Pascal Mercier: Nachtzug nach Lissabon


  • Ist aber definitiv kein gutes Buch.


    Erhebe Einspruch - ich finde das ein sehr gutes Buch! Und auch mich würde interessieren, woher die Ablehnung kommt.

    Das Universum, das andere die Bibliothek nennen [...] (J.L. Borges, Die Bibliothek von Babel)


  • Hallo zusammen,
    hallo CK


    Auszug aus deiner Rezi: [Nachtzug nach Lissabon]
    Außerdem gibt es zu Beginn des Buches noch eine geheimnisvolle Portugisin, die später keine Rolle mehr spielt, was der Architektur des Buches schadet


    und ich fand diese Szene auch etwas abgekupfert von Thomas Mann "Der Tod in Venedig". Zumindest erinnert sie mich an Aschenbach als er auf einem Münchner Friedhof einen Fremden sichtet....

    wie CK las ich das Buch nicht ungern, doch empfand ich es auch als langatmig. Kein Buch das ich ein zweites Mal lesen würde.


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

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  • Auszug aus deiner Rezi: [Nachtzug nach Lissabon]
    Außerdem gibt es zu Beginn des Buches noch eine geheimnisvolle Portugisin, die später keine Rolle mehr spielt, was der Architektur des Buches schadet


    und ich fand diese Szene auch etwas abgekupfert von Thomas Mann "Der Tod in Venedig". Zumindest erinnert sie mich an Aschenbach als er auf einem Münchner Friedhof einen Fremden sichtet....


    Wobei Thomas Mann dieses Motiv strukturell nicht fallen lässt, sondern immer wieder in der Novelle aufgreift: Der auf jung geschminkte seltsame Alte, der Gondoliere etc.


    Kurz: Mann kann halt schreiben :breitgrins:


    CK

  • Kein Problem, die Diskussion ist ja vom eigentlichen Thema meinetwegen etwas abgekommen.


    Die Aussage der zitierten Rezension, das "Verschwinden" der geheimnissvollen Portugiesin schade der Architektur des Buches, kann ich nicht nachvollziehen. Die Frau ist ein Katalysator, mehr nicht. Sie gibt den Ausschlag für Gregorius' Wegfahren und Ausbrechen. Sie gibt ihm ein Ziel.


    Uhu

    Das Universum, das andere die Bibliothek nennen [...] (J.L. Borges, Die Bibliothek von Babel)

    Einmal editiert, zuletzt von uhu ()

  • Es ist mir ein "Hauch" von etwas zu viel - Pessoa in diesem Buch. Ab Seite hundert begann mich das Werkchen dann zu Ermüden, es wirkte dann alles zu konstruiert, zu gewollt. Mir kam es so vor, als ob der Autor mit diesem (Kriminal?) Roman Pessoa Huldigen wollte und somit die Blüten seiner Erkentnisse dem Leser, nun sagen wie einmal - "prosaisch Zuführen" wollte, in manchmal seltsam "Pessoanisch" philosophischen Ansichten, die nicht unbedingt uninteressant sind, aber die man doch eigentlich selbst...
    Ich las das Buch nicht zu ende.

  • Ich habe mich im Forum schon zu Pascal Mercier/Peter Bieri geäußert (im Zusammenhang mit der Debatte um Umberto Eco, den ich weitaus mehr schätze). Mercier/Bieri ist für mich sowohl ein überschätzter Schriftsteller als auch ein überschätzter Philosoph. Seine Belletristik ist philosophisch überfrachtet, ohne dadurch an Tiefe zu gewinnen, seine philosophischen Bücher ("Das Handwerk der Freiheit") zielen auf eine populärwissenschaftlich interessierte Leserschaft. Auf beiden Gebieten vermag er nicht zu überzeugen. Zu seinen literarischen Vorbildern gehört Iris Murdoch, die in ihren Romanen ebenfalls Literatur und Philosophie auf nicht eben sehr geglückte Weise, aber doch sehr viel besser als Mercier, vermischt hat. Am besten gefällt mir noch sein Roman "Perlmanns Schweigen", er ist originell, witzig und spannend. Die anderen Bücher hätte er sich ruhig sparen können. Seine Sprache ist hölzern, seine Dialoge verkrampft, ihm fehlen Erzählfluß und Atem.
    Jetzt zu der Frage, warum mir "Nachtzug nach Lissabon" nicht gefällt. Hierzu eine kleine Demonstration, ein Experiment. Man nehme die bei btb erschienene Taschenbuchausgabe zur Hand und schlage eine beliebige Seite im ersten Drittel des Buches auf: "Er spürte wie enttäuscht er wäre und wie mutlos er würde, wenn er dem melancholischen Mann, der die portugiesische Sprache neu hatte setzen wollen, weil sie in der alten Form so abgegriffen war, nicht mehr begegnen könnte." (S.88)
    Jetzt eine zufällige Stelle in der Mitte: "Ich war überwältigt und rieb mir in der Anfangszeit jeden Morgen die Augen." (S.258)
    Nun noch eine im letzten Drittel: "Nichts mehr vom früheren Quecksilber in seinen Adern, nichts mehr von seiner Kühnheit. Seine Lebensglut war erloschen. Er sprach davon, dass er das Leben ganz neu lernen müsse." (S.400)
    So, das sollte eigentlich reichen, ich habe nicht geschummelt. Ihr könnt das Experiment ja wiederholen. Man kann auch nichts auf die Übersetzung schieben. Hier kann einer selbst nicht schreiben. Trotzdem Hymnen in "Der Spiegel", "Die Welt", "Der Zeit". Wie ist das zu erklären? Können die alle nicht lesen? Ich vermute, die deutsche Presse will einfach nicht akzeptieren, wie schlecht es um die deutschsprachige Gegenwartsliteratur bestellt ist, darum wird auf Teufel komm raus alles gelobt, was auf Deutsch erscheint. Nach dem Motto: Ich behaupte, was ich mir wünsche. Damit tut man weder den Autoren noch den Lesern einen Gefallen.
    Viele Grüße
    Die Leserin


  • Ich vermute, die deutsche Presse will einfach nicht akzeptieren, wie schlecht es um die deutschsprachige Gegenwartsliteratur bestellt ist, darum wird auf Teufel komm raus alles gelobt, was auf Deutsch erscheint.


    Liebe Leserin,


    ich glaube, dass Du den Nagel auf den Kopf triffst! Eventuell muss man Deine Aussage erweitern auf große Teile der europäischen Gegenwartsliteratur, aber deshalb sind wir ja auch hier im Klassikerforum versammelt, gell?


    Liebe Grüße


    Sir Thomas

  • Hallo!


    Na, ich weiß nicht, ob die deutschsprachige Gegenwartsliteratur so schlecht ist?! Die "Lobhudeleien" sind aber in der Tat teilweise nicht verständlich!


    Mir fallen durchaus einige interessante Schriftsteller ein; Hilsenrath, Markus Werner, Uwe Timm, wobei letzterer durch Schwächeperioden hatte!


    Zu Pascal Mercier.


    Ich habe teilweise die Diskussion im Internet, in der Presse über dieses Buch verfolgt. Freunde berichteten mir enthusiastisch über dieses Buch.
    Ich tue mich aber sehr schwer, Argumente zu finden, dieses Buch überhaupt zu lesen! :rollen:


    Wo also liegt eigentlich der Reiz an diesem Buch? Oder ist es vielleicht dass, was man neudeutsch "hype" nennt?
    Bin ziemlich ratlos!


    Gruß
    josmar

  • Hallo Josmar


    Ich habe das Buch aus dem Bücherstapel meiner Frau gezogen, also nicht wegen der "hype" gelesen. Das beste Argument dafür, ein Buch zu lesen, ist für mich die Tatsache, dass ich es noch nicht gelesen habe. Argumente dagegen finde ich allenfalls nachher.


    Leider sagt Dein Profil nichts über Dein Alter aus. Hier nur so viel: meine Frau wollte das Buch auch unseren Töchtern empfehlen. "Tu das nicht!" hab ich ihr geraten. Das Buch ist m.E. eindeutig für Leute jenseits der 40. Da hat es durchaus seinen Reiz. Wär ja hin und wieder ganz schön, selbst mal in den Nachtzug nach Lissabon zu steigen.


    Uhu

    Das Universum, das andere die Bibliothek nennen [...] (J.L. Borges, Die Bibliothek von Babel)