Balzac: Die menschliche Komödie


  • Ich lese gerade - als erstes Buch meiner Foren-Leseliste für 2017 - den Vater Goriot aus der menschlichen Komödie. :winken:



    oh, nun auch du ! (nach Gina ;-) )
    ich würde zu gerne sofort mitmachen. Das reinlesen war schon sehr verführerisch .... was schrecklicher anzusehen ist: Fühllose vertrocknete Herzen oder hohle Totenschädel?... Da würde man doch gerne weiterlesen wollen.


    Doch mit Anna Karenina bin ich noch ein Weilchen beschäftigt. Ich freu mich auf deinen Bericht oder vielleicht auch Zwischenberichte.


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Wie Maria freue auch ich mich auf Deinen Bericht, JHNewman!


    Die Verlockung ist groß, mit Vater Goriot gleich den nächsten Balzac zu lesen, aber andere, bereits angefangene Bücher wollen weitergelesen bzw. beendet werden.

  • Hier nun meine Eindrücke zu Balzacs "Vater Goriot"


    Dies war mein erster Roman von Balzac, die französische Literatur ist nicht unbedingt eines meiner 'Sammelgebiete'.


    Ich habe das Buch gern gelesen, es hat mir Spaß gemacht. Zunächst verwendet Balzac recht viel Zeit auf die genaue Schilderung des Milieus, der Pension von Mad. Vauquer und ihrer Gäste. Ich habe ein wenig Zeit gebraucht, um in das Buch hineingezogen zu werden, denn angesichts der Detailfülle der Beschreibung dauerte es etwas, bis sich die Hauptfiguren des Romans herauskristallisierten und auch die Haupthandlung erkennbar war.


    Die Hauptfiguren sind der titelgebende Vater Goriot und ein junger Student namens Eugène de Rastignac. Beide leben in der eher ärmlichen Pension und lernen sich dort kennen. Vater Goriot ist ein ehemaliger Nudelfabrikant, der durch seine Arbeit zu Geld gekommen ist, mit dem er seine beiden Töchter Delphine und Anastasie reich verheiratet hat. Delphine mit einem Bankier, Anastasie mit einem Adligen. Beide verkehren in der höheren Pariser Gesellschaft, wobei Delphine wegen ihres Ehemanns weniger gesellschaftlich angesehen ist als ihre Schwester. Vater Goriot hatte gehofft, den Anschluss an die Familien seiner Töchter zu erhalten, doch im Laufe der Handlung wird immer stärker deutlich, dass sie sich von ihm distanzieren, ihn finanziell zwar ausnutzen, jedoch ansonsten verleugnen und meiden.


    Eugène sucht als junger adliger Student Zugang zu den höchsten Kreisen. Er beginnt eine Beziehung zu Delphine, verschafft ihr durch seine Verbindung Zugang zu den adligen Salons. Zugleich erkennt er, wie schäbig Delphine und ihre Schwester ihren Vater behandeln. Am Schluss stirbt Goriot einsam, verachtet und ohne familiären Beistand. Eugène steht ihm bei und begleitet ihn buchstäblich bis zum Grab. Als unwissender Held hat er im Laufe der Romanhandlung die Mechanismen der Gesellschaft durchschaut und beginnt, auf ihrer Klaviatur zu spielen, Vorteile zu nutzen, ohne dabei ganz sein Herz zu verleugnen.


    Balzacs Roman strotzt von Leben, von interessanten Charakteren, einer lebendigen, mitunter hanebüchenen Handlung und feinen gesellschaftlichen Analysen. Er ist ein lebendiges Zeit- und Sittengemälde, man lernt viel über das Leben der Zeit und des Milieus in dem er spielt. Balzac vermeidet dabei einseitige Personenschilderungen - seine Charaktere haben meist sowohl angenehme wie auch abstoßende Züge. Die mitunter recht sentimentale Schilderung von Gefühlswallungen wird wettgemacht durch einen feinen Humor, der immer wieder zum Lachen anregt. Bis zum Schluss schafft es der Autor, durch ironische Wendungen die Erwartung des Lesers immer wieder zu durchkreuzen oder wach zu halten.


    Ein schöner Roman!

  • Danke für deine Gedanken zu diesem Buch, JHNewman. Ich hatte ja auch schon überlegt, Balzac in meine Frankreich-Liste aufzunehmen, anstelle von Victor Hugo. Mal sehen, was draus wird, wenn es soweit ist. Vielleicht ändere ich ja kurzfristig was :smile:. Ansonsten gibt es 2018 hoffentlich wieder einen Wettbewerb...