Wieso soll Faulkner denn ein verwahrloster Klassiker sein? Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand der sich für Literatur interessiert, ihn nicht kennt und bewundert. Und noch eine andere Frage, die mich beschäftigt: Weshalb muss es eigentlich alle 8-10 Jahre Neuübersetzungen fremdsprachiger Klassiker geben? Ich verstehe ja, dass Übersetzer auch Geld verdienen und ihre Kunst unter Beweis stellen wollen, aber Goethe, Hölderlin & Co können wir uns schließlich auch nicht alle paar Jahre neu übersetzen lassen. Warum soll beispielsweise einer der vielen heutigen Shakespeare-Übersetzer näher an seine Sprache herankommen, als Schlegel/Tieck es konnten? Vor kurzem habe ich z. B. einige ältere und neuere Bronte - und Virginia Woolf -Übersetzungen miteinander verglichen und keine qualitativen Quantensprünge entdecken können. Abgesehen davon, dass nichts besser ist als das Original (obwohl es auch da Ausnahmen geben kann), sehe ich nicht ein, warum ein heutiger Übersetzer mehr von z.B Faulkner verstehen soll als einer seiner Zeitgenossen. (An meiner Diogenes -Faulkner- Ausgabe gibt es gar nichts auszusetzen). Ich weiss natürlich, wieviel von einer guten Übersetzung abhängt, aber müssen deswegen ständig neue produziert werden? Sicher verändert sich unsere Sprache ständig, das macht ihren lebendigen Prozess aus. Darum haben es viele ältere Bücher (sofern sie nicht zeitlos sind, sondern sich am Zeitgeist orientiert haben) auch so schwer, Leser zu finden, sie sind heute nur noch von historisch-musealem Interesse. Übersetzungen sollen und müssen Zugänge schaffen, doch inwieweit verzerren moderne Übersetzungen nicht auch den Blick auf klassische Texte? Es interessiert mich, eure Meinung dazu zu erfahren.
Grüße von der Leserin