September 2006 - Marcel Proust

  • Zitat

    doch war ich über den Zeitsprung in die Vergangenheit etwas überrascht.


    Ja, das gesamte Werk wird grundsätzlich aus Sicht von Marcel beschrieben. Ausnahme ist eben die Reise in die Vergangenheit vor der Geburt Marcels: Eine Liebe von Swann.


    Da ich sehr unbedarft und ohne umfangreiche Sekundärliteratur ans Werk gehe, wird der Perspektivwechsel mir noch nicht klar.


    In der Handlung werden die so genannten Soirées (Abendgesellschaften) in der bürgerlichen Gesellschaft dargestellt. Teilweise kommen mir die Beschreibungen und Dialoge sehr langatmig und nichts sagend vor. Irgendwie treiben sie die Handlung nicht voran.


    Das eigentlich Bedeutende ist die Entwicklung der Liebe von Swann zu Odette. Besonders schön finde ich die Szene wie Swann zu den Verdurins kommt und Odette die Gesellschaft bereits verlassen hatte. Und mit dem Erkennen, dass er sie an diesem Abend nicht mehr sehen würde, erkannte er seine Liebe zu ihr. In der Entbehrung der Person wird die Liebe erkannt und empfunden. Panisch durchsucht er dann die Cafés und Restaurants im nächtlichen Paris. Diese Szene schildert für mich den Höhepunkt dieser Liebesentwicklung. Schöner kann man Liebe nicht beschreiben....


    Bis dahin,
    A.Prometheus

    Zum Leben gibt es zwei Wege: Der eine ist der gewöhnliche, direkte und brave. Der andere ist schlimm, er führt über den Tod, und das ist der geniale Weg!<br />(Hans Castorp in &quot;Der Zauberberg&quot; v. Thomas Mann)


  • Hallo zusammen,
    hallo Prometheus


    ich bin nun auch an der Stelle, als Swann zur Abendgesellschaft kommt und Odette nicht mehr anfindet. Die Beschreibung der Liebe ist sehr schön. Die Spielchen die Swann spielt, versteh ich jetzt nicht, doch ich geh mal davon aus, es resultiert aus seiner Unsicherheit heraus. Schließlich ist er um einiges älter als Odette. Ich spiele hier auf die Szene mit dem Brief von Swann an Odette an. Außerdem trifft er sich immer noch mit dem Arbeitermädchen.


    Chrysanthemen:
    Odette schenkt Swann eine Chrysantheme.
    Sind das nicht Herbstblumen? Könnte eine Anspielung auf Swanns Alter sein?


    Der Sprachstil in "Eine Liebe von Swann" ist noch intensiver als in "Combray".


    grippale Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Hallo JMaria,


    Zitat

    Chrysanthemen:


    Ja, es sind Herbstblumen. Ich habe nämlich gerade welche zu Hause. Es könnte daher durchaus eine Anspielung auf das Alter sein...


    Diese Stelle ist mir gar nicht aufgefallen. Das gesamte Werk ist voller Andeutungen, die leicht überlesen werden. Aber sicherlich muss man auch vorsichtig sein, dass man Sätze und Begriffe nicht überinterpretiert.


    Zitat

    Die Sprachstil in "Eine Liebe von Swann" ist noch intensiver als in "Combray".


    Wie meinst Du das? Was meinst Du hier mit Sprachstil?


    Ich empfinde die Stimmungen, die in Combray durch den Sprachstil erzeugt werden, wesentlich intensiver als in "Eine Liebe von Swann".


    Das zeigt aber auch, welche unterschiedlichen Wirkungen dieses Werk auf die Leser hat.


    Bis dahin und einen schönen Sonntag,
    A.Prometheus

    Zum Leben gibt es zwei Wege: Der eine ist der gewöhnliche, direkte und brave. Der andere ist schlimm, er führt über den Tod, und das ist der geniale Weg!<br />(Hans Castorp in &quot;Der Zauberberg&quot; v. Thomas Mann)

  • Hallo zusammen,
    hallo Prometheus



    Das gesamte Werk ist voller Andeutungen, die leicht überlesen werden. Aber sicherlich muss man auch vorsichtig sein, dass man Sätze und Begriffe nicht überinterpretiert.


    da hast du recht.


    Zitat

    Wie meinst Du das? Was meinst Du hier mit Sprachstil?


    Ich empfinde die Stimmungen, die in Combray durch den Sprachstil erzeugt werden, wesentlich intensiver als in "Eine Liebe von Swann".


    Das zeigt aber auch, welche unterschiedlichen Wirkungen dieses Werk auf die Leser hat.


    ich finde in "Eine Liebe von Swann" alles viel blumiger ausgedrückt als in "Combray". Vielleicht weil es mehr um die Liebe geht? Auch ihre erste Annäherung in der Kutsche, als er ihr die Cattleya zurecht rückt und das zu einem Begriff der Liebe wird: "Cattleya machen"


    in diese Richtung ging meine obige Bemerkung, die ich zuwenig ausführte. Doch jetzt wo du es erwähnst, Stimmungen sind bisher wenig in "Eine Liebe von Swann" zu finden. Eher ein aneinanderreihen von Nichtigkeiten. Außer wenn es um Liebe geht, dann wird es blumig. Trotzdem ist es nicht langweilig. :rollen:


    Bei mir blüht übrigens gerade eine lilafarbene Cattleya. Sehr passend :smile:


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Guten Morgen,


    ich bin nun auch in den Pariser Salons angelangt. Der Stil ist tatsächlich ein ganz anderer als in Combray. Mir gefällt, wie die Teilnehmer der Soireen dargestellt werden: die Gastgeberin, die sich ein ganz exaltiertes Lachen antrainiert hat (auf das ihr Mann neidisch ist :zwinker: ), der Arzt, der jede Äußerung durch ein Zwinkern o.ä. wieder konterkariert, weil er um Gottes Willen keine eindeutigen Aussagen machen will...sehr ironisch, das Ganze. Und Swann, der Frauenheld.


    Odette ist für mich noch eine etwas unscharfe Person, aber das Buch geht ja noch eine Weile :smile:


    Liebe Grüße
    Manjula

    [size=10px] &quot;Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden.&quot; [/size]

  • Hallo zusammen,


    ich habe jetzt auch die Stelle gelesen, als Swann auf der Suche nach Odette war.


    Es ist irgendwie bezeichnend, dass er zuerst einen Vergleich zu Botticelli und dann noch das Verlustgefühl braucht, um Odette lieben zu können. So stelle ich mir Liebe eigentlich nicht vor :rollen:


    Aber Swann sucht vielleicht auch nicht Liebe sondern jemand, den er wie ein Kunstwerk betrachten kann. Da das im Großstadtmilieu passiert, scheint mir das eine deftige Kritik an dieser Gesellschaft zu sein - keine wahren, echten Gefühle, sondern nur vermeintliche Kunstwerke, eine künstliche Gesellschaft sozusagen.


    Odette's Rolle ist mir dabei auch nicht klar, es wird ja quasi nur aus der Sicht Swanns berichtet.


    Gruß von Steffi

  • Hallo,


    Zitat

    So stelle ich mir Liebe eigentlich nicht vor


    Eine interesannte Sichtweise, Steffi. Ich empfinde hier allerdings anders:


    Gerade auf Grund des Verlustes erkennt Swann seine Liebe zu Odette. Und zwar empfindet er Schmerz als er durch die Straßen irrt. Und gerade in der Abwesenheit von Menschen aber sicherlich auch auf Dinge bezogen, erkennen wir dessen eigentliche Bedeutung. Das Glücksgefühl der liebe mag ich wohl empfinden, wenn ich mit der person zusammen bin. Aber basiert dieses Glücksgefühl nicht darauf, dass diese Momente des zusammenseins nicht selbstverständlich sind? Und ich also Angst habe davor, dass ich diese Person verliere?


    Ich empfinde die Liebe von Swann zu Odette absolut gigantisch beschrieben. Ich glaube nicht, dass Proust hier die Liebe in dieser Gesellschaft kritisieren will, zu mindestens nicht die Liebe von Swann. Dass er weiterhin den Vergleich zu Boticelli anbringt, drückt gerade die Intensität seiner Liebe aus. Er sieht in dem Menschen Odette ein Abild eines Kunstwerkes. Wobei ich Kunst als die Darstellung des Absoluten sehe. In der Kunst wird das Makellose dargestellt (z.B. in der Antike).


    Gibt es hier weitere Meinungen und Interpretationen?


    Die Kritik an der Gesellschaft sehe ich übrigens in den Beschreibungen der anderen Personen und Abendgesellschaften: z.B. die Verdurins, der Arzt...


    Bis dahin,
    A.Prometheus

    Zum Leben gibt es zwei Wege: Der eine ist der gewöhnliche, direkte und brave. Der andere ist schlimm, er führt über den Tod, und das ist der geniale Weg!<br />(Hans Castorp in &quot;Der Zauberberg&quot; v. Thomas Mann)

  • Hallo zusammen,


    eine anregende Diskussion führt ihr über die Liebe zwischen Swann und Odette. Von Odette erfahren wir leider nicht viel und wenn, dann nur von außen. Liebt Odette Swann überhaupt?


    das Erkennen der Liebe in der Angst des Verlustes, kann ich irgendwie nachvollziehen und wurde auch ergreifend beschrieben. Allerdings finde ich es gefährlich, wie Odette und Swann sich, ich sag mal, gegen einander ausspielen um DANN den Verlust herauf zubeschwören. Das zeigt mir, dass in dem Verhältnis etwas nicht stimmt und dass Probleme vorprogrammiert sind. Zumindest Swann wird mit Eifersucht zu kämpfen haben.


    Wie Swann Odette sucht, scheint mir der Höhepunkt Proust's Liebesbeschreibung zu sein. Kann sein, dass sich das noch in Laufe der Geschichte ändert, doch empfinde ich Proust's Stil nach dieser Episode etwas hilflos, wenn es um Liebe und Leidenschaft geht. Seine Darstellung der Gesellschaft scheint ihm sicherer von der Hand zu gehen.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    Zitat

    Liebt Odette Swann überhaupt?


    Das sehe ich auch so: Das wird nirgends beschrieben. Odette drückt in keinem Dialoge ihre Liebe zu Swann aus.


    Zitat

    Zumindest Swann wird mit Eifersucht zu kämpfen haben.


    Ja, das ist das Thema der nachfolgenden Seiten bis S.382. Die aufkommende Eifersucht bei Swann. Und diese Eifersucht kann nur deshalb aufkommen, weil Odette diese Liebe nicht eindeutig erwidert.


    Bis dahin,
    A.Prometheus

    Zum Leben gibt es zwei Wege: Der eine ist der gewöhnliche, direkte und brave. Der andere ist schlimm, er führt über den Tod, und das ist der geniale Weg!<br />(Hans Castorp in &quot;Der Zauberberg&quot; v. Thomas Mann)

  • Hallo zusammen,


    leider bin ich in dieser Woche nicht wirklich weiter gekommen - aber ich werde am Wochenende etwas aufholen !


    Danke, A.Prometheus, für deine Erklärung. Jetzt verstehe ich besser, was Proust damit sagen will. So hätte ich es nicht betrachtet, aber es leuchtet mir sehr ein. Auch das Musikstück trägt zu diesem Eindruck bei. Es ist schön beschrieben, wie Swann darin eintaucht wie in seine Liebe zu Odette !


    Zitat

    Ich glaube nicht, dass Proust hier die Liebe in dieser Gesellschaft kritisieren will, zu mindestens nicht die Liebe von Swann.


    Nein, das glaube ich auch nicht. Ich sehe auch die Kritik an den Menschen in den Zirkeln und deren Oberflächlichkeit.


    Gruß von Steffi




  • Nein, das glaube ich auch nicht. Ich sehe auch die Kritik an den Menschen in den Zirkeln und deren Oberflächlichkeit.


    Gruß von Steffi


    Hallo zusammen,


    und diese Treffen des Zirkels empfinde ich als einen Höhepunkt in "Eine Liebe von Swann". Ich kann mir das wunderbar vorstellen. Dieser neue Gast, dieser Monsieur de Forcheville und wie er sich in die Gunst von Madame Verdurin redet, frischt die 'Tafel' auf *g*


    Diese oberflächlichen Kommentare, die für Erheiterung sorgen, nur nicht für Swann.


    z.B. Cottard, der Arzt. Er muß auf die Toilette, aber eigentlich will er nur eine Umschreibung zum Besten halten "Ich sollte mal nach den Pferden sehen".


    Solange Odette bei den Verdurins ist, findet Swann die Gesellschaft für geistreicher, kunstverständiger und er vernachlässig seinen alten Freundeskreis. Obwohl er die Verbindung nicht abbrechen läßt, weil er für Odette die Möglichkeit sieht, einen Vorteil für sie herauszuholen.


    In diesem Teil der "Verlorenen Zeit" wird sehr viel über Musik und bestimmte Musikstücke geschrieben.
    z.b. das Andante der Sonate für Violine und Klavier von Vinteuil.


    Swanns Eifersucht:
    auf den weiteren Seiten, wird es bestätigt. Er wandert nachts zu ihrem Haus und klopft ans falsche Fenster!


    Ich bin auf S. 370


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    Auf S. 390/391 (Suhrkamp TB In Swanns Welt) wiederholt sich Swanns Suche nach Odette auf beunruhigende Weise. Swann sucht sich eine Karte und Fahrplan heraus und vollzieht in seiner Fantasie, was Odette tut. Derweil ist sie längst wieder in Paris. Was beim ersten Mal, als er Odette nicht bei den Verdurins antrifft, einer noch jungen unsicheren Liebe wirkt, finde ich nun beim wiederholten Male doch eher bestürzend. In der Zwischenzeit sind ja auch 2 Jahre ins Land gegangen, wenn ich das richtig mitbekommen habe.


    Hier ist wieder diese Leidensfähigkeit der Franzosen wenn es um Liebe geht, die mich bei französischen Autoren jedes Mal befremdet.


    Jetzt soll Swann ihr das Geld für Bayreuth und die Wagnerfestspiele geben, damit sie die Verdurins einladen kann, doch er soll zuhause bleiben. :grmpf:


    Wie seht ihr diese "Wiederholung" der Suchszene?


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • z.B. Cottard, der Arzt. Er muß auf die Toilette, aber eigentlich will er nur eine Umschreibung zum Besten halten "Ich sollte mal nach den Pferden sehen".


    Hallo zusammen,
    hallo Maria !


    Diese Stelle lautet bei mir (suhrkamp Frankfurter Ausgabe) folgendermaßen: Ich muss Aumale schnell


    Der Kommentar gibt folgende Bedeutung: Der Ausdruck entstand in ... anti-orleanistischen Kreisen und nahm den Herzog von Aumale, den vierten Sohn von Louis-Philippe, aufs Korn. Er meinte zuerst etwa "pisser sur les Orleans" wurde dann aber für "pisser" und schließlich auch - doch das weiss Cottard nicht, und deshalb lacht Verdurin - für "faire l'amour" verwendet


    Also von wegen Pferden :breitgrins:


    Die Eifersucht und den damit zusammenhängenden Beginn der erneute Suche nach Odette habe ich gerade gelesen. Er sucht vielleicht auch nach der verlorenen Zeit ?? Ich kann es noch nicht richtig einordnen - ich bin erst beim Fenster - und finde aber, dass sich seine Liebe doch wieder geändert hat.


    Außerdem ist er irritiert über seine Rolle bei den Verdurins, denen er nicht mehr genügt und wohl auch nicht genügen will. Insofern genügt ihm Odette auch nicht mehr. Macht ihm ihre Oberflächlichkeit zu schaffen ? Andererseits spricht er ja mit ihr nicht über intelektuelle Dinge und wir wissen gar nicht, ob sie so oberflächlich ist, wie Swann denkt. Ich komme immer noch nicht ganz dahinter.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,


    Da nun der Bruch mit den Verrdurins besteht, kann Swann nicht mehr an den gesellschaftlichen Aktivitäten teilhaben. Weiterhin verbietet Odette Swann an den Orten zu erscheinen, wo die gesellschaftlichen Unternehmungen stattfinden (Ausflug nach Pierrefonds).


    Aber dieses "Verbot" ist für Swann ein Signal, dass er für Odette etwas Besonderes ist, eben Ihr Liebhaber. Denn sie würde keinem anderen Menschen ein solches Verbot erteilen. Aus welchem Grund auch??? Diese Sichtweise von Swann finde ich schon fast grotesk.


    Swann plant in Pierrefonds zufällig aufzutauchen, verwirft diesen Plan aber wieder. Stattdessen befasst er sich mit dem Fahrplan, um die Ankunft von Odette zu berechnen.


    Er würde aber niemals zugeben, dass er sie sehnsüchtig erwartete oder dass seine anfänglich geplante Reise nach Pierrfonds ihr gelte. Swann denkt, dass er dadurch seinen Wert bei ihr verlieren würde. Darum muss alles zufällig und gleichgültig aussehen. Auch dies ist eine groteske Haltung.


    Sind das nicht die Spielchen der Liebe? Der inszenierte Zufall... :breitgrins:


    Was empfindet Swann wirklich? Ein Wechselspiel aus Liebe und Eifersucht, die er Odette nicht mitteilen kann, weil er dann befürchtet, seine Achtung und Ehre ihr gegenüber zu verlieren?


    Aber Odette??? Was ist ihre Haltung??? Was empfindet sie???


    Bis dahin,
    A.Prometheus

    Zum Leben gibt es zwei Wege: Der eine ist der gewöhnliche, direkte und brave. Der andere ist schlimm, er führt über den Tod, und das ist der geniale Weg!<br />(Hans Castorp in &quot;Der Zauberberg&quot; v. Thomas Mann)

  • Guten Morgen,


    ich bin leider noch nicht ganz so weit wie ihr, aber zum Thema "Swann und seine Liebe zu Odette": ich fand den Beginn dieser Liebe sehr merkwürdig. Zunächst entspricht Odette ja nicht seinen Vorstellungen (er trifft sich dann lieber mit seinem Arbeitermädchen). Nachdem er aber auf dem Gemälde von Botticelli eine ihr ähnliche Person entdeckt, erscheint sie ihm wunderschön*. Swann wird ja als Mensch mit stark ausgeprägten ästhetischen Vorlieben geschildert, offensichtlich setzt er seine Maßstäbe aber nicht selbst, sondern braucht sozusagen die Erlaubnis einer höheren Instanz, Odette schön zu finden.


    Und erst dann kann er sich auch in sie verlieben. Ich kann mir nicht helfen, aber das wirkt auf mich wie eine Teenieschwärmerei ("hey, der Typ hat die gleiche Frisur wie Popstar XY, in den verknalle ich mich"). Swann wirkt dadurch auf mich recht unreif und unsicher.


    Was meint Ihr zu dieser Szene?


    Liebe Grüße
    Manjula




    *ein bißchen erinnert mich das an Marcel und die Herzogin: er fand sie ja auch zunächst häßlich und hat dann quasi die Realität an seine Vorstellungen angepaßt

    [size=10px] &quot;Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden.&quot; [/size]

  • Hallo zusammen,


    Zitat

    offensichtlich setzt er seine Maßstäbe aber nicht selbst, sondern braucht sozusagen die Erlaubnis einer höheren Instanz, Odette schön zu finden.


    Und erst dann kann er sich auch in sie verlieben.


    Manjula
    Diesen Kommentar find' ich interessant. Und zwar deshalb, weil mir der Beginn seiner Verliebtheit jetzt so spontan gar nicht einfällt.


    Meine Frage deshalb: Was hat Swann dazu gebracht, sich in Odette zu verlieben? Was waren die Anzeichen für die Entwicklung der Liebe?


    Hier muss ich wohl noch mal zurück blättern... :confused:


    Fakt ist, dass Swann später absolut verliebt ist in Odette.


    Bis dahin,
    A.Prometheus

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  • Hallo zusammen,


    ich habe mir das Buch gekauft:
    Rainer Schmitz "Was geschah mit Schillers Schädel? - Alles, was Sie über Literatur nicht wissen".


    http://www.ndrinfo.de/service/…/2006/t_cid-3353536_.html


    es liefert 1200 Stichworte A-Z, fast 4000 Namen, zahllose Verweise....


    u.a. fand ich unter dem Stichwort "abgelehnt" folgendes über Proust:
    -----------------------------------


    Marcel Prousts epochaler Roman À la recherche de la temps perdu/Auf der suche nach der verlorenen Zeit wurde im Frühjahr 1913 von verschiedenen Verlagen wegen seiner offenbaren Geschwätzigkeit abgelehnt..... Alfred Humblot ... an Louis de Robert ..."Mein lieber Freund, ich bin vielleicht komplett vernagelt, aber ich kann beim besten Willen nicht verstehen, daß ein Mensch dreißig Seiten braucht, um zu beschreiben, wie er sich vor dem Einschlafen im Bett hin und her wälzt."... Es war ausgerechnet André Gide, der damals als Lektor für das Haus (Verlag Gallimard) arbeitete, der die Absage begründete. Daraufhin finanzierte Proust die Veröffentlichung aus eigener Tasche. Später wollte Gide aus Scham, das Manuskript gelesen und abgelehnt zu haben, beinahe sterben.


    ------------------------------------


    so kanns gehen :breitgrins:


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen !


    Maria: :breitgrins: Geschwätzigkeit triffts manchmal schon - aber mit welcher Poesie. Ich wundere mich auch, dass ich das Buch überaus spannend finde, obwohl doch eigentlich fast nichts passiert.


    A.Prometheus schrieb:

    Zitat

    Er würde aber niemals zugeben, dass er sie sehnsüchtig erwartete oder dass seine anfänglich geplante Reise nach Pierrfonds ihr gelte. Swann denkt, dass er dadurch seinen Wert bei ihr verlieren würde. Darum muss alles zufällig und gleichgültig aussehen. Auch dies ist eine groteske Haltung.


    In manchen Dingen verstehe ich Swanns Haltung auch nicht - aber was er alles unternimmt und welche Gedanken er hat z.B. den ablehnenden Brief wegen des Bayreuth-Geldes, er leidet sichtlich und er tut mir leid dabei.


    Interessant ist immer noch, dass Odette nicht zu Wort kommt. Ist Swann nur ein Geldgeber für sie ? Dann wieder spielt sie Forcheville und Swann gegeneinander aus, welch Grausamkeit !


    Für mich fehlt auf jeden Fall das gegenseitige Vertrauen, das ist für mich auch ein sehr wichtiger Baustein für eine Beziehung. Aber Proust geht es meiner Meinung nicht darum, die wahre Liebe zu schildern, sondern so, wie sie wirklich sein kann und vielleicht auch für ihn war. Ob seine Beziehung mit seinem Chauffeur, der ja ein Vorbild für Odette sein sollte, auch so ähnlich war ? Am meisten interessiert mich zu diesem Zeitpunkt, ob wir wohl noch Odettes Haltung kennenlernen werden.


    Inzwischen wendet sich der Autor wieder öfter persönlich an den Leser mit Hinweisen auf Combray - was mag das bedeuten ?


    Gruß von Steffi

  • Hallo,


    Zitat

    Am meisten interessiert mich zu diesem Zeitpunkt, ob wir wohl noch Odettes Haltung kennenlernen werden.


    Werden wir es je erfahren? Aber gerade dadurch bleibt auch eine gewisse Spannung und Erwartung erhalten...oder?


    Zitat

    Inzwischen wendet sich der Autor wieder öfter persönlich an den Leser mit Hinweisen auf Combray - was mag das bedeuten ?


    Ja stimmt. Marcel als Erzähler steht somit wieder über dem Geschehen. Oder hat dieser Hinweis vielleicht eine andere Bedeutung?


    Also - schauen wir mal... :lesen:


    Viele Grüße
    A.Prometheus

    Zum Leben gibt es zwei Wege: Der eine ist der gewöhnliche, direkte und brave. Der andere ist schlimm, er führt über den Tod, und das ist der geniale Weg!<br />(Hans Castorp in &quot;Der Zauberberg&quot; v. Thomas Mann)

  • Hallo zusammen,


    ich füge noch ein paar Eindrücke aus der Biographie von Ronald Hayman hinzu. Durch sein Asthma war Proust gezwungen die meiste Zeit im Bett zu verbringen bzw. er hat sich dafür entschieden. Daneben hat er seinen Körper durch Räucherungen (für seine Lunge) mehr geschädigt als es Kochdünste (Kochen durfte man bei ihm nur selten) hätten verursachen können. Nach dem Tod seiner Mutter und seines Onkels, ist er in das Haus seines Onkels gezogen. Dort dirigierte er alles vom Bett aus. Er schrieb auch im Bett in höchst unbequemer Liegestellung, ein Schreibpult wollte er nicht, denn er litt an dem Minderwertigkeitskomplex der Schwächlichkeit, somit war diese Unbequemlichkeit für ihn sozusagen ein Opfer, eine Buße ...


    Das erinnert an die Tante in "Combray".


    Zitat aus der Biographie (Suhrkamp TB S. 311)
    Weil Proust die meiste Zeit über bewegungslos dalag und kaum etwas zu sich nahm, fror er ständig. Wer ihm die Hand reichte, war überrascht, wie kalt die seine war. Er hatte nur zwei Decken auf dem Bett, .... Er trug lange Wollunterhosen und eine dicke weiche Strickjacke unter dem Pyjama, und um sich aufzuwärmen, behalf er sich hauptsächlich mit Wärmflaschen und Pullovern. Den Kopf lehnte er gegen zwei Kissen. Auf dem Sessel stapelten sich die Pullover, und wenn es ihm kalt war, pflegte er zu läuten und sich einen davon wie einen Umhang über die Schultern legen zu lassen. Fiel dieser herunter, dann läutete er nach einem frischen, und so kam es, daß manchmal vier oder fünf Pullover zwischen ihm und den Kissen eingeklemmt waren. [/Zitat_Ende]


    Außerdem brauchte er für die Nacht Evian-Wasser und Lindenblütentee, das immer parat stand.


    Er plante gerne Ferien, verreiste aber selten. Er konnte sich dann alles ins kleinste Detail ausmalen und gebrauchte dazu Fahrpläne. Proust sagt von sich: "In dieser Zeit der "Ferien" habe ich einen erschreckenden (und platonischen) Verbrauch an Fahrplänen, und ich arbeite tausend "Rundreisen" bis ins kleinste Detail aus, die ich dann zwischen zwei und sechs Uhr morgens auf meiner Chaiselongue unternehme."


    Das erinnert an Odette's Reise und Swann's Brüten über die Fahrpläne.


    So sahen seine "Räucherungen" nach dem Aufwachen im Bett aus:
    Er benutzte dazu Legras-Pulver. Er schüttete etwas Pulver auf eine Untertasse und zündete es mit einem Stück weißen Papier, das er an der Kerze in Brand gesteckt hatte (Streichhölzer vermied er wegen dem Schwefelgeruch), an. Ihm war wahrscheinlich bewußt, dass das Pulver süchtig machte, doch schwerwiegender war, dass Proust nicht erkannte, dass er gerade davon auch Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Erschöpfung, Sehschwäche und Veränderungen im Zentralnervensystem bekam. Das Pulver enthielt Atropin und Hyosciamin, das zwar die Bronichien entschleimt und erweitert und somit das Asthma linderte, doch der Preis war hoch. Er litt in späteren Jahren sogar an Sprechstörungen.


    klingt alles traurig und morbide. Da ging doch irgendwas in seinem Leben schief. Auf der anderen Seite hätte er vielleicht sein Werk nicht schreiben können, wenn alles 'normal' bei ihm gewesen wäre. *grübel*


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()