In der letzten Woche konnte ich weniger lesen als ich hoffte. So bin ich bis zum 8. Gesang gekommen, ab dem Vierten in der Schadewaldt-Übersetzung. Durch das Nachwort bekommt man eine klarere Sicht auf den Aufbau und die Wiederholungen, die teilweise merkwürdige Konzentration auf Details, die wohl den Bearbeitern zuzuordnen ist, lassen sich besser einordnen. Mir kommt es so vor, als sollte hier nicht nur eine Geschichte erzählt werden, sondern gleichzeitig ist ein Ratgeber für den "gehobenen Mittelstand" des alten Griechenlands entstanden. Wäsche waschen, den Göttern opfern, die angemessene Form einen Palast zu betreten, wird ausführlich zwischen der Weiterführung der Handlung beschrieben. Erzähltechnisch findet sich der Perspektivenwechsel in einer Form, die ich zunächst als recht modern eingeschätzt hätte.
Telemachos kann ich bis jetzt nicht ganz einschätzen. Odysseus sollte nach den Zeitangaben 18 Jahre von zu Hause weg sein. Danach wäre sein Sohn mindestens 18 Jahre alt. Er wird jedoch als ziemlich unerfahren und kindlich geschildert, was ich für die Antike überraschend finde. Die Stärke von Odysseus, den ich auf Ende 40 schätze, kann ich dagegen nur seiner göttlichen Abstammung zurechnen. Nach 10 Jahre Campingurlaub an der Küste Kleinasiens sollte er eigentlich von Rheuma geplagt neben Calypso im Bett liegen bleiben und nicht tagelang im Mittelmeer herumschwimmen.
Die Schadewaldt-Version liegt mir mehr, als die Übersetzung von Martin, wobei ich diese nicht kritisieren will. Martin macht so etwas wie gutes Regietheater, in dem er eine zeitgemäße Sprache verwendet. Dieser Abenteuergeschichte steht das nicht schlecht, doch habe ich die rhythmische Nähe an den Hexametern vermisst.
Oktober 2008 - Homer: Die Odyssee
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@ Lost: Ich weiß nicht genau, was Du mit Perspektivenwechsel meinst.
14. Gesang
Der Reichtum Odysseus‘ wird anhand seiner Tierherden angedeutet. 360 Eber stehen unter der Aufsicht des „göttlichen Sauhirten“ oder „göttlichen Schweinepflegers“ Eumäus, noch mehr Sauen, denn die Eber wurden durch die Freier arg dezimiert. Auch die Zahl der Rinder-, Schaf- und sonstigen Schweineherden wird genannt. Leider weiß ich nicht, wie groß eine Herde typischerweise ist. Überrascht war ich von der Angabe, die Herden befänden sich z. T. auf dem Festland. Bisher hatte ich gedacht Odysseus herrsche über die Insel Ithaka oder und andere Inseln.
Nach dem glanzvollen Ende seines Aufenthalts bei den Phäaken wird Odysseus auf Ithaka erst einmal gedemütigt, Homer betont das ausdrücklich. Er bekommt alte Kleidung, wird selbst in eine Greis verwandelt, geht zu einem seiner Untergebenen, bittet bei ihm um Gastfreundschaft und als ihn dessen Hunde stellen, muss er sich sogar auf den Boden setzen, damit ihn die Hunde nicht angreifen. (Als jemand, der Hunde nicht gut kennt, nicht mag und eigentlich vor ihnen Angst hat: Funktioniert das?)
Eumäus wiederholt das Prinzip der Gastfreundschaft: Bettler und Fremde kommen von Zeus her.
Eumäus wird als Muster eines guten Knechts vorgestellt: Er ist seinem Herrn treu, verwaltet dessen Besitz auch in dessen Abwesenheit umsichtig und sorgfältig, entwickelt dabei eigene Initiative, grämt sich über dessen Ausbleiben.
In Eumäus‘ Worten erscheint umgekehrt auch Odysseus als musterhafter Herr über seine Knechte: Odysseus hat Eumäus mit Land beschenkt, hat ihm eine Ehefrau gegeben… - So ging das also: Knechte durften nicht einfach heiraten, wie sie wollten, sie mussten warten, bis ihr Herr ihnen eine Frau gab.
Im Laufe dieses ersten Abends schlachtet Eumäus zwei Ferkel und einen Eber für den Gast. Am Nachmittag sagt er dazu, die Ferkel seien für ihn und die anderen Knechte. Offenbar ist er es leid, dass die Freier die Eber verspeisen und möchte ihn lieber den Bettler damit bewirten.Eumäus nennt einen Überfall auf fremdes Gebiet und Raub dort als Beispiele für ruchlose Taten, auch wenn er einschränkt, dass Zeus den (See-)Räubern Beute gebe. Eumäus fügt aber hinzu, dass die Freier seiner Meinung nach noch schlimmer sind, weil sie nicht ablassen und immer weiter von Odysseus‘ Eigentum leben. - Im dritten Gesang hat Nestor sich eines solchen Überfalls auf fremdes Eigentum gerühmt. Wieso sieht Eumäus das anders? Weil die Hirten wie er bei solchen Überfällen oft verletzt oder getötet werden?
Eumäus lässt sich vom verkleideten Odysseus nicht überzeugen, dass Odysseus noch am Leben ist, auch nicht als dieser es beschwört. Die Wette (V. 392 ff.) weist er ab. Allerdings hat Eumäus auch schon allzu viele Geschichten über die Heimkehr seines Herrn gehört. Penelope bewirtet und beschenkt Fahrende, wenn sie ihr von Odysseus erzählen, und die Sorge und Hoffnung, die hinter ihrer Freundlichkeit stehen, werden ausgenutzt.
Ab V. 192 erzählt Odysseus seine zweite Lügengeschichte, eine lang ausgesponnene Variation der Geschichte, die er schon Athene erzählt hat. Die Schilderung des Schiffbruchs aber deckt sich weitgehend mit der des Schiffbruchs, den Odysseus nach dem Aufenthalt in Thrinakia erlebt hat.
„Unheimlicher Fremdling“ nennt Eumäus Odysseus (V. 443) in der Weiher-Übersetzung, bei Hampe heißt es immerhin „seltsamer, fremder Gast“, Schadewaldt hat nur „Unseliger du der Fremden“. Ich kann ja leider kein Griechisch. Warum sollte Eumäus der Fremde unheimlich oder seltsam vorkommen? Wegen seiner abenteuerlichen Vergangenheit? Die glaubt er vielleicht genauso wenig wie die Behauptung des Fremden, Odysseus sei noch am Leben. Oder ist das ein Hinweis, dass Odysseus sich nicht perfekt verstellt und dass Eumäus hinter Odysseus‘ Schauspielerei noch etwas anderes durchscheinen sieht? Vielleicht in den nicht explizit geschilderten Reaktionen, wenn Eumäus von Penelope und den Freiern spricht? Etwas, das sich nicht mit Eumäus‘ Sicht des Fremden als Lügner, der sich für durch seine Lügen bei Penelope eine Mahlzeit etc. verschaffen will? Aber das ist nur Spekulation.
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@Nautilus:
Garade kann ich dir keine Textstellen nennen, aber es gibt Handlungsstränge die werden wiederholend aus verschiedener Sicht erzählt.
Mittlerweile habe ich bis Gesang 12 gelesen. Man merkt, dass die Logik erst ca. 300 Jahre nach Homer formuliert wurde. Da führt Odysseus bei Kirke ein Jahr lang ein Lotterleben, bleibt aber in göttlicher Schönheit und Stärke erhalten. Seine, von ihm selbst viel beweinten und geschilderten Qualen scheinen ihm auch nichts auszumachen.
Der freie Wille bleibt auch auf der Strecke, selbst in Ansätzen. Alles ist den Beteiligten prophezeit und von den Göttern vorherbestimmt, aber trotz Gläubigkeit wird es den Agierenden erst bewußt wenn es zu spät ist.Mir fällt auf, dass seine Abenteuer, die in meiner Jungend bei Gedanken an die Odyssee im Vordergrund standen, im Buch recht zügig und lieblos beschrieben sind. Belehrungen für die Leser und Hörer sollen wohl eine große Rolle spielen:
Geht nicht besoffen nachts über ein Dach, pass auf wie du den Göttern opferst, prahl nicht mit deinem Verstand und sei nicht höhnisch wenn du auf dem Meer herumtreibst u.s.w.Und für die Schüler wird im Hadesgesang mal schnell die Mythologie als Repetitorium zusammen gefasst.
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Ich komme im Moment nicht zum Lesen und quäle mich eigentlich nur mehr durch das Buch. Daher werde ich mal eine kleine Pause einlegen und in der Zwischenzeit was anderes lesen. Euch noch sehr viel Spaß mit Homer. :winken:
Katrin
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Ich komme im Moment nicht zum Lesen und quäle mich eigentlich nur mehr durch das Buch. Daher werde ich mal eine kleine Pause einlegen und in der Zwischenzeit was anderes lesen. Euch noch sehr viel Spaß mit Homer. :winken:Katrin
Die vielen Grausamkeiten ? Könnte ich verstehen ! In dieser Dichte ist das schon mit den Haus- und Volksmärchen der Brüder Grimm zu vergleichen
Ich hoffe du erholst dich mit anderer Lektüre und wagst dich noch Mal zurück.
Alles Gute
lost
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Ich hoffe du erholst dich mit anderer Lektüre und wagst dich noch Mal zurück.Ich wage mich sicher zurück :zwinker:
Katrin
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Telemachos kann ich bis jetzt nicht ganz einschätzen. Odysseus sollte nach den Zeitangaben 18 Jahre von zu Hause weg sein. Danach wäre sein Sohn mindestens 18 Jahre alt. Er wird jedoch als ziemlich unerfahren und kindlich geschildert, was ich für die Antike überraschend finde.Telemachos und die Freier sind zwei Seiten derselben Medaille, nämlich das Ergebnis einer führungs- und vaterlosen Gesellschaft. Während die einen zu Muttersöhnchen werden, mißachten die anderen alle Regeln.
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Hallo,
war eine Woche im Urlaub, ohne PC :sauer:, aber mit der Odyssee :smile:.
Bin jetzt beim 14. Gesang und war auch überrascht, wie kurz teilweise einige der berühmten Abenteuer (Lotophagen, Sirenen) abgehandelt werden.
Dennoch zieht mich das Ganze schon in seinen Bann, die Erzählstruktur ist raffiniert. Habe einen "study guide" der Temple Univ. gefunden, in der (ganz am Ende) kurz angedeutet wird, inwieweit die ErzählsträngeLotophagen - Zyklopen - Aeolus - Lästrygonen - Kirke und
Sirenen - Skylla und Charybdis - Rinder des Helios - Skylla und Charybdis - Kalypso.
Siehe: http://www.temple.edu/classics/odysseyho.html
Innerhalb dieser dann wiederum kleinere Ringstrukturen, bspw. Kirke - Elpenor - Unterwelt - Elpenor - Kirke. Da ist mir wahrscheinlich vieles entgangen beim Lesen.
Ich springe noch einmal zum 9. Gesang: War überrascht von der Brutalität, mit der man bei den Kikonen vorging. War das noch die Verrohung durch den Trojanischen Krieg? In der Folge werden Odysseus und seine Männer ja dann (verständlicherweise) menschlicher - die Helden werden müde, könnte man sagen. Mehr und mehr geht es darum, sich zu sättigen, sich auszuruhen (siehe das eine Jahr bei Kirke, wo der Wunsch nach Heimkehr doch lange im Hintergrund bleibt). Oft auch weinen die Männer - aus Furcht, aus Trauer, aus Wehmut: Welch ein Kontrast zur Ilias, wo Achill noch aus Zorn über seine verletzte Ehre weint.
@ Nautilus: Du hast ja praktisch im Alleingang das Forum am Laufen gehalten, Respekt. Ich werde mir Deine Anmerkungen am Wochenende noch mal in Ruhe durchlesen; vielleicht kann man auf den ein oder anderen früheren Gesang noch mal zurückkommen.
@ Jaqui: Ja, alles hat seine Zeit. Hat keinen Sinn, sich zu quälen, wenn es Dich momentan nicht anspricht. Vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt.
Achim
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[Telemachos und die Freier sind zwei Seiten derselben Medaille, nämlich das Ergebnis einer führungs- und vaterlosen Gesellschaft. Während die einen zu Muttersöhnchen werden, mißachten die anderen alle Regeln.
In dieser gewalttätigen Gesellschaft müssen oft die Väter gefehlt haben und doch wurden die Söhne zu Kriegern erzogen. Mir ist deine Vorstellung deshalb zu pauschal.
Vielleicht liegt aber auch hier eine pädagogische Absicht zu Grunde, die zeigen will, dass Mütter alleine keine wahren griechischen Helden erziehen können. -
In dieser gewalttätigen Gesellschaft müssen oft die Väter gefehlt haben und doch wurden die Söhne zu Kriegern erzogen. Mir ist deine Vorstellung deshalb zu pauschal.Hä?
Wie oft wurde denn Deiner Meinung nach "in dieser gewalttätigen Gesellschaft" praktisch die gesamte erwachsene männliche Bevölkerung ausradiert? Das ist alles andere als pauschal. -
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Nach dem glanzvollen Ende seines Aufenthalts bei den Phäaken wird Odysseus auf Ithaka erst einmal gedemütigt, Homer betont das ausdrücklich.
...„Unheimlicher Fremdling“ nennt Eumäus Odysseus (V. 443) in der Weiher-Übersetzung, bei Hampe heißt es immerhin „seltsamer, fremder Gast“, Schadewaldt hat nur „Unseliger du der Fremden“. Ich kann ja leider kein Griechisch. Warum sollte Eumäus der Fremde unheimlich oder seltsam vorkommen? Wegen seiner abenteuerlichen Vergangenheit? Die glaubt er vielleicht genauso wenig wie die Behauptung des Fremden, Odysseus sei noch am Leben. Oder ist das ein Hinweis, dass Odysseus sich nicht perfekt verstellt und dass Eumäus hinter Odysseus‘ Schauspielerei noch etwas anderes durchscheinen sieht? Vielleicht in den nicht explizit geschilderten Reaktionen, wenn Eumäus von Penelope und den Freiern spricht? Etwas, das sich nicht mit Eumäus‘ Sicht des Fremden als Lügner, der sich für durch seine Lügen bei Penelope eine Mahlzeit etc. verschaffen will? Aber das ist nur Spekulation.
Zur Demütigung - ja, es scheint, als müsse sich Odysseus auch auf Ithaka erst noch seinen Platz wiedererobern. Nachdem er bereits vom Flottenadmiral zum Kapitän eines einzigen Schiffes und dann zum Schiffbrüchigen geworden war und dann bei den Phäaken Schritt für Schritt "wieder hergestellt", geehrt und mit Reichtümern (die immer wieder unterstrichene unverhohlene Freude an materiellem Besitz ist ja auch ganz bemerkenswert - viel Gut, viel Ehr?) ausgestattet wurde, muss er hier noch einmal von ganz unten anfangen - wenn auch mit kräftiger göttlicher Hilfe. Das Gespräch mit Athene hat ja auch eine eigene Note, das ist ja fast von Gleicher zu Gleichem. Ist für mich ein Novum bei Homer, dass Gott und Mensch sich so austauschen. Oder kennt Ihr Vergleichbares an anderer Stelle?
Den Ausdruck " unheimlicher Fremdling" finde ich schon verständlich nach der wilden Geschichte (die Eumaios ja offenbar auch nicht ganz glaubt).
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(die immer wieder unterstrichene unverhohlene Freude an materiellem Besitz ist ja auch ganz bemerkenswert - viel Gut, viel Ehr?)So ist es. Deshalb auch in der Ilias die Reaktion von Achilles, als ihm Agamemnon sein Ehrgeschenk wegnimmt.
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Ich bin jetzt mit dem 16. Gesang durch - zwei Drittel. Der Showdown mit den Freiern kündigt sich an. Nachdem Athene im 15. Gesang Telemachos das Signal zum Aufbruch gegeben hat, erscheint sie nun erneut und erklärt Odysseus kurz und knapp, sie dränge nun zum Kampfe. Die Dinge entwickeln sich nun schnell, Athene will jetzt offenbar keine Zeit mehr verlieren.
Athene hat ja den Gang der Dinge bislang sehr stark bestimmt - sowohl im Rat der Götter als auch dann ganz konkret an der Seite von Odysseus sowie Telemachos. Gerade bei Telemachos hat sie ja fast alles initiiert: Aufforderung zur Reise, Schutz unterwegs, Ermutigung, Begleitung bei der Ankunft, Aufruf zur Rückkehr (nachdem T einen Monat in Sparta weilte und... tja, was hat er dort eigentlich gemacht? Er ist wohl gereift, scheint es.). Eigentlich könnte man da auch sagen: "Ist ja nun auch nicht so beachtlich, wie Telemachos sich so schlägt - alles geschieht ja nur mit einer Göttin an der Seite, keine Spur von Eigeninitiative, er wartet schlicht, was ihm die Göttin befiehlt. Inwieweit gereicht ihm denn seine Mini-Odyssee denn zur Ehre?" Ich vermute aber mal, dass die alten Griechen das nicht so gesehen haben. Möglicherweise dachten sie umgekehrt - es ehrt einen Menschen, wenn ein Gott zu seinen Gunsten eingreift? Sie greifen nur ein, wenn der Mensch sich dies durch seine Tugend oder seine Taten verdient hat? Was meint ihr?
Interessant auch die manchmal fast "aggressive" Form der Gastfreundschaft: Es wird damit gerechnet, dass Nestor schwer verärgert ist, dass Telemachos in Pylos keinen Stop einlegt.
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Athene hat ja den Gang der Dinge bislang sehr stark bestimmt - sowohl im Rat der Götter als auch dann ganz konkret an der Seite von Odysseus sowie Telemachos. Gerade bei Telemachos hat sie ja fast alles initiiert: Aufforderung zur Reise, Schutz unterwegs, Ermutigung, Begleitung bei der Ankunft, Aufruf zur Rückkehr (nachdem T einen Monat in Sparta weilte und... tja, was hat er dort eigentlich gemacht? Er ist wohl gereift, scheint es.). Eigentlich könnte man da auch sagen: "Ist ja nun auch nicht so beachtlich, wie Telemachos sich so schlägt - alles geschieht ja nur mit einer Göttin an der Seite, keine Spur von Eigeninitiative, er wartet schlicht, was ihm die Göttin befiehlt. Inwieweit gereicht ihm denn seine Mini-Odyssee denn zur Ehre?" Ich vermute aber mal, dass die alten Griechen das nicht so gesehen haben. Möglicherweise dachten sie umgekehrt - es ehrt einen Menschen, wenn ein Gott zu seinen Gunsten eingreift? Sie greifen nur ein, wenn der Mensch sich dies durch seine Tugend oder seine Taten verdient hat? Was meint ihr?Ich denke, Athene ersetzt ihm den Vater, Telemachos hat (im wahrsten Sinne des Wortes) einen Mentor nötig, gerade jetzt wo die Situation auf Ithaka langsam gefährlich wird.
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Mittlerweile habe ich die Odyssee zu Ende gelesen, überrascht welch großen Raum die Rahmenhandlung einnimmt. Da ich die Geschichte ja kannte, wirkte die lange Beschreibung des Wegs zum „Showdown“ etwas zäh. Wieder sehr detaillierte Beschreibungen von Nebensächlichkeiten und Wiederholungen, stückweise mit denselben Worten. Kann das der mündlichen Erzähltradition zugerechnet werden? Odysseus wird in seiner Rache zu einer wilden grausamen Bestie. Obwohl er selbst auf seiner Reise Gnade erfahren, selbst die Knie von übermächtigen Gegnern flehend umfasst hat, gewährt er selbst keine Gnade. Die Grausamkeiten werden so ausführlich geschildert wie die Oferrituale. Homer und seine Bearbeiter lassen das alles von Göttern steuern und nehmen im Grunde damit die Sterblichen aus der Verantwortung. Ich frage mich, wo in dieser Erzählung für die Zeitgenossen Homers die Belehrung liegt. Waren es die Fürsten, die auf solche Weise warnen wollten, dass niemand ihre Abwesenheit ausnutzt?
Außerordentlich beeindruckt hat mich ein Absatz. Es ist der Moment, wo sich Odysseus seiner Frau zu erkennen gibt und sie erstarrt, weil sie zunächst aus Erfahrung einen Betrug vermutet. Das ist sehr gut nachvollziehbar (wenigstens in der Schadwaldtübersetzung) und viele moderne Autoren von Unterhaltungsromanen hätten sich daran mehr orientieren können. Überhaupt ich Penelope m.E. die modernste Gestalt in der Geschichte. Eingeengt in ihre vorgegebene Rolle, verunsichert darüber was richtiges Verhalten ist, vernachlässigt von den Göttern, hintergangen von ihrer Dienerin, ein Spielball der anderen Figuren, weiß sie sich klug aus der Affäre zu ziehen. Außerdem hat sie eine wahnsinnig guten Schlaf. Das Getöse während des Gemetzels im Palast stört ihre Nachruhe nicht :zwinker:@ Jaqui:
Mach dich auf was gefasst, aber lese weiter. Von der Struktur her scheint mir die Odyssee die Mutter der Unterhaltungsromane zu sein. -
[quote author=Achim]
Ich springe noch einmal zum 9. Gesang: War überrascht von der Brutalität, mit der man bei den Kikonen vorging. War das noch die Verrohung durch den Trojanischen Krieg?[/quote]Das war wohl eher die Norm.
[quote author=Achim]
Interessant auch die manchmal fast "aggressive" Form der Gastfreundschaft: Es wird damit gerechnet, dass Nestor schwer verärgert ist, dass Telemachos in Pylos keinen Stop einlegt.[/quote]Das kennt man auch heute noch. "Wollt Ihr wirklich schon gehen?" usw.
[quote author=Lost]Wieder sehr detaillierte Beschreibungen von Nebensächlichkeiten und Wiederholungen, stückweise mit denselben Worten. Kann das der mündlichen Erzähltradition zugerechnet werden?[/quote]
Ja. Die Verwendung von fertig vorformulierten Versen oder Versteilen sowie die Wiederholungen gaben dem Sänger Zeit, sich die nächsten Verse zurechtzulegen.
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@ Lost
Wie alt bist Du eigentlich? Praktisch jeder Satz von Dir zeigt, daß Du mit massivsten Verständnisproblemen zu kämpfen hast.
Vielleicht hilft es Dir ja bei der Lektüre daran zu denken, daß Homer und die Menschen der Bronzezeit weder einen schlechteren Charakter hatten, noch dümmer waren als wir. Was Du hier alles so schreibst ist manchmal wirklich schwer erträglich. -
@ LostWie alt bist Du eigentlich? Praktisch jeder Satz von Dir zeigt, daß Du mit massivsten Verständnisproblemen zu kämpfen hast.
Vielleicht hilft es Dir ja bei der Lektüre daran zu denken, daß Homer und die Menschen der Bronzezeit weder einen schlechteren Charakter hatten, noch dümmer waren als wir. Was Du hier alles so schreibst ist manchmal wirklich schwer erträglich.@ Schweitzer
Ich lese nicht nur zu meinem Vergnügen, aber hauptsächlich! Ich habe weder die Kenntnisse, noch die Absicht den Altphilologen ihre Forschungsergebnisse nachzubeten. Wenn mir etwas bedeutsam erscheint, stelle ich Fragen oder schlage das nach. Ich lasse mich auch gerne korrigieren. Die Odyssee lese ich aber nicht als Sachbuch, und mit meinen Gedanken, die mir beim lesen kommen, beanspruche ich keine Allgemeingültigkeit. Falls dir das nicht erträglich ist, dann nimm es einfach als Altersstarrsinn und ignoriere es.
Lass aber bitte die Pöbeleien!Das ist mein Schlusswort zu der Angelegenheit, die uns beide betrifft.
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15. Gesang
Kurz bevor Telemach Pylos verlässt, bekommt er noch einen neuen Mitreisenden: Theoklymenos, einen Mörder, Flüchtling und Seher. Anscheinend möchte er von Telemach aufgenommen werden. Ich vermute, nicht als Gast, sondern um seine Dienste als Seher anzubieten, weil man im 17. Gesang erfährt, dass das bei Sehern üblich war. Jedenfalls ist von Gastfreundschaft nicht die Rede, und Theoklymenos spricht Telemach als „mein Hausherr“ an. Aber Telemach empfiehlt ihm, sich an Eurymachos zu halten, einen der (weniger unangenehmen) Freier Penelopes. Erst in Ithaka ändert er seine Meinung, als Theoklymenos ein Zeichen der Götter so deutet, dass die Familie Odysseus‘ für immer auf Ithaka herrschen wird. Da gibt Telemach Theoklymenos einem Freund mit, um ihn später in sein Haus zu nehmen, wenn er von Eumaios zurück ist.
Das „Zeichen der Götter“: Ein Habicht mit einer Taube im Schnabel fliegt vorbei. Hm, wie kann man das so deuten, wie Theoklymenos es tut? In Sparta gab es ein ähnliches Zeichen (Ein Adler mit einer Gans im Schnabel flog vorbei). Helena hat den Adler als Odysseus gedeutet, der die Freier (Gans) tötet. Das lässt sich noch nachvollziehen. Man kann leicht den Eindruck bekommen, dass Theoklymenos sich vor allem beim Telemach beliebt machen will.Sonderbarerweise wird die Rückfahrt Telemachs nach Ithaka nicht beschrieben. Man erfährt nicht, wie sein Schiff an den Freiern vorbeikommt, die ihm auflauern.
Auch Eumaios hat ein bewegtes Leben hinter sich. Eigentlich der Sohn des Königs von Ortygia ist er als Kind entführt worden, und Laertes hat ihn gekauft und aufgezogen. Warum hat er nicht versucht, zu seinem Vater zurückzukommen? Warum hat Laertes ihm nicht dabei geholfen? Eumaios‘ Vater hätte ihm doch sicher den Kaufpreis zurückerstattet.
16. Gesang
Eumäus empfiehlt Telemach den Fremden (Odysseus) als Schützling. Telemach will ihm ein neues Gewand geben. Das deutet wieder eher auf ein Dienstverhältnis hin als auf Gastfreundschaft. Jetzt bemerkt man erst die Freundlichkeit der Phäaken, denn als Odysseus zu ihnen kam, war er auch nur ein armer Fremder, der nichts hatte, und er wurde trotzdem als Gast aufgenommen.
Odysseus gibt Telemach einen Rat: Er würde gegen die Freier kämpfen, auch wenn er dabei umkäme, aber sie nicht weiter im Haus dulden.Odysseus gibt sich Telemach zu erkennen. Telemach will es erst nicht glauben. Viele Tränen. Dann erörtern sie die Lage.
Es sind nicht weniger als 108 Freier im Haus Odysseus‘.
Die Freier sind enttäuscht, dass ihr Anschlag misslungen ist. Sie fürchten mittlerweile die öffentliche Meinung - also hat es doch etwas genützt, dass Telemach im 2. Gesang die Versammlung alle Achaier einberufen hat. Antinoos möchte Telemach abfangen und erschlagen, wenn er von Eumaios zur Stadt geht. Amphinomos ist vorsichtig. Er fürchtet die Strafe der Götter und möchte ihren Rat einholen, ehe sie den einzigen Sohn des Königs ermorden.
Antinoos findet, Telemach sei selbständiger geworden, seit er aus Pylos und Sparta zurückgekommen ist (V. 374).
17. Gesang
Von Penelope wird gesagt, sie gleiche Artemis und auch der goldenen Aphrodite. Der Vergleich mit Aphrodite deutet sicher auf ihre Schönheit. Aber der Vergleich mit Artemis?Artemis habe ich als recht strenge, wenig freundliche Gottheit in Erinnerung. Mutter war sie auch nicht. Hm.Theoklymenos sagt, Odysseus sei schon da. Das habe er während der Schiffsfahrt aus dem Vogelflug herausgelesen. Komisch dass er das erst jetzt sagt.
Auf dem Weg in die Stadt begegnen Eumaios und Odysseus Melantheus, einem Ziegenhirten in Odysseus‘ Diensten. Er beschimpft und misshandelt Odysseus. Damit beginnt die Reihe der Misshelligkeiten, denen Odysseus in seiner Rolle als Bettler ausgesetzt ist und die er erträgt, weil er sich erst dann als Odysseus zeigen will, wenn er eine gute Chance hat, gegen die Freier zu kämpfen.
Hier steht auch die Episode mit Argos, dem Hund, den Odysseus noch vor seiner Wegfahrt aufgezogen hat. Argos erkennt Odysseus, ist aber schon zu schwach, zu ihm zu gehen, und stirbt. Eine Kleinigkeit für Hundefreunde mit der Botschaft: „Hunden kann man nichts vormachen“? Na ja, vor allem zeigt sich hier, wie lange Odysseus aus Ithaka weg war. Beim Hund ist es jetzt unwiderruflich zu spät, dass er und Odysseus ihr gemeinsames Leben noch fortsetzen. Aber natürlich auch eine Erinnerung, dass auch andere Odysseus erkennen könnten und dass er in Gefahr ist.
Ich bin erstaunt, dass es im Prinzip geduldet wird, dass ein Bettler in Odysseus‘ Halle kommt. Später kommt noch Iros, der so eine Art „Bettler vom Dienst“ bei den Freiern ist. So wie der Abend weiter verläuft, waren die Bettler eine Art Hofnarren. Sie bekamen zu essen, mussten aber auch allerlei aushalten.
V. 383: Hier kommt anscheinend die Information, die ich bei Finley gefunden habe. Handwerker und andere Spezialisten zogen herum und boten ihre Dienste an. Sie gehörten nicht fest zum Haushalt eines Aristos. Seher, Arzt, Zimmermann und „göttlicher Sänger“, diese Berufe werden hier genannt.
18. Gesang
Vor der Begegnung Odysseus‘ mit Penelope, auf die der Leser an dieser Stelle schon dringend wartet, schiebt Homer erst noch den Kampf mit Iros ein. Odysseus beeindruckt die Freier. Amphinomos wünscht ihm sogar den Segen der Götter. Daraufhin rät Odysseus ihm, rasch das Haus zu verlassen, denn Odysseus komme sicher bald zurück. - Odysseus, der eigentlich seine Identität noch nicht preisgeben kann, ist mehrmals etwas indiskret.Auch Penelope kümmert sich um die Erziehung Telemachs. Sie macht ihm Vorwürfe, dass er die Freier nicht davon abgehalten hat, Odysseus zu misshandeln.
Ganz spät kommt eine entscheidende Information heraus (V. 269 f.). Bevor Odysseus nach Troja gefahren ist, hat er zu Penelope gesagt, wenn Telemach der erste Bart wächst, sei sie frei, eine neue Ehe einzugehen. Seltsam dass man das erst jetzt erfährt.
Penelope lässt sich von den Freiern Geschenke bringen. Odysseus findet das klug und freut sich darüber. Er meint, dass Penelope währenddessen an etwas ganz anderes denkt. An was denn? An die Verabredung mit dem Fremden, der Nachrichten von Odysseus bringt?
Nach Melantheus (und Melantho) verspotten jetzt auch die Freier Odysseus. Odysseus weist einen von ihnen zurecht (Eurymachos): Eurymachos sei hochmütig. Das liege daran, dass er der Größte inmitten von Zwergen sei (sinngemäß). Yep, hier kommt nochmal eine Bestätigung, welche Folgen die „vaterlose Gesellschaft“ hat. Den Freiern fehlen die Maßstäbe und sie verstoßen gegen die guten Sitten. Gleichwohl können sie sich mit „richtigen Männern“ wie Odysseus nicht messen.
Am Ende gibt es ein Handgemenge, bis Telemachos die Freier nach Hause schickt. Das tut er tatsächlich.19. Gesang
Odysseus und Telemachos beginnen allmählich, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Sie bringen die Waffen aus dem Saal.Beim Gespräch zwischen Odysseus und Penelope bleibt Odysseus zuerst sehr zugeknöpft und will Penelope nicht erzählen, wer er ist und woher er kommt. Erst als sie ihm von ihrer Situation erzählt hat, erzählt auch er seine Geschichte (eine falsche natürlich). Ist das die „listige Vorsicht“, die Alkinoos früher schon an ihm bemerkt hat? Oder will er seiner Frau nicht so viele Lügen erzählen?
Wir erfahren auch jetzt erst, dass Penelopes Eltern sie heftig zur Ehe drängen. Wieder verstehe ich nicht, warum Homer uns das nicht früher wissen lässt.
V. 223: „Vielerlei log er zusammen und manches war ähnlich der Wahrheit.“
Im Laufe des Gesprächs kündigt Odysseus seine eigene Ankunft auf Ithaka zweimal an (V. 270 ff. und um zweiten Mal, als Penelope von der Bogenprobe spricht). Beim zweiten Mal verrät er sich fast, finde ich. Zumindest verrät er, dass er mehr weiß, als er sagt. Penelope solle den Wettkampf schnell vorbereiten, Odysseus komme, noch ehe die Freier den Bogen gespannt haben. Wie soll der fremde Mann das wissen, wenn er Odysseus wirklich vor ein paar Wochen zuletzt gesehen hat?Eurykleia, Odysseus‘ alte Amme, meint sofort, als sie den fremden Bettler sieht, eine Ähnlichkeit zu Odysseus zu erkennen. Sie erkennt ihn dann wirklich an einer Narbe über dem Knie, die sie ertastet, als sie ihm die Füße wäscht. Wieder macht Homer es spannend. Er sagt erst, dass Eurykleia die Narbe findet, aber ehe er die Neugier des Lesers, wie das ausgeht und ob Odysseus‘ Inkognito Bestand behalten kann, befriedigt, erzählt er ziemlich umständlich, wie Odysseus die Narbe bekommen hat.
Odysseus ist nicht freundlich zu seiner alten Amme. Man meint fast, es gehe hier fast nur um Odysseus‘ Geistesgegenwart, Eurykleia zum Schweigen zu bringen. Bei dieser Wiedererkennung gibt es keine Gefühle bei Odysseus. Wenigstens ein Lächeln hätte er Eurykleia schenken können, finde ich.Penelope ist aber im Gespräch mit dem Fremden, der angeblich etwas über Odysseus weiß, nicht so naiv und vertrauensselig, wie man erst leicht denken konnte. Sie fragt den Fremden, welche Kleidung ihr Mann trug… Wenn sie anderen, die ihr etwas vorgelogen haben, dann trotzdem etwas zu essen und etwas anzuziehen gegeben hat, war das vermutlich eher eine noble Geste als tief empfundener Dank für das Gehörte.