Oliver Goldsmith, The Vicar of Wakefield (1766)

  • Sehr geehrte Damen und Herren :wink:,


    zur Leserunde schlage ich hiermit vor:


    Oliver Goldsmith, The Vicar of Wakefield (1766)


    Ich bin zwar nur selten der Ansicht, dass ich ein Buch gelesen haben muss.
    Aber in dem Falle gilt es mal.
    Ich häng ja bei meinen Lektüren seit langer Zeit und zu großem Teil in der Ecke so 1750 bis 1850.


    Der „Vicar“ war einer der ganz großen Romanbestseller des 18. Jahrhunderts. Er hatte auf zeitgenössische und spätere Autoren eine große Wirkung.
    Ich hab ihn auch in Anmerkungen und Sekundärliteratur immer wieder erwähnt gefunden und Goldsmith, ein sehr produktiver Autor, war im literarischen Leben seiner Zeit bekannt, gelobt, belästert.


    Ich hatte den Roman schon mal gelesen. Irgendwann in den 80ern. Mein damals gefälltes Urteil („... langweilig, warum nur ist das so berühmt ... “) möchte ich gern überprüfen.


    Zur Bekanntheit des Buches:
    da ist die Menge der Ausgaben bzw. deutschen Übersetzungen schon ein gewisser Gradmesser. Letzte Woche ergab eine oberflächliche Recherche in der Deutschen Bibliothek 35 Treffer. Wie viele verschiedene Übersetzungen das sind, hab ich nicht geprüft.


    Ich hab letzte Woche eine gekauft:


    Der Landprediger von Wakefield. Eine Erzählung angeblich von ihm selbst verfaßt.
    Motto auf dem Titelblatt: Sperate miseri, cavete felices
    Deutsche Bibliothek in Berlin, ohne Jahresangabe.
    Impressum: Für die Deutsche Bibliothek herausgegeben von Otto Knapp.
    Druck der Spamerschen Buchdruckerei, Leipzig.
    255 Seiten. In Frakturdruck.

    Mit dem E-Text werde ich noch ein wenig vergleichen, ich geh aber davon aus, dass die Übersetzung vollständig ist.


    Was Sekundärliteratur betrifft, so hab ich bisher nur den deutschen und den englischen Wikipedia-Eintrag gelesen. Letzter ist weitaus besser.
    Ich hab Zugang zu einer Encyclopedia Britannica und zu Kindlers Literatur-Lexikon, und was sich sonst noch so ergibt - mal sehn.


    Es interessiert mich, was in diesem Roman Ernst ist, und was Satire. Ist das ein ländliches Idyll, und/oder Sentimental Journey? Warum hatte das Buch eine so große Wirkung?


    Im Vorwort meiner Ausgabe steht folgendes:
    Goethe wurde in Straßburg durch Herder mit ihm bekannt und gibt im zehnten Buch von Dichtung und Wahrheit eine eingehende Würdigung des Werkes, das er einen der besten Romane nennt, die je geschrieben wurden.


    Warum?


    Was einen Termin betrifft, bin ich flexibel. Das lässt sich mal zwischenschieben. Für Zweifelnde, die es überlesen haben – lang ist der Roman nicht. :wink:


    Einen schönen Sonntag wünscht


    Leibgeber

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

    Einmal editiert, zuletzt von sandhofer ()

  • Sollte diese Runde in den Herbst fallen, würde ich sehr gerne mitmachen.
    Ihr lest dann offensichtlich eine Übersetzung. Ich habe den Goldsmith aber bis dato nur in Englisch, in einer undatierten Ausgabe des 19.Jahrhunderts, London:James Hogg&Sons. Würde das dann auch passen oder müßte ich mir eine deutsche Ausgabe besorgen für die Teilnahme?
    Schopenhauer zitiert den Vicar übrigens auch, weiß natürlich nicht mehr wo - wollte aber nicht versäumen etwas, mir bald schon Anhaftendes, erwähnt zu haben :breitgrins:


    Gruß
    g.

  • Ich habe den Goldsmith aber bis dato nur in Englisch, in einer undatierten Ausgabe des 19.Jahrhunderts, London:James Hogg&Sons. Würde das dann auch passen oder müßte ich mir eine deutsche Ausgabe besorgen für die Teilnahme?


    Nö - englisch passt schon. Ich würde mir auch eine englischsprachige Ausgabe besorgen ... :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Schopenhauer zitiert den Vicar übrigens auch, weiß natürlich nicht mehr wo - wollte aber nicht versäumen etwas, mir bald schon Anhaftendes, erwähnt zu haben :breitgrins:


    Klebt das Etikett "Schopenhauer" auf dir? Oder wie ist es gemeint? :wink:


    Das Register meiner Ausgabe (Hrsg. Lütkehaus, Haffmans Verlag) verzeichnet nur eine Stelle: "Parerga und Paralipomena II", § 376, und das ist wirklich hübsch. Der ganze Paragraph, meine ich, er würde sich hier keine Freunde damit machen. :breitgrins:
    Es ist nach wie vor kein kompletter Schopenhauer im Web, soweit ich weiß, und zum Abtippen hab ich keine Lust. Schade.


    Der Kunstgriff 36 der "Kunst, Recht zu behalten", verweist auf den "Vicar", Kap. 7, und was er damit meint, werde ich dann ja sehn.


    Das hier ist ja wohl eine englische Übersetzung der "Aphorismen zur Lebensweisheit", und da erwähnt er Goldsmiths "The Traveller":


    Still to ourselves in every place consign’d
    Our own felicity we make or find.


    Ich finde das aber in der deutschen Ausgabe, jedenfalls so auf die Schnelle, nicht wieder.
    Vielleicht ist das ein anderer Text, denn sonst hätte der sehr gründliche Lütkehaus es ja wohl im Register verzeichnet.
    Oder er hat es doch übersehen, und ich jetzt auch.


    Nach der von mir genannten Stelle, Goethe, Dichtung und Wahrheit, Buch 10, hab ich noch nicht gefahndet.


    Gruß
    Leibgeber

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)


  • Nach der von mir genannten Stelle, Goethe, Dichtung und Wahrheit, Buch 10, hab ich noch nicht gefahndet.


    Bitte schön:


    Zitat

    Nun kam Herder und brachte neben seinen großen Kenntnissen noch manche Hülfsmittel und überdies auch neuere Schriften mit. Unter diesen kündigte er uns den »Landpriester von Wakefield« als ein fürtreffliches Werk an, von dem er uns die deutsche Übersetzung durch selbsteigne Vorlesung bekannt machen wolle.
    [...]
    Ein protestantischer Landgeistlicher ist vielleicht der schönste Gegenstand einer modernen Idylle; er erscheint, wie Melchisedek, als Priester und König in einer Person. An den unschuldigsten Zustand, der sich auf Erden denken läßt, an den des Ackermanns, ist er meistens durch gleiche Beschäftigung, sowie durch gleiche Familienverhältnisse geknüpft; er ist Vater, Hausherr, Landmann und so vollkommen ein Glied der Gemeine. Auf diesem reinen, schönen, irdischen Grunde ruht sein höherer Beruf; ihm ist übergeben, die Menschen ins Leben zu führen, für ihre geistige Erziehung zu sorgen, sie bei allen Hauptepochen ihres Daseins zu segnen, sie zu belehren, zu kräftigen, zu trösten, und, wenn der Trost für die Gegenwart nicht ausreicht, die Hoffnung einer glücklicheren Zukunft heranzurufen und zu verbürgen. Denke man sich einen solchen Mann, mit rein menschlichen Gesinnungen, stark genug, um unter keinen Umständen davon zu weichen, und schon dadurch über die Menge erhaben, von der man Reinheit und Festigkeit nicht erwarten kann; gebe man ihm die zu seinem Amte nötigen Kenntnisse, sowie eine heitere, gleiche Tätigkeit, welche sogar leidenschaftlich ist, indem sie keinen Augenblick versäumt, das Gute zu wirken – und man wird ihn wohl ausgestattet haben. Zugleich aber füge man die nötige Beschränktheit hinzu, daß er nicht allein in einem kleinen Kreise verharren, sondern auch allenfalls in einen kleineren übergehen möge; man verleihe ihm Gutmütigkeit, Versöhnlichkeit, Standhaftigkeit und was sonst noch aus einem entschiedenen Charakter Löbliches hervorspringt, und über dies alles eine heitere Nachgiebigkeit und lächelnde Duldung eigner und fremder Fehler: so hat man das Bild unseres trefflichen Wakefield so ziemlich beisammen.


    Die Darstellung dieses Charakters auf seinem Lebensgange durch Freuden und Leiden, das immer wachsende Interesse der Fabel, durch Verbindung des ganz Natürlichen mit dem Sonderbaren und Seltsamen, macht diesen Roman zu einem der besten, die je geschrieben worden; der noch überdies den großen Vorzug hat, daß er ganz sittlich, ja im reinen Sinne christlich ist, die Belohnung des guten Willens, des Beharrens bei dem Rechten darstellt, das unbedingte Zutrauen auf Gott bestätigt und den endlichen Triumph des Guten über das Böse beglaubigt; und dies alles ohne eine Spur von Frömmelei oder Pedantismus. Vor beiden hatte den Verfasser der hohe Sinn bewahrt, der sich hier durchgängig als Ironie zeigt, wodurch dieses Werkchen uns ebenso weise als liebenswürdig entgegenkommen muß. Der Verfasser, Doktor Goldsmith, hat ohne Frage große Einsicht in die moralische Welt, in ihren Wert und in ihre Gebrechen; aber zugleich mag er nur dankbar anerkennen, daß er ein Engländer ist, und die Vorteile, die ihm sein Land, seine Nation darbietet, hoch anrechnen. Die Familie, mit deren Schilderung er sich beschäftigt, steht auf einer der letzten Stufen des bürgerlichen Behagens, und doch kommt sie mit dem Höchsten in Berührung; ihr enger Kreis, der sich noch mehr verengt, greift, durch den natürlichen und bürgerlichen Lauf der Dinge, in die große Welt mit ein; auf der reichen bewegten Woge des englischen Lebens schwimmt dieser kleine Kahn, und in Wohl und Weh hat er Schaden oder Hülfe von der ungeheueren Flotte zu erwarten, die um ihn hersegelt.


    Ich kann voraussetzen, daß meine Leser dieses Werk kennen und im Gedächtnis haben; wer es zuerst hier nennen hört, sowie der, welcher aufgeregt wird, es wieder zu lesen, beide werden mir danken. Für jene bemerke ich nur im Vorübergehn, daß des Landgeistlichen Hausfrau von der tätigen, guten Art ist, die es sich und den Ihrigen an nichts fehlen läßt, aber auch dafür auf sich und die Ihrigen etwas einbildisch ist. Zwei Töchter, Olivie, schön und mehr nach außen, Sophie, reizend und mehr nach innen gesinnt; einen fleißigen, dem Vater nacheifernden etwas herben Sohn, Moses, will ich zu nennen nicht unterlassen.


  • Klebt das Etikett "Schopenhauer" auf dir?


    Wenn's so wäre, das fände ich prima :klatschen: ...... tatsächlich habe ich aber nur einen Hammer und so wird mir schnell alles zum Nagel - in diesem Sinne der Bezug zu meinen Schopenhauer-Mehrfachnennungen.


    "Dichtung und Wahrheit" lese ich grade, bin aber erst im sechsten Buch. Kurzes Vorblättern ergab, im 10. findet die Begegnung mit Herder statt und es geht um Literatur (sehr überraschend :breitgrins: ), da mir aber Goldsmith nicht direkt in's Auge fiel, werde ich mich in Ruhe dem 10. nähern.
    Schopenhauers § 376 werde ich aber heute noch zu mir nehmen. Danke für die Ortsangaben.
    Gruß
    g.


  • Das Register meiner Ausgabe (Hrsg. Lütkehaus, Haffmans Verlag) verzeichnet nur eine Stelle: "Parerga und Paralipomena II", § 376, und das ist wirklich hübsch. Der ganze Paragraph, meine ich, er würde sich hier keine Freunde damit machen. :breitgrins:


    §376 auszugsweise


    Für den praktischen Menschen ist das nöthigste Studium die Erlangung einer genauen und gründlichen Kenntniß davon, WIE ES EIGENTLICH IN DER WELT HERGEHT........................


    ....Diese schon an sich bedeutende Schwierigkeit der Sache wird nun noch verdoppelt durch die ROMANE, als welche einen Hergang der Dinge und des Verhaltens der Menschen darstellen, wie er in der Wirklichkeit eigentlich nicht Statt findet............


    .......Wenige Romane sind von obigem Vorwurf auszunehmen, ja wirken ehr im entgegengesetzen Sinne:z.B. und vor allem GIL BLAS und sonstige Werke des Lesage (oder vielmehr ihre spanischen Originale), ferner auch der vicar of Wakefield und zum Theil die Romane Walter Scott's.....

  • Ich lege nach, was ich im "Werther" fand.
    ( "Sie" ist "Mamsell Lottchen". Dass Werthers Liebe zu Lottchen zum Teil über Literaturvermittlung beginnt, ist Programm, glaube ich. Und zeittypisch natürlich auch ... )


    Am 16. Junius


    ..............................
    "Wie ich jünger war", sagte sie, "liebte ich nichts so sehr als Romane.
    Weiß Gott, wie wohl mir's war, wenn ich mich Sonntags in so ein
    Eckchen setzen und mit ganzem Herzen an dem Glück und Unstern einer
    Miß Jenny teilnehmen konnte. Ich leugne auch nicht, daß die Art noch
    einige Reize für mich hat. Doch da ich so selten an ein Buch komme,
    so muß es auch recht nach meinem Geschmack sein. Und der Autor ist
    mir der liebste, in dem ich meine Welt wiederfinde, bei dem es zugeht
    wie um mich, und dessen Geschichte mir doch so interessant und
    herzlich wird als mein eigen häuslich Leben, das freilich kein
    Paradies, aber doch im ganzen eine Quelle unsäglicher Glückseligkeit
    ist".


    Ich bemühte mich, meine Bewegungen über diese Worte zu verbergen. Das
    ging freilich nicht weit: denn da ich sie mit solcher Wahrheit im
    Vorbeigehen vom Landpriester von Wakefield, vom -*) reden hörte, kam ich
    ganz außer mich, sagte ihr alles, was ich mußte, und bemerkte erst
    nach einiger Zeit, da Lotte das Gespräch an die anderen wendete, daß
    diese die Zeit über mit offenen Augen, als säßen sie nicht da,
    dagesessen hatten. Die Base sah mich mehr als einmal mit einem
    spöttischen Näschen an, daran mir aber nichts gelegen war.


    *) Man hat auch hier die Namen einiger vaterländischen Autoren weggelassen.
    Wer teil an Lottes Beifalle hat, wird es gewiß an seinem Herzen fühlen, wenn
    er diese Stelle lesen sollte, und sonst braucht es ja niemand zu wissen.


    Zur "Miss Jenny" vermerkt der Kommentar:
    Anspielung auf einen der empfindsam-moralischen Moderomane der Zeit, die, seitdem Richardson seine großen Erfolge gehabt hatte, gern in England spielten. Vermutlich ist das Werk einer damals beliebten französischen Schriftstellerin gemeint:
    Merie-Jeanne Riccoboni: Histoire de Miss Jenny Glanville. Übersetzt ins Deutsche von Gellius, 1764.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Hallo,


    ich möchte gern bei diesem Roman mitlesen. Ich habe auch eine große Vorliebe für englische Literatur aus dieser Epoche und bin schon sehr gespannt auf die Lektüre.
    Allerdings würde ich gern eine deutsche Übersetzung lesen. Ich hoffe, dass ist o.k.


    Viele Grüße
    Anja

  • Den Vicar habe ich mir damals im Überschwang der Jugend gekauft. Bevor sich das Buch auflöst (Penguin Classics altern schlecht, stelle ich fest), will ich es dann doch lesen.

  • Hallo, die Runde wird noch grösser :winken:
    Über den Vicar stolpert man ja in der deutschen Literaturgeschichte immer wieder, den habe ich schon lange auf der Leseliste. Zur Zeit lese ich Balzacs Vicaire des Ardennes.... ob da ein Zusammenhang besteht??
    Gruss, Maja

  • Mal zählen, wer alles dabei wäre:


    Fix:


    xenophanes
    sandhofer


    Interesse angemeldet, aber Datum nicht bestätigt:

    gantenbeinin
    Regina
    aspasiaaurora
    Leibgeber (hat den Thread gestartet)


    Hat schon gelesen, diskutiert mit:


    Maja


    Aktueller Stand also: 2 ½ Mitlesende. Noch 1 und wir könnten starten. Ich trage schon mal den 31. Oktober als Starttermin ein, ok?

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Leibgeber (hat den Thread gestartet)
    ...................
    Aktueller Stand also: 2 ½ Mitlesende. Noch 1 und wir könnten starten. Ich trage schon mal den 31. Oktober als Starttermin ein, ok?


    Ja, gern ab 31.10.
    Womit wir wären mindestkomplett.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)