Raymond Chandler

  • Liebes Forum,


    angesichts des 50. Todestags von Raymond Chandler am 26.3. erlaube ich mir, diesem Autor einen eigenen Ordner zu widmen. Zusammen mit Dashiell Hammett gehört er zu den "Restbeständen", die ich aus meiner Jugend in die Jetztzeit überführt habe und immer wieder gern lese.


    Der WDR sendet am Samstag das Hörspiel "Zielscheibe" (sorry, ein geplanter Link funktioniert aus unerfindlichen Gründen nicht). Ich überlege schon die ganze Zeit, wie die Geschichte im Original heißt. MWn. gibt es keine Chandler-Story, die "Target" oder so ähnlich heißt. Kann jemand aushelfen?


    Viele Grüße


    Tom


  • ... die gesuchte short story müsste "The Curtain" sein.


    Danke, Babur!


    Ich finde es immer wieder interessant, wie distanziert und ironisch Chandler sein eigenes Schaffen betrachtet hat: “I have, however, a less sordid interest in the matter. It seems to me that production of detective stories on so large a scale, and by writers whose immediate reward is small and whose need of critical praise is almost nil, would not be possible at all if the job took any talent. In that sense the raised eyebrow of the critic and the shoddy merchandizing of the publisher are perfectly logical. The average detective story is probably no worse than the average novel, but you never see the average novel. It doesn’t get published. The average—or only slightly above average—detective story does. Not only is it published but it is sold in small quantities to rental libraries, and it is read. There are even a few optimists who buy it at the full retail price of two dollars, because it looks so fresh and new, and there is a picture of a corpse on the cover.” (The Simple Art of Murder, The Atlantic Monthly, Dec. 1944)


    Klappentextkünstler und Rezensenten haben daraus u.a. Folgendes gemacht:

    “Chandler erhob den Kriminalroman, wohlüberlegt experimentierend, zu literarischer Hochform”
    (J.B. Priestley)


    „Das von Chandler gesetzte Prinzip des Verzichts auf literarische Pose wird niemals aufgegeben – vielleicht handelt es sich dabei, zum Entsetzen sogenannter Avantgarde, um das eigentlich avancierte Prinzip heutiger Literatur.“ (Alfred Andersch)


    „Chandler betrachtet das Sujet des Kriminalfalls unter geradezu wissenschaftlichen Aspekten. Seine Romane sind gekennzeichnet durch Realismus und nüchterne, psychologisch nuancierte Sachlichkeit. Die Brillanz seiner zum Lakonismus neigenden Diktion offenbart sich vor allem in der Dialogführung.“ (Rowohlts Literaturlexikon des 20. Jahrhunderts)


    „Unter der Oberfläche des forschen Tons unterscheidet Marlowe sich auf interessante Art von dem hartgesottenen Standardhelden: Chandlers Romane konzentrieren sich auf die Feinfühligkeit des Helden und können fast sensible Romane genannt werden. Ihr Thema ist die Einsamkeit in der Großstadt und der bohrende innere Schmerz eines empfindsamen Mannes, der sich mit einer rücksichtslos korrupten Gesellschaft herumschlägt.“ (Ross Macdonald)


    „Die Menschen, von denen er berichtet, sind weder Spielfiguren noch Phantome, sondern vielschichtige, komplexe Charaktere, deren Lebensechtheit zuweilen fast beängstigend ist. Die Schilderung ihrer gierigen, gewalttätigen, resignierten, verzweifelten Versuche, sich einen möglichst großen Fetzen vom angenehmen Leben und vom überquellenden Reichtum der kalifornischen Gesellschaft abzuschneiden, gehört zum Spannendsten und Erregendsten, was die zeitgenössische Literatur zu bieten hat.“ (FAZ)


    Ich bin mir ziemlich sicher, dass Chandler sich über das eine oder andere Zitat köstlich amüsiert hätte ...


    Zum Schluß noch ein Link auf die recht brauchbare Homepage von Robert Moss: http://home.comcast.net/~mossrobert/index.htm


    Viele Grüße


    Tom

  • Hallo Thomas,


    "The Curtain" befindet sich in "Black Mask" (Kurzgeschichten) in deutsch "Zielscheibe" / "Der Vorhang" im Kurzgeschichtenband "Mord im Regen".


    Danke für den Hinweis aufs Hörspiel. :smile:


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Danke, Maria, ich habe das mal eben nachgelesen. Dabei fiel mir ein, dass "Der Vorhang", wie viele frühe Geschichten, später von Chandler noch einmal in "The Big Sleep" eingebaut wurde. Das chandlersche Arbeitsprinzip, einmal Geschriebenes nur ja nicht umkommen zu lassen und virtuos wieder zu verwenden, ist schon recht erstaunlich.


    Viele Grüße


    Tom

  • Das chandlersche Arbeitsprinzip, einmal Geschriebenes nur ja nicht umkommen zu lassen und virtuos wieder zu verwenden, ist schon recht erstaunlich.


    Ist ja nun auch nicht "chandlersch" im proprietären Sinn. Schon Karl May hat recycelt, was das Zeug hielt ... :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    "Siesta" eine Sendung im Schweizer Radio bringt zum 50. Todestag einen Bericht zum Nachhören oder als Download:


    http://www.drs1.ch/www/de/drs1…esta/2764.sh10074542.html


    Nachtrag:
    Sa. 28.03.09 Radio Ö1 // Hörspiel // "Die Tote im See" // 14.00 Uhr


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

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