A.J.Cronin

  • A.J.Cronin ist war ein schottischer Arzt und Schriftsteller (1896 bis 1981). Sein bekanntestes Werk "Die Zitadelle" habe ich vor Jahren einmal gelesen. Es ist der Entwicklungsroman eines jungen Arztes und hat wohl hauptsächlich das Anliegen, die Zustände im damaligen Gesundheitswesen anzuprangern.
    Man merkt dem Roman seine Mission deutlich an; ich fand das ganz lesenswert, dabei blieb es aber auch.
    Nun habe ich kürzlich ein anderes Buch von Cronin aus einem "offenen Bücherschrank" gezogen mit dem Titel "Lucy Moore" (Originaltitel "Three Loves"). Die Heldin ist eine junge Frau, die - ein wenig engstirnig und geltungssüchtig, aber durchaus nicht unsympathisch - ihren gutmütigen Mann und später ihren Sohn drangsaliert. Sie ist nicht bösartig, aber alle sollen nach ihrer Fasson selig werden. Nachdem sie sowohl den Mann als auch den Sohn verloren hat, erlebt sie eine Art Bekehrung und entschließt sich, ins Kloster zu gehen. Aber auch dort kann sie sich nicht einfügen, weil (Originalzitat aus dem Klappentext) "ihr Herz keine Demut kennt".
    Es klingt nicht besonders interessant, aber ich war beim Lesen tief beeindruckt von der Genauigkeit dieses Psychogramms einer Frau, und das aus der Feder eines Mannes. Fast der ganze Roman wird aus Lucys Sicht erzählt. Cronin zeigt große Einfühlsamkeit und zeichnet seine nicht besonders lebenskluge Heldin mit viel Sympathie.
    Ich habe mir jetzt noch "Die Sterne blicken herab" besorgt, wieder so eine Art "Anklageroman" in der Art von Zolas Germinal. Kleine Freude am Rand: Ich habe das Buch aus einem Amazon-Privatshop besorgt und die Verkäuferin hat mir noch einen weiteren Cronin, "Dr. Murray", dazugelegt. Das scheint dem Klappentext nach aber ein recht simpler Kolportageroman zu sein.
    Hat hier noch jemand Cronin gelesen und kann etwas zu ihm sagen? Im Klappentext zu "Lucy Moore" steht, dass er - bezogen auf das Erscheinungsjahr dieses Romans - der meistgelesene Autor der Welt (!!) sei.


    Grüße von Zefira

  • Vor ewigen Zeiten habe ich "Die Zitadelle" und "Die Sterne blicken herab" gelesen, ich glaube sogar zwei Mal, und ich mag solche Romane noch immer. In ihnen werden Geschichten erzählt, der Hintergrund ist aufklärerisch und sie haben die Humanität als Thema. Die Bücher standen bei meinen Eltern im Regal und waren aus dem Bertelsmann Buchclub. Als wir Haushalt auflösten, habe ich mir eines als Andenken und vielleicht für eine dritte Lektüre mitgenommen.

  • Danke für die Antwort, ich dachte schon, ich stehe ganz allein mit meiner Cronin-Lektüre :breitgrins:


    Ich habe "Die Sterne blicken herab" inzwischen gelesen, hat mich sehr angesprochen - die Personenentwicklung ist schon sehr interessant geführt, obwohl "Lucy Moore" in diesem Punkt meiner Meinung nach noch deutlich überlegen ist.


    "Dr. Murray" dagegen war eine Enttäuschung - reine Kolportage, ziemlich klotzig erzählt.
    Ich würde gezielt nach weiteren "Cronins" suchen, wenn ich wüsste, dass es noch Romane von ihm gibt, die "Lucy Moore" gleichen.


    Grüße von Zefira

  • Genau wie Lost habe auch ich "Die Sterne blicken herab" in grauer Vorzeit aus den Regalen meiner Elten entnommen, allerdings als Rororo-TB und kann mich kaum mehr an die Lektüre erinnern, nur an eine etwas schwülstige Atmosphäre, aber vielleicht verwechsle ich das auch mit einem anderen Roman aus jener Zeit: Man schrieb damals anders und scheute sich nicht vor großen Gefühlen, Schuld und Reue ...

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Die Zitadelle ist in der Tat ein lesenswertes Buch. Sonst kenne ich leider nichts von ihm.

  • Ich habe inzwischen "Hinter diesen Mauern" von Cronin gelesen, es geht darin um die Rehabilitierung eines zu Unrecht Verurteilten.
    In seinen besten Momenten erinnert es mich an Hamsuns "Hunger" - ausführliche Beschreibungen eines Zustands, der Verzweiflung vorstellen soll, aber stattdessen eine Mischung aus kränklicher Klarsicht und Dumpfheit vermittelt.
    Dazwischen aber mindestens ein Drittel reinste Kolportage, holzschnittartige Charaktere, und - was mich richtig aufgeregt hat - ein wichtiger Wendepunkt wird mit schamhaften Worten auf einer halben Seite abgehandelt: Da wird die weibliche Hauptfigur von Unbekannten vergewaltigt, wird in der Folge schwanger, bekommt ein taubstummes Kind, das nur wenige Monate lebt, und ist mit einer Narbe im Gesicht und einer am Unterleib dauerhaft gezeichnet. Das Wort "vergewaltigt" meidet Cronin, der sonst eigentlich nicht zimperlich ist. Statt dessen erwähnt er "menschliche Handlungen, die besser im Urschlamm verbleiben sollten". Wie gesagt, das nimmt eine halbe Seite in Anspruch, während die männliche Hauptfigur indessen ihren armseligen Unterhalt als Plakatträger verdienen muss, was ausufernd auf zehn Seiten erzählt wird.


    Mir ist jetzt erstmal die Lust auf Cronin vergangen, ein so hellsichtiges Buch wie "Lucy Moore" finde ich anscheinend nicht wieder ...

  • Gestern fand ich - bei einem Besuch in Leipzig - in einem Offenen Regal einen Cronin, den ich noch nicht kannte: "Die Dame mit den Nelken". Habe heute auf der Rückfahrt die erste Hälfte gelesen.

    Es scheint mir ein wenig so, als hätte Cronin zwei Sorten von Romanen geschrieben ... Ich kenne von ihm die bereits erwähnten "Die Zitadelle", "Lucy Moore", "Die Sterne blicken herab" - Erzählungen mit Atmosphäre, genau beobachteten Charakterschilderungen (gerade die Genauigkeit und der Blick für Einzelheiten haben es mir angetan), durchaus auch Sozialkritik. Daneben gibt es aber noch die zweite Sorte - Liebesgeschichten mit teils reißerischen Elementen, herbeigezwungene Happy-ends, ärgerliche Plattheiten vor allem in seinen Darstellungen von Frauen. Lucy Moore scheint da eine große Ausnahme zu sein.

    Zu dieser zweiten Sorte gehört leider auch "Die Dame mit den Nelken". Ich wusste schon nach dem ersten Drittel, wie es ausgehen wird. Die Erzählung hat weder Geheimnis noch Atmosphäre. Ich glaube, ich schicke das Buch direkt wieder ins Offene Regal zurück. Schade, ich hatte mich so darüber gefreut, aber vielleicht haben andere Leser mehr Spaß.

    Ich habe auch "Ein Professor aus Heidelberg" und "Dr- Murray" angelesen und gleich weggegeben. Gerne hätte ich mal wieder einen richtig guten Cronin, mag mir aber keine mehr bestellen, weil anscheinend jeder zweite ein Reinfall ist.