnen einen Sinn, weil meine Eitelkeit mir nicht gestatten will, zuzugeben, dass der ganze Sinn eines Geschehnisses in ihm selbst liegt. Kein Käfer, den ich achtlos zertrete, wird in diesem, für ihn traurigen Ereignis einen geheimnisvollen Zusammenhang universeller Bedeutung sehen. ... Nur wir sind dazu verurteilt, einer Bedeutung nachzujagen, die es nicht geben kann. Ich weiß nicht, ob ich mich jemals mit dieser Erkenntnis abfinden kann. Es ist schwer, einen uralten eingefleischten Größenwahn abzulegen.


    Für mich fassen diese Zeilen unser Unbehagen am Leben besser zusammen, als ich das bisher bei diversen Philosophen gelesen habe.

  • Ich habe das Buch heute gelesen (und abends den Film gesehen) und als ich den Faden hier aufmachte, fiel mir das Kafka-Zitat mit dem gefrorenen Meer ins Auge. Das passt sehr gut zu der Wirkung, die "Die Wand" auf mich hat.

    Tief bewegt haben mich die Passagen, in denen die Erzählerin beklagt, dass es womöglich wieder junge Katzen geben wird - sie möchte das lieber nicht erleben, weil sie fürchtet, wieder ein Tier zu verlieren. Mehrmals gibt es Anspielungen dieser Art, über die Leiden der Verantwortung, die Liebe zu einem anderen Wesen mit sich bringt.

    Als ich nach fast sieben Monaten, in denen ich drei Fuß-Ops hatte, vor ein paar Tagen den ersten längeren Gang machen konnte, führte mich dieser (natürlich) zum Offenen Bücherschrank - ich hatte eine ganze Tasche voll Bücher hineinzutun. Herausgezogen habe ich "Die Wand" und bin dankbar für dieses Geschenk. Es könnte mein Buch des Jahres 2019 gewesen sein.


    "Nun, da ich fast nichts mehr besaß, durfte ich in Frieden auf der Bank sitzen und den Sternen zusehen, wie sie auf dem schwarzen Firmament tanzten. Ich hatte mich soweit von mir entfernt, wie es einem Menschen möglich ist, und ich wusste, dass dieser Zustand ncht lange anhalten durfte, wenn ich am Leben bleiben wollte. Schon damals dachte ich manchmal, dass ich später nicht verstehen würde, was auf der Alm über mich gekommen war. Ich begriff, dass alles, was ich bis dahin gedacht und getan hatte, oder fast alles, nur ein Abklatsch gewesen war. Andere Menschen hatten mir vorgedacht und vorgetan. Ich musste nur ihrer Spur folgen. Die Stunden auf der Bank vor der Hütte waren Wirklichkeit, eine Erfahrung, die ich persönlich machte, und doch nicht vollkommen. Fast immer waren die Gedanken schneller als die Augen und verfälschten das Bild."