Hallo zusammen!
Ich habe nun dieses Buch in der neuesten Ausgabe (Amman/Fischer) gelesen. Isenschmid nennt es in der Verlagswerbung ein Jahrhundertbuch, und ich muss ihm recht geben.
Pessoa, der für seine verschiedenen Textsorten verschiedene Schriftsteller-Ichs ausgesucht hat, hat für das Buch der Unruhe den Hilfsbuchhalter Bernardo Soares auserkoren. Soares schreibt tagebuchartige Sequenzen, meist sehr kurze. Es ist tatsächlich ein sehr unruhiges und unsystematisches Sinnieren über die Welt, den Menschen, die Liebe und viele andere Phänomene. Das Wetter (Regen, Sonnenschein und vor allem Gewitterausbrüche) spielt immer wieder in Soares' Gedankenwelt hinein. Ausser ein paar Personen an Soares' Arbeitsplatz kommen praktisch keine Menschen vor, v.a. keine Frauen. Oder die dann nur als Konstrukte, Phantasmen. Soares ist ein Einzelgänger in der Grossstadt Lissabon - ein lebender Toter, wie er sich selber nennt.
Immer wieder versucht Soares in seinen Aufzeichnungen, Unbeschreibliches zu beschreiben, indem er Paradoxa auf Paradoxa häuft, und letztlich nur Wittgenstein bestätigt: "Worüber man nicht sprechen kann, darüber soll man schweigen." Soares schweigt, dies aber äusserst beredt.
Ein Jahrhundertbuch? Ja. Es gehört in die Klasse des Ulysses, der Recherche du temps perdu, des Gehülfen - hat von allen etwas und ist doch völlig eigenständig.