de la Motte Fouqué: Der Zauberring (Ein Ritterroman)

  • Hallo zusammen,


    ich möchte einen wohl etwas weniger bekannten Klassiker zur gemeinsamen Lektüre vorschlagen: "Der Zauberring", von Friedrich de la Motte Fouqué.


    Auf der Seite des Manufactum-Verlags heißt es u.A. zu diesem Roman:


    "Ein Altvater der „Fantasy Fiction“


    Bei der Lektüre von Fouqués 1813 erstmals erschienenem großen Mittelalter-Roman „Der Zauberring“ nähern Sie sich dem literarischen Urgrund der heutigen „Fantasy Fiction“ der Tolkiens, Normans und Endes und ihrer Nachfolger. Bei Fouqué ist bereits alles versammelt, was das Genre auch heute noch aus der Vergangenheit herbeizuholen pflegt, um „gegen- oder mittelirdische“ Szenarien jenseits der banalen Gegenwart zu entwerfen: heidnische Urmythen, ritterliche Männlichkeit und magisch begabte Weiblichkeit. Fouqués war auf diesem literarischen Feld wirklich fruchtbar und einflußreich – direkt und über Umwege. Edgar Allen Poe meinte: „Für einen Fouqué gebe ich vierzig Molières.“


    Neugierig geworden?
    Weitere Infos zum Buch gibt's heute Abend.


    Viele Grüße,
    Zola

  • Fouqué - auch so einer, den Arno Schmidt in höchsten Tönen lobte. Da werde ich immer misstrauisch ... Diese Leserunde werde ich wohl eher von weitem verfolgen ... Nix für Ungut! :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Fouqué - auch so einer, den Arno Schmidt in höchsten Tönen lobte. Da werde ich immer misstrauisch ...


    So kann man sich irren - ich dachte, dass man Euch mit dem Hinweis auf Arno Schmidts Empfehlung anlocken könnte...

  • So kann man sich irren - ich dachte, dass man Euch mit dem Hinweis auf Arno Schmidts Empfehlung anlocken könnte...


    Na ja - ich warte jetzt mal Deine versprochenen weiteren Informationen ab. Und das Jahr 2010 ... :zwinker:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "Manufactum-Webseite"


    Fouqués war auf diesem literarischen Feld wirklich fruchtbar und einflußreich – direkt und über Umwege. Edgar Allen Poe meinte: „Für einen Fouqué gebe ich vierzig Molières.“


    Statt "Fouqués" müßte es "Fouqué" heißen, statt "Allen" wäre "Allan" richtig, und die korrekte Zahl lautet nicht "vierzig", sondern "fünfzig".


    Den "Zauberring" habe ich vor vielen Jahren gelesen, woran natürlich Arno Schmidt schuld war. Die künstlich archaisierende Sprache wirkt stellenweise unfreiwillig komisch und fast schon parodistisch; mich in die Figuren hineinfühlen konnte ich deshalb nicht. Das ganze ist gut geschriebener Kitsch, den man in dieser Qualität selten findet, insofern ist dieser Roman durchaus amüsant und sprachlich nicht uninteressant. :-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Nach meiner Erinnerung ist Fouqué allemahl lesenswerter als Lafontaine.


    Zitat

    »Zu Anfang einer lauen Frühlingsnacht war Otto auf dem Verdeck eingeschlafen; es mochte schon fast gegen Morgen gehen, da weckten ihn einige kühle Seelüfte, über sein Gesicht hinstreifend, auf. Er richtete sich in die Höhe, vom hellsten Mondlicht umgossen, und eine Reihe schroffer, hoher Felsen starrte unfern des Schiffes gegen den tiefblauen Nachthimmel empor. Mächtige Buchenwälder rauschten auf der Steinberge Gipfeln, die Zinnen einzelner Warten und starke Bergtürme ragten hin und her zwischen den Bäumen und zwischen dem wilden Geklüft heraus. Adler, in den Klippen horstend, flogen rufend herunter, und über die Schiffe hin. Sehr schaurig war dem jungen Ritter zumut und doch so wohl .....«


    Solche Stellen vermochte um 1813 Niemand ohne Herzklopfen zu lesen; und gleich beliebt wie dieser große Ritterroman vom »Zauberring« war auch sein Verfasser, Friedrich Baron de la Motte Fouqué. Heine, Hauff, Treitschke, sind unverwerfliche Zeugen, wie er ein Jahrzehnt lang den Büchermarkt der Metropole beherrschte; in den Leihbibliotheken der Provinz fand man ihn noch gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts. Daneben gewann seine große Kunst auch den Beifall strenger Kenner, und nicht nur Deutschlands: endlos sind die Reihen der Übersetzungen zumal in Englisch und die nordischen Sprachen. Und welch unermeßlichen, teils verhängnisvollen, Einfluß er auf die Regierenden seiner Zeit ausübte – und also über die Könige hinweg wieder auf das gesamte Volk – soll erst noch dargestellt werden.


    Also eine in jeder Hinsicht wichtige Persönlichkeit! –

  • ah, er zitiert ihn noch mal ausführlicher:



  • Vielleicht lese ich ihn ja doch ;-)


    Hoffentlich!


    Hier noch der versprochene Text:


    Der Zauberring, der erfolgreichste Roman Fouqués und einer der wenigen großen Bestseller im Zeichen des Romantischen, ist ein Muster des deutschen Ritterromans, in dem Mythen- und Sagenstoffe "abenteuerlich" und phantasievoll vermischt, Auseinandersetzungen zwischen Heidentum und Christentum und den verschiedensten Schauplätzen des Okzidents und des Orients ritterlich ausgetragen werden. Fouqués Erzählkunst, die E.A. Poe "eine exquisite Manipulation der Einbildungskraft des Lesers durch den hohen Genius des Autors" nannte, erhebt die mittelalterliche Ritterwelt zu neuer poetischer Realität und treibt in der Darstellung von scheinbar längst Vergangenem ein ästhetisches Spiel mit der Gegenwart. Zauberspiegel, Doppelgänger, Opferherde, unterirdische Schlösser, gespenstische Erscheinungen, Zaubersprüche und -trünke: dies und vieles andere aus dem Arsenal schwarzer und weißer Magie verstört das Dasein der Ritter und ist zugleich Spiegel des Chaotischen in ihrem eigenen Innern, eine stets latente Bedrohung. Der Einfallsreichtum des Dichters bei der Inszenierung von "action" in romantisch-exotischer Dekor frappiert immer wieder aufs neue. "Erst mit dem 'Zauberring' hat Fouqué den Grundmechanismus seiner romantischen Visionen eingeführt: die Flucht aus dem beschirmten Idyll nach den Rändern einer von Grauen umlagerten Welt"
    (vom Umschlag meiner Ausgabe abgetippt)


    "Fouqués Kunst besteht in der stimulierenden Erregung unserer Phantasie - kein Wunder, dass ihn grade die Schöpfer künstlerischer Paradiese Hoffmann und Poe so schätzten." (FAZ)

  • Zitat von "giesbert"


    Nach meiner Erinnerung ist Fouqué allemahl lesenswerter als Lafontaine.


    Fouqué trägt eben richtig dick auf, deswegen geht's im "Zauberring" auch ziemlich fetzig zu.


    Zitat von "Fouqué"


    Plötzlich rasselte ein schwergewaffneter Krieger zwischen den Klippen heraus. [...] ein einziger Blick in dessen Antlitz lähmte Ottos Kraft, goß die schneidende Eiskälte des Entsetzens durch sein Gebein.


    Horror! :breitgrins:


    Eine andere, ruhigere Szene:


    Zitat von "Fouqué"


    Eines Abends saß er mit Walther an dem runden Tisch, die silbernen Becher voll edlen rheinischen Weines zwischen ihnen; draußen rauschte ein Frühlingsregenguß in Strömen herab, als wollte er nimmer wieder aufhören.


    Die Becher müssen natürlich silbern sein und der Wein edel, das ist einfallslos und konventionell, aber das unaufhörliche Strömen des Regens ist sprachlich recht geschickt dargestellt; die entsprechende Stelle klingt sehr passend, wenn man sie laut vorliest. Für so etwas hatte Fouqué schon ein Gespür.


    Und auf Sätze wie den folgenden muß man auch erstmal kommen. Ein "wunderschönes und wunderholdes Mädchen" ergeht sich in einem Garten und kommt zu einem Teich:


    Zitat von "Fouqué"


    Hinwandelnd durch die Laubengänge von allerlei würzigen und goldbefruchteten Bäumen, gelangte sie endlich an den klaren Spiegel eines umbüschten Teiches, der aus den grünen Armen des zierlichen Gartengeheges als ein verliebtes und aller Schönheit dienstbares Auge heraufsah.


    Aber solche feingezwirbelten Sätze wirken auf mich allzu gekünstelt. Das geschilderte Geschehen kann man dadurch nicht wirklich ernstnehmen. Etwas später findet das Mädchen im Garten ein prächtiges Schwert, nimmt es in die Hand und betrachtet es. Da tritt ein Ritter von "unbeschreiblicher Heldenherrlichkeit" hinzu und sagt: "Verletzet Euch nicht, Jungfräulein, mit diesem scharfen Spiel. Ich sähe lieber mein Herzblut vielfach strömen, als einen Tropfen des zarten Purpurs, der in Euren Adern wallt, aus diesen weißen Blumenfingern tröpfeln." Dann nimmt er ihr die Waffe "sittigen Anstandes" aus der Hand und geht sich ehrerbietig neigend von hinnen. Ja, so warns, die alten Rittersleut.


    Die Darstellung der "Guten" und der "Bösen" ist manchmal äußerst platt: die einen sind groß, hell und schön, die anderen sind klein, schwarz und häßlich:


    Zitat von "Fouqué"


    Wirklich auch stand er, wie ein wachthaltender Cherub, an der Bergespforte, der schöne, blonde Jüngling, vor dem schwarzen Gewimmel von kleinen, häßlichen Heiden, die auf ihn losstrudelten, und in rastlos flimmernden Kreisen flog seine Klinge schwirrend umher, und jedesmal, daß sie niedertauchte, schwang sie sich, von Blut gerötet, und Blutestropfen von sich sprühend, wieder in die Höh'. Schon lag es vor ihm wie ein Bollwerk, von mißgestalteten blutigen Leichen


    Nach diesem Mißerfolg zieht sich der Feind zurück und beschießt den "blonden Jüngling" aus der Ferne mit Armbrüsten:


    Zitat von "Fouqué"


    Das Schießen dauerte fort und fort, tat aber keinen Schaden. »Schlechtes Fechten«, sagte Otto in sich hinein. »Hilft ihnen nichts, und langweilt uns.« Und zugleich fing er zum Zeitvertreibe an, die Bolzen zu zählen, welche von seiner schwarzsilbernen Rüstung abprallten.


    Da raschelte etwas dicht hinter seinen Füßen; er sah sich um, ein grinsendes Heidenantlitz brach aus einer ihm noch unbemerkten engen Höhle zwischen verschlungenen Gebüschen hervor. Das traf nun zwar alsbald seine Asmundurklinge gut, es in zwei blutige Hälften spaltend, aber eine Anzahl von finnischen Kriegern wimmelte dem Gefällten mit gräßlichem Geheule nach;


    Aber der coole Held metzelt natürlich tapfer weiter, am Ende fängt er auch noch zu singen an:



    Ein solcher Heldenkitsch ist schon ziemlich ärgerlich.


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Zitat

    Aber solche feingezwirbelten Sätze


    nimmt Schmidt dann in ZT etymistisch unter die Lupe ;-). Es ist ja auch mit Händen zu greifen: umbüschter Teich, Schwert, Ritter, scharfes Spiel, strömendes (Deflorations)Blut etc.


    Macht nichts, ich glaub, den setz ich mal auf meine Leseliste.

  • Ich habe mal bei amazon nachgeschaut. Was ist die Ausgabe des Verlags J.G.Hoof wert? Ist sie vollständig?


    (Schön auch die Funktion "Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch", wo u.a. Bob Dylans Together Through Life und die Muppets Weihnachtsgeschichte aufgeführt werden.)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"


    Ich habe mal bei amazon nachgeschaut. Was ist die Ausgabe des Verlags J.G.Hoof wert? Ist sie vollständig?


    Das dürfte wohl die gleiche Ausgabe sein, die auch auf der Manufactum-Website angeboten wird. Vielleicht schreibt Zola ja hier noch etwas zu seiner Ausgabe.


    Ich besitze die Dünndruckausgabe aus dem Winkler-Verlag (1984 erschienen), die ein sehr angenehmes Druckbild hat, außerdem ein Nachwort und einen einigermaßen ausführlichen Anhang (mit Worterklärungen, Personenverzeichnis usw.).


    Die beiden Ausgaben von Winkler und Hoof sind anscheinend die einzigen modernen Zauberring-Ausgaben, wenn man mal von einer Faksimile-Ausgabe des Erstdruckes (1812) aus dem Olms-Verlag absieht.


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Ein wildgewordener Reaktionär, dieser Fouqé! Selbst sein Verteidigungsredner A. Schmidt bezeichnete dessen politischen und gesellschaftlichen Ansichten als "antediluvial", und die Auftritte, die er ihm in der "Massenbach"-Revue gönnt, zeigen einen etwas wirren preußischen Chauvinisten. Auch unter Zeitgenossen wurden einige von Fouqués Schriften als unfreiwillig komisch bis peinlich empfunden - L. Börne äußerte sich da einmal sehr ätzend. Also mein Geschmack ist das nicht, dieses Wortgeschepper, es ging mir schon in der "Undine" auf die Nerven.


    Gronauer

  • Danke, die Zitate klingen ja sehr interessant, aber ich habe das Gefühl, wenn man ein paar Seiten gelesen hat, dann wird es bis zum Ende in diesem Stil weitergehen... vielleicht werde ich es mal lesen... irgendwann...


    - Harald

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