Gibt es Werke, die ihr für gut haltet, aber gar nicht mögt?


  • Weil Zola (Hauptmann ist ein anderes Kapitel; er ist ein literarisches Chamäleon, wusste das auch ...) sowohl in der Charakterisierung seiner Personen "durchhält", d.h., sie tatsächlich lebensecht gestalten kann, in seinem Plot konsequent und logisch verfährt und der Leser trotzdem immer in Spannung gehalten wird und last but not least auch eine durchaus valable Sprache verwendet. Das alles muss ich anerkennen, muss anerkennen, dass da ein grosser Künstler am Werk ist - aber gerne lesen tu ich den harten Naturalismus trotzdem nicht.


    Und genau das ist es, was mich an Zola so fasziniert, weil ich immer denke, das kann doch nicht sein, dass er sein Thema so vielschichtig darstellt und einen gewissen Grad der Objektivität bis zum Ende durchhält. Ich gebe zu, ein Stück Neugier, ob er es wirklich wieder schafft, ist bei mir durchaus beim Lesen dabei :zwinker:


    Ob ich allerdings mit zunehmendem Alter Jean Paul-Fan werde, wie Vult meint, werde ich sehen.


    Gruß von Steffi

  • Und genau das ist es, was mich an Zola so fasziniert, weil ich immer denke, das kann doch nicht sein, dass er sein Thema so vielschichtig darstellt und einen gewissen Grad der Objektivität bis zum Ende durchhält. Ich gebe zu, ein Stück Neugier, ob er es wirklich wieder schafft, ist bei mir durchaus beim Lesen dabei :zwinker:


    Wie gesagt: Ich kann das anerkennen; aber mögen kann ich das nicht ...


    Ähnlich geht es mir übrigens auch mit Faulkner. Ein Autor, mit dem ich nicht warm werden kann. Vielleicht auch, weil mir die Südstaaten der USA persönlich absolut fern liegen.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Giesberts Liste könnte von mir sein, nur unter umgekehrten Vorzeichen, alles meine Favoriten. Ich hoffe ihm bleibt, außer Arno Schmidt, den er offenbar verehrt, noch genug Lesestoff übrig.
    Überhaupt werden hier lauter Bücher und Autoren genannt, die mir viel bedeuten, Jean Paul, Faulkner natürlich und Dante sowieso. Brecht habe ich mich nach einer langen Zeit der Distanzierung wieder angenähert. (Er hat eben doch zu oft die richtigen Worte gefunden)
    Kafka ist mein Alpha und Omega, Richtmaß des Sagbaren, Gewissen der Welt, Wort für Wort ein Wunder.
    Ich verstehe nicht, Sandhofer, was der großartige Tizma mit dem Naturalismus zu tun haben soll. Da du auch mit Imre Kertész und Thomas Bernhard nichts anfangen kannst, vermute ich, du nennst diejenigen Naturalisten, die der Gewalt des Realen eine Sprache zu geben versuchen.
    Auf Ink-Hearts Frage hat im Grunde schon Finsbury für mich geantwortet. Es gibt viele Bücher, die ohne Zweifel ihren verdienten Platz in der Literaturgeschichte haben, mich aber inhaltlich, thematisch oder sprachlich nicht interessieren.
    Grüße von der Leserin

  • Ich verstehe nicht, Sandhofer, was der großartige Tizma mit dem Naturalismus zu tun haben soll.


    Der eine kleine Text, den ich mal von ihm gelesen habe, hat mich sehr an Zola erinnert.


    Da du auch mit Imre Kertész und Thomas Bernhard nichts anfangen kannst, [...]


    Ja? Das wusste ich noch gar nicht ... :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Kafka ist mein Alpha und Omega, Richtmaß des Sagbaren, Gewissen der Welt, Wort für Wort ein Wunder.


    Liebe Leserin,


    sollte man die Kabbalah gelesen haben, um diese Worte zu verstehen? Meine kurzen Ausflüge in die Kafkaesken Gefilde zeigten mir einen großen Meister der deutschen Sprache, einen seltsam traumvollen Menschen voller Worte für das "Andere", für das da - Draußen (oder besser - das da "Drinnen"), in uns nicht Erwachte und verdrängt Abseitige. Nun gut, aber das - Gewissen der Welt, ich weiß nicht, ich weiß nicht, es gibt wohl keinen Schriftsteller den ich diesen Rang verleihen würde. Ich traute mich das nicht, wahrlich nicht.


    Liebe Grüße


    Peter

  • sollte man die Kabbalah gelesen haben, um diese Worte zu verstehen? Meine kurzen Ausflüge in die Kafkaesken Gefilde zeigten mir einen großen Meister der deutschen Sprache, einen seltsam traumvollen Menschen voller Worte für das "Andere", für das da - Draußen (oder besser - das da "Drinnen"), in uns nicht Erwachte und verdrängt Abseitige. Nun gut, aber das - Gewissen der Welt, ich weiß nicht, ich weiß nicht, es gibt wohl keinen Schriftsteller den ich diesen Rang verleihen würde. Ich traute mich das nicht, wahrlich nicht.


    Liebe Grüße


    Peter
    [/quote]


    Ohne unserer lieben Leserin allzu nahetreten zu wollen, da ihre große Liebe zur Literatur aus vielen ihrer Sätze spricht, kommt mir das nun wirklich etwas übertrieben vor. Ich mag Kafka ja auch ganz gerne, aber ich konnte in seinen Werken weder mein eigenes Gewissen noch das der Welt entdecken.
    Sind wir da außerdem nicht auch ein bißchen zu abendländisch orientiert? Was könnte denn ein chinesischer Reisbauer (und statistisch gesehen ist jeder 5. Mensch ein solcher) von Kafka lernen, oder ein Durchschnittsinder oder ein Durchschnittsafrikaner??
    Kann ich mir zumindest nicht vorstellen, dass die einen Kafka, eine Jelinek oder einen Bernhard für ihr Leben brauchen. Natürlich auch keinen Grass.
    Für mein konkretes Leben brauch ich die alle übrigens auch nicht, da bin ich mit meiner Ehehälfte ausreichend versorgt, aber für mein literarisches Leben brauch ich sie - zumindest teilweise - schon. Dafür bin ich in der südamerikanischen, afrikanischen oder asiatischen Literatur überhaupt nicht auf dem Laufenden und weiß auch von deren Klassikern so gut wie nichts.
    Was bei genauerem Nachdenken eigentlich schade ist,


    findet Madeleine.

  • So gesehen, Madeleine, braucht man sicher überhaupt keine Bücher. Das nackte Überleben können sie nicht sichern, auch in existentiellen Grenzsituationen sind sie nutzlos. Doch wo der bloße Existenzkampf endet, und die Reflexion über das eigene Ich einsetzt, sind sie unerläßlich. Sie können Begleiter werden, Freunde sein.Wir suchen in der Kunst, dass über uns hinaus und in uns hinein Weisende. Zu allen Zeiten und überall auf der Welt tun die Menschen das. Dabei vertrauen wir den Künstlern, die durch ihr Werk und ihr Leben, für das einstehen, was sie uns gegeben haben.
    Die Frage nach Kafka, Vult und Madeleine, gehört in einen eigenen Ordner, den es sicher schon gibt. Über ihn ist so viel und wird noch so viel geschrieben werden, dass es ganze Bibliotheken füllt. Was kann man dem noch hinzufügen? Ich kann euch da nur das Buch "Von Kafka zu Kafka" des großen französischen Literaturwissenschaftlers Maurice Blanchot und die Schrift des Philosophen Gilles Deleuze "Kafka: Für eine kleine Literatur", dann noch "Prejuges. Vor dem Gesetz" des Philosophen Jacques Derrida und den Text "Aufzeichnungen zu Kafka" in Adornos "Prismen" empfehlen. Es gibt weltweit kaum einen bedeutenden Schriftsteller nach Kafka, der nicht von ihm beeinflußt wäre, auch keinen Philosophen.
    Doch ihr müßt natürlich euren eigenen Weg zu Kafka finden, wenn ihr es wollt. Die großen, stets wiederkehrenden Themen und Motive in der Literatur sind Liebe, Krieg, Abenteuer, Reise, Entwicklung, Tod, Verbrechen, Auflehnung, Abschied etc. Bei Kafka geht es darum nicht. Er versucht die inneren Zusammenhänge zu ergründen, die Abgründe unserer Existenz, die Ursprünge unserer Leiden. Die Sprache zu der er dabei findet, ist zuvor nie gesprochen worden. Sie ist oft nachgeahmt, aber nie erreicht worden. Kafka bewegt sich auf hauchdünnem Eis, auf der Nadelspitze. Das meiste, was uns von seinem Werk überliefert ist, war von ihm nicht dazu bestimmt, von uns gelesen zu werden. Umso behutsamer müssen wir damit umgehen, umso sorgfältiger, umso dankbarer.
    Grüße von der Leserin

  • Deinem 1. Absatz, liebe Leserin, den Du sehr schön formuliert hast, muss ich meine ungeteilte Zustimmung geben.


    Kafka ist sicher eine lebenslange Beschäftigung, zumindest für mich, da ich ihn nur in kleineren Dosen zu mir nehmen kann.
    Das Werk von Maurice Blanchot "Von Kafka zu Kafka" gehört zu den Büchern, die ich sicher noch einmal lesen werde und sei es in der Pension.
    Vielleicht kann man sich ihm auch hier im Forum einmal widmen.


    Lieber sandhofer, bitte nicht böse sein, wenn wir hier mit Kafka im falschen Ordner gelandet sind, aber Du bist sicher so nett und fügst zusammen, was zusammen gehört.
    Leider ergibt sich oft ein Thema aus dem andern, und das immer, wenn der passende Ordner nicht parat ist.


    Liebe Grüße, Madeleine