Juni 2009 - T. Mann: Buddenbrooks

  • Kleiner Nachtrag zu Gerda Arnoldsen:


    Bei Thomas Mann gehen außergewöhnliche Schönheit und Attraktivität oft einher mit Todesmotiven: Gerda von Rinnlingen (Der kleine Herr Friedemann, s.o.), Tadzio (Der Tod in Venedig), Clawdia Chauchat (Der Zauberberg) ...


    "Wer die Schönheit angeschaut mit Augen
    ist dem Tode schon anheimgegeben ..."
    (August von Platen)


    Viele Grüße


    Tom

  • Ich habe "Die Manns" nur zum Teil gelesen und dann meiner Mutter zurück gegeben. War nicht so mein Fall. Melde mich mal bitte wenn du dein Buch gelesen hast. Danke! :winken:


    LG, Fuu

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij


  • [quote='Jaqui','http://klassikerforum.de/forum/index.php?thread/&postID=37074#post37074']


    Zu Hanno/Thomas B./Gerda B.
    Ich glaube nicht, dass es Gerdas Absicht ist, Hanno ihrem Mann zu entfremden.


    Hanno ist die letzte Stufe in einem Verfallsprozess - weniger wertend ausgedrückt: in Hanno zeigt sich die Entwicklung, die die Familie Buddenbrook von Generation zu Generation genommen hat, am deutlichsten.


    Ich sehe auch eher in Hanno und Thomas den Verfall und Dekadenz.


    (Ich bin Ende vom 8. Teil, also hinke wieder hinterher... :zwinker:)


    LG, Fuu

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Moin, Moin!


    "Die Manns" kenne ich nur als relativ langatmigen TV-Mehrteiler (mit A. Müller-Stahl in der Rolle des Thomas Mann). "Über mich selbst" enthält eine Reihe autobiographischer Skizzen, ist also keine Biografie. Mehr als Amazon Dir verraten kann, weiß ich auch (noch) nicht.


    Ein buntes Mischmasch aus autobiografischen Notizen ( z. B. "Meine Arbeitsweise"), offiziellen Stellungahmen (Stockholm-Rede) und thematischen Einspengseln (z.B. "Geist und Geld"). Ich habe es vor Jahren durchaus mit Spannung gelesen.

  • Danke Dostoevskij, dann müsste es sich ja lohnen dieses Buch zu kaufen. :winken:

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij


  • (Ich bin Ende vom 8. Teil, also hinke wieder hinterher... :zwinker:)


    LG, Fuu


    Nein, nein, ich bin irgendwo mitten im achten Teil, hinke also noch mehr hinterher. Und unter der Woche komme ich leider immer nicht so viel zum Lesen, es wird also mindestens noch das nächste Wochenende brauchen, bis ich mit dem Buch durch bin...


    Hanno scheint noch weiter aus der Welt entrückt zu sein, als seine Mutter. Tony bezeichnet ihre Freundin Gerda einmal als Fee, und das umreißt so ziemlich das, was ich mir unter dieser Anders-Welt-Figur vorgestellt habe. Hanno selbst, wie er beschrieben wird, seine ganzen Krankheiten, das teilweise der Welt entrückte Verhalten, erinnern an einen Wechselbalg (sind das nicht kränkliche Kinder, die angeblich von Feen in die Wiege gelegt wurden, als Austausch für menschliche Kinder?).


    Für Hanno scheint die "normale" Welt überhaupt keine Bedeutung zu haben. Einzig die Musik erlaubt ihm, sich auszudrücken und sich mit etwas zu beschäftigen, mit dem er etwas anfangen kann. Also glaube ich gar nicht, daß Gerda ihn absichtlich in ihre Welt gezogen hat, um es Thomas oder den Buddenbrooks "heimzuzahlen". Sie entdeckt einfach nur, daß Hanno ihre Interessen teilt und stellt ihm Herrn Pfühl zur Seite, der ihm bei der Entwicklung seiner Interessen helfen kann. Das Ganze nimmt dann ein größeres Ausmaß an, als sie vielleicht geplant hat, und gibt Thomas das Gefühl, daß er den Kontakt zu seinem Sohn verliert (das Bild mit dem Tempel fand ich ganz interessant).


    Für Thomas Buddenbrook scheint das türkische Sprichwort, das er zitiert, ziemlich genau zuzutreffen: wenn das Haus fertig ist, kommt der Tod. Ich habe das Gefühl, daß Thomas sehr anfällig ist für solche "self-fulfilling prophecies". Er meint aus irgendeinem Grunde, daß es mit der Firma bergab gehen muß, und das tut es dann auch. Er denkt tatsächlich zu viel nach; ihm fehlt das gesunde Selbstvertrauen.

  • Inzwischen gelesen: Thomas Mann "Lübeck als geistige Lebensform" (Ansprache anläßlich der Lübecker 700 Jahr-Feier 1926)


    Wie erwartert, äußert Thomas Mann sich hier ausführlich zu „Buddenbrooks“. Er nennt u.a. die geistigen Quellen, aus denen der Roman entsprang: zuerst aus Richard Wagners Musikdramen, dann aus Schopenhauers "musikalischem Pessimismus", schließlich aus "Nietzsches Verfallspsychologie" sowie einer Reihe damals stark beachteter skandinavischer Familienromane.


    Überrascht sei er, dass sein durch und durch deutscher Roman in ganz Europa zustimmend gelesen werde, dass der geschilderte "Prozeß der Entbürgerlichung, der biologischen Enttüchtigung (durch Differenzierung und durch das Überhandnehmen der Sensibilität)" überall in Europa ähnlich verlaufe und ähnlich empfunden werde.


    Schließlich äußert T. Mann sich zur „geistigen Lebensform“ seiner Heimatstadt Lübeck. Er wählt der Begriff „Bürgerlichkeit“, was für ihn kein sozialistischer Kampfbegriff ist, sondern etwas, das mit Humanität, Bildung, Weltbürgerlichkeit, Weltmitte, Weltbesonnenheit … zu tun habe und sich sowohl nach links als auch nach rechts gegen alle Extremisten kritisch behaupte.


    Das nur, wie versprochen, als kleine Ergänzung zu unserer Leserunde.


    Viele Grüße


    Tom


  • Inzwischen gelesen: Thomas Mann "Lübeck als geistige Lebensform" (Ansprache anläßlich der Lübecker 700 Jahr-Feier 1926)


    "Nietzsches Verfallspsychologie" Viele Grüße


    Tom


    Hi, hi das habe ich vermutet aber nicht getraut zu sagen, da ich mir nicht sicher war. Danke Tom! :zwinker:

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Das mit Hanno stimmt so thopas und bei ihm sind mir noch seine ständigen Angstzustände aufgefallen und das er im stärkerem Maße so fantasiebegabt ist. beginne jetzt mit dem 10. Teil und am WE werde ich den Roman beendet haben. :zwinker:
    Mich hätte noch sehr interessiert, was Thomas Mann nun als fiktiv geschrieben hat und wo er Bezüge aus seiner Familie genommen hat. :rollen:


    LG, Fuu

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Mich hätte noch sehr interessiert, was Thomas Mann nun als fiktiv geschrieben hat und wo er Bezüge aus seiner Familie genommen hat. :rollen:


    Für diese Info empfiehlt sich wahrscheinlich am besten eine Biographie. Ich habe vor mir in nächster Zeit ebenfalls eine zu Gemüte zu führen.


    Katrin

  • Hast du da ein besonderes Buch im Auge, katrin? Muss ich wohl oder Übel mir auch vorknöpfen... :zwinker:

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij


  • Hast du da ein besonderes Buch im Auge, katrin? Muss ich wohl oder Übel mir auch vorknöpfen... :zwinker:


    Noch nicht, ich habe mal [url=http://www.klassikerforum.de/index.php/topic,923.0.html]diesen Thread[/url] über Biographien zu Thomas Mann durchstöbert und am meisten würde mich das Werk von Klaus Harrprecht interessieren, aber 2.000 Seiten sind schon ein Hammer.


    Ich bin morgen in einigen Buchhandlungen unterwegs, falls ich was finde, werde ich mich morgen äußern.


    Katrin


  • Mich hätte noch sehr interessiert, was Thomas Mann nun als fiktiv geschrieben hat und wo er Bezüge aus seiner Familie genommen hat.


    Einige Hinweise gibt der Wikipedia-Artikel "Buddenbrooks" (vgl. Leserundenmaterialien).


    LG


    Tom


  • beginne jetzt mit dem 10. Teil und am WE werde ich den Roman beendet haben. :zwinker:


    Ich habe gestern noch Kapitel 2 von Teil 9 beendet. Der Tod der Konsulin ist wieder sehr eindrücklich geschildert, diesmal aber nicht - wie beim Konsul - die allgemeine (Wetter-)Stimmung und die äußeren Umstände, sondern ihr Kampf mit dem Tod direkt. Ich habe das Gefühl, daß der Tod der Konsulin einen Punkt markiert, ab dem alles ziemlich schnell bergab gehen wird. Christian will eine Schauspielerin heiraten und fremde Kinder adoptieren; Thomas und Christian werfen sich die übelsten Beschimpfungen an den Kopf, und zu allem Überfluß soll jetzt auch noch das Haus verkauft werden...


    Hat jemand von euch eine Idee, ob das Vermögen der Konsulin, das nun zu vier gleichen Teilen unter den Geschwistern aufgeteilt wird, identisch ist mit dem Firmenvermögen? Kann ich mir schlecht vorstellen; trotzdem spricht Thomas so, als ob die Firma anrecht auf das ganze Geld hätte bzw. Christian und auch Pastor Tiburtius die Firma schädigen, indem sie ihren Erbteil in Anspruch nehmen möchten...

  • Einige Hinweise gibt der Wikipedia-Artikel "Buddenbrooks" (vgl. Leserundenmaterialien).


    LG Tom


    Huch hatte ich noch nicht angeklickt, Danke!


    Hat jemand von euch eine Idee, ob das Vermögen der Konsulin, das nun zu vier gleichen Teilen unter den Geschwistern aufgeteilt wird, identisch ist mit dem Firmenvermögen?


    Habe nur gelesen, dass das Haus unterm Wert verkauft wurde und das sie Möbel, Geschirr ect.pp untereinander aufgeteilt haben. Das Firmenvermögen wurde dabei nicht in Betracht gezogen meiner Meinung nach.


    LG, Fuu

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij


  • Hat jemand von euch eine Idee, ob das Vermögen der Konsulin, das nun zu vier gleichen Teilen unter den Geschwistern aufgeteilt wird, identisch ist mit dem Firmenvermögen?


    Da die Firma schlicht Joh. Buddenbrook heißt, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um eine klassische Einzelfirma handelt. Ich weiß nicht, wie die juristischen Verhältnisse im 19. Jahrhundert diesbezüglich aussahen, aber nach heutigem Stand wäre dann das Firmenvermögen identisch mit dem Privatvermögen (inkl. Immobilien, die ja nur eine Form der Anlage des Eigenkapitals darstellen). Stille Teilhaber, die am Unternehmen beteiligt sind, scheint es nicht zu geben. Die Identität zwischen Firmen- und Privatvermögen erklärt die Auseinandersetzungen zwischen Thomas und Christian über die Firmensubstanz sowie die Diskussion zwischen M. Johann B. und Konsul Jean über Gottholds Forderungen (Teil 1).


    LG


    Tom

  • Danke für die Antworten. Wenn das Privatvermögen gleich dem Firmenvermögen ist, würde das die Wut und den Ärger von Thomas Buddenbrook erklären, angesichts der geplanten Heirat von Christian und auch angesichts dessen, daß Pastor Tiburtius das Erbe von Clara bekommt.


    Es gibt ja noch diesen Herrn Marcus, der Compagnon o.ä. ist; er hat eine geringere Summe zum Firmenvermögen beigesteuert, die aber vermutlich vom Privatvermögen der Buddenbrooks ausgenommen ist. Er hat sich ja auch nicht an dem Geschäft mit dem ungeernteten Getreide beteiligen wollen. Offensichtlich können Buddenbrook und Marcus unabhängig voneinander agieren...


  • daß Pastor Tiburtius das Erbe von Clara bekommt.


    Ach ja, das hatte ich schon wieder ganz vergessen. Also kommt das Privatvermögen in das Firmenvermögen, wenn ich euch richtig verstanden habe. Dann ist mir auch klar, warum Thom sich so aufregt. Danke für die Info! :zwinker:

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Fertig! Der Schluß hat mich nochmal ziemlich beeindruckt; ich hatte schon ganz vergessen, was genau passiert (und im Film ist der Schluß dann doch anders...).



    Hanno: Er hatte ein armes Leben, wurde von seinem Vater schikaniert und vielleicht auch wegen seiner Schwäche gehasst und dann freundet er sich auch noch mit so einem Burschen an. Sein Schultag war eigentlich etwas langweilig, aber so hat man wenigstens verstanden warum er sterben will. Er scheint ja nicht mehr gekämpft zu haben, was ich sehr schlimm finde in seinem Alter.


    Hanno ist meiner Meinung nach auch nicht von dieser Welt bzw. steht irgendwo zwischen Gerdas und Thomas Buddenbrooks Welt. Er erkennt selbst, daß er in dieser Welt niemals zurechtkommen würde. Einen kaufmännischen Beruf auszuüben (wofür er ja prädestiniert war) ist für ihn mindestens genauso schlimm, wie zur Schule zu gehen (eine tägliche Qual).
    Sein einziger Freund ist Kai Graf Mölln, auch ein Sproß einer zugrunde gegangenen Familie, der allerdings - im Gegensatz zu Hanno - kerngesund und lebensfähig ist, und nur äußerlich verlottert ist. Beide interessieren sich für Kunst und musische Dinge, doch nur Kai hat die Kraft und das Selbstbewußtsein, sein Leben nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Hanno fehlt diese Kraft, weshalb er sich wünscht zu sterben und somit aus eigener Entscheidung die Typhus-Erkrankung nicht überlebt...


    Tony wird tatsächlich immer oberflächlicher, und das ist wohl das, was sie überleben läßt. Es wird beschrieben, daß sie ihre Gefühle immer sofort äußert, wenn sie Kummer hat, was es ihr leichter macht, sie zu verarbeiten (im Gegensatz zu Thomas, der daran zugrunde geht).


    Hugo Weinschenk finde ich ganz interessant: er verschwindet auf nimmerwiedersehen; vielleicht hat er - wie Permaneder - erkannt, daß er ohne Tony bzw. Erika leichter durchs Lebens kommt und nicht beständig auf seinen Ruf und seine Ehre achten muß.


    Mir hat die Lektüre der Buddenbrooks wieder sehr gut gefallen; das Buch ist kurzweilig und abwechslungsreich; wenn genug Zeit vergangen ist, werde ich es bestimmt noch einmal lesen.


    Viele Grüße
    thopas