Oktober 2008: Immermann: Münchhausen

  • Hallo BigBen,



    Weiß eigentlich jemand, ob bei der Veröffentlichung des ausgegliederten Oberhof-Teiles nur das zweite oder alle den Oberhof betreffenden Bücher aus dem Münchhausen genommen worden.


    Ich habe den Oberhof irgendwo im Keller und komme da so schnell auch nicht dran, aber da das Buch über 300 Seiten hat und der erste Oberhofteil alleine auch keine abgeschlossene Geschichte bildet, können wir wohl mit Sicherheit davon ausgehen, dass das Buch alle Oberhof-Teile enthält.


    Viele Grüße,
    Zola

  • Hallo ihr beiden und alle,


    das arkadische 3. Buch habe ich nun hinter mir, sehe aber zu meinem Erschrecken, dass nochmal so eine lange Münchhausen-Geschichte im vierten Buch blüht. Grundsätzlich ist auch im dritten Buch viel Lustiges dabei, z.B. die Hiebe gegen die Wohltätigkeitsvereine, von den gemütlichen Holländern wollen wir mal ganz absehen :zwinker: , aber das Ganze ufert eben zu sehr aus. Nun ja, irgendwann geht's richtg weiter!


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo Leute!


    Ich habe gestern Abend die Lektüre des Münchhausen beendet.
    Tja, bei der Bewertung bin ich hin- und hergerissen. Den Anfang fand ich wirklich gut. Überhaupt die Teile, in denen Münchhausen beim Baron weilte. Die Geschichte um den Oberhof fand ich zum Teil langatmig und schwülstig (um nicht den Begriff Nackenbeißer bemühen zu müssen). Aber immerhin hat Immermann die Geschichte zu einem interessanten Ende gebracht (besonders gut hat mir dabei die Kammerzofe Francy gefallen).
    Die Idee, einen Teil der Geschichte in den Briefwechsel mit dem Verleger "auszulagern", finde ich sehr gelungen. Nur die Bedeutung des Briefes an Tieck bleibt mir ein wenig dunkel.
    Miserabel war die Geschichte um die beiden "Geisterjäger". Da zeigte sich die Schwachstelle des ganzen Romanes. Immermann hat sich zu stark an Personen und Büchern orientiert, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Münchhausen bekannt waren. Da vieles von dem heute weniger bzw. unbekannt ist, fehlt dem Leser das entsprechende Verständnis für die Referenzen.
    Alles in allem kann ich anderen den Münchhausen nur bedingt zur Lektüre empfehlen.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Hallo ihr beiden und alle,


    @ BigBen, du hast ihn jetz hinter dich gebracht, ich hänge noch mittendrin - genau in diesem nervigen Geisterjäger-Kapitel und habe im Moment auch keine Zeit und keinen Ansporn, mich darauf einzulassen.
    Deshalb werde ich wohl erst Ende November die Lektüre wieder aufnehmen können, bis dahin zehrt der Job zu sehr an den Nerven, dass ich für die zeitgebundenen Subtilitäten dieses Romans die angemessene Aufmerksamkeit aufwenden kann.


    Bis denne


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo zusammen,


    ich bin jetzt im 7. Kapitel des 5. Buchs. Das fünfzigseitige Kapitel "ich" empfand ich als furchtbar langweilig, ich musste mich regelrecht durch die "Schäfergeschichte" durchkämpfen. Die folgende "Geistergeschichte" gefiel mir schon besser, sie erinnerte mich ein bisschen an E.T.A. Hoffmanns Nachtstücke oder Schillers Geisterseher. Allerdings störte mich an ihr, dass sie - wie die "Schäfergeschichte" - offensichtlich nichts mit der Rahmenhandlung des Buchs zu tun hat. Dass direkt hierauf die zweite Oberhofgeschichte (5. Buch) folgt, lässt den Roman nur noch weiter als zerstückelt erscheinen. Die Hochzeitsgeschichte auf dem Oberhof gefällt mir bislang aber sehr gut und mittlerweile bin ich auch recht froh, wenn die Handlung eines Teilbuchs am Oberhof spielt, bis auf das humorvolle erste Buch mit seinen verschobenen Kapiteln und der "Korrespondenz des Herausgebers mit seinem Buchbinder" gefallen mir die Münchhausen-Geschichten bislang nicht besonders.


    Ich komme weiterhin nur langsam vorwärts. Mit BigBen, der die zweite Hälfte des Buchs in nur einer Woche gelesen hat, werde ich nicht mithalten können :zwinker:


    Viele Grüße,
    Zola

  • Hallo zusammen,


    nun habe ich mich, nachdem du, Zola, auch schon im fünften Buch angelangt bist, doch aufgerafft und das fünfte Buch durch sowie es im sechsten bis zum neunten Kapitel geschafft! Aber zäh ist es schon! Wobei mir die Münchhausen-Teile doch relativ mehr Spaß machen als die erzkonservativen und /oder sentimentalen Oberhof-Kapitel. Die "Epigonen"-Lektüre liegt zwar schon Jahrzehnte zurück, aber ich bin mir ganz gewiss, dass jener Roman deutlich interessanter und auch gesellschaftskritischer war.
    Wie gesagt, die Münchhausen- Kapitel sind nett, geben viel Zeitkolorit, wobei man einiges sogar literaturhistorisch recht leicht einordnen kann, wie den behäbig-verschmitzten Justinus Kerner und den Modetrend des Übersinnlichen, ein Ausfluss der Spätromantik. Ansonsten sind diese Passagen aber sehr nachschlageintensiv, was den Lesegenuss hindert. Und diese Oberhof-Romanze nebst westfälischem Brauchtum ... mein Ding ist das nicht!
    Ich glaube, jetzt muss ich erstmal wieder ein paar Tage Pause einlegen.


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Hallo zusammen,


    eben habe ich gesehen, dass ich bei meinem letzten Posting frech gelogen habe und schnell nachgebessert. Ich war nicht schon im siebten Buch, sondern erst im sechsten, 9. Kapitel und habe nun unten entsprechend editiert. In diesem siebten Buch bin ich nach ein paar Tagen Lesepause jetzt am Wochenende wieder etwas vorangekommen - und zwar, kaum zu denken, mit großem Genuss. Die Schlusszeit Münchhausens auf Schloss Schnurrdiburr ist ja noch mal ein Feuerwerk an Einfällen und ziehnt nebenbei große Gestalten der Geistes- und Kulturgeschichte (Hegel und Pückler-Muskau) gekonnt durch den Kakao! Auch der Höhepunkt der "Liebes"geschichte zwischen Emerentia und Karlos, dem Schmetterling, gestaltete sich noch einmal sehr hübsch.
    Der Kunstgriff mit dem Eintritt des Autors in die Handlung ist auch schon bei Sterne angedeutet, wird hier aber durchaus amüsant und originell durchgeführt. Auch dass Immermann sich selbst sowohl äußerlich als auch charakterlich selbst auf die Schippe nehmen kann, macht ihn durchaus sympathisch.
    Aber nun im 17. Kapitel meint Immermann wohl, es sei der Scherze genug und gefällt sich in elegischer Betrachtungsweise, da reißt meine Leselust dann doch!
    Nun mal schauen, ob meine Lektüre trotz des Arbeitsstresses doch noch etwas vorankommt!
    Euch einen erholsamen Wintersonntag!


    HG
    finsbury


    PS:
    Zola, bist du schon durch?

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Ich habe heute die "Briefe eines Verstorbenen" von Hermann Fürst von Pückler-Muskau bekommen. Die sind nächstes Jahr dran. Dann verstehe ich Immermann vielleicht besser.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Hallo,


    ich bin jetzt im 6. Buch, 12 Kapitel. Ich weiß nicht recht, was ich vom 6. Buch bislang halte soll. Den Auftritt des Autors halte ich bislang für einen guten Einfall. Ansonsten befremdet mich die Handlung gerade wieder etwas, sie nimmt nicht nur mit dem Auftritt Semilassos und der Unbefriedigten doch recht merkwürdige Züge an. Vielleicht werden meine Eindrücke klarer, nachdem ich das 6. Buch fertig gelesen habe.
    Da ich gerade viel Streß in der Arbeit habe, komme ich weiterhin nur langsam vorwärts.


    Viele Grüße,
    Zola

  • Hi,


    bin nun endlich im achten Buch, 2. Kapitel angelangt.


    Zola, mir kam das sechste Buch auch über lange Strecken merkwürdig vor, aber am Ende hat's mich doch gepackt, weil eben doch alles miteinander zusammenhängt und niemand ohne ironische Seitenhiebe verbleibt.


    BigBen: Inwieweit meinst du, dass die "Briefe eines Verstorbenen" dir weiter Aufschluss bringen? Kenne mich un Immermanns Werk nicht genauer aus!


    Die Oberhof- Geschichte des siebten Buches ist wenig originell, aber gut runterzulesen. Mal sehen wie's jetzt im 8. Buch zu Ende geht: Immermann vergisst ja keine Handlungsstränge und Nebenpersonenn, sondern weist ihnen irgendwann bedeutende Rollen zu.


    Bis dann


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)


  • BigBen: Inwieweit meinst du, dass die "Briefe eines Verstorbenen" dir weiter Aufschluss bringen? Kenne mich un Immermanns Werk nicht genauer aus!


    Na, in einigen Teilen des Münchhausen ist Pückler-Muskau doch omnipräsent. Daher hoffe ich, wenn ich ihn lese, das ich dann auch noch tiefer in das Verständnis des Münchhausen vordringen kann.
    Außerdem ist Pückler-Muskau ein Bestseller seiner Zeit gewesen, da muß man doch mal reinlesen.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Hallo BigBen, Zola und alle,


    ja klar, bezüglich Pückler-Muskaus habe ich nicht schnell genug geschaltet. Das muss sowieso ein sehr farbenprächtiger Kerl gewesen sein. Vor Jahren war ich im Rahmen einer Brandenburg /Sachsen -Reise mal in dem von ihm angelegten Park mit seiner orientalischen Gruft, wenn ich mich recht erinnere im Stile einer Pyramide.


    Ich bin nun durch und – ähnlich wie bei den „Rittern vom Geiste“ - aber aus anderen Gründen zwiespältig in meiner Meinung. Gegenüber dem letzgenannten Werk halte ich dieses für das literarisch deutlich höherwertigere.
    Was mir gut gefallen hat, gleichzeitig originell und zumindest ansatzweise innovativ ist, ist die ständekritische Grundhaltung, die ironische Brechung literarischer und kultureller Zeitströmungen, die humoristische Einstellung zu sich selbst und die richtig wilden Münchhausen-Kapitel.


    Dagegen stehe ich dem Oberhof-Teil deutlich kritischer gegenüber. Hier ist eine romantische Verklärung „germanischer Stammestraditionen“ im Deckmantel der oben genannten Ständekritik sehr problematisch. Solche Verherrlichungen haben unserer geistigen Tradition und unserem politischem Werdegang sehr geschadet. Im siebten Buch dachte ich, der Hofschulze würde nun kritischer gesehen, da ja 1. immerhin sein Sohn nicht unschuldig ermordet wurde, sondern durch den Überfall auf den Patriotenkaspar diesen provozierte und 2. er sich selbst durch die Schwertgeschichte und den Angriff auf Oswald in Misskredit brachte. Aber in der Gerichtsverhandlung des achten Buchers erscheint er wieder als Apotheose des gesunden Volkeswillens.

    Auch die Gestalt der Lisbeth sehe ich zwiespältig. Einerseits ist sie eine für ihre Zeit sehr emanzipierte starke Frau, was sich nicht nur in ihrer Antwort auf Clelias Anmutung zeigt, sondern auch schon am Anfang, als sie sich alleine aufmacht, um die ausstehenden Geldansprüche ihres Pflegevaters einzutreiben. Das war zu der damaligen Zeit sicher ungewöhnlich.
    Andererseits wird sie hoffnungslos verklärt und verkitscht, während Graf Oswald durchaus mit Licht- und Schattenseiten ausgestattet ist. Der Anhang mit den Ausführungen zur wahren Liebe war schon schwer erträglich.


    Nun, insgesamt bin ich mit dieser Lektüre dennoch recht zufrieden: Ein wichtiger literaturhistorischer Markstein zwischen Romantik und Realismus und über weite Strecken eine immer noch lesenswerte, originelle und amüsante Lektüre.
    Es war wie immer eine Freude, mit euch gelesen zu haben :winken:.


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo zusammen,


    ich habe den Münchhausen eben auch abgeschlossen und muss leider auch sagen: "endlich abgeschlossen". Zum einen habe ich für das Buch mit über zwei Monaten ungewöhnlich lange gebraucht, woran vor allem die derzeitige stressige Situation bei mir in der Arbeit schuld war. Nach 10 oder mehr Stunden geistiger Arbeit liest man abends oft auch nicht mehr als 5-10 Seiten in einem anspruchsvollen Roman. Zum anderen war das Buch auch recht langwierig und auch wenn es einige sehr gute Momente hatte, so hat es mir eigentlich nicht so richtig zugesagt. Der Anfang war vielversprechend und gut aber danach hat der Roman doch etwas nachgelassen. Die vielen nur locker verwobenen Handlungsstränge, die langwierigen Abschweifungen ("Ich. Fragment einer Bildungsgeschichte" und "Poltergeister in und um Weinsberg", wobei ich letzteres noch recht interessant und amüsant fand), auch Münchhausens mysteriöses Verschwinden aus der Krypta und damit aus der Romanhandlung gefielen mir nicht. Die Hochzeit der Tochter des Hofschulzen nahm einen viel zu großen Teil des Buches ein. Das Ende des Romans drehte sich fast nur noch um die Liebe zwischen dem Jäger Oswald und Lisbeth und den durch ihre Ehe entstehenden Problemen aufgrund der Standesunterschiede. Wie Du, Finsbury, fand ich Lisbeths Darstellung teils äußerst kitschig, auch fehlte mir jegliche Kritik am Verhalten des Hofschulzen und überhaupt an den am Oberhof üblichen Bräuchen.
    Ich muß den Roman noch etwas setzen lassen und habe noch den recht ausführlichen Anhang des Buches vor mir, dazu werde ich dann in den nächsten Tagen noch etwas schreiben.


    Auch wenn ich mich jetzt eher kritisch über das Buch geäußert habe, freut es mich sehr, dass diese Leserunde zustande gekommen ist und vielleicht können wir in absehbarer Zeit ja noch die "Epigonen" zusammen lesen.


    Viele Grüße,
    Zola


  • ... und vielleicht können wir in absehbarer Zeit ja noch die "Epigonen" zusammen lesen.


    Ja, würde mich auch reizen, aber nicht eher als 3. oder gar 4. Quartal 2009. :winken:

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)


  • Ich muß den Roman noch etwas setzen lassen und habe noch den recht ausführlichen Anhang des Buches vor mir, dazu werde ich dann in den nächsten Tagen noch etwas schreiben.


    Mittlerweile habe ich das Nachwort und auch den im Materialien-Thread von mit verlinkten Artikel aus der DDR weitgehend gelesen. Dadurch wurden mir nochmals einige Zusammenhänge verdeutlicht.
    Wie gut mir ein Buch gefallen hat, mache ich meist daran fest, ob oder ab wann ich mir vorstellen könnte es wieder zu lesen. Beim Münchhausen war ich zwar froh, als ich fertig war, aber ich bin auch froh das Buch gelesen zu haben und mit dem Abstand von knapp zwei Wochen kann ich sagen, das ich mir eine erneute Lektüre in den nächsten Jahren gut vorstellen könnte.


    Viele Grüße,
    Zola