Truman Capote

  • Hallo!


    Bislang kannte ich von Truman Capote lediglich zwei Werke: „Kaltblütig“ (die seltsam verbissene Tatsachenschilderung eines grauseligen Verbrechens; eine Ikone des „New Journalism“) sowie „Frühstück bei Tiffany“ (eine wunderbar leicht dahingeworfene, leider viel zu kurze Schilderung weiblicher Irrungen und Wirrungen).


    Nun habe ich aus den Tiefen des Bücherschranks Capotes Erstling aus dem Jahr 1948 ausgegraben und mittlerweile gelesen: „Andere Stimmen, andere Räume“. Ich bin sehr angetan von diesem abermals viel zu kurz geratenen Roman (eine zarte Jugendgeschichte, soviel sei verraten), und das nicht allein aufgrund der Handlung als vielmehr aufgrund der Lebendigkeit der exzentrischen Figuren und der schönen, oft ein wenig unheimlichen Atmosphäre, die Capote meisterhaft heraufbeschwört ohne sich an den Horrorroman zu verkaufen. Schade, dass nach 190 Seiten schon Schluß war …


    Um noch ein wenig bei Capote zu verweilen, werde ich als nächstes „Die Grasharfe“ lesen und bin bereits sehr gespannt.


    Natürlich interessieren mich Eure Erfahrungen mit Capote und weitere Lesehinweise!


    Schöne Grüße


    Tom

  • Von Capote habe ich bisher nur "Die Grasharfe" gelesen. Das ist schon lange her (1990), und ich kann mich daher an wenig erinnern. Aber insgesamt ist mir das Gefühl geblieben, dass es ein mehr poetisches Buch voll schöner Einzelbeschreibungen ist.


    Um mich meines damaligen Eindrucks zu vergewissern, blätterte ich gerade in dem Büchlein und stieß sofort auf eine solche Stelle:


    Kap. 4:


    Maude war großzügig, sie ließ sich nicht bitten: Zärtlich hob sie die weinrote Geige unter das Kinn und stimmte sie mit ein paar Läufen; ein bronzener Schmetterling, der auf dem Bogen rastete, wurde weggewirbelt, als der Bogen über die Saiten fuhr; eine Melodie erhob sich, die wie ein Sturm von dahinwirbelden Schmetterlingen war, wie die Signalrakete des anbrechenden Frühlings, süß anzuhören mitten im Blätterfall der Wälder.


    Nicht ganz originell, aber dennoch schön und einprägsam.



    Grüße
    finsbury

  • Ich glaube, man muss die "Grasharfe" auf Englisch lesen. Da heißt sie dann "The Grass Harp" und ist durchaus sehr eigenständig, gerade weil aus einer Folge scheinbar konsequenzloser impressionistischer Kindheitseindrücke ein Entwicklungsroman aufgebaut wird, in dem alles eine Rolle spielt, was das Leben ernst und schicksalhaft macht: Tod, Gesellschaft, (sexuelle) Identität, erwachsen werden. In der deutschen Übersetzung konnte ich die schlafwandlerische Sprachmeisterschaft des Buches allerdings nicht wiederfinden. Manche Texte kann man übersetzen, manche nicht.

  • Im Rahmen des Wettbewerbs 2019 habe ich "Breakfast at Tiffany's" gelesen. Meine Erinnerungen an den Film (obwohl ich ihn mehrmals gesehen habe) sind eher schwammig, was aber ganz gut war für die Lektüre des Buches. Denn der Film basiert nur lose auf diesem Kurzroman von Capote.


    Der namenlose Erzähler lebte früher einmal (während des Kriegs) im selben Haus wie Holly Golightly. Ein gemeinsamer Bekannter hat nun von ihr gehört, weshalb der Erzähler sich an die damalige Zeit mit ihr erinnert.


    Die noch relativ junge Society-Dame feiert gerne laute Parties, lebt eigentlich von nichts bzw. lässt sich von Männern aushalten. In ihrer Umgebung sind die meisten fasziniert von ihr. Eines Tages taucht ihr Ehemann auf, wodurch Hollys Vorgeschichte dem Erzähler bekannt wird wird. Als 14-jährige Waise hat sie den wesentlich älteren Landtierarzt Dr. Golightly geheiratet, damit sie und ihr Bruder versorgt waren. Relativ bald lief sie aber weg, zuerst nach Hollywood, danach dann nach New York. Sie war der Meinung, dass eine Heirat in diesem Alter eigentlich nur illegal gewesen sein kann. Nun schlägt sie sich in New York durch und möchte einen reichen Brasilianer heiraten.


    Die Holly Golightly im Buch wirkt auf jeden Fall anders als die Figur, die man aus dem Film kennt. Sie ist blondiert und extrem kurzsichtig, weshalb sie nur mit Sonnenbrille unterwegs ist, auch zuhause. Interssant fand ich deshalb die Information, dass Capote wohl Marily Monroe für die Filmrolle als Wunschkandidatin hatte. Diese lehnte aber auf Anraten ihres Agenten ab, da die Rolle eines "leichten Mädchens" ihrem Image schaden könnte. Audrey Hepburn sagte zu, was aber Capote nicht besonders gepasst hat.


    Der Film ist als Komödie mit Happy End ausgestattet worden, wohingegen das Buch sehr offen endet. Holly, die (unwissentlich?) einem Gangsterboss zugearbeitet hat, wird von der Polizei verfolgt und flieht nach Brasilien, wo sich dann ihre Spur verliert. Der Erzähler bekommt noch eine Postkarte aus Südamerika, dann hört er erst Jahre später, sie wäre wohl in Afrika gesehen worden. Nur für ihre Katze findet er ein echtes Zuhause.


    Capote schreibt sehr leicht und locker, das Buch ist gespickt mit umgangssprachlichen Formulierungen, die mir nicht immer was gesagt haben (amerikanisches Englisch aus den 40ern lese ich kaum). Holly selbst ist eine Figur, die für mich ein Rätsel geblieben ist, vermutlich weil sie auch für den Erzähler ein Rätsel ist. Der Schluss hat mich dann doch berührt, aber eher wegen der Katze :). Aus dem Buch wird übrigens nicht klar, warum es "Breakfast at Tiffany's" heißt. Sie geht dort einfach gerne hin, wenn es ihr schlecht geht. Die Szene aus dem Film, wo sie morgens vor dem Schaufenster frühstückt, gibt es im Buch nicht.