Gestern in einer Autorenlesung

  • Hallo zusammen,


    angeregt von den Threads “Gestern im Theater” und “Gestern in der Oper” kam mir die Idee, diesen neuen Thread zu installieren. Da mir das Kino durch den schwachsinnigen Film “Das Parfüm” sicher wieder für einige Zeit vergrault bleibt, hatte ich in den letzten Tagen und sicher auch in nächster Zeit wieder mehr Zeit Autorenlesungen zu besuchen und vielleicht habe ich ja das Bedürfnis hier darüber zu berichten.


    Außerdem stehen diesen Monat noch zwei der m.M.n. bedeutendsten Lesefeste der BRD an:
    litcologne
    und
    Leipzig liest
    und da ich dieses Jahr vermutlich nicht die Zeit habe nach Köln oder Leipzig zu fahren (aber durch Erlebnisse der letzten Jahre sehr mit diesen Veranstaltungen sympathisiere), würde ich mich freuen hier von anderen näheres über die eine oder andere Lesung zu erfahren.


    Die litcologne findet mit 138 Veranstaltungen vom 9. bis 19. März 2007 statt:
    http://www.wdr.de/themen/kultu…html?rubrikenstyle=kultur
    Die Veranstaltungen nach Tagen sortiert findet man hier (runterscrollen, da am Anfang immer erst die Veranstaltungen der kid.cologne) stehen:
    http://www.litcologne.de/va/090307.php





    Direkt anschließend (früher war das mal gleichzeitig) gibt es vom 22. bis 25. März 2007 anlässlich der Leipziger Buchmesse mit 1900 Veranstaltungen das größte Lesefest Europas „Leipzig liest“:
    http://www.mdr.de/leipzig-liest/veranstaltungen/2491407.html



    Bei beiden Festen gibt es natürlich auch viel Mist (kein Wunder bei der Anzahl der Lesungen). Man muss also genau auswählen, ich habe in den vergangenen Jahren aber auch immer wieder Veranstaltungsperlen gefunden.


    Liebe Grüße


    Hubert

  • Wladimir Kaminer scheint tatsächlich ein Kultautor zu sein. Als ich am Montag kurz vor 20 Uhr ins Kulturzentrum Alte Feuerwache in Mannheim kam, wo z.Zt das Literaturfest Lesen.Hören stattfindet sind mindestens 1000 erwartungsvolle Hörer bereits da. Kaminer betritt pünktlich zusammen mit seinem wie er sagt Kollegen Jakob Hein die Lesebühne, “was uns beide verbindet, wir arbeiten mit Leuten zusammen, die einen Knall haben“, stellt Kaminer Hein vor. (Hein ist im Hauptberuf Psychiater in Berlin, Kaminer studierter Dramaturg, Veranstalter u.a. der Russendisko und wie gesagt Kultautor.) Beide haben sich 1999 im legendären Berliner Kaffee Burger kennen gelernt, wo sie regelmäßig als Autorenleser auftraten. Kaminer wurde mit den Erzählungen “Russendisko” und dem Roman “Militärmusik” berühmt, Hein kennt man als Autor von “Mein erstes T-Shirt", er hat außerdem für die von Kaminer herausgegebene Erzählsammlung “Frische Goldjungs” geschrieben.


    Beide lasen abwechselnd kurze bisher unveröffentlichte Geschichten, die von Alltäglichkeiten handeln aber sehr lustig daherkamen, am besten hat mir “50 Cent und die Toilettenfrau” von Kaminer gefallen. Schnell waren zwei Stunden vergangen und man hätte den Beiden gerne noch länger zugehört. Für Fast-Food-Literatur ein unterhaltsamer Abend.

  • Am 14. Oktober 2005 feierte das Wiener Burgtheater in einer Gala den 50. Jahrestag seiner Wiedereröffnung nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Festrede hielt Navid Kermani, ein deutscher und iranischer Staatsbürger und außer dieser Festrede kannte ich noch nichts von Kermani als ich Anfang dieses Monats eine Autorenlesung von ihm besuchte, aber diese Festrede hatte mich auf den in Köln lebenden Schriftsteller, Regisseur und „Kurator für außergewöhnliche Veranstaltungen“ am Schauspielhaus Köln neugierig gemacht.


    Kermani las aus seinem wenige Tage zuvor erschienenen Roman „Kurzmitteilung“,
    http://www.rundschau-online.de…tikel/1172247074484.shtml
    der die Widmung trägt: „Im Gedenken an Claudia Fenner (1964 - 2005)“, und der Tod dieser Kölner Schauspielerin war der Anlass für Kermanis Auseinandersetzung mit der „Alltäglichkeit des Todes und das Tödliche unseres Alltags“. Wie Kermani betonte, handelt es sich bei diesem Roman aber keineswegs um einen Schlüsselroman und die im Roman erzählte Geschichte des Eventmanagers Dariusch der per SMS vom Tod einer entfernten Bekannten erfährt, hat mit Claudia Fenner ansonsten nichts zu tun.


    Navid Kermani hat mich bei seiner Lesung von seinem Roman überzeugt und ich habe den Roman, da nur 150 Seiten, zwischenzeitlich auch gelesen. Wie auf dem Umschlagtext steht ist „Kurzmitteilung“ eine Auflehnung gegen den Lauf der Dinge und zugleich ein höchst verstörender Kommentar zur Zeit. Da Kermani promovierter Islamwissenschaftler und habilitierter Orientalist ist, habe ich mir auch noch seine Dissertation „Gott ist schön. Das ästhetische Erleben des Koran“
    http://www.literaturkritik.de/…ez_id=5428&ausgabe=200211
    und seine Habilitationsschrift „Der Schrecken Gottes - Attar, Hiob und die metaphysische Revolte“
    http://www.perlentaucher.de/buch/22224.html
    gekauft. „Das Buch der von Neil Young Getöteten“
    http://www.br-online.de/kultur…/20021110/20021110_2.html
    habe ich mir, da auf dem Büchertisch schnell vergriffen, für meinen nächsten Besuch in einer Buchhandlung vorgemerkt.


    Hat jemand Interesse das Buch „Gott ist schön. Das ästhetische Erleben des Koran“ gemeinsam zu lesen?


    Viele Grüße


    Hubert

  • Hallu Hubert!


    Hat jemand Interesse das Buch „Gott ist schön. Das ästhetische Erleben des Koran“ gemeinsam zu lesen?


    Klingt sehr interessant und ich bin auch schon über andere Wege darauf gestossen (worden). Nur terminlich ... frühestens gegen Ende 2007 ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Klingt sehr interessant und ich bin auch schon über andere Wege darauf gestossen (worden). Nur terminlich ... frühestens gegen Ende 2007 ...


    Hallo sandhofer,


    es freut mich, dass ich Dein Interesse geweckt habe. Terminlich sehe ich kein Problem, vor Ende 2007 hätte ich eh keine Zeit. Vielleicht gibt es ja bis dahin noch mehr Interessenten, aber ich denke, wir beide würden das notfalls auch alleine stemmen.


    Grüße


    Hubert

  • Hallo zusammen!


    Im vergangenen Monat besuchte ich noch drei sehr unterschiedliche Autorenlesungen. Zunächst:
    Der Literaturkritiker und Kulturkorrespondent der FAZ in Madrid, Paul Ingendaay hat letztes Jahr für seinen Roman „Warum Du mich verlassen hast“
    http://www.perlentaucher.de/buch/23623.html
    http://www.poetenladen.de/kbendixen-paul-ingendaay.html
    den Aspekte Literaturpreis bekommen. So lag es nahe, dass Wolfgang Herles, Leiter des ZDF-Kulturmagazins „Aspekte“ und Mitglied der Preisjury den Autor bei seiner Lesung vorstellte und die nach der Lesung stattfindende Diskussion leitete. Ingendaay hat in seinem Romandebüt die Geschichte einer(/seiner?) Jugend im Internat beschrieben. Als Internatsschüler hat Ingendaay, wie er erzählte, alle Internatsliteratur gelesen, aber inzwischen alles wieder vergessen (auch Musils Törleß, mit dem sein Roman jetzt oft verglichen wird
    http://de.wikipedia.org/wiki/D…B6glings_T%C3%B6rle%C3%9F
    ), außer Hesses „Unterm Rad“.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Unterm_Rad


    Ingendaay meistert den Internatsjargon m.M.n. sprachlich einwandfrei, packt aber zuviel in sein Debüt hinein. Da geht es nicht nur um Musik von Bach bis Bowie, Literatur (2 Verneigungen vor „The Catcher in the Rye“ und viel Robinson) und Gott sondern gegen Ende der Lesung bahnt sich auch noch eine Kriminalgeschichte an.


    Ich hab‘ mir dann ein anderes Buch von Ingendaay gekauft: Die 2002 bei Piper erschienene „Gebrauchsanweisung für Spanien“:
    http://www.perlentaucher.de/autoren/11962.html
    http://www.buecher.de/verteile…rtikelnummer=000001251366



    Interessant wäre aber vielleicht ein Projekt, bei dem „Warum Du mich verlassen hast“ zusammen mit den 2 großen deutschen, exakt 100 Jahre vorher erschienenen, Internatsromanen „Unterm Rad“ und „Die Verwirrungen …“ gelesen wird.


    Da Ingendaay wie gesagt in Madrid lebt, finden in Deutschland erst wieder im Oktober Lesungen aus seinem Roman statt:
    09.10.2007 21.00 Uhr, Göttingen, Altes Rathaus (Göttinger Literaturherbst)
    10.10.2007 20.00 Uhr, Mainz, Buchhandlung Shakespeare & So
    11.10.2007 20.15 Uhr, Düsseldorf, Droste Buchhandlung
    12.10.2007 20.00 Uhr, Hildesheim, Buchhandlung Decius


    Gruß und schöne Ostertage


    Hubert

  • Der Roman von Ingendaay spiegelt mehr als eine Internatsgeschichte; er verarbeitet auch philosophische und theologische Bezüge und Themen, die bisher in erlebten Internats-Romanen nicht gegeben sind.



    Gaesdonck (ja, das heißt schön "Gänsewiese") [offiziell "Collegium Augustinianum"] ist das Internatsgymnasium der 70er Jahre, in dem Paul I., sein Bruder und hunderte von Leutchen und Lehrern, die ich selber kenne, mitspielen - und verwandelt, aber erkennbar im Roman eingewoben sind. Es sind die Erfahrungen der 65er- bis 78er-Abiiturienten.


    Wer den Roman bewerten will oder muss, kann sich mehr Informationen holen, als nur das eigene Lesen, seine literarischen Erfahrugen und seine ästhetische Praxis oder Phantasie zu Grund zu legen.


    Es war ein Priester, (im Roman ein "Frater") ein "Mann der Philosophie", der sich so expositiv und exemplarisch umbringt, dass die Schüler mitbetroffen sind. Der Roman ist in weiten Stecken, bezogen auf die Handlungen in Schule und im Internat, und auf die Straegie von präsidial-geistlichen und der schulischen Leitung, die Generation der Vor-68er, die es in solch einem abgeschlossenen Insel-Dasein der Gaedonck noch nchit gab.


    Auf der Ehemaligen-Seite der Gaesdonck hat man fast alles, was an Rezensionen und Interviews erschienen, zusammengefasst:


    http://www.abi-gaesdonck.de/phpBB2/viewtopic.php?t=622


    (Da gehen natürlich Fakten mit Erinnerungsfetzen "durcheinander": "Privates" mit Historischem oder Religiösem und Erinnerungen an Lehrer und Doktrinen.)



    Noch ein neuer Hinweis:



    Der Roman als Hörspiel bei ndr-Info:



    http://www.abi-gaesdonck.de/phpBB2/viewtopic.php?t=760

    Goethe: „...wodurch wir uns abermals überzeugen, daß es eine allgemeine Weltpoesie gebe und sich nach Umständen hervortue; weder Gehalt noch Form braucht überliefert zu werden, überall, wo die Sonne hinscheint, ist ihre Entwicklung gewiß.“

  • Die "Alten" der Gaesdonck haben zur Zeit ein Sicherheitsproblem.


    http://www.abi-gaesdonck.de/wordpress/


    Ich melde mich später wieder.


    ~*


    Hier zum Hörspiel:



    http://www.ndrinfo.de/kultur/h…dumichverlassenhast2.html

    Goethe: „...wodurch wir uns abermals überzeugen, daß es eine allgemeine Weltpoesie gebe und sich nach Umständen hervortue; weder Gehalt noch Form braucht überliefert zu werden, überall, wo die Sonne hinscheint, ist ihre Entwicklung gewiß.“