Thomas Bernhard "Holzfällen"

  • Hallo Hubert !


    Da habe ich mir bei Koeppen ja schon das richtige rausgesucht :breitgrins:

    "Holzfäller" habe ich schon weitergelesen - ich bin wirklich begeistert ! Innere Monologe gefallen mir halt einfach ! Interessant finde ich bis jetzt, dass er alles nur andeutet, z.B. erfährt man nicht, wie alt er ist, obwohl die Zeit eine gewisse Rolle zu spielen scheint - und damit wird deutlich, dass er ausschließlich Wert auf den Charakter bzw. die Persönlichkeit legt. Die äußeren Merkmale des Protagonisten sind unbekannt, ich glaube, bisher sogar sein Name ... Besonders faszinieren mich die Gefühle, die er der Situation und den Personen und der Gesellschaft entgegenbringt, der Hass und die Verachtung, das Gefühl der Überlegenheit, weil er vom Selbstmord schon früher wusste - alles Gefühle, die bestimmt jeder schon mal insgeheim gehegt hat, aber die man sich selbst oft nicht eingesteht !


    Langweilig finde ich es überhaupt nicht, ganz im Gegenteil ist es ungemein spannend, fast schon krimimäßig: wie wird sich der Konflikt lösen, wie kam es dazu, welche Beziehung hatte er zu der Toten (als einzige mit Vornamen bekannt !), welche Tragödie deutet sich an ...


    Ich berichte weiter ...


    LG von Steffi

  • Hallo !


    Nachdem ich nun "Holzfällen" gelesen habe, ein kurzer Bericht (sofern es jemand interessiert):


    Fasziniert hat mich, neben der Sprache, der Aufbau des Buches. Wie in einer sich öffnenden Spirale erfährt der Leser immer mehr Einzelheiten, wobei durch Wiederholungen einiger bereits erzählten Bruchstücke dieser Eindruck noch verstärkt wird. Durch die Wiederholungen werden aber auch die für den Ich-Erzähler wichtigen Dinge akzentuiert. Diese Spirale wird nur einmal kurz unterbrochen, als nämlich der Burgschauspieler provoziert wird und seine philosophische Weisheit losläßt " Wald, Hochwald, Holzfällen". Dann kehrt der Ich-Erzähler wieder zur Spirale zurück, für mich ein Sinnbild dafür, wie schwer es ist, aus dem Trott und den Zwängen der Gesellschaft auszubrechen. Darum geht es dem Autor auch im wesentlichen: anhand den Mechanismen der (wienerischen) Kunstszene wird gezeigt, wie Kunst als Instrument mißbraucht wird, um zu Macht und Bekanntheit zu kommen, den persönlichen Egoismus auszuleben. Davon distanziert sich der Ich-Erzähler in seinem Beobachtungsposten, dem Ohrensssel, er hat dies alles in den fünfziger Jahren selbst miterlebt. Gleichzeitig kommt er aber wieder in den Sog seiner alten Mäzene und spielt unwillkürlich wieder seine alte Rolle. Die kurze Erkenntnis, danach zu streben, eins mit der Natur zu sein und dadurch wahre Kunst zu schaffen, vergeht nur allzu rasch.


    Das Buch hat mich sehr gefesselt, auch weil die Sprache sehr harmonisch ist und man sich sehr gut in die Situation einfinden kann. Durch Beschreibungen von Kleinigkeiten meint man, fast selbst in diesm Ohrensessel zu sitzen, in diesen antik eingerichteten, sich zu Schau stellenden Räumen der illustren Gesellschaft lauschend und an diesem künstlerischen Abendessen teilzunehmen. Bernhard beschreibt auch gut die Gefühle des Ich-Erzählers, die Liebe und Zuversicht, die er vor über 20 Jahren gefühlt hat und die sich in Hass und die Verachtung, die er diesen Menschen entgegenbringt, verwandelt haben.


    Alles in allem sehr zu empfehlen !:lol:


    Gruß von Steffi

  • Hallo Steffi,


    toll, wie Du "Holzfällen" beschrieben hast. Es freut mich, das Dir mein Vorschlag gefallen hat. Jetzt bin ich aber gespannt, was Du zum "Treibhaus" sagst. Dieses Buch ist allerdings ganz anders, was ja nur die Vielseitigkeit der deutschsprachigen Literatur beweist.


    Liebe Grüße


    Hubert

  • Hallo Maria,


    danke für den link. Interessant, dass Bernhard per Testament verfügte, seine Werke sollen in Österreich bis zum Ende des Urheberrechts nicht mehr veröffentlicht werden. Aber, wie abzusehen, hält sich niemand daran.


    Ich möchte unbedingt noch mehr von Bernhard lesen - Holzfällen war ein sehr faszinierendes Erlebnis.


    Gruß von Steffi

  • Hallo Steffi


    Auch ich möchte mich mit dem Autor noch befassen. Da du im obigen Beitrag vom Inneren Monolog schreibst, erinnert das in gewisserweise auch an unsere jetzige Leserunde "Zum Leuchtturm" von Virginia Woolf.


    Natürlich kann ich jetzt nicht sagen, ob man die Autoren vergleichen kann, mir ging es jetzt um diesen inneren Monolog und ich dachte, es wäre interessant weitere Klassiker in dieser Richtung zu lesen.


    Aber zuerst möchte ich Wolfgang Koeppen treu bleiben und "Das Treibhaus" lesen und "Im Käfig" von Henry James, eine kleine Erzählung, dazu heißt es:


    Henry James hat diesen subtilen inneren Monolog, der jetzt zum erstenmal auf deutsch veröffentlicht wird, meisterhaft gestaltet.


    Vielleicht auch ein Tipp für dich. Das Büchlein hat nur ca. 150 Seiten.


    LG Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria,


    ja eine gute Idee, danke ! "Holzfällen" ist ja mehr oder weniger ein einziger innerer Monolog Allerdings finde ich Virginia doch wesentlich virtuoser :zwinker:


    Gruß von Steffi

  • Zitat von "Steffi"


    seine Werke sollen in Österreich bis zum Ende des Urheberrechts nicht mehr veröffentlicht werden. Aber, wie abzusehen, hält sich niemand daran.


    Das stimmt nicht ganz. Die Bücher Bernhards werden bei Suhrkamp, also einem deutschen Verlag veröffentlicht. Bernhard schrieb ja in seinem Testament nicht, dass seine Bücher nicht in Österreich verkauft werden dürfen.


    Die neue Werkausgabe ist sehr empfehlenswert!


    CK

  • Hallo CK


    und herzlich willkommen als neues Mitglied bei uns im Klassikerforum. :blume: :blume:


    Bestand neben dem Veröffentlichungsverbot der Bücher nicht auch ein Aufführungsverbot seiner Dramen in Österreich – und das wurde doch m.M. nach missachtet oder täusche ich mich da?


    Gruß von Hubert

  • Zitat von "Hubert"

    :smile: Bestand neben dem Veröffentlichungsverbot der Bücher nicht auch ein Aufführungsverbot seiner Dramen in Österreich – und das wurde doch m.M. nach missachtet oder täusche ich mich da?


    Meines Wissens: nein.
    Seit einiger Zeit dürfen seine Stücke aber mit Hilfe eines juristischen Tricks wieder aufgeführt werden, was auch gut so ist. Wo sollte man seine Stücke denn spielen, wenn nicht in Wien? :-)


    CK

  • Zitat

    Meines Wissens: nein.
    Seit einiger Zeit dürfen seine Stücke aber mit Hilfe eines juristischen Tricks wieder aufgeführt werden, was auch gut so ist. Wo sollte man seine Stücke denn spielen, wenn nicht in Wien?


    Nein, kein Aufführungsverbot oder
    nein, nicht mißachtet?


    Jedenfalls würde ich es mißachtet nennen, wenn ein Verbot durch einen juristischen Trick umgangen wird.


    Übrigens habe ich schon einige Aufführungen von Bernhard-Stücken gesehen, immer ausserhalb von Wien - es ist also möglich sie an anderen Orten zu spielen.


    Gruß von Hubert

  • Ein Monolog, der das Wort Hassliebe verdient. Ein ganz großartiges Buch.

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • hallo zusammen,
    HUBERT, es gab laut BERNHARDs testament auch ein aufführungsverbot für österreich (ich glaube bis 75 jahre nach seinem tod). das wurde aber (wie auch immer) umgangen .... zu meinem glück :zwinker:
    ich liebe seine stücke und habe erst kürzlich *elisabeth II* im burgtheater mit GERT VOSS und IGNAZ KIRCHNER gesehen. WUNDERBAR!!!!



    die neue werkausgabe ist wirklich sehr gut gemacht, und ich nehme sie zum anlass mich durch das werk von THOMAS BERNHARD zu lesen.


    *frost*, *alte meister* und *holzfällen* und die biographischen bücher habe ich schon mal gelesen (wobei ich *holzfällen* demnächst nochmals lesen will).


    vielleicht ergibt sich ja mal eine bernhard-leserunde??


    JMARIA - ich glaube BERNHARD und VIRGINIA WOOLF kann man nicht so gut vergleichen. übrigens ist *die fahrt zum leuchtturm* mein liebster roman von VW


    liebe grüße von
    vienna :sonne:

    Meine Übertreibungskunst habe ich soweit geschult, dass ich mich ohne weiteres den größten Übertreibungskünstler, der mir bekannt ist, nennen kann. Ich kenne keinen anderen. (Thomas Bernhard)

  • Hallo vienna,


    obwohl Du „Ulysses“, „Anna Karenina“, „Verbrechen und Strafe“ und die Bücher von Zola nicht magst :rollen: , bist Du doch bei uns im Klassikerforum herzlich willkommen. :blume: :blume: :blume:


    Welche Klassiker magst Du denn (Thomas Bernhard ist nach meinem Verständnis noch kein Klassiker – das hat aber nichts mit seiner Qualität zu tun, sondern mit dem Zeitablauf, ich will aber auch keine neue Klassikerdiskussion anregen)? Gibt es etwas bei unseren Lesevorschlägen das Dir gefällt?


    Es ist sicher schön für Dich, dass Thomas Bernhards Stücke in Wien aufgeführt werden und ich gönne Dir das auch. Aber es bleibt eine Missachtung seines Verbots. Die entsprechende Passage aus seinem Testament, das Bernhard selbst eine posthume Emigration nannte, lautet:.


    „Weder aus dem von mir zu Lebzeiten veröffentlichten, noch aus dem nach meinem Tod gleich wo immer noch vorhandenen Nachlass darf auf die Dauer des gesetzlichen Urheberrechts innerhalb der Grenzen des österreichischen Staats,........ etwas in welcher Form immer von mir verfasstes Geschriebenes aufgeführt, gedruckt oder auch nur vorgetragen werden. Ausdrücklich betone ich, dass ich mit dem österreichischen Staat nichts zu tun haben will...“ (Unterstreichung von mir)


    Meine Lieblingsstücke von Bernhard sind „Die Macht der Gewohnheit“ (habe ich schon mehrmals gesehen) und „Der Theatermacher“. „Elisabeth II“ fand ich, vom Ende abgesehen, dagegen etwas langweilig und der Schluss konnte mich dann auch nicht mehr versöhnen. Trotzdem verstehe ich, wenn Dir das Stück gefallen hat, das kann aber auch an den Schauspielern und nicht am Stück gelegen haben. Meiner Meinung nach können Voss und Kirchner auch das Wiener Telefonbuch vorlesen und am Schluss würde man sagen: WUNDERBAR.


    Liebe Grüße


    Hubert


    PS. Das Stück "Ritter, Dene, Voss" gehört auch zu meinen Lieblingsstücken (von Bernhard für die Schauspieler Ilse Ritter, Kirsten Dene und Gert Voss geschrieben und 1986 in Salzburg uraufgeführt, dieses Jahr in der Urbesetzung wiederholt, soll von Peymann im Sept. 2004 am Berliner Ensemble inszeniert werden)

  • Zitat von "Hubert"

    Welche Klassiker magst Du denn (Thomas Bernhard ist nach meinem Verständnis noch kein Klassiker – das hat aber nichts mit seiner Qualität zu tun, sondern mit dem Zeitablauf, ich will aber auch keine neue Klassikerdiskussion anregen)? Gibt es etwas bei unseren Lesevorschlägen das Dir gefällt?



    hallo hubert
    danke für dein *willkommen*! :smile:


    *ggg* ja du hast recht, voss und kirchner sind ein tolles gespann!!


    es gibt durchhaus *klassiker* die ich mag und die mich interessieren.
    von thomas mann interessiert mich eigentlich alles ausser eben die joseph-romane. ich habe bei den lesevorschlägen auch *mephisto* von klaus mann entdeckt - würde ich gerne lesen. auch flaubert, jane austen und vor allem virginia woolf. begeistert hat mich z.b. von dostojewskij *der idiot*. von ihm möchte ich auch gerne noch mehr lesen. und von so manch anderen klassikern - shakespeare zum beispiel.


    emile zola habe ich für mich noch nicht ganz abgeschrieben :breitgrins: , denn ich kenne bisher nur *therese raquin*. da ich aber auch *nana* zu hause liegen habe, werde ich sicher noch einen zweiten versuch starten.


    so gar nicht angesprochen haben mich gogol nach einem versuch mit *die toten seelen* oder nabokov mit *lolita* und *pnin*.
    und, ich wage auch gegen einen von den kritikern und wissenschaftern zum ganz großen der weltliteratur gemachten, etwas zu sagen: proust ist für mich zu viel getue um ziemlich wenig. aber ich bin ja auch nur eine amateur-leserin :roll: und habe bisher nur *combray* und *eine liebe von swann* und einen teil von *ortsnamen* geschafft!


    zu den modernen klassikern darf man thomas bernhard doch zählen, oder!?!? und ingeborg bachmann wohl auch schon!?


    liebe grüße - jetzt muß ich doch wieder an meine arbeit, leider

    Meine Übertreibungskunst habe ich soweit geschult, dass ich mich ohne weiteres den größten Übertreibungskünstler, der mir bekannt ist, nennen kann. Ich kenne keinen anderen. (Thomas Bernhard)