Wieviel bzw. welche Bücher kann man für 100 Euro bekommen...

  • Hallo Nimue,


    Zitat von "nimue"


    Was ich damit sagen wollte, ist lediglich, dass man überhaupt nicht pauschal sagen kann, ob es der Branche nun schlecht geht, weil man gebrauchte Bücher kauft oder weil man nur wenige Hardcover kauft. Es geht derzeit so ziemlich jeder Branche schlecht - es ist aber meiner Meinung nach recht kurzsichtig, den Grund dafür in den Käufern zu sehen.


    Warum sonst sollte es der Branche schlecht gehen (wenn wir mal davon ausgehen, dass dieser Befund zutrifft)? Hat sie denn noch andere Einnahmequellen außer den Einnahmen aus dem Verkauf ihrer Waren? Oder meinst Du, die Kosten seien so stark gestiegen? Und dass es in anderen Bereichen nicht anders aussieht, beweist gar nichts - schließlich erstreckt sich die Kaufzurückhaltung der Kunden ja nicht nur auf Bücher.


    Das ist ja kein Vorwurf an die potentiellen Käufer. Die Schuld kann genauso gut bei der Wirtschaft liegen, die ihre Kapazitäten in der Zeit des Booms überdimensioniert hat und jetzt in allen möglichen Bereichen gezwungen ist, wieder abzubauen. Das dadurch bei den Menschen bewirkte subjektive Gefühl, dass es "abwärts" geht, bewirkt rational nachvollziehbar eine geringere Neigung, zu kaufen bzw. vermehrt auf "Schnäppchen" zu achten. Was wiederum die wirtschaftliche Lage der Unternehmen verschlechtert. Das Ganze ist eben ein typischer Abschwung mit einer Tendenz zur Deflation. Beide Teile - Wirtschaft und Kunden - verhalten sich aus ihrer Sicht rational.


    Wie ich schon einmal gesagt habe: Mich wundert ein wenig, dass Viele zwar die Ursachen für ihr Verhalten erkennen, aber nicht sehen, dass dieses Verhalten selbst eine Ursache ist (nämlich für die nächste Umdrehung der Schraube).


    Berch: "aber Geld, daß ich nicht habe, kann ich auch kaum ausgeben..." Diese Einstellung ehrt Dich, ist aber in der Praxis vielfach widerlegt worden ;-)


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Zitat von "Harald"

    Berch: "aber Geld, daß ich nicht habe, kann ich auch kaum ausgeben..." Diese Einstellung ehrt Dich, ist aber in der Praxis vielfach widerlegt worden ;-)


    Das mit meiner Theorie und der allgemeinen Praxis ist immer so eine Sache :zwinker: Aber bevor ich mich verschulde, um Bücher zu kaufen, wage ich wohl doch noch eher in die städtische Bücherei.
    Aber volkswirtschaftlich gesehen hast Du natürlich recht. Die einzig wirklich vernünftige Möglichkeit, die dem normalen Kunden bleibt, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln ist, all sein Geld rauszuhauen. Kaufen, wenns uns schlecht geht (und dabei möglichst noch Schulden machen) und sparen, wenns uns gut geht. Aber der Käufer lebt nunmal in der Erwartung, daß es eher schlechter als besser wird und schafft sich deshalb Sparvorräte und genau dadurch wird es dann tatsächlich auch schlechter.
    Zudem habe ich vor ein paar Tagen noch eine Studie gelesen, daß die Käufer selbst auf die Angebote, die die Wirtschaft in einigen Bereichen aktuell macht und die wirklich sehr eng kalkuliert sind, inzwischen immer schwächer reagieren, in der Hoffnung, daß es noch billiger wird.
    Gerade darum frage ich mich persönlich in letzter Zeit auch, warum unsere Regierung nicht bei den ganz normalen Bürgern stärker ansetzt. Die Steuererleichterung wird tatsächlich direkt auf anderem Wege (Krankenhassen, Zigarettensteuer, etc.) wieder reingeholt. Unterm Strich bleibt also keine wirkliche Kaufkraftverstärkung, sondern zudem noch das flaue Gefühl, für wirklich wichtige Bereiche noch mehr Rücklagen machen zu müssen (Renten, Gesundheitsversorgung)...
    Aber ich will jetzt auch nicht zu sehr ins politische drängen, zumal meine persönliche Situation ja auch noch eine recht spezielle ist: Ich bin Student und habe aktuell keinen Nebenjob und lebe daher von dem, was meine Eltern mir geben und was ich halt noch so hab... daher würde ich also auch wenns der Wirtschaft blendend ginge garnicht mehr investieren können als jetzt....

  • Hallo zusammen!


    Was gerne vergessen geht: Wir sprechen hier tatsächlich über einen Luxusartikel. Um genau zu sein, sprechen wir über 2 Luxusartikel, und dies in 2facher Hinsicht.


    Die Luxusartikel sind
    1) die Fähigkeit, lesen (und schreiben) zu können,
    2) das Buch an sich


    Die 2fache Hinsicht:
    a) örtlich
    b) zeitlich


    Zu 1a) ist wohl wenig zu sagen. Ich weiss ehrlich gesagt nicht, ob Lesen und Schreiben in irgendeiner Charta als Menschenrechte verankert sind. Als wichtiges Instrument, sich Information zu verschaffen und sie zu verbreiten, sollten sie es sein. Aber selbst in der westlichen Welt gibt es zu viele, die nicht lesen und schreiben können; und das sind nicht nur ImmigrantInnen aus der 3. Welt.


    1b) Aber auch zeitlich und auf die westliche Kultur beschränkt, müssen wir festhalten, dass Lesen und Schreiben erst seit Einführung einer Volksschule Allgemeingut geworden sind, also ungefähr seit Rousseau und Pestalozzi. Also eine Entwicklung des 19. Jahrhunderts. Vorher waren es v.a. die Pfaffen und Mönchlein, die schrieben; der Adel als herrschende Schicht schaute auf die Leute, die lesen und schreiben konnten, eher mit Verachtung herunter.


    2a) Auch heute noch gibt es zuviel Menschen, die zuerst was zum Essen brauchen, bevor sie über ein Buch diskutieren wollen.


    2b) Erst mit der Einführung des Rotationsdrucks und der Klebebindung (sprich: Massenproduktion und Taschenbuch) ist in der westlichen Welt das Buch vom Luxusartikel zum Gebrauchsartikel 'gesunken'. Beides geschah im 20. Jahrhundert. So ist z.B. noch Goethes Bibliothek vom heutigen Standpunkt aus winzig klein. Nicht wenige der Forumsteilnehmer besitzen wohl mehr Bücher als es selbst der alte Goethe je tat. (Und hier sprechen wir von einem Autor, der Weltruhm erlangt hatte, als Minister zwar nicht reichlich, aber doch anständig bezahlt wurde, von Hause aus nach heutigen Begirffen wohl auch Millionär war ...) Doch noch im 19. Jahrhundert behalf man sich, indem man eben die gleichen Bücher immer wieder las, statt ständig neue ('intensives' statt 'extensives' Lesen - auch bei Napoleon!), Bibliotheken frequentierte bzw. Lesezirkeln beitrat, die Neuheiten erwarben unter ihren Mitgliedern zirkulieren liessen.


    Noch heute kann man in Frankreich Bücher kaufen, wo die Bögen noch nicht aufgeschnitten und nur provisorisch zusammengeklebt sind, indem man es dem Besitzer überlässt, ob und wie er sie binden lassen will.


    Grüsse


    Sandhofer


    PS. ebay? - Keine unanständigen Wörter hier, bitte! :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Sandhofer,


    Ich kann Dir da nicht ganz zustimmen. Hältst Du z.B. sauberes Trinkwasser für einen Luxus, weil Millionen Menschen keins haben?


    Ich denke, man sollte schon zwischen den Grundbedürfnissen und dem Überflüssigen (das heißt nämlich meiner Meinung nach "Luxus") unterscheiden. Und Informations- und Meinungsfreiheit zähle ich zu den Grundbedürfnissen, neben Nahrung, Kleidung, Wohnung etc. Und wenn vielen Menschen die Erfüllung bestimmter Bedürfnisse verwehrt ist, wird noch lange kein Luxus daraus.


    Ansonsten stimme ich Dir zu: Bis auf die letzten 100 Jahre oder so, und in vielen Teilen der Welt bis heute, war und ist Lesen ein Privileg einer Minderheit. Die großen Klassiker der englischen Literatur des 18. Jh. wie "Tom Jones" von Fielding wurden zu Beginn nur von ca. Tausend Menschen gelesen. Selbst damalige "Bestseller" wie Robinson Crusoe dürfte nicht mehr als in einigen tausend Exemplaren verkauft worden sein.


    Übrigens ist Goethes Bibliothek nicht klein... Ich meine mich zu erinnern, dass es ca. 2000 Bände sind. Wenn Du jede Woche ein Buch daraus liest - und wenn Du das tust, liest Du viel - bist Du in 40 Jahren durch... Wenige in diesem Forum dürften so viele Bücher haben. Man bräuchte 10 bis 12 Billy-Regale, um eine solche Menge unterbringen zu können.


    Außerdem hatte Goethe Zugriff auf die herzogliche Bibliothek und hat dies auch genutzt.


    Die Geschichte der Leihbibliotheken im 19. Jahrhundert schließlich ist die Geschichte der zunehmenden Alphabetisierung aller Bevölkerungsschichten und des damit zunehmenden Bedarfs an Bildung und Unterhaltung.


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo Berch,


    Zitat von "Berch"


    Gerade darum frage ich mich persönlich in letzter Zeit auch, warum unsere Regierung nicht bei den ganz normalen Bürgern stärker ansetzt. Die Steuererleichterung wird tatsächlich direkt auf anderem Wege (Krankenhassen, Zigarettensteuer, etc.) wieder reingeholt.


    Um nun doch ein wenig zu politisieren: Meiner Meinung nach müßte eine Regierung azyklisch handeln, d.h. in guten Zeiten einen Teil des Wohlstandes zur Seite legen, um diesen in schlechten Zeiten wieder unter das Volk zu bringen. Welche Politiker aber haben die Selbstdisziplin, die in guten Zeiten steigenden Steuereinnahmen <b>nicht</b> auszugeben?


    Die Bundesregierung müßte jetzt Schulden machen, um Geld in die Wirtschaft zu pumpen, was wegen des Maastrichtskriteriums, und weil der Schuldenberg sowieso schon zu groß ist, nicht möglich ist. Mit anderen Worten: Meiner Meinung nach ist die Verschwendung aus der Zeit der fetten Jahre dafür verantwortlich, dass während der mageren Jahre der Spielraum für Konjunkturförderung fehlt.


    Denke einmal an den Traum des Pharao und an die sieben fetten Jahre und an die sieben mageren Jahre: Schon vor dreitausend Jahren waren Menschen, die mit Weitblick zu handeln wagten, selten. Daran hat sich bis heute nichts geändert...


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo Harald,


    Ich wollte nur kurz einwerfen, dasss sauberes Trinkwasser sehr wohl ein Luxusgut ist ! Wasser zu haben ist ein Grundbedürfnis ja, aber trotzdem oder genau deshalb ist es ein Luxusgut ! (Es ist auch nicht unbegrenzt verfügbar, auch wenn viele Leute das meinen!)


    Ich persönlich (da ich seit September nochmal eine Ausbildung mache, und zwar eine schulische bei der ich kein Einkommen habe) bin schon froh wenn ich günstige Bücher bekomme !

  • Zitat von "melanie"


    Ich wollte nur kurz einwerfen, dasss sauberes Trinkwasser sehr wohl ein Luxusgut ist ! Wasser zu haben ist ein Grundbedürfnis ja, aber trotzdem oder genau deshalb ist es ein Luxusgut ! (Es ist auch nicht unbegrenzt verfügbar, auch wenn viele Leute das meinen!)


    Nun, wir haben offenbar unterschiedliche Definitionen von Luxus.


    Melanie und Sandhofer: Luxus = selten und wertvoll
    Harald: Luxus = teuer und überflüssig


    wobei teuer nicht gleich wertvoll!


    Vielleicht mag ein Forumsteilnehmer mit einem aussagekräftigen Wörterbuch (Hubert? Hubert!) bei Interesse klären, welche Definition die richtigere ist.


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo zusammen!


    Harald hat geschrieben:

    Zitat

    Hallo Sandhofer,


    Hallo!

    Zitat

    Ich kann Dir da nicht ganz zustimmen. Hältst Du z.B. sauberes Trinkwasser für einen Luxus, weil Millionen Menschen keins haben?

    Ich habe mehrere Jahre in einem Drittweltland gelebt: Ja.


    Was ist Luxus? Nach meinem Meyer von 1897:

    Zitat

    Luxus (lat.), der Aufwand für den feineren Lebensgenuß, welcher über den durchschnittlich üblichen oder auch notwendigen Lebensbedarf hinausgeht. Da letzterer kein feststehender ist, so ist auch der Begriff L. ein durchaus relativer, und Roscher meint mit Recht, jeder Einzelne, jeder Stand, jedes Volk und jedes Zeitalter nenne diejenige Konsumtion L., welche ihm selbst als entbehrlich erscheine.


    Wenn ich die Welt als Durchschnitt nehme, ist sauberes Trinkwasser Luxus. Es ist auch nicht unbedingt notwendig, da man nicht unbedingt daran stirbt, sollte man keines haben.

    Zitat

    Übrigens ist Goethes Bibliothek nicht klein... Ich meine mich zu erinnern, dass es ca. 2000 Bände sind.


    Alles ist relativ. In Canettis Nachlass fanden sich etwa 15'000 Bücher; Umberto Eco hat an seinen beiden Wohnsitzen, wenn ich mich recht erinnere, ungefähr 20'000 verteilt.

    Zitat

    Wenn Du jede Woche ein Buch daraus liest - und wenn Du das tust, liest Du viel - bist Du in 40 Jahren durch...


    Ich schätze mal, dass ich seit meiner Kindheit ungefähr 3-4000 Bücher gelesen habe. Wenn Du daraus auf mein Alter schliessen willst ...

    Zitat

    Wenige in diesem Forum dürften so viele Bücher haben.

    Ich schätze mal die Hälfte ... Ich selber habe meine Bibliothek vor einigen Jahren radikal abgespeckt und besitze fast nur noch, was ich als wirkliche Klassiker betrachte. Trotzdem bin ich nicht weit unter Goethes Zahl ...

    Zitat

    Man bräuchte 10 bis 12 Billy-Regale, um eine solche Menge unterbringen zu können.


    10

    Zitat

    Außerdem hatte Goethe Zugriff auf die herzogliche Bibliothek und hat dies auch genutzt.


    Eben: man teilte!

    Zitat

    Die Geschichte der Leihbibliotheken im 19. Jahrhundert schließlich ist die Geschichte der zunehmenden Alphabetisierung aller Bevölkerungsschichten und des damit zunehmenden Bedarfs an Bildung und Unterhaltung.


    Eine sehr interessante Geschichte übrigens!


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo,


    um mal etwas Licht ins Dunkel zu bringen: Ich habe jahrelang BWL-Unterricht gehabt und die Wirtschaft definiert das folgendermaßen:


    Menschen haben einerseits Primärbedürfnisse. Die Befriedigung dieser Bedürfnisse ist lebensnotwendig und erfolgt durch Grund- und Existensgüter.


    Andererseits haben wir auch Sekundärbedürfnisse, die nicht lebensnotwendig durch Kultur- und Luxusgüter befriedigt werden müssen.


    Insofern kann man also Bücher durchaus zu den Kultur- und Luxusgütern zählen. Ein Luxusgut wäre dann vielleicht, wenn wir uns anstatt einer normalen Bibel eine Hundertwasserbibel kaufen würden.


    Luxus hat nicht unbedingt etwas damit zu tun, dass etwas teuer und wertvoll oder selten ist, sondern einfach damit, ob man etwas dringend braucht oder nicht. Zu Luxusgütern zählen also Autos, Fahrräder, Telefon und und und...


    Liebe Grüße
    nimue