Januar 2003: Thomas Wolfe: Schau heimwärts, Engel!

  • Hallo zusammen


    dann eröffne ich mal die Leserunde. Sehr weit bin ich noch nicht, aber durch Steffi habe ich gelernt, dem Titel mehr meine Aufmerksamkeit zu widmen. Wie findet ihr den Untertitel dazu:


    "Schau heimwärts, Engel! - Eine Geschichte vom begrabenen Leben"


    viel kann man ja noch nicht sagen. Aber irgendwie steckt doch hier ein Widerspruch begraben, oder was meint ihr?


    Bei "Schau heimwärts" denke ich an Sehnsucht an zu Hause, Heimweh, evtl. noch Geborgenheit(?)


    aber dann "die Geschichte vom begrabenen Leben" - das ist traurig, sinnlos(?).


    Viele Grüße
    Maria


    EDIT Sandhofer: Topic verschoben und Titel geändert.

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo JMaria !


    Danke, aber sooo wichtig sind die Titel meist doch nicht :breitgrins:


    Zitat

    Aber irgendwie steckt doch hier ein Widerspruch begraben, oder was meint ihr?


    Genau das ist mir auch gleich aufgefallen - vielleicht kann ich mir deshalb den Titel nicht merken. Eigentlich sagt man doch: "schau vorwärts" (look forward = sich auf etwas freuen); deshalb klingt für mich der Titel etwas melancholisch. Schaut er sehnsuchtsvoll heimwärts oder wendet er sich eher ab. Vielleicht ist der Titel auch als Antwort zu verstehen: wenn man etwas über sich selbst wissen will, muß man heimwärts schauen ?


    Mit dem Engel kann ich noch nichts anfangen, eine Person oder allgemein für alle Leser oder meint er tatsächlich Engel ?


    Er scheint aber doch nicht so ganz glücklich gewesen zu sein und konnte wohl erst durch den Abstand zu seinem Leben finden und sich "ausgraben".


    Komisch, wie man schon über ein Buch nachdenken kann, obwohl man noch nicht mal zu lesen angefangen hat.


    Gruß von Steffi

  • Hallo,
    Ich will versuchen mitzulesen. Ihr lest ja verhältnismäßig langsam. Mein Thomas Wolfe (Volk & Welt von 1981) müsste unterwegs ein (booklooker)


    Da ich deutschen Titeln nicht trau, habe ich mir den englischen herausgesucht:
    Look Homeward, Angel, A Story of the Buried Life


    Da es eine Lebensgeschichte ist (musste mich vorher ja etwas über dein Inhalt informieren um zu wissen, auf was ich mich einlasse), machte auch der deutsche Titel Sinn.


    Schau heimwärts, Engel:


    Heimwärts schauen muß nicht rückgewandt, sondern kann auch vorwärts schauen sein, je nach dem wo die Daheim ist. Nach einer langen Reise kommt man Heim.


    Ein Engel, der gen Himmel schaut, schaut heimwärts


    Himmel ist für Menschen auch ein Synonym für das Sein vor und nach dem Leben.


    {B]Eine Geschichte vom begrabnen Leben[/B]


    Die Geschichte eines Lebens kann erst dann erzählt werden, wenn das Leben beendet (begraben) ist.



    Der Titel könnte dann den Punkt darstellen, an dem etwas endet und etwas neues beginnt. Der Engel schaut dahin woher er kam und lässt die Reise (Leben) noch mal vorüberziehen. Trauer, das etwas endet, Freude auf das Neue/Alte - die Heimkehr


    Nach den Definitionen von BURY (lt. Intenet foreignword.com)


    bury [ ber ] (vt: person, animal, possessions, differences) begraben;
    (with ceremony also) beerdigen, bestatten;
    (hide in earth: treasure, bones) vergraben;
    (put in earth: end of post, roots) eingraben;
    where is he buried?, wo liegt {or} ist er begraben?;
    (in cemetery also) wo liegt er?;
    to ~ sb at sea, jdn auf See bestatten, jdm ein Seemannsgrab geben;
    he is dead and buried, er ist schon lange tot;
    that's all dead and buried, das ist schon lange passé ;
    she has buried three husbands, sie hat schon drei Männer begraben;
    buried by an avalanche, von einer Lawine verschüttet {or} begraben;
    to be buried in work, bis zum Hals in Arbeit stecken;
    to ~ one's head in the sand, den Kopf in den Sand stecken;
    (conceal: one's face) verbergen;
    to ~ one's face in one's hands, das Gesicht in den Händen vergraben;
    to ~ oneself under the blankets/(away) in the country, sich unter den Decken/auf dem Land vergraben;
    a village buried in the heart of the country, ein im Landesinnern versteckt gelegenes Dorf;
    (put, plunge: hands, fingers) vergraben ({in} in +dat);
    (claws, teeth) schlagen ({in} in +acc);
    (dagger) stoßen ({in} in +acc);
    (engross) to ~ oneself in one's books, sich in seinen Büchern vergraben.


    Könnte „begraben“ aber auch „versteckt“ heißen. Das Leben hinter einer Fassade. Der Engel, der sich in einem Menschen versteckt.


    Langsam werde ich richtig neugierig-hippelig auf den Roman.


    LG Dyke

  • Hallo zusammen


    Der Titel ist vieldeutig, zumal wir die Geschichte dazu noch gar nicht kennen.
    Ihr dürft mich auslachen, aber ich komme einfach nicht hinter den Sinn des zweiten Satzes des Buches!
    "Eines aber, das von Epsom in den Quäkerstaat und von dort in das Gebirge führt, das Altamont über dem stolzen, korallenroten Hahnenschrei und dem sanften, steinernen Lächeln eines Engels umragt, dunkelt vom Wunder jenes Waltens, das die staubige Welt neu verzaubert."
    Dunkelt hier ein Schicksal? Und wenn ja, von welchem Walten? Hinter dem korallenroten Hanenschrei steht ein besonders dickes Fragezeichen bei mir!


    Gruß
    Rainer

  • Hallo Rainer,


    das ist die Originaleinleitung des Romans:


    A destiny that leads the English to the Dutch is strange enough; but one that leads from Epsom into Pennsylvania, and thence into the hills that shut in Altamont over the proud coral cry of the cock, and the soft stone smile of an angel, is touched by that dark miracle of chance which makes new magic in a dusty world.


    Ich hätte es so übersetzt:
    Ein Schicksal, dass einen Engländer und Holländer zusammenführt ist seltsam genug, aber eines, das von Epsom nach Pennsylvania führt und dort in die Hügel, die in Altamont den stolzen korallenroten Schrei des Wetterhahns und das sanfte steinerne Lächeln eines Engels umschließen, ist berührt von dem dunklen Wunder des Zufalls, das die staubige Welt neu verzaubert.


    Wobei ich mit dem korallenroten Schrei des (Wetter-)Hahns auch noch nicht ganz klar komme. Aber vielleicht bringt der Roman im weiteren Verlauf etwas mehr Licht in diesen Begriff.


    LG Dyke – seit einer Stunde auch stolzer Besitzer des Romans. Was für ein Wälzer, über 600 Seiten. Hätte ich das nur vorher gewusst *gg*

  • Hallo Dyke


    Deine Übersetzung erschließt mir den Satz schon viel besser. Hab´ Dank dafür.
    Man sollte sich nicht an einem einzelnen Satz aufhängen, aber es wurmte mich doch ein wenig.


    Gruß
    Rainer

  • Hallo zusammen !


    Dyke: liest du auch die Originalversion ? Nachdem ich verglichen hatte, fand ich die deutsche Übersetzung nicht so toll, gerade in diesen "abstrakten" Passagen - deine Übersetzung wird dem Stil viel gerechter !!!


    Der Vogel von Pennsylvania (state bird) ist ein "ruffed grouse", dürfte eine Art wilder Truthahn sein: korallenroter Kopf :rollen:


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen


    Dyke: danke schön für deine Begriffserklärung und für die verständlichere Übersetzung. Mir ging es wie Rainer, einige Sätze mußte ich mehrmals lesen.


    Sehr weit bin ich noch nicht (S. 17), da ich erst am Wochenende so richtig zum Lesen komme. Ein Engel taucht aber bereits auf diesen ersten Seiten auf, nämlich ein Engel den Oliver Gant machen wollte, es ihm aber nicht gelang. Sogar eine Lehre hat er deswegen bei dem Steinmetz angefangen, doch...


    Er erreichte es nie. Er lernte nie, das Haupt eines Engels aus Stein zu hauen. Taube, Lamm, die glatten, gefalteten, marmornen Hände des Todes, schöne, feine Buchstaben - aber den Engel nicht.


    Bis dann
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Dyke: Auch von mir herzlichen Dank! Da sieht man wie wichtig die Arbeit des Übersetzers ist. :zwinker:


    Maria: Ja, der Engel wird uns anscheinend als Symbol durch das ganze Buch begleiten. Vor seiner Werkstatt stellt Gant auch einen geziert lächelnden Engel. (S. 46)


    Ich habe jetzt etwa 50 Seiten gelesen u. das Buch gefällt mir immer besser. Der Mann kann das Leben schildern, kann Gefühle wiedergeben, kann aber auch ironisch sein u. vergisst nicht, mich ab und zu auch schmunzeln zu lassen. Eine sehr angenehme Mischung finde ich.


    Ich bin gerade dabei, die Welt mit den Augen von Klein-Eugene zu erkunden. Köstlich!


    Wie ging es euch denn mit der Auffrischung des geschichtlichen Gedächtnisses auf S. 45 – S.46. Am Ende der Schilderung hatte ich meinen Höhepunkt an Frustration erreicht u. fragte mich, ob er mir jetzt etwas beweisen will. Und dann kommt wie ein Hammer die Erlösung:


    Schließlich waren vor nur dreißig oder vierzig Millionen Jahren unsere ältesten Ahnen aus dem Urschleim gekrochen , und da sie zweifelsohne den Wechsel unangenehm empfanden, waren sie wieder in ihm zurückgekehrt. (S. 46) :breitgrins:




    Und weiter geht’s. Viel Spaß weiterhin wünscht Euch :winken:
    Dana

  • Hallo Dana


    Ich bin auch ungefähr so weit wie Du. Mir gefällt dieser kraftvolle Erzählstil. Anfangs empfand ich das Buch als sehr düster. Die Schilderung einer Ehehölle zwischen Zwei, die nie hätten heiraten dürfen und sich jetzt das Leben schwer machen. Oliver ein Genußmensch, Eliza schon von Jugend an Materialistin. Anstatt Abscheu empfinde ich aber für Oliver eher Mitleid.


    Zitat

    Der Mann kann das Leben schildern, kann Gefühle wiedergeben, kann aber auch ironisch sein u. vergisst nicht, mich ab und zu auch schmunzeln zu lassen. Eine sehr angenehme Mischung finde ich.


    Finde ich auch. Schmunzeln mußte ich vor allem bei der Geburt Eugenes. Das war, wie wenn an einem trüben Regentag plötzlich die Sonne durchbricht :smile:


    Zitat

    Wie ging es euch denn mit der Auffrischung des geschichtlichen Gedächtnisses auf S. 45 – S.46. Am Ende der Schilderung hatte ich meinen Höhepunkt an Frustration erreicht u. fragte mich, ob er mir jetzt etwas beweisen will.


    Soviel ich weiß, ist der Roman sehr autobiographisch und deshalb habe ich diese Aufzählung geschichtlicher Ereignisse in Zusammenhang mit seiner Geburt als Selbsironie gewertet. Wolfe bezeichnet Eugene auch als "Glückskind" und "erlauchtes Wesen". Ob er jedoch in dieser Familie in die er hineingeboren worden ist glücklich wird? Ob der Tritt mit dem Pferdehuf erst der Anfang aller Tritte und Schicksalsschläge war? Ich bin jedenfalls auch gespannt, wie es mit diesem Bürschchen weitergeht.


    Ich komme zum 5. Kapitel.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen
    bin auch ungefähr soweit wie ihr und habe die Welt mit Klein-Eugenes' Augen zuerst befremdlich gelesen, dann aber hat es mich doch amüsiert. Sehr humorvoll geschrieben und aus seiner Sicht lernt man auch einige Geschwister besser kennen, wie z.B. Daisy, die ihn heftig beim Baden rubbelt.


    Das Ehepaar Gant führt m.E. eine furchtbare Ehe, ich weiß nicht wer mir mehr leid tut, sie passen so garnicht zueinander.


    Rührend wie beschrieben wurde wie Oliver Gant Blumenbeete angelegt hat und Bäume pflanzt und alles wuchs und gedieh. Die Beschreibung dieses Wuchses in all den Jahren kam mir vor wie in einem Zeitraffer - plötzlich war die Zeit vergangen. Das fand ich sehr schön.


    Mir scheint Oliver Gant hat einen grünen Daumen. Apropo Daumen - warum leckt er immer seinen Daumen? Hab ich etwas überlesen? Ich hab nochmals zurückgeblättert, zum ersten Mal macht er das als Eliza in seine Werkstatt kam und ihm die Buchbände verkauft hat. Dann taucht diese Angewohnheit in den bisher von mir gelesenen 60 Seiten regelmäßig auf.


    Ist vermutlich nicht wichtig, nur auffallend.


    Der Geschichtsrückblick fand ich echt humorvoll, wie er alles ineinander gewoben hat. :)


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo !


    Ja, die Schilderungen sind bisher sehr intensiv !


    JMaria schrieb:

    Zitat


    Das Ehepaar Gant führt m.E. eine furchtbare Ehe, ich weiß nicht wer mir mehr leid tut, sie passen so garnicht zueinander.


    Aber sie ergänzen sich doch wunderbar - der Vater ganz Emotionen und Gefühl und auch sehr impulsiv, die Mutter materialistisch und berechnend.
    Eigentlich sind die "typischen männlichen und weiblichen Eigenschaften" vertauscht. Leider sieht der Eine nur die Schwäche des Anderen ...


    Sehr bedrückend war für mich, wie tief er in die innerste Seele der beschriebenen Menschen blickt, also ich wollte nicht so in meine Mitmenschen eintauchen ! Wie verzweifelt der Vater ist, der so gar nicht in der Welt zurechtkommt, der sich ja irgendwie ein kindliches Gemüt bewahrt hat und wie kalt und abweisend die Mutter.


    Ich finde, da gibt Thomas Wolfe sehr viel von sich und seiner Familie preis, sehr mutig ! Stellt euch vor, eure Kinder würden später mal so etwas schreiben ...


    Ganz wunderbar auch, wie Wolfe es schafft, mit ein paar Worten die ganze Atmosphäre zu beschreiben.


    JMaria: das mit dem Daumen ist mir auch aufgefallen, verstehe ich auch nicht.


    Verblüffend auch, wie er die Gefühle von Klein-Eugene beschreibt: nichts kindliches, intellektuell versteht er schon alles, er kann sich nur nicht ausdrücken (und dann auch noch tagelang muhen :breitgrins: ). Aus der persönlichen Sicht ist das sehr einleuchtend, denn in den Erinnerungen verstehen wir ja eigentlich auch alles, oder ? Allerdings gehen meine Kindheitserinnerungen nicht bis ins 1. Lebensjahr zurück !!


    Gruß von
    Steffi

  • @MARIA/STEFFI: Das Daumenlecken kann auch ein Überbleibsel aus seiner Kindheit sein, ein äußeres Zeichen seines kindlichen Gemüts wie du so schön gesagt hast, Steffi.


    Ja, die Ehe ist einer Katastrophe, in unserer Zeit würde man dem Elend ein Ende setzen können. Und doch glaube ich, dass sie auch die Eigenschaften des Anderen, nicht nur die Schwächen bemerken. Das ist eher ein Gefühl, das für mich rüber kommt ...


    Ich bin jetzt dabei, mit Eugene in die Schule zu gehen :smile:


    LG,
    Dana

  • Hallo zusammen,
    möcht´ noch mal kurz zu den geschichtlichen Aufzählungen.
    Sollen diese zahlreichen Aufzählungen vielleicht eine Bekräftigung einer Kritik sein? Eine Kritik an Überspanntheit und Wirrniss dieser ersten Jahre des 20. Jahrhunderts, die ihren Höhepunkt im WK I. fanden?
    "Die großen Männer der viktorianischen Epoche waren fast alle schon tot, als das Bombardement begann."
    Weiter hinten (S. 96) gibt es nochmal eine Aufzählung. Eine Aufzählung von Gerüchen und Düften über zwei Seiten. Da empfand ich das Ende tatsächlich als "Erlösung"- wie Dana sich ausdrückte.
    Fange jetzt mit dem zweiten Buch an. Kapitel 14.
    Gruß
    Rainer

  • Hallo,
    ich Leseschnecke will mal kurz meine Zusammenfassung der ersten vier Kapitel abgeben.
    Gilbert Gant, der Mann mit dem obskuren, leidenschaftlichen Hunger nach Reisen
    Einer seiner Söhne: Oliver Gant, der plötzlich sah, das eine Kette von Zufällen sein Leben bestimmt hatten. Er will nur noch Ruhe, alleine sein, er lebt nur noch für seinen Tod. Ein Misanthrop??
    Oliver lernt Eliza Pentland, Tochter einer bodenständigen Familie, kennen. Ihre gerade direkte Art fasziniert ihn. Aber Besitz über das unbedingt notwendige hinaus verachtet er, sie dagegen kennt nur eins: Besitz vermehren.
    Als Oliver erkennt, dass dieses Leben voller Bindungen nicht seines ist, fällt er in seine alte Rolle, des manisch-trunksüchtigen Wütenden, zurück.
    Eliza sieht den Unterschied zwischen ihnen beiden, aber baut, darauf, den liebenswerten, das Leben liebende Oliver auszugraben.
    Die typische Konstellation eines Alkoholabhängigen und seines Ko-Abhängigen. Beide leiden unter sich und dem anderen und können doch nicht von einander lassen.
    Dahinein wird nun Eugene Gant geboren, das Wesen auf das die ganze Weltgeschichte, seit der Mensch aus dem Schlamm kroch hinzielt. Dass er etwas besonders ist, zeigt er gleich durch sein Wahrnehmung seiner Umgebung und seinem Wunsch sie zu verstehen und zu beeinflussen.


    Bisher zu Eugenes Geburt, war mir der Text zu metaphysisch, zu dichterisch. Mag auch an der Übersetzung liegen, wie der erste Satz zeigte. Erst ab Eugenes Auftreten wird es etwas leichter, flüssiger und macht mir mehr Spaß.


    @Silke
    Ich lese das Buch in Deutsch, Englisch würde mich zu sehr anstrengen, auch wenn ich nur ein Kapitel pro Tag lese (heute kommt Nr. 5 dran).


    Zum Daumen ablegen schwirrt mir im Kopf herm, dass es möglicherweise etwas mit Handwerk zu tun hat. Irgendwo habe ich in diesem Zusammenhang schon davon gelesen/gehört, kann ihm aber noch keinen Sinn geben.


    LG Dyke

  • Hallo Leute


    Ich weis nicht, wie ich´s anders ausdrücken soll, deshalb mit Dyke´s Worten: Metaphysische, dichterische Passagen lösen sich mit flüssig lesbaren Passagen ab.
    In eben diesen dichterischen Passagen frage ich mich oft, was der Autor mir damit sagen will. Anstrengend!
    Anfags Kapitel 15 treffen wir wieder auf so eine Stelle die sich über 4 Seiten zieht. Leseprobe:
    Ich bin- dachte er- ein Teil von allem, was ich berührte, was mich berührt hat. Und das Erlebte hat keinen Sinn, außer dem, den ich ihm gewährte. Es wurde verwandelt und vermischte sich mit dem, was ich damals war, und ist jetzt wieder etwas anderes geworden, mit dem verschmolzen, was ich nun bin. Dieses Was-ich-nun-bin aber ist wieder nur eine Anhäufung dessen, was ich zu werden im Begriff war. Warum hier, warum da? Warum dann, warum jetzt?


    Rainer

  • Hallo Rainer u. alle anderen,


    ja, ich ertappe mich auch manchmal dabei, wie meine Gedanken ausschweifen, vor allem bei solchen Abschnitten.
    Ich weiß auch nicht, normalerweise mag ich so was, es hat wahrscheinlich mit dem Umfang etwas zu tun. Ähnlich ging es mir bei der von dir vorher erwähnten Stelle, in der die Gerüche aufgezählt wurden. Ich habe irgendwie erwartet, dabei etwas zu *spüren*. Aber nein ... Oder ist das die Übersetzung, STEFFI??


    Und noch ein Problem habe ich mit dem Buch: keine der Personen ist mir nahe gekommen, keine interessiert mich besonders, motiviert mich richtig zum Weiterlesen. Alles bleibt irgendwie im Bereich des *Gehirns*. Das war jetzt ungeschickt ausgedrückt, ich hoffe, ihr versteht was ich meine.


    Und weiter geht's zum zweiten Buch.


    Schöne Grüße
    Dana

  • Hallo zusammen


    Die Abschweifungen stören mich nicht sehr, was mich dann meist aufrüttelt ist, daß auffallend oft, ein ganz leidenschaftlicher Ausbruch folgt, in Form eines kurzen Abschlußsatzes und ich mich dann auch irgendwie traurig fühle. Diese Eigenart des Erzählens hat eine Wirkung auf mich die ich schwer einordnen kann.


    Beispiele für diese kurze Bemerkungen sind :


    S. 25
    Wie einer, der in Polarnacht untergeht, dachte er an die üppigen Wiesen seiner Jugend: die Maisfelder, den Pflauemnbaum, das reife Korn.
    Warum hier? O Verloren!
    .....
    S. 29
    Furcht und wortloses Mitleid packten sie, wenn sie manchmal beobachtet, wie seine kleinen unruhigen Augen still und dunkel wurden vom sinnlos-gierigen Hunger, der alten Qual. O verloren!.
    ....
    S. 48
    ...daß wir nie die eisernen Gefängnismauern des Seins durchbrechen können, gleichviel, wessen Ar uns umfängt, wessen Mund uns küßt, wessen Herz uns erwärmt. Nie, nie, nie, nie, nie.
    ....
    S. 70
    O verlorener und vom Wind betrauerter Geist, kehre zurück!
    ....
    S- 72
    ..Der Sarg war bereits inder guten Stube aufgebahrt. Die Nachbarn, mit Beerdigungsgesichtern, waren versammelt und grüßten flüsternd.
    Das war alles.


    Es gab noch ein paar so Beispiele, ich hab nur eine kleine Auswahl rausgesucht.


    Die Essgewohnheiten der Gants' machen einen hungrig ;-)
    Was die zum Frühstück, Mittag, Abend auftischen ist ja erstaunlich.


    Sehr schön fand ich die Annäherung der Familie, verursacht durch den Typhustod von Groover. Auch wenn diese Annäherung typisch auf Gant'scher Weise geschieht, sehr laut und auch sehr scheu.


    Mr. Gant kommt nun von seiner Kalifornienreise zurück. Es wurde bereits erwähnt, daß Oliver Gant krank ist, bzw. dass in ihm eine Krankheit schleicht.


    Ich bin leider erst auf S. 90, da einige Arzttermine mich zur Zeit vom lesen abhalten.


    Aber ich bleibe dran :)


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo liebe Mitleser,


    Es ist unglaublich wie meine Begeisterung bei diesem Buch schwankt! Das 14. Kapitel, in dem er den Einbruch des Tages in A. beschreibt fand ich großartig. Die Idee, wie mit einer Kamera, unterschiedliche Häuser / Straßen zu durchstreifen um uns flüchtige Blicke überall zu ermöglichen, die wir zu einem Ganzen zusammenstellen dürfen fand ich Klasse. Und wie sich dieser Blick dreht u. wendet, um letzten Endes im Mittelpunkt der Geschichte zu landen: bei Eugene.


    JMaria: der Engel begleitet jetzt Ben *verwirrt*


    Rainer: guck mal was ich unter einem Link bei der Lesechronik gefunden habe:


    Wenn man die verschlungenen, schwer fassbaren Sätze des kleinwüchsigen William Faulkner mit jenen Wolfes` (um nur mal einen Antipoden zu nennen) vergleicht, kann es nur auffallen, dass die Physis eines Schriftstellers durchaus mit seiner Art zu schreiben zu tun hat. Faulkner versteckt sich fast hinter seinen Satzmauern, der Riese Wolfe reißt Fenster um Fenster seines innersten Seelenzustandes auf und zeigt, gibt, bis an die Grenze des Exhibitionismus.


    (Der Riese Wolfe war 2 m lang :breitgrins: )


    Liebe eilige Grüße
    Eure Dana, die jetzt Kapitel 16 genießt

  • Hallo zusammen


    @ JMaria: Ich bin auch noch nicht viel weiter. Leider kann ich die Geschichte auch nur in kleinen Häppchen genießen. Damit wird man dem Buch allerdings keineswegs gerecht. Dieser epische Erzählstil würde viel mehr danach verlangen, lange Strecken dabeizubleiben um richtig in dieses Kleinstadtmilieu einzutauchen. Vielleicht schaffe ich das ja über´s Wochenende mal.


    Diese "metaphysischen, dichterischen" Passagen stören mich auch nicht. Im Gegenteil sogar. Ich bewundere Thomas Wolfe für diese Satzgebilde, obwohl ich oft nicht alles verstehe.


    Dana schrieb:

    Zitat

    Und noch ein Problem habe ich mit dem Buch: keine der Personen ist mir nahe gekommen, keine interessiert mich besonders, motiviert mich richtig zum Weiterlesen.


    Diese Distanz zu den Personen ist mir auch aufgefallen. Interessieren würden sie mich schon, aber Thomas Wolfe läßt mich gar nicht so dicht herankommen. Nicht mal zu seiner Hauptfigur Eugene. Ich glaube daher, daß es Wolfe eher um die Schilderung des Kleinstadtlebens im Amerika Anfang des 20. Jahrhunderts ging. Denn das gelingt ihm großartig.


    Ich habe eine Ausgabe des Bertelsmann-Clubs, die dort mal in einer "Jahrhundert-Edition" erschien. Beigelegt ist eine kleine Fibel mit einer Kurzbiographie und vielen Fotos aus Thomas Wolfes Leben. Darunter auch die Aufnahme eines Kindes in einert Art Matrosenanzug mit gefalteten Händen sitzend und merwürdig glocktem, in der Mitte gescheiteltem Haar. Bisher vermutete ich, daß es sich um ein Mädchenbild, vielleicht von einer von Wolfes Schwestern handelt. Aber des Rätsels Lösung steht im Roman im 8. Kapitel:
    Eliza hatte sein Haar lang wachsen lassen und wickelte es jeden Morgen um die Finger zu dicken Lord Fauntleroy-Locken. Die schrecklichen Qualen und Demütigungen, die er wegen dieser Locken ausstand, konnte oder wollte sie nicht verstehen, und mit spitzbübiger Ruhe widerstand sie hartnäckig allen Bitten, diese abschneiden zu lassen.
    Ein Kindheitsbild von Thomas Wolfe also. Seine Mutter muß wirklich einen merkwürdigen Frisuren-Geschmack gehabt haben. Wie man sein Kind nur so verunstalten kann! Der Ärmste!


    Ich komme nun zum 10. Kapitel.


    Schöne Grüße
    ikarus


    Hab´s jetzt doch noch geschafft. Hier das Bild von Thomas Wolfe mit Locken:


    [Blockierte Grafik: http://library.uncwil.edu/wolfe/curls.jpg]

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

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