Oktober 2009 - Iwan A. Gontscharow: Oblomow


  • Anstatt selber nachzudenken, fordert O. Ratschläge seiner Bekannten, welche, das muss ich zugeben wirklich sehr zahlreich erscheinen.


    Das Problem ist aber, dass er dann keinen der Vorschläge auch nur im Ansatz ernst nimmt und ständig fordert, die Leute sollen sich was Besseres einfallen lassen. Was auch keine Art ist.


    Katrin

  • Nachdem uns Gontscharow seine schwankenden Gestalten vor Oblomows Bett, also in das Zentrum geführt hat, beginnt er in Kapitel 1.5 wohl langsam die Hintergründe aufzurollen. Mir war nicht bewusst, dass es schon Mitte des 19. Jahrhunderts diese Methode gab, die wir heute aus so vielen Filmen kennen.
    Oblomow fehlt wohl jedes Selbstbewusstsein, sonst hätte er sich bestimmt dem Tadel seines Vorgesetzten gestellt, aber er kann es sich ja leisten, wegen so einer Kleinigkeit aus dem Dienst in das Leben eines Rentiers zu flüchten. Wahrscheinlich braucht er aber Führung und Anleitung, denn später heißt es: „Sein Kopf stellte ein vielseitiges Archiv voll toter Dinge, Personen, Epochen, Ziffern, Religionen, zusammenhangsloser [...] Wahrheiten [...] und so weiter dar.“ Mir kommt auch irgendwie eine Ähnlichkeit mit Melvilles Bartleby in den Sinn und noch mit jemand anderem :-(
    Sachar erscheint als Elefant im Porzellanladen. Doch wie vermutet, Sachar ist anhänglich und seine Unzulänglichkeiten kann man doch auch verstehen, schließlich muss er alle Launen seines Gebieters aushalten.
    Ich muss auch gestehen, dass sich für meinen Geschmack Gontscharow etwas zu sehr in Einzelheiten verliert. Eigentlich bewundere ich Autoren, denen es gelingt, so weit in die Geschichte einzusteigen, dass sie neben den bedeutsamen Momenten auch das alltägliche und banale beschreiben können. Doch in O. ist noch keine richtige Spannung entstanden und so wirken die Details auf mich etwas langweilig.


    Robinson:
    Aus meiner Sicht hat O. für das Problem der Gutsverwaltung schon Lösungen und einfach finde diese Aufgabe auch nicht. Sein Problem ist die Kraft für die Verwirklichung aufzubringen und für seine Pläne das entsprechende Vertrauen aufzubringen



    Das Problem ist aber, dass er dann keinen der Vorschläge auch nur im Ansatz ernst nimmt und ständig fordert, die Leute sollen sich was Besseres einfallen lassen. Was auch keine Art ist.


    Das qualifiziert ihn für eine Führungsposition in der Wirtschaft :breitgrins:

  • Hallo Lost,



    Oblomow fehlt wohl jedes Selbstbewusstsein, sonst hätte er sich bestimmt dem Tadel seines Vorgesetzten gestellt, aber er kann es sich ja leisten, wegen so einer Kleinigkeit aus dem Dienst in das Leben eines Rentiers zu flüchten.


    An Geld mangelt es Oblomow anscheinend nicht, sonst könnte er sich sein Leben in der Form nicht leisten. Was ich aber nicht verstehe: Wie kann er sich denn in seinem Zimmer wohl fühlen? Anscheinend will sich niemand hinsetzen weil es überall so staubig ist - ich könnte so nicht leben.




    Ich muss auch gestehen, dass sich für meinen Geschmack Gontscharow etwas zu sehr in Einzelheiten verliert. Eigentlich bewundere ich Autoren, denen es gelingt, so weit in die Geschichte einzusteigen, dass sie neben den bedeutsamen Momenten auch das alltägliche und banale beschreiben können. Doch in O. ist noch keine richtige Spannung entstanden und so wirken die Details auf mich etwas langweilig.


    Gut, dass ich mit dieser Einschätzung nicht allein bin. Ich finde das Buch zwar sehr interessant und das Kommen und Gehen der einzelnen Figuren auch sehr gut beschrieben, aber passiert ist noch nicht wirklich was. Außer das O. jede Einladung das Haus zu verlassen vehement ausschlägt.
    Ich bin ja mal gespannt wie er das mit dem Wohnungsumzug löst. Vielleicht zieht er ja wirklich aus, aber glauben kann ich das noch nicht.




    Das qualifiziert ihn für eine Führungsposition in der Wirtschaft :breitgrins:


    :breitgrins: Für diese Position wäre er wirklich der Richtige.


    Katrin

  • An Geld mangelt es Oblomow anscheinend nicht, sonst könnte er sich sein Leben in der Form nicht leisten. Was ich aber nicht verstehe: Wie kann er sich denn in seinem Zimmer wohl fühlen? Anscheinend will sich niemand hinsetzen weil es überall so staubig ist - ich könnte so nicht leben.


    Vielleicht spielt hier die Macht der Gewohnheit eine Rolle. Wenn man erst eine Weile in bestimmten Zuständen lebt, gewöhnt man sich daran und empfindet es nicht mehr als außergewöhnlich. Falls es sich wirklich so verhält, wie ich vermute, dass er sich nicht mehr aus seiner Wohnung hinaustraut, ist es für ihn zweitrangig, wie es in seinem kleinen Reich aussieht, so lange er sich darin sicher fühlen kann.



    Ich muss auch gestehen, dass sich für meinen Geschmack Gontscharow etwas zu sehr in Einzelheiten verliert. Eigentlich bewundere ich Autoren, denen es gelingt, so weit in die Geschichte einzusteigen, dass sie neben den bedeutsamen Momenten auch das alltägliche und banale beschreiben können. Doch in O. ist noch keine richtige Spannung entstanden und so wirken die Details auf mich etwas langweilig.


    So unspannend finde ich es gar nicht, wie Oblomow versucht, sein Leben vom Bett aus unter Kontrolle zu behalten. In den Kapiteln 6 und 7 werden er und Sachar genauer charakterisiert, was ich als sehr aufschlussreich für die Geschichte empfinde. Für Oblomow kann ich mittlerweile mehr Verständnis aufbringen, da er ja - zumindest aus seiner Sicht - nicht einfach in den Tag hineinträumt, sondern gedanklich schwere Arbeit leistet, was unsereins natürlich etwas seltsam anmutet. Sachar hingegen entspricht nun mehr dem typischen Bild des faulen Dieners, der erfolgreich versucht, sich vor der Arbeit zu drücken und gleichzeitig danach trachtet, sein Schäfchen ins Trockene zu bringen.

  • Ich habe jetzt das Kapitel "Oblomows Traum" erreicht - eine sehr schöne Schilderung des damaligen russischen Landlebens und der "russischen Seele". Wir erfahren, dass sich die Lebenseinstellung des jungen Oblomow herausbildet, indem er das träge Leben der Erwachsenen akribisch beobachtet.


    Der englischsprachige wikipedia-Artikel verrät übrigens, dass dieses Kapitel rund 10 Jahre vor dem Rest des Romans entstand, also wohl so etwas wie die Keimzelle des später ausgebauten Werks ist.


    Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Oblomov


    Einen schönen Tag wünscht


    Tom


  • So unspannend finde ich es gar nicht, wie Oblomow versucht, sein Leben vom Bett aus unter Kontrolle zu behalten.


    Ja, Doris, das finde ich auch interessant. Leider läßt er seinen gar nicht einmal unvernünftigen Gedanken keine Taten folgen.


    Was mich verblüfft hat, ist die Einsicht unseres Helden, dass er sich mit seinem Verhalten stark von den "anderen" unterscheidet - und zwar nicht im positiven Sinn, wie er Sachar gegenüber argumentiert, sondern eher im negativen (Kapitel 8). Oblomow merkt, dass etwas mit ihm "nicht stimmt". Das ist eine Qualität, die ich ihm nach dem bisher Gelsenen nicht zugetraut habe.


    LG


    Tom

  • Oblomows Traum ist für mich ein Roman im Roman. Der Hinweis von Sir Thomas, auf die unabhängige Entstehung dieses Kapitels, lässt das auch nicht abwegig erscheinen.
    So wie ich das Kapitel lese, fängt es wirklich mit einer romantischen Traumvorstellung an. Es wird eine konstruierte, romantische und statische Welt auf dem Lande geschildert, bei der mir sofort der Osterspaziergang aus dem Faust in den Sinn kam. Die Harmonie und Einfachheit steht hier für das Glück. Im Laufe des Kapitels deckt G. jedoch mehr und mehr die Widersprüche auf und führt uns in ein Umfeld, in dem Abgeschiedenheit mit Rückständigkeit und Unwissen verbunden ist. Zudem finden wir hier auch die psychologischen Hintergründe des O. erläutert, den wir vorher kennen gelernt haben. Er entsteht aus dem verwöhnten und nicht gefordertem Knaben auf dem Gut, auf dem er erlebt, das Herrschaft auf Lethargie beruht, das alles von selbst, beziehungsweise durch die „Seelen“ und immer in gleicher Form geschieht. Dazu passt die in ersten Kapiteln deutlich werdende Abneigung Oblomows, gegen alles was von außen kommt.
    Den armen Sachar muss ich noch vor Doris etwas in Schutz nehmen. Wenigstens in diesen ersten Kapiteln kann er Oblomow nichts Recht machen. Jede Anstrengung lohnt nicht, alles wird sowieso nicht umgesetzt und wir sollten uns auch vergegenwärtigen, dass Sachar kein angestellter Diener, sondern ein Leibeigner ist. Die Leibeigenschaft wurde in Russland nach meiner Kenntnis 1861 aufgehoben, der Roman erschien 1859. Wie würden wir uns in dieser Stellung, in diesem Umfeld und mit den entsprechenden Perspektiven verhalten? G. hat hier meiner Meinung einen nachvollziehbaren Charakter entworfen, der genauso wie Oblomow, die rückständigen gesellschaftlichen Verhältnisse im damaligen Russland symbolisiert. Da man nichts an seiner gesellschaftlichen Stellung ändern kann, sucht man sich eben anzupassen und seine Vorteile daraus zu ziehen. Sein Verhalten stellt aber auch unbewusst einen Widerstandsakt gegen das System dar. Würde er funktionieren, so würde er das System stabilisieren und erst die zunehmende Ineffizienz hat das System zusammenbrechen lassen.

  • Schön, gleich eine Interpretation des Traumes zu bekommen, zu dem ich morgen komme.


    Den armen Sachar muss ich noch vor Doris etwas in Schutz nehmen.


    :smile:
    Nun ja, meine Vorstellung von Leibeigenen ist von anderen Büchern bzw. Ländern geprägt und zeichnet ein ganz anderes Bild als das von Sachar. Ich kenne es so, dass Leibeigene wenig Rechte und noch weniger zu sagen hatten. Sachars Faulheit und seine Neigung, sich alles mögliche anzueignen, was Oblomow unbedacht herumliegen lässt, seine Widersprüche gegen seinen Herrn und noch dazu sein unfreundliches Benehmen gegenüber Gästen - selbst wenn sie sich als Schmarotzer entpuppen - macht ihn mir nicht sehr sympathisch. Bei einem Diener im heutige Sinn kann ich mir gut vorstellen, dass er auch mal Vorschläge im Sinn von konstruktiver Kritik anbringen kann, schließlich beruht das Verhältnis zum Chef auf einer ganz anderen Basis, wo jeder eine Leistung in Form von Geld oder Arbeitskraft erwartet. Leibeigene, wie ich sie (aus Büchern) kenne, mussten froh sein, wenn sie genug zum Leben hatten und nicht unangenehm auffielen. Da sollte Sachar doch glücklich über seine privilegierte Stellung sein?


    Wahrscheinlich sehe ich als Frau Sachars Funktion eher von der praktischen Seite. Wenn er schon da ist, um zu dienen, dann soll er sich nützlich machen und nicht Anlass für überflüssige Diskussionen sein. Oblomow hätte ein wenig Unterstützung dringend nötig. Bisher habe ich allerdings den Eindruck, als machte sich Oblomow nicht halb so viele Gedanken über seinen Diener wie ich.

  • Ich habe Kapitel 8 nun beendet und widme mich später seinem Traum.


    Mich hat seine Einsicht ebenfalls sehr überrascht, ich war bisher eigentlich der Meinung, dass er sich wenige Gedanken um diesen Zustand macht, dass er nicht "arbeitet". Dass er aber das Denken an sich, als Arbeit sieht, war mir in dem Ausmaß bisher nicht bewusst. Faszinierend finde ich die Reflexion, dass andere die Probleme anders, schneller und vor allem effizienter angehen würden als er.


    Doris: Mir ist Sachar auch nicht sehr sympathisch, im Moment stehe ich ihm aber noch neutral gegenüber und kann seine Meinung sogar ein klein wenig nachvollziehen. Warum soll er sich nicht auflehnen und nehmen was er kriegen kann, wenn ihn keiner stoppt? Oblomow lässt ihn gewähren. Er kriegt ja nicht einmal mit, dass sein Gutsbesitzer Geld zurückhält und lieber den schlechten Ertrag auf Dürre und Regen schiebt. Warum soll Sachar diesen Umstand, dass sein Herr anscheinend komplett unfähig zum Leben ist, nicht ausnutzen? Oblomow ist nicht sein Freund, sondern sein Diener. Und wenn es Oblomow zu viel Arbeit ist, ihm ständig zu sagen was er will oder sich einen neuen Diener sucht, wird das so weitergehen wie bisher.


    Wann taucht eigentlich endlich dieser Stolz auf, von dem ständig die Rede ist?


    Katrin

  • Ich habe gestern "Oblomows Traum" beendet und mache eine kleine Pause, damit wir in etwa auf dem gleichen Stand sind.


    Lost, Deinen Ausführungen zu diesem zentralen Kapitel stimme ich zu.


    LG


    Tom

  • In meinem letzten Beitrag für diese Woche möchte ich noch ein Mal zu Sachar Stellung beziehen:


    Die Behandlung Sachars durch Oblomow ist unwürdig. Was die Ursache für Oblomows Verhalten ist, wird im Roman, wenigstens im ersten Buch, nicht sichtbar. Es kann daran liegen, dass Sachar seine Aufgaben nie ordnungsgemäß erfüllt hat, oder auch an Oblomows Erziehung. Es ist ein feudales Herr-Knecht-Verhältnis. Keiner hat Respekt vor dem anderen.
    Welche Möglichkeiten haben beide, diese Beziehung zu verändern?
    Oblomow als Herr kann Sachar zurück ins Dorf schicken oder ihn zu feuern und sich einen anderen Diener suchen oder kommen lassen. Sachar der Machtlose, hat die Möglichkeit zu fliehen oder die Beziehung so auf die Spitze treiben, dass er nach einer Tracht Prügel die er bezieht, Oblomow zu einer der vorher genannten Maßnahmen zwingt. Soweit aus meiner Sicht, die innere Logik des Romans.
    Da gibt es jedoch auch die äußere Logik. Der Schriftsteller Gontscharow herrscht über den Roman, wie der Gott den Descartes definiert über die Welt, nämlich als der große Uhrmacher. Er hat also seinen Grund, den Charakter Sachars so zu gestalten.
    Ich sehe die Absicht Gontscharows darin, Sachar als einen Persönlichkeitsteil von Oblomow darzustellen, der ebenso zur Passivität neigt, die sich in seiner Trägheit zeigt, der aber gezwungen ist, wenigstens vordergründig, den unausweichlichen Anforderungen, die Oblomow an ihn stellt, zu folgen, so wie Oblomow auf die unausweichlichen, von außen kommenden Forderungen, irgendwann reagieren muss. O. in Gedanken und Plänen, S. mit möglichst wenig anstrengender Aktivität. O. wird Sachar nicht Herr, weil er sich selbst nicht Herr wird, beide sind miteinander verwoben, wie ein lange zusammen lebendes Ehepaar, das sich nichts mehr zu sagen hat, nebeneinander her lebt, sich gegenseitig das Leben schwermacht und weil beide Partner Angst vor der Einsamkeit außerhalb der Ehe haben doch zusammen bleiben. Beide sind passiv, beide benötigen der Führung. Sachar hat eine schlechte Führung, ob O. durch Führung sein Leben ein Mal bewältigen kann ist ein Thema des Romans, das wird sich zeigen. Vielleicht kommt hier Stolz ins Spiel.


    Die Bemerkungen Jaqui über den häufig genannten Staub, der beide umgibt, hat mir auch zu denken gegeben. Ist das nur eine Übertreibung, oder benutzt Gotscharow Staub als Metapher? Real ist es für mich kaum vorstellbar, gegen solche Mengen an Staub nicht den Kampf aufzunehmen. An Allegorien kann ich mir zu viel vorstellen. Andererseits sollte man G. nicht zu viel Hintergründiges unterstellen, in den Kapiteln wimmelt es von Nebensächlichkeiten, die nicht weiter verfolgt werden. Vielleicht ist vieles Erinnerung an eigene Erlebnisse und in der Erinnerung wird manches größer, als es bei näherer Betrachtung ist. Ich kommt bei diesem Punkt zu keinem klaren Schluss.


    Der Meinung Sir Thomas, nach der Gontscharow eine gewisse, eingeschränkte Sympathie für Oblomow fühlen lässt, wollte ich zunächst nicht zustimmen. Im Traumkapitel zeigt G. jedoch Mitgefühl mit dem Knaben, der durch die Erziehungsumstände seine Charakterbildung nur unvollkommen abschließen kann. Sir Thomas war da feinfühliger als ich, und ich kann ihm jetzt besser folgen.

  • Mit Ende des ersten Teils kann ich nur sagen: ein wunderbares Buch.


    Beim Traumkapitel habe ich eine Weile gebraucht um reinzukommen. Ganz anders war der Stil, die Sprache, ja die ganze Farbwahl die Gontscharow getroffen hat. Es hat irgendwie nicht reingepasst, aber nach einigen Seiten habe ich mich sehr wohl gefühlt in dem Kapitel.
    Ich kann Oblomow nun viel besser verstehen, dass er so geworden ist wie er ist. Er hatte ja überhaupt keine Chance sich weiter zu entwickeln bei diesen Verhältnissen im Dorf. Auch O. Vater hatte es nicht geschafft einen Brief zu schreiben, er wollte ihn ja nicht einmal aufmachen aus Angst vor Veränderungen.


    Die Idee dass Sachar und O irgendwie zusammen gehören, gefällt mir sehr, aber ganz überzeugt bin ich dennoch nicht dass das Gontscharows Idee war.


    Lost: Schön wenn ich dich mit meiner Bemerkung zum Nachdenken gebracht habe, auch wenn ich den Staub nur als Staub gesehen habe und gar nicht auf die Idee gekommen bin, dass es eine Metapher für etwas sein kann. Auf der anderen Seite würde niemand, auch der faulste Mensch nicht, in so einem Dreck leben wollen.


    Noch ein Wort zu Sachar: Bisher stand ich ihm eher neutral gegenüber, in Mitte von Kapitel 10 allerdings gewinnt er meine volle Sympathie. Nachdem sich die anderen am Tor auch über seinen Herrn beginnen aufzuregen, nimmt er ihn plötzlich in Schutz. Er verteidigt ihn als einen ganz tollen Menschen, der nie etwas böse tut.
    Im Grunde ist es das selbe wie bei wahrscheinlich jeden von uns: Wir selber dürfen über unsere Eltern oder Partner herziehen, aber wenn es jemand anders tut, werden wir wütend und nehmen die Person in Schutz.


    Zudem taucht im letzten Kapitel endlich Stolz auf, auf den bin ich schon sehr neugierig.


    Katrin

  • Trotz geplanter Pause habe ich doch ein wenig weitergelesen.


    Die ersten Seiten des zweiten Teils finde ich sehr amüsant. Gontscharow schwelgt genüßlich in der Beschreibung typisch deutscher Eigenschaften. Ich entnehme daraus, dass die Deutschen damals wohl nicht sehr beliebt gewesen sind bei den Russen. Ähnliches habe ich auch bei Tolstoi gelesen, so dass Gontscharow hier vermutlich keine persönlichen Abneigungen ins Spiel bringt, sondern eine allgemeine Einstellung wiedergibt.


    An diesen Vorurteilen gegenüber Deutschen hat sich meiner Erfahrung nach wenig geändert. Auch 150 Jahre nach Gontscharow halten Russen und Osteuropäer uns Deutsche für bienenfleißige, sparsame, regelungswütige Autisten, Wohlstandsneurotiker und veränderungsresistente Angsthasen. Aus Gesprächen mit Bekannten aus dem osteuropäischen Kulturraum höre ich diese Charakterisierungen immer wieder heraus.


    Ich bin sehr gespannt auf Gontscharows Deutschrussen Andrej Stolz.


    Viele Grüße


    Tom


  • Die ersten Seiten des zweiten Teils finde ich sehr amüsant. Gontscharow schwelgt genüßlich in der Beschreibung typisch deutscher Eigenschaften. Ich entnehme daraus, dass die Deutschen damals wohl nicht sehr beliebt gewesen sind bei den Russen. Ähnliches habe ich auch bei Tolstoi gelesen, so dass Gontscharow hier vermutlich keine persönlichen Abneigungen ins Spiel bringt, sondern eine allgemeine Einstellung wiedergibt.


    Das erste Kapitel im zweiten Teil ist wirklich sehr interessant, vor allem weil man hier Stolz kennenlernt. Und der ist das komplette Gegenteil von Oblomow.Wie sich die beiden gut verstehen können und immer noch Freunde sind, verwundert mich doch sehr. Da bin ich mal gespannt wie sich die Freundschaft entwickelt und geführt wird.


    Vielleicht waren die Deutschen früher ja wirklich so, wie sie in der Literatur beschrieben sind :breitgrins:


    Katrin

  • Die ersten vier Kapitel des 2. Teils habe ich nun hinter mir und das Buch wird immer lebendiger und spannender.


    Stolz schafft es doch tatsächlich Oblomow aus dem Haus zu kriegen - damit hätte ich nie im Leben gerechnet, aber O. gefällt das Leben außerhalb seiner vier Wände nicht wirklich. Er würde viel lieber ein Leben vorziehen, in dem es keinen Streit, keinen Neid und keinen Hass gibt. Tja, da müsste er ins Paradies zurückkehren, denn so ein Leben wird er nie finden.


    Stolz ist genauso wie ich ihn mir vorgestellt habe: voller Tatendrang und Lebenslust. Sogar Sachar wird in seiner Nähe aufgeweckter und ist voller Tatendrang.


    O. Vorstellung fand ich aber gar nicht so schlecht, immerhin würde er dann ein "normales" Leben haben, wäre verheiratet, würde aus dem Haus gehen und hätte jede Menge Freunde. Dass Stolz so vehement dieses Leben verdammt ist mir demnach nicht ganz klar. Er erklärt O. dass das ja ein Leben sei wie es die Väter geführt haben. Aber was ist daran so schlecht? Immerhin wäre es ein besseres Leben als jenes, welches O. derzeit führt. Vielleicht hat hier ja jemand eine Erklärung. :winken:


    Katrin