September 2006 - Marcel Proust

  • Hallo zusammen,


    wie es scheint, war die Erinnerungsszene ein echter Wendepunkt in Marcels Leben: Kann es sein, dass er sein altes Leiden, das ewige Vorsichherschieben, überwunden hat und nun endlich tätig wird? Vorerst macht er sich zwar nur Gedanken über seine Arbeit, aber immerhin. Und diese Gedanken sind mal wieder hochinteressant zu lesen. So stellt er z.B. fest, dass ohne Leiden keine Kunst möglich ist:


    Zitat

    Das Glück ist einzig heilsam für den Leib, die Kräfte des Geistes jedoch bringt der Schmerz zur Entfaltung.


    Über dieses Thema hatten wir ja schon in der Leserunde zum ersten Band diskutiert. Prousts Leben und Werk scheinen diese These ja zu bestätigen. Ob er auch die folgende Feststellung


    Zitat

    Oft schreiben Autoren, in deren Tiefen jene geheimnisvollen Wahrheiten nicht mehr auftauchen, von einem gewissen Alter an nur noch mit dem Verstande, der sich in ihnen machtvoll durchgesetzt hat; die Bücher ihres reiferen Alters weisen daher mehr Kraft als die ihrer Jugend auf, doch ist ihnen der gleiche samtene Anschlag nicht mehr eigen.


    aus eigener Anschauung geschrieben hat? Aus Sicht des Schriftstellers muss eine solche Sichtweise doch deprimierend sein.


    Am schönsten fand ich seine Gedanken über die Leser – jedem seine persönliche Erstausgabe, ist das nicht herrlich? Eigentlich nimmt Proust ja dem Schriftsteller ein bisschen die Deutungshoheit über sein eigenes Werk aus der Hand, wenn er schreibt, dass ein Buch nur ein Art optisches Instrument, ein Spiegel des Lesers sei – das verstehe ich so, dass ein Werk nie DIE EINE Bedeutung hat, sondern unendlich viele, je nach Leser. Vielleicht bemisst sich ja sogar der Wert eines Buchs danach, wie viele Deutungen und Lesarten es zulässt?


    Eine Stelle fand ich noch ganz eindrücklich, und zwar als Marcel von den unzähligen Photonegativen spricht, die oft vom Verstand gar nicht entwickelt werden. Ein wunderbares Bild für die vielen Erinnerungen, die wir unbewusst speichern, um sie irgendwann vielleicht einmal abzurufen.


    Zitat

    die Wartezeit in der Bibliothek der Guermantes ist für den Erzähler und für den Leser ein Rausch an Erinnerungen


    „Ein Rausch von Erinnerungen“ – ja, dieser Ausdruck trifft es sehr gut. Marcel wird ja förmlich überspült davon. Als ich Deinen Beitrag las, JMaria, fiel mir ein, wie ich das Buch anfing: da kamen auch ganz viele Erinnerungen hoch, an die ich schon ewig nicht mehr gedacht hatte. Schon da hatte mich diese Erzählweise also in ihren Bann gezogen und genau das bewirkt, worüber Proust erst einige tausend Seiten später schreibt. Dieses Buch ist wie ein Kaleidoskop.


    Viele liebe Grüße
    Manjula

    [size=10px] "Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden." [/size]

  • Hallo zusammen !


    Ja, ich empfand diese Warteszene und die damit verbundenen Gedanken ebenfalls als eine Schlüsselszene und es klärt sich vieles auf. Wunderbar, wie Proust diesen Bogen schafft und immer wieder idie Erinnerungen des Lesers miteinbezieht.


    Darauffolgend die Begegnungen mit den alten Bekannten. Nocheinmal ziehen die Personen vorüber, manche innerlich gealtert, manche äußerlich. Empört ist Marcel, als ihn die Fürstin mit "meinem ältesten Freund" anspricht, fühlt er sich doch noch gar nicht alt. Gilberte erkennt er erst gar nicht wieder, aber auch Erinnerungen an Albertine kommen wieder und ihr gegenüber hat er eine richtige Kälte entwickelt. Die Liebe und die Eifersucht zu ihr war also eine Erfahrung, aber nicht so wichtig, dass dieses Gefühl in seinen Erinnerungen wieder auftaucht.


    Berührend fand ich auch, dass er insgeheim froh ist, dass seine Mutter und Großmutter bereits gestorben sind, so kann er sie in diesem Zustand von damals in Erinnerung behalten.


    Ich habe nun noch ca. 75 Seiten vor mir.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "Steffi"

    Ja, ich empfand diese Warteszene und die damit verbundenen Gedanken ebenfalls als eine Schlüsselszene und es klärt sich vieles auf. Wunderbar, wie Proust diesen Bogen schafft und immer wieder idie Erinnerungen des Lesers miteinbezieht.


    Zitat von "Manjula"

    Eigentlich nimmt Proust ja dem Schriftsteller ein bisschen die Deutungshoheit über sein eigenes Werk aus der Hand, wenn er schreibt, dass ein Buch nur ein Art optisches Instrument, ein Spiegel des Lesers sei – das verstehe ich so, dass ein Werk nie DIE EINE Bedeutung hat, sondern unendlich viele, je nach Leser. Vielleicht bemisst sich ja sogar der Wert eines Buchs danach, wie viele Deutungen und Lesarten es zulässt?


    ich denke, dass ihm die Beziehung seines Werkes zum Leser ebenso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger war, wie die Beziehung zwischen Werk und Autor.


    wenn er schreibt, ein Buch ist ein großer Friedhof, auf dessen Gräbern man die verblaßten Namen nicht mehr lesen kann, dann liegt die Option beim Leser, die verblaßten Namen zu entziffern und manchmal wird eine Person lebendig und lebt auf den Seiten weiter oder auch nicht, wenn die Erinnerung nicht mehr vorhanden ist.


    Zitat von "Manjula"

    Eine Stelle fand ich noch ganz eindrücklich, und zwar als Marcel von den unzähligen Photonegativen spricht, die oft vom Verstand gar nicht entwickelt werden. Ein wunderbares Bild für die vielen Erinnerungen, die wir unbewusst speichern, um sie irgendwann vielleicht einmal abzurufen.


    oh schön, dass du das erwähnst. Ich fand den Gedanken auch sehr eindrücklich und wunderbar tröstlich.


    ich habe noch ca. 150 Seiten vor mir.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo !



    wenn er schreibt, ein Buch ist ein großer Friedhof, auf dessen Gräbern man die verblaßten Namen nicht mehr lesen kann, dann liegt die Option beim Leser, die verblaßten Namen zu entziffern und manchmal wird eine Person lebendig und lebt auf den Seiten weiter oder auch nicht, wenn die Erinnerung nicht mehr vorhanden ist.


    Gerade dieser Anspruch an den Leser fordert er immer mehr ein, auf den letzten Seiten (nein, ich bin noch nicht ganz am Ende :zwinker: ) wird das noch deutlicher. Plötzlich lässt er seine Struktur erkennen, die er seinem Roman gegeben hat und man merkt, dass auch die Leichtigkeit und die dahinplätschernden Soireen und Matineen und auch ganz kleine Begebenheiten, an die man sich als Leser nun erinnert, ihren Sinn haben, den sie eben nur durch den Leser erhalten können. Dieses Aufzeigen seiner Thesen durch die Erfahrung und Erinnerung des Lesers ist wunderbar.


    Gruß von Steffi

  • Hallo Ihr beiden,


    die Wechselwirkung Werk - Leser scheint Proust tatsächlich wichtig gewesen zu sein. Den Vergleich mit den verblassten Grabinschriften fand ich sehr passend.


    Die Begegnungen mit alten Freunden (und Feinden :zwinker:) war für Marcel ja wohl sehr erschreckend. Er sieht die anderen extrem gealtert (genial hier der Kunstgriff, dass sie zunächst als verkleidet beschrieben werden). Es wird ihm dann klar, dass nicht nur die anderen, sondern auch er selbst älter geworden ist, was ihm dann auch gleich mehrfach bestätigt wird (der "älteste" Freund, die Unterschrift auf dem Brief des jungen Manns, der Trost, dass ihn aufgrund seines Alters die Grippe nicht erwischen wird...). Sicher wird die Wirkung dadurch verstärkt, dass Marcel lange fern von der Gesellschaft war. Er hat also ihr Altern nicht ständig miterlebt, sondern hatte sie als jung in Erinnerung. Das stelle ich mir in etwa so vor wie ein Klassentreffen nach langer Zeit - man denkt an die anderen immer noch als Schüler. Kann man eigentlich in etwa nachvollziehen, wie alt Marcel jetzt ist? Mir erscheint er immer noch jung. Auch der Leser lässt sich also täuschen.


    Ich habe jetzt noch etwa 150 Seiten zu lesen vor mir.


    Viele Grüße
    Manjula

    [size=10px] "Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden." [/size]

  • Ihr schreibt ganz wunderbar über die letzten Seiten von Proust. Ich lese das hier wirklich gerne und erinnere mich an die Lektüre zurück.


    Am Rande: Zur Zeit höre ich Band 4 als Hörbuch und ich muss sagen, dass dieser Band gegenüber der Erstlektüre deutlich gewonnen hat.


    Gruß, Thomas


  • Die Begegnungen mit alten Freunden (und Feinden :zwinker:) war für Marcel ja wohl sehr erschreckend. Er sieht die anderen extrem gealtert (genial hier der Kunstgriff, dass sie zunächst als verkleidet beschrieben werden). Es wird ihm dann klar, dass nicht nur die anderen, sondern auch er selbst älter geworden ist, was ihm dann auch gleich mehrfach bestätigt wird (der "älteste" Freund, die Unterschrift auf dem Brief des jungen Manns, der Trost, dass ihn aufgrund seines Alters die Grippe nicht erwischen wird...). Sicher wird die Wirkung dadurch verstärkt, dass Marcel lange fern von der Gesellschaft war. Er hat also ihr Altern nicht ständig miterlebt, sondern hatte sie als jung in Erinnerung. Das stelle ich mir in etwa so vor wie ein Klassentreffen nach langer Zeit - man denkt an die anderen immer noch als Schüler. Kann man eigentlich in etwa nachvollziehen, wie alt Marcel jetzt ist? Mir erscheint er immer noch jung. Auch der Leser lässt sich also täuschen.


    Hallo zusammen,


    die Episode des Älterwerdens war schon genial beschrieben. Erwähnen möchte ich noch den etwas bissigen Humor, den er in die Zeilen legt:


    ...weil sie bereits, wie man sagt, mit einem Fuß im Grab standen. Während das ihre ebenfalls schon halb geöffnet vor ihnen lag, schienen gewisse halbgelähmte Frauen nicht mehr recht ihr bereits am Grabstein hängengebliebenes Kleid losmachen zu können, sie vermochten sich nicht mehr gerade aufzurichten.


    Manjula,
    das Alter des Erzählers hat mich auch interessiert und ich habe im "Proust Lexikon" nachgeschaut und lt. der Rekonstruktion von Willy Hachez ist der Erzähler 1919, als er beschließt die Recherche zu schreiben, 39 Jahre alt. Der Beschluß beschert ihm den schönsten Tag seines Lebens, im Gegensatz zu dem schlimmsten Abend 1890, als seine Mutter sich weigerte, ihm den Gutenachtkuß zu geben.


    klassikfreund Thomas,

    Zitat

    m Rande: Zur Zeit höre ich Band 4 als Hörbuch und ich muss sagen, dass dieser Band gegenüber der Erstlektüre deutlich gewonnen hat.


    ich habe Band 1 und 2 gehört und das hat mir wirklich sehr viel gebracht. Peter Matic liest aber auch hervorragend! Ich werde sicherlich auch die weiteren Bände im nachhinein hören.


    Schöne Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • klassikfreund Thomas,


    ich habe Band 1 und 2 gehört und das hat mir wirklich sehr viel gebracht. Peter Matic liest aber auch hervorragend! Ich werde sicherlich auch die weiteren Bände im nachhinein hören.


    Schöne Grüße
    Maria


    Ich höre jedoch die Lesung von Hahn und Lieck, siehe
    http://www.lengfeldsche.de/index.php/proustcdedition.html


    Verglichen mit Matic würde ich diese Lesung wie folgt bewerten (auf einer 10er-Skala):


    Peter Matic-Lesung:
    Sprecher: 7
    Text: 8 (Rechel-Mertens Übersetzung)
    Preis: 5


    Bernt Hahn / Peter Lieck-Lesung:
    Sprecher: Hahn: 9 Lieck: 7, in Kombination jedoch: 10.
    Text: 10 (überarbeitete Übersetzung)
    Preis: 1


    Ich habe die ersten drei Bände der Matic-Lesung, werde mir aber die weiteren nicht mehr kaufen. Die Hahn/Lieck-Lesung gefällt mir trotz des astronomischen Preises einfach viel besser, die überarbeitete Übersetzung ist an vielen Stellen zudem etwas eleganter, und da ich sonst keine teuren Hobbys habe, gönne ich mir die CDs nach und nach. Die Bände 4 - 7 habe ich inzwischen komplett, die anderen 3 Bände in der Matic-Lesung.


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Hallo zusammen,
    hallo Thomas !


    Das kann ich gut nachvollziehen, dass eine weiteren Lektüre noch (oder ein weiteres Hören) noch mehr Genuß bringt. Man muss sich dann wohl weniger auf die Handlung an sich konzentrieren, was mir manchmal mit all den verschachtelten Sätzen schwer fiel und kann durch die eigene Erinnerung neues erfahren und altes festigen. Das stelle ich mir sehr schön vor. Insofern "befürchte" ich auch, dass Proust einen nicht mehr losläßt.


    Manjula: Du hast die Szenen wunderbar beschrieben und ich finde, gerade jetzt und vielleicht auch durch den Wiedererkennungseffekt aus den vergangenen Soireen kommt nochmal das ganze Können Prousts durch - nicht nur seine theoretischen Überlegungen sondern auch die Fähigkeit, Menschen und Situationen so genau und detailliert, dabei sehr unterhaltend und tiefgründig, zu beschreiben.


    Gruß von Steffi

  • Hallo JMaria,
    hallo Manjula !


    Ich habe nun das Buch beendet. Etwas wehmütig war ich gestimmt, denn es war schon eine lange, schöne Zeit, die wir gemeinsam mit Proust verbracht haben. dafür möchte ich euch hier mal richtig danken. Es hat alles gepasst, auch das Lesetempo und die vielen hilfreichen postings. Ohne euch wäre ich wahrscheinlich nicht so weit gekommen.


    Ich finde, dass der letzte Band die ganzen Überlegungen und Themen wunderbar abrundet, aber gleichzeitig ist es natürlich auch schade, dass die Suche nun ein Ende hat - zumindest auf dem Papier. Die Gedanken und auch die Personen werden mich wohl nie mehr loslassen :zwinker: Schon jetzt verspüre ich Lust, wieder ganz von vorne zu beginnen. Oder zumindest mal mittendrin etwas zu lesen.


    Gruß von Steffi

  • Liebe Proust-LeserInnen,
    auch ich möchte mich bedanken. Ich habe Eure Lesung der "Wiedergefundenen Zeit" mit Interesse verfolgt.
    Vieles hatte sich mir ähnlich gezeigt. An einiges konnte ich mich allerdings nicht mehr erinnern. Vielleicht ist das schnelle Lesen doch weniger intensiv. Oder jedeR wird in der Fülle von Prousts Gedanken von anderen beeindruckt. Am liebsten würde ich das Buch (oder gleich alle) nochmal lesen.
    Dass aber vom letzten Band aus, der "wiedergefundenen Zeit", die anderen Bücher -wie es mir erschien-noch einmal beleuchtet werden, habe ich aus Euren letzten Bemerkungen bestätigt gefunden.
    Emma

  • Guten Morgen,


    meine Lesegeschwindigkeit hat sich der momentanen Gesellschaft von Marcel angepasst, will sagen, ich befinde mich noch immer auf der Soiree. Das ist ja nun eine Szene, die man bei akuter Midlifecrisis nicht lesen sollte; Proust findet ja sehr drastische Worte über die Verwüstungen, die das Alter anrichten kann (Maria hat ja schon ein entsprechendes Zitat gepostet). Wir begegnen Bloch wieder, der sowohl im Aussehen als auch im Namen seine jüdische Herkunft abgelegt zu haben scheint, selbst seine Nase kommt Marcel gerader vor. Auf mich machte er allerdings den Eindruck, als habe er auch seine sonstigen Ecken und Kanten abgeschliffen, er hüpft nicht mehr von einem Fettnäpfchen zum anderen.


    Eine weitere alte Bekannte: Madame Verdurin, die sich offenbar gezielt hochgeheiratet hat. Das bringt die ehrwürdige Gesellschaft natürlich zum Brodeln :zwinker: Proust verwendet hier passenderweise das Wort Kastenwesen. Wobei sich im weiteren Verlauf ja herausstellt, dass die Gesellschaft sowieso tüchtig durcheinander gewirbelt wurde und vielen der Name Guermantes nichts mehr bedeutet.


    Und schließlich - Proust verliert keinen Faden - taucht Odette wieder auf. Mit Paraffin aufgespritzt (verwendete man das nicht auch zur Leichenpräparierung?) sieht sie zwar nicht so gealtert aus wie die anderen Besucher, wirkt aber maskenhaft. Ein Blick in die Zukunft zeigt sie als verwirrte, verlachte Alte (böse hier Marcels Kommentar, dass "denken" ein zu starkes Wort für sie sei). Eine Art ausgleichende Gerechtigkeit: sie, die früher immer so hochnäsig war, wird nun von den anderen verachtet. Zum ersten Mal in ihrem Leben erscheint sie Marcel sympathisch.


    Ich hänge momentan bei Marcels Gespräch mit der jungen Amerikanerin und hoffe, am Wochenende ein Stück weiter zu kommen.


    Viele Grüße
    Manjula

    [size=10px] "Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden." [/size]

  • Hallo Manjula,


    du hast das wunderbar beschrieben ! Ich fand es auch ziemlich drastisch, aber man erkennt auch, dass Marcel seine naive Bewunderung für die Namen und die Hüllen abgelegt hat und für ihn das Innere wichtiger wird. Gleichzeitig aber trennt er ja beides nicht voneinander. Das ist schon raffiniert gemacht !


    Gruß von Steffi

  • Hallo Steffi und Manjula


    Zitat von "Manjula"

    ich befinde mich noch immer auf der Soiree. Das ist ja nun eine Szene, die man bei akuter Midlifecrisis nicht lesen sollte;


    *lach* - wie recht du hast !


    in Reih' und Glied führt uns Marcel seine nun seine gealteten und äußerlich veränderten Bekannte und Freunde vor. Das Thema Tod ist verhüllt ( Manjula, das Paraffin würde dazu passen) und unverhüllt präsent. Ein paar Beispiele haben wir ja bereits weiter oben erwähnt und da wäre noch: die Fürstin von Nassau ... ...wenn sie nicht etwas kleiner geworden wäre (....als habe sie, wie man sagt, bereits "einen Fuß im Grab"...). oder Der Berma stand, wie das Volk sagt, der Tod ins Antlitz geschrieben.


    Manchmal drängten sich mir beim Lesen Bilder auf, wie die eines Friedhofs, und vor dem Friedhof ein eingegrenztes Terrain in der nur alte Menschen leben, die nicht mehr ausgehen und auf den Tod warten. Ich finde leider die Stelle nicht mehr. Aber dieses Bild geht mir nicht mehr aus dem Kopf.


    ich bin bei der Szene, als ein Diener reinkommt und Rachel ausrichtete, die Tochter der Berma und ihr Schwiegersohn wünschen sie zu sprechen. (S. 476)


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Liebe Proust-Leser,
    ich muss mich vorab dafür entschuldigen, dass ich hier so dazwischenplatze. Aber wie ich mitbekommen habe, seid Ihr alle schon länger dabei und kennt die einzelnen Recherche-Bände recht gut. Daher hoffe ich, dass Ihr mir ein paar Tipps geben könnt! Und zwar bin ich auf der Suche nach einer Textpassage, die die Mode der damaligen Zeit beschreibt. Das können Ausschnitte sein, die sowohl Damenkleider als auch Männerbekleidung betreffen. Besonders interessant sind dabei für mich die Farben, Stoffe, Details...
    Ich habe vor einiger Zeit angefangen, Proust zu lesen und bin mittlerweile bei „Im Schatten junger Mädchenblüte“, daher bin ich bisher noch nicht auf solche Textpassagen gestoßen. Vielleicht sollte ich in „Guermantes“ suchen? Könnt Ihr Euch erinnern?


    Ich freue mich über jeden Tipp!


    Liebe Grüße,
    Yvonne


  • Hallo Yvonne,


    herzlich Willkommen bei uns im Forum :winken:


    so spontan fällt mir nur das Fortuny Kleid von Albertine aus "Die Gefangene" ein. Es hatte weite Ärmel.
    Wir kamen überein, dass es ungefähr so aussah wie das 2. Kleid auf dieser Homepage: Metmuseum


    in "Die wiedergefundene Zeit" wird kurz erläutert, dass sich Frauen mit gern mit Accessoires aus Munitionsüberbleibsel schmückten (Ringe und Armbänder aus Geschoßsplittern oder Führungsringen von Granaten), außerdem war während des Krieges das Tonnenkleid (robe tonneau) in Mode.


    ich wünsche dir viel Freude weiterhin mit Proust.


    Schöne Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen und herzlich willkommen Yvonne,


    zu den Kleidern fielen mir spontan auch die beiden von JMaria genannten Szenen ein. Im ersten Band müsste, als Marcel erstmals der Herzogin von Guermantes begegnet, auch eine Beschreibung ihrer Kleidung enthalten sein (das ist mir im Gedächtnis geblieben, weil ich es merkwürdig fand, dass sie eine Krawatte trägt). Über Odettes Kleidung wird sich doch sicher auch etwas finden? Zumindest wissen wir, dass sie bei der Begegnung mit dem Onkel Rosa trug. Ach, und in der "Mädchenblüte" gibt es doch diese Zugfahrt, während derer sich Charlus und Albertine über ihr Kleid unterhalten. Wahrscheinlich fallen einem nach längerem Nachdenken noch viel mehr Stellen ein. Wenn ich neugierig sein darf: sammelst Du das für einen bestimmten Zweck, Yvonne, oder einfach nur so?


    klassikfreund: kaum zu glauben, was es alles an "Sekundärliteratur" zu Proust gibt. Besitzt Du dieses Buch denn?


    Manchmal drängten sich mir beim Lesen Bilder auf, wie die eines Friedhofs, und vor dem Friedhof ein eingegrenztes Terrain in der nur alte Menschen leben, die nicht mehr ausgehen und auf den Tod warten. Ich finde leider die Stelle nicht mehr. Aber dieses Bild geht mir nicht mehr aus dem Kopf.


    Ja, dieses Bild hat sich mir auch eingeprägt. Niederdrückend, vor allem, wenn man bedenkt, wie krank Proust selbst war. Er müsste sich ja dann beim Schreiben auch schon auf dem Friedhofsvorplatz gesehen haben.


    Ich habe gestern die Szene gelesen, in der Marcel Gilberte nicht wieder erkennt. Mir kam es von der Abfolge etwas merkwürdig vor, da er ja einige Seiten zuvor bereits ein Gespräch mit ihr beschrieben hat (in dem er Heiterkeit erregt, als er sich als jungen Mann bezeichnet), da hatte er sie ja offensichtlich erkannt. Ob diese Abfolge wohl so geplant war, oder hatte Proust hier nachträglich etwas umgestellt und nicht mehr komplett korrigiert? Jedenfalls muss sie wohl ihrer Mutter sehr ähnlich geworden sein. Dick kann ich sie mir gar nicht vorstellen, mir steht sie immer als zartes Mädchen vor Augen. Naja, da geht es mir mit den Erinnerungsbildern wie Marcel selbst.


    Viele liebe Grüße
    Manjula

    [size=10px] "Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden." [/size]