Christoph Martin Wieland: Geschichte der Abderiten

  • Zur Ermunterung:


    Zitat

    Welche Lektüre empfehlen Sie dem Wieland-Anfänger?


    Reemtsma: Die "Geschichte der Abderiten", ganz eindeutig. Das ist das unmittelbar zugänglichste Buch. Eines, in dem der Leser heutzutage sehr interessante, nachdenkliche und amüsante Parallelen zum ihn umgebenden politischen Ambiente finden kann.


    http://www.mz-web.de/servlet/C…6110&listid=1018881578428


    Meine Lektüre liegt sehr lang zurück, aber ich kann mich noch daran erinnern, dass mich der Roman sehr amüsiert hat.


    Den Roman gibt es übrigens hier als ePub:


    http://www.mobileread.com/forums/showthread.php?t=198349

  • Hallo,


    heute ist der 1. Februar. Wollten wir mit den "Abderiten" beginnen?


    Ich bringe mal einige Lesefrüchte zur Thematik.


    Ich habe vor mir die neue Oßmannstädter Ausgabe liegen:
    Wielands Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Hrsg. von Klaus Manger und Jan Philipp Reemtsma.
    Band 11.1 Text. Bearbeitet von Klaus Manger und Tina Hartmann
    Die Wahl des Herkules/Die Abderiten/An Psyche/Dert verklagte Amor/Proben einer neuen Übersetzung der Briefe des Plinius
    / Essays / Rezensionen / Anmerkungen / Zusätze
    September 1773 - Januar 1775
    Berlin/New York 2009.


    Diese Ausgabe bietet ausschließlich den Text, in ihr sind keine Kommentare enthalten.


    Ich nehme zur Hand:
    Johannes-Heinrich Dreger: Wielands 'Geschichte der Abderiten'. Eine historisch-kritische Untersuchung (Göppinger Arbeiten zur Germanistik. Nr. 103). Göppingen 1973.


    Dieses Buch ist für mich als Nicht-Germanisten als Einführung völlig ungeeignet. Auf Dutzenden von Seiten wird die Geschichte des mehrfach überarbeiteten Textes der Abderiten rekonstruiert.


    Ab S. 34 ist eine kurze Geschichte der Entstehung der "Geschichte der Abderiten" nachzulesen. 14 antike Autoren werden von Wieland aufgeführt. Das dokumentiert dem zeitgenössischen Leser seine Belesenheit, ist jedoch eine Finte, den trockenen Philologen unter ihnen eine Nase zu drehen. Von manchen dieser antiken Autoren werden die Abderiten lediglich kurz erwähnt. J. F. Bertuch fertigte 1814 nach Wielands Tod ein Verzeichnis seiner Bibliothek an, in dem diese antiken Autoren aufgelistet werden (Dreger, S. 170-171)
    Wichtig sind die von Wieland benutzten "Artikel A b d e r a und D e m o k r i t u s in dem Baylischen Wörterbuche".
    Das "Diction(n)aire historique et critique" des französischen skeptischen Philosophen Pierre Bayle (1647-1706) hatte Wieland in einer posthumen französischen Ausgabe Amsterdam/Leiden 1730. Bayle publizierte im holländischen Exil. In Deutschland beschäftigten sich Gottsched und seine Frau mit der Übersetzung von Wörterbuchartikeln Pierre Bayles.


    Diese Angabe bedeutete: Wieland beruft sich als Aufklärer auf das Werk des religionskritischen Skeptikers Pierre Bayle, das von orthodoxen Theologen scharfe Ablehnung erfuhr.


    Für mich bis jetzt zwei Befunde. Es wird nötig sein, sich mit der griechischen Geistesentwicklung im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung (in der DDR rechnete man nicht nach Christi Geburt) zu befassen. Wird sich danach Lesevergnügen einstellen? Oder kann man ganz unbelastet da hineingehen?


    Demokrit war allerdings in Oberschule und Studium eine geläufige Figur. Als Atomist und einer der frühen materialistischen Philosophen, von dessen Werken freilich nur Fragmente überliefert sind, war er Gegenstand in der Jenaer Dissertationsschrift von Karl Marx.


    (Was dachte für gewöhnlich ein DDR-Bürger vor 1989, der durch die Mühle der m.-l. Ausbildung gegangen ist - also auch Frau Merkel oder Herr Thierse, wenn er den Städtenamen "Kreuznach" hörte? Weisswein? Falsch. Kurort? Da wäre er nie im Leben hingekommen. Richtige Antwort: "Kreuznacher Manuskripte" von Karl Marx, Lesefrüchte eines Hegelianers). :rollen: :zwinker:


  • heute ist der 1. Februar. Wollten wir mit den "Abderiten" beginnen?


    Ja, finsbury wird den LR-Ordner wohl in Kürze eröffnen.



    Meine einfache Reclam-Ausgabe ist ebenfalls total "nackich".



    Für mich bis jetzt zwei Befunde. Es wird nötig sein, sich mit der griechischen Geistesentwicklung im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung (in der DDR rechnete man nicht nach Christi Geburt) zu befassen. Wird sich danach Lesevergnügen einstellen? Oder kann man ganz unbelastet da hineingehen?


    Kann man meiner Meinung nach. Obwohl ein wenig Wissen über den von Dir genannten Zeitraum sicher nicht schadet.


    Ich wünsche mir übrigens von Dir, dass Du in dieser Leserunde nicht bei jeder Gelegenheit (passend oder unpassend) Deine DDR-Reflektionen einschiebst. Ist das wohl möglich?


    LG


    Tom


  • Ich wünsche mir übrigens von Dir, dass Du in dieser Leserunde nicht bei jeder Gelegenheit (passend oder unpassend) Deine DDR-Reflektionen einschiebst. Ist das wohl möglich?


    LG


    Tom


    Ja, das ist möglich!


    Die Texte sind bisher oft Selbstgespräche gewesen, die ich ins Netz gestellt habe.
    Jetzt kommen vor allem Wieland und seine Zeit.


  • Oder kann man ganz unbelastet da hineingehen?


    Unbedingt. Wieland schreibt ja keine historische Abhandlung, der benutzt die historischen Quellen nur als Aufhänger, der Text selbst und ist dagegen völlig zeitlos. Für den aberwitzigen Prozess um des Esels Schatten ist es zB völlig unerheblich, ob der Schauplatz nun das antike Griechenland, das moderne Deutschland oder das Auenland ist 8-).


    Ich habe Wieland überwiegend in der Reprint-Version der Gesammelten Werke gelesen. Die hat überhaupt keine Anmerkungen oder Kommentare - außer denen, die Wieland selbst geschrieben hat und die zum Werk gehören. Wieland ist ein ungemein lebendiger, geistreicher, witziger und kluger Autor, auf den man sich imho mit offenen Sinnen und ohne Kommentarballast einlassen kann und sollte.