November 2009: Halldór Laxness - Sein eigener Herr

  • Hallo Steffi,


    ich bin auch durch. "Konjunktur": Wohlstand durch Pump. Hohe Darlehen, die Grundstücke nicht soviel wert, das Vertrauen darauf, dass die Preise für Schafe und Schafsprodukte immer weiter in die Höhe gehen um die Zinsen tilgen zu können Das konnte nicht auf Dauer gutgehen. Erinnert mich an unsere Wirtschafts- und Finanzkrise.


    Wie das heutige (bankrotte) Island seinen Autor und sein Werk heute liest?


    "Schluß":
    ohne seine alte Schwiegermutter stünde auch Bjartur sehr schlecht da. Hier gibt es für ihn einen Ausweg und er kann den begangenen Weg auf seine Art wiederholen. Der Kreis schließt sich, am Ende gehts dann doch wieder um Schafe und Bandwürmer.


    schade, dass seine Lebensblume sich nicht als Blume der Hoffnung entpuppte. Das Blut ist im Gras.


    Zitat

    Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, vorallem die zurückhaltende Erzählweise und die sehr poetischen Naturschilderungen dazwischen brachten eine intensive Atmosphäre zustande.


    dem stimme ich zu. Typisch Laxness würde ich sagen. Danke für die Leserunde, hat wie immer Spaß mit dir gemacht und war sehr aufschlußreich.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Ein gutes neues Jahr wünsche ich allen Leseratten.


    Den Roman habe ich noch vor Weihnachten fertig gelesen. Das kommentieren fällt mir jedoch etwas schwer. Deshalb bin ich so spät mit meinem Fazit, das noch immer etwas Provisorisches hat.
    Die Geschichte ist anregend, beispielhaft und in einigen Passagen auch verstörend. Ich kann, wie bestätigt, alles als Gegenentwurf zu Hamsuns "Segen der Erde" lesen, aber auch als Satire auf Island. Während Hamsun eine Kultur entstehen lässt, dekonstruiert (lässt sich das so sagen? ) Laxness die bäuerliche Kultur seiner Heimat. Die Figur des Bjartur hat etwas von einem tragischen Schelm, der an Schafen mehr als an Menschen hängt. Obwohl er uns als Mann der Tat vorgeführt wird, sieht man am Ende, wie sehr er von Natur und Gesellschaft umher getrieben wird. Ein Eisberg auf dem Meer, der seine Größe mehr und mehr verliert und von dem nichts übrig bleibt.
    Gefühle, menschliche Wärme führt uns Halldor der Kühle nur indirekt und in homöopathischen Dosen vor. Wie Sisyphus steht Bjartur am Ende da, wo er am Anfang stand. Nur seine Kraft ist verbraucht, und in seiner angenommenen Tochter wird das kommende Leiden sichtbar.
    Kann es sein, dass Laxness hier auch den viel gerühmten amerikanischen Traum aufs Korn nimmt? Romane, in denen Natur und die bäuerliche Existenz im Zentrum stehen zeigen uns häufig heldenhafte Figuren, egal ob sie tragisch oder siegreich enden. In "Sein eigener Herr" siegt die Moderne in ihrer gewöhnlichen Form. Der Geschäftssinn zähmt die Natur, nicht die Zähigkeit der Bauern.
    Die Alternativen, die Halldör Laxness anzupreisen hat findet sich vielleicht in seinen anderen Werken.

  • Hallo Lost,


    das Kommentieren viel mir auch schwer. Der Roman wirkte auf mich sehr intensiv, vielleicht lag es daran.



    Die Geschichte ist anregend, beispielhaft und in einigen Passagen auch verstörend. Ich kann, wie bestätigt, alles als Gegenentwurf zu Hamsuns "Segen der Erde" lesen, aber auch als Satire auf Island. Während Hamsun eine Kultur entstehen lässt, dekonstruiert (lässt sich das so sagen? ) Laxness die bäuerliche Kultur seiner Heimat. Die Figur des Bjartur hat etwas von einem tragischen Schelm, der an Schafen mehr als an Menschen hängt. Obwohl er uns als Mann der Tat vorgeführt wird, sieht man am Ende, wie sehr er von Natur und Gesellschaft umher getrieben wird. Ein Eisberg auf dem Meer, der seine Größe mehr und mehr verliert und von dem nichts übrig bleibt.


    Ein Eisberg auf dem Meer.... ein starkes Bild. Danke schön dafür. Ich finde der Vergleich passt, ebenso den mit Sisyphus! Das rundet mein Bild vom Buch nun etwas mehr ab.

    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Das Lob so früh im Jahr wärmt auf :-)


    Ich bedanke mich noch für die Lektüreanregung. Für mich war es ein Höhepunkt im letzten Jahr. Vielleicht finden sich wieder ein Mal gemeinsame Projekte, und dann will ich nicht mehr so autistisch schreiben, wie ich es in dieser Runde tat.

  • Nach so langer Zeit muss ich mich doch etwas verschämt zurückmelden :redface:


    Ein Frohes Neues Jahr euch allen!


    Ich habe "Sein Eigener Herr" heute in die Bibliothek zurückgebracht. Mitte des zweiten Teils habe ich "aufgegeben". Die Figur des Bjartur wurde mir immer wunderlicher, doch nicht nur er, nein, der Gemeindevorsteher, die Bauern der anderen Höfe- ich habe wohl mehrmals unbewusst den Kopf geschüttelt. Bjarturs Schicksal empfand ich, natürlich nur soweit, wie ich es mitverfolgt habe, also etwa bis zur Gründung seiner eigenen Familie, als tragisch. Ich habe wohl die Ironie Laxness` herausgelesen, doch (jetzt schüttel ich schon wieder den Kopf :rollen:) richtig "verbunden" fühlte ich mich mit dem ganzen Geschehen nicht.
    Ich weiß nicht, woran es lag, ich denke, ich werde es mit "Sein Eigener Herr" in ein paar Jahren noch einmal versuchen, denn ein interessante Lektüre ist es allemal.
    Vielen Dank für eure Anregungen, sie haben das Lesen bunter gemacht. :smile:

  • Danke, Lost und Monolith, für eure abschließenden Worte.


    Ich fand ebenfalls, dass es eine Geschichte war, die erzählerisch arm an Emotionen war, aber die Emotionen entstanden dann umso heftiger in meinem Kopf.


    Die einzelnen Handlungen las ich nicht oft nicht als reale Handlungen sondern eher als Reminiszenz an die alten Sagen oder als übertriebene Vorführungen, auch als Mischung zwischen Tradition und Moderne, indem sich das isländische Volk sicher sehr lange gefangen fühlte. Geld und Kapitalismus als Rettung funktionierte nicht, auch für mich aus der heutigen Sicht eine Anklage an kapitalistische Staaten. Eine Rückkehr zur Tradition war auch nicht möglich und ebenfalls versagte zum Teil die Idee des Kommunismus.


    Insgesamt macht es Laxness mit einer Vielfalt an Theorien auf verschiedenen Ebenen dem Leser nicht einfach.


    Ich danke euch für die anregenden Beiträge !


    Gruß von Steffi