September 2006 - Marcel Proust

  • Hallo Manjula, hallo Steffi,


    morgen beginnt offiziell unsere gemeinsame Leserunde „Die Flüchtige“ und ich eröffne hiermit den Thread dazu.


    Wer sich uns noch anschließen möchte, ist herzlich eingeladen.


    Welche Ausgabe habt ihr?
    Ich lese die Frankfurter Ausgabe (Suhrkamp Taschenbuch St 3646), herausgegeben von Luzius Keller mit ca. 428 Seiten (mit Nachwort und Anhang 500 S.)


    Dazu heißt es im Impressum:

    Textbasis für diesen Band der Frankfurter Ausgabe stellt nicht die 1925 als „Albertine disparue“ erschienene Erstausgabe dar, die zu großen Teilen ein Artefakt von Robert Proust, Bruder des Autors, ist, sondern die vom Autor selbst bis zu seinem Tod immer wieder überarbeitete Manuskriptfassung sowie das erst 1986 entdeckte und 1987 veröffentlichte Typoskript.


    d.h. die Herausgeber hat sich für eine Art Mischlösung entschieden. Es heißt im Nachwort:


    Als Textbasis dient die Fassung des „manuscrit au net“, wobei die Ungereimtheiten des Manuskripts (einmal Touraine, einmal Nizza; einmal Tochter, einmal Nichte Jupiens usw.) nicht korrigiert werden. Die Zusätze und Neufassungen Prousts im Typoskript sind mit spitzen Klammern gekennzeichnet und mit einer Anmerkung versehen.


    Ein Zusatz findet sich bereits auf S. 10 unten. Marcel überlegt sich ob er die Jacht und den Rolls Royce bestellen soll.... es folgt in spitzer Klammer:


    <Ich hatte vor, außer den Automobilen die schönste Jacht zu kaufen, die es damals gab....>


    der eingefügte Text erstreckt sich dann über etwas mehr als einer Seite.


    Ich habe das obige als Hinweis angeführt, da Manjula bisher die nicht revidierten Ausgabe des Zyklus gelesen hat.


    Welche Ausgabe liest du, Manjula, und findet sich in deinem Text ebenfalls eingefügte Textstellen?


    Ansonsten schließt sich „Die Flüchtige“ nahtlos an „Die Gefangene“ mit dem ersten Satz an:


    “Mademoiselle Albertine ist fort!“


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria und Steffi,


    schön, dass wir wieder bei Proust sind (ich hatte ihn schon vermißt). Leider habe ich mein Buch nicht zur Hand und kann auswendig nichts zur Ausgabe sagen, werde ich aber nachtragen. Wenn wir unterschiedliche Ausgaben lesen, ist der Vergleich sicher interessant.


    Der nahtlose Anschluss an Band 5 gefällt mir, man ist wieder gleich in der Geschichte. Und wie zu erwarten, hat sich Marcels Überzeugung, er könne problemlos auf Albertine verzichten, als Selbsttäuschung erwiesen. Sein Schmerz wird sehr eindrücklich geschildert.


    Dies mal als ersten Eindruck - ich freue mich schon auf die weitere Leserunde mit Euch!


    Viele Grüße
    Manjula

    [size=10px] &quot;Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden.&quot; [/size]

  • Hallo Maria und Manjula !


    Ich freu mich auch, dass wir wieder gemeinsam lesen :klatschen:


    Die ersten Seiten habe ich nun schon gelesen (ich hab ebenfalls die revidierte Ausgabe von Keller) und wie nicht anders erwartet, kreisen Marcels Gedanken um das, was er verloren hat. Es ist nicht so sehr Albertine als Mensch, sondern eher das Gefühl Albertine bei sich zu haben, dem er nachtrauert. Natürlich abstrahiert er sofort wieder, denkt auch an andere Verluste und entzieht sich so der Realität.


    Manchmal denke ich, dass Albertine gar nicht real ist/sein soll sondern nur ein bestimmtes Gefühl und Gedankenmuster ist, dass sie für etwas anderes steht.


    Gruß von Steffi



  • Manchmal denke ich, dass Albertine gar nicht real ist/sein soll sondern nur ein bestimmtes Gefühl und Gedankenmuster ist, dass sie für etwas anderes steht.


    Hallo zusammen,


    Steffi, mit deinem Gefühl liegst du bestimmt nicht falsch. Gedankenmuster - das trifft es schon!
    Obwohl ich glaube, so nahe wie jetzt, werden wir Albertine nie mehr kommen bzw. so nahe waren wir ihr meines Erachtens noch nie. Ich denke da an ihren Abschiedsbrief!


    Schöne Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

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  • Hallo Steffi und Maria,



    Manchmal denke ich, dass Albertine gar nicht real ist/sein soll sondern nur ein bestimmtes Gefühl und Gedankenmuster ist, dass sie für etwas anderes steht.


    das klingt auch für mich schlüssig. Wir hatten ja schon in der Leserunde zum letzten Buch festgestellt, dass wir Albertine konsequent nur aus Marcels Sicht dargestellt bekommen. Sie erscheint für mich gar nicht plastisch, eher nur wie eine Projektion des Autors. Sein Leiden ist zwar echt, aber komplett ichbezogen. An keiner Stelle fragt er sich, wie es Albertine gehen mag. Naja, wozu auch, sie ist ja nur zu seinem Wohlgefallen auf der Welt :zwinker:


    Ich lese übrigens die im Suhrkamp Verlag erschienene, von Eva Rechel-Mertens übersetzte Ausgabe (leider ohne Nachwort). An der von Dir, Maria, erwähnten Stelle ist bei mir keine Ergänzung; nach Marcels Überlegung wegen der Jacht und dem Rolls Royce denkt er gleich über eine mögliche Unterstützung durch Madame Bontemps nach. Dafür kommt bei mir einige Seiten später eine Fußnote, in der er über ein Mädchen erzählt, das er sich als Albertine-Ersatz ins Zimmer holt. Die Einfügung macht aber einen merkwürdigen Eindruck, da sie zwischen zwei Sätze eingefügt ist, die sich beide auf das "Unbekannte" in Albertine beziehen und daher eigentlich nicht trennbar sind. Als Originaltitel steht bei mir übrigens "La Fugitive".


    Euch beiden ein schönes Wochenende!
    Manjula

    [size=10px] &quot;Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden.&quot; [/size]


  • Ich lese übrigens die im Suhrkamp Verlag erschienene, von Eva Rechel-Mertens übersetzte Ausgabe (leider ohne Nachwort). An der von Dir, Maria, erwähnten Stelle ist bei mir keine Ergänzung; nach Marcels Überlegung wegen der Jacht und dem Rolls Royce denkt er gleich über eine mögliche Unterstützung durch Madame Bontemps nach. Dafür kommt bei mir einige Seiten später eine Fußnote, in der er über ein Mädchen erzählt, das er sich als Albertine-Ersatz ins Zimmer holt. Die Einfügung macht aber einen merkwürdigen Eindruck, da sie zwischen zwei Sätze eingefügt ist, die sich beide auf das "Unbekannte" in Albertine beziehen und daher eigentlich nicht trennbar sind. Als Originaltitel steht bei mir übrigens "La Fugitive".


    Euch beiden ein schönes Wochenende!
    Manjula


    Hallo Manjula
    "La Fugitive" ist auch der Originaltitel der revidierten Frankfurter Ausgabe. Keller übersetzte es "Die Flüchtige"
    In der Übersetzung von Eva Rechel-Mertens heißt es "Die Entflohene", nicht wahr?


    Albertine disparue war wohl der Titel der Erstausgabe von 1925, den der Bruder, Robert Proust, herausbrachte.


    zu dem Mädchen:
    Bei mir ist die Begegebenheit keine Fußnote, sondern sie ist im Erzählstrang enthalten. Das verwirrte mich doch sehr. Woher kam das Mädchen? Was wollte er von dem Mädchen? Kurz darauf gibt es noch eine Episode auf dem Polizeirevier. Doch ich finde das alles zu seltsam. Wie eine Traumfrequenz.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen !

    Das Mädchen und die nachfolgenden Beschuldigungen sind auch für mich eher absurd - vielleicht hat Proust oder ein Bekannter so etwas erlebt. In diesem Band erscheinen mir bisher viele Dinge mehr oder weniger aneinandergereiht, aber das ist ja auch kein Wunder, da Proust ihn nicht mehr bearbeiten konnte.


    Für Marcel ungewöhnlich, bricht er dann ja auch in Hektik aus und überlegt, wie er Albertine zurückgewinnen könnte. Für ihn ist es eine Niederlage und er schickt Saint-Loup aus. Immer noch geht er nicht den direkten Weg, seine Gefühle verschleiert er bzw. schwelgt er vielleicht auch in en Gefühlen, die ihm die Situation beschert. Die Sache mit dem Rolls hat mich etwas verwirrt, wie mir überhaupt seine Gedanken manchmal sehr verworren erscheinen.


    Als die Bemühungen scheitern, versucht er Albertine mit Eifersucht zu locken - da er sehr eifersüchtig ist, weil seine ehemalige Gefangene nun, so vermutet er jedenfalls, ungehemmt ihrer Laster frönen kann, meint er, dass er sie so zurückgewinnen könnte. Na, da bin ich nicht überzeugt.


    Im übrigen, für mich wäre statt des Titels "Die Flüchtige" mehr "Der Verlassene" zutreffend.


    Ich bin auf S. 92.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,



    Für Marcel ungewöhnlich, bricht er dann ja auch in Hektik aus und überlegt, wie er Albertine zurückgewinnen könnte. Für ihn ist es eine Niederlage und er schickt Saint-Loup aus. Immer noch geht er nicht den direkten Weg, seine Gefühle verschleiert er bzw. schwelgt er vielleicht auch in en Gefühlen, die ihm die Situation beschert. Die Sache mit dem Rolls hat mich etwas verwirrt, wie mir überhaupt seine Gedanken manchmal sehr verworren erscheinen.


    Saint-Loup war nicht erfolgreich, was zur Folge hat, dass Marcel einen Brief schreiben muß, in dem er sehr verwirrend niederschreibt, dass sie nicht zurückkommen soll.


    Da lob ich mir Albertines zweite Nachricht. Sehr direkt und ehrlich.


    Ich fand einen Satz, der in "Freuden und Tage" zu finden ist und der passend ist: Durch das Begehren erblüht, durch das Besitzen verwelkt alles.


    Die Berma ist verstorben und Marcel erinnert sich an ihre Rolle in Phedré. Die Ausführlichkeit hat mich gewundert.
    Im Marcel Proust Lexikon las ich, dass die Berma im letzten Teil der "Suche" nochmals auftaucht.


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Ihr Lieben,


    mit Interesse verfolge ich seit geraumer Zeit Eure Proust-Runden und habe nun beschlossen, die "Recherche ..." anzugehen. Erste Erkundigungen zu Band 1 ("Swanns Welt") verwirren mich aufgrund der unterschiedlichen Ausgaben und Übersetzungen. Welche ist Eurer Meinung nach empfehlenswert?


    Viele Grüße


    Tom


  • Es gibt zur Zeit nur eine einzige empfehlenswerte Ausgabe auf dem deutschen Markt. Frankfurter Ausgabe in der Übersetzung von Keller:


    [kaufen='3518067907'][/kaufen]


    Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, 98 EUR. Auch als Einzelbände erhältlich.


    Gibt es auch gebunden für 298,- EUR.


    Dies ist die beste Übersetzung und hat zudem einen sehr guten Kommentar im Anhang. Diese Ausgabe wird ausschließlich für Lesungen der Marcel-Proust-Gesellschaft verwendet.


    Schöne Grüße,
    Thomas


  • Es gibt zur Zeit nur eine einzige empfehlenswerte Ausgabe auf dem deutschen Markt. Frankfurter Ausgabe in der Übersetzung von Keller:


    [kaufen='3518067907'][/kaufen]


    Hallo Thomas,


    diese Ausgabe ist mir auch aufgefallen. Sie wird wahrscheinlich "das Rennen machen". Weißt Du zufällig, ob sie inhaltlich identisch ist mit der dreibändigen "Jubiläumsausgabe" für "nur" 50 Euro (ebenfalls Suhrkamp)?


    Übrigens: Den Erwerb von Einzelbänden hatte ich auch in Erwägung gezogen. Das Problem: Den 4. Band "Sodom ..." gibt es (derzeit) nicht als Einzelbuch, warum auch immer.


    So, nun will ich diese Leserunde nicht weiter mit meinen Fragen stören.


    Viele Grüße an die Proust-Gemeinde


    Tom

  • Hallo Sir Thomas,
    hallo klassikfreund !


    Diese Ausgabe lesen auch JMaria und ich. Zu Beginn habe ich auch verglichen - diese Ausgabe revidiert von Keller, dann die ursprüngliche Übersetzung von Eva Rechel-Mertens und eine ganz neue von Kleeberg. Ich fand die Keller-Ausgabe am besten und angenehmsten zu lesen. Außerdem gibt es neben dem Kommentar und Erläuterungen auch ein hilfreiches Resumee.


    Bei der Jubiläumsausgabe scheint es mir, als ob es sich um die ursprüngliche Übersetzung von Rechel-Mertens handelt. Gerade die Überarbeitung von Keller ist aber sehr empfehlenswert, da auch neuere Proust-Forschungs-Ergebnisse miteinflossen.


    Gruß von Steffi

    Gruß von Steffi

    Einmal editiert, zuletzt von Steffi ()



  • diese Ausgabe ist mir auch aufgefallen. Sie wird wahrscheinlich "das Rennen machen". Weißt Du zufällig, ob sie inhaltlich identisch ist mit der dreibändigen "Jubiläumsausgabe" für "nur" 50 Euro (ebenfalls Suhrkamp)?


    Übrigens: Den Erwerb von Einzelbänden hatte ich auch in Erwägung gezogen. Das Problem: Den 4. Band "Sodom ..." gibt es (derzeit) nicht als Einzelbuch, warum auch immer.


    Tom


    Hallo Tom,


    auch ich lese die Frankfurter Ausgabe und habe mir die Bände einzeln gekauft. Band 4 gibt es. Hast du "Gomorrha" mit h geschrieben bei deiner Suche?
    [kaufen='9783518456446'][/kaufen]


    Die Jubiläumsausgabe für 50 Euro ist die Übersetzung von Rechel-Mertens, da hat Steffi ganz recht. Ich las den 1. Band und bin dann auf die Überarbeitung von Keller umgestiegen.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    Marcel macht auf mich in diesem Band einen sehr konfusen Eindruck: die merkwürdige Episode mit dem kleinen Mädchen, der wirre Plan mit den 30.000 Francs für den Onkel, der Brief mit der vorgeschobenen Hochzeitserlaubnis...Man könnte meinen, er sei durch die Trennung von Albertine so durcheinander, eigentlich scheint er aber nur um sich selbst zu kreisen. Ständig pendelt er zwischen dem Gedanken an Albertines Rückkehr (worauf er sich diese überhaupt nicht mehr wünscht) und der Furcht, sie nie wieder zu sehen (was ihn dann umso mehr ihre Rückkehr ersehnen lässt). Er befindet sich in einem Teufelskreis, aus dem aus eigener Kraft nicht mehr herausfinden kann. Und fremde Hilfe ist nicht in Sicht: Saint-Loup fühlt sich verpflichtet (wahrscheinlich in Erinnerung an Rahel), einen Kontakt zu Albertine herzustellen; Bloch tritt wie üblich nur ins Fettnäpfchen.


    Ich fand einen Satz, der in "Freuden und Tage" zu finden ist und der passend ist: Durch das Begehren erblüht, durch das Besitzen verwelkt alles.


    Das drückt Marcels Dilemma perfekt aus.


    Viele Grüße
    Manjula

    [size=10px] &quot;Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden.&quot; [/size]

  • Hallo ihr Lieben


    wie weit seit ihr? Ich bin auf S. 140.


    Überraschend war für mich, dass Albertines Tod so früh im Buch vorkommt. Ich hatte viel später damit gerechnet. Albertine hat sich 'verflüchtigt'.


    Ich merke, dass ich mich gerne in die Erinnerungen fallen lasse, in die uns der Erzähler führt. Schwieriger wird es wenn Marcel zu philosophieren beginnt und ich am Ende des Abschnittes nicht mehr weiß um was es eigentlich geht. :breitgrins:


    Doch es gibt Sätze, die sind kurz und prägnant, dass mich der Erzähler wieder überrascht: (S. 137) ...die Wahrheit sieht so aus, Daß niemand Macht über das Leben eines anderen hat.


    Schöne Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen !


    Ich bin in etwa so weit wie du, JMaria !


    Dass Albertines Tod so früh kam, hat mich ebenfalls sehr überrascht.


    Damit bekommen die Erinnerungen eine ganz andere Dimension. Denn wer garantiert, dass die Erinnerungen den tatsächlichen Menschen wiedergeben ? Wo doch seit dem Anfang Proust uns vielfältig belegt, dass die Erinnerungen nicht der Realität entsprechen sondern eben durch die Person, die sich erinnert, entstehen. Die Frage ist ja, wie kann man seine "gefärbten Erinnerungen" umgehen um an die Realität zu kommen und geht das überhaupt ? Das ist ja auch die Seite, auf die sich die Naturwissenschaft schlägt: beweise ein System und du erhälst die Wahrheit.


    Oder um mit Marcel zu sprechen: Dinge und Personen begannen für mich erst zu existieren, wenn sie in meiner Einbildungskraft eine individuelle Existenz annahmen. S.146 st 3646


    Gruß von Steffi

  • Hallo Maria und Steffi,


    ich bin auch etwa so weit wie ihr.


    Albertines Tod kam nicht nur früh, er kam für mich auch völlig unerwartet. Es fällt eine Andeutung, dass der Tod der Geliebten (entgegen Swanns Meinung) nicht befreiend wirke und zwei Absätze später erfährt der Leser von Albertines Unfall. Tragisch: Marcels Telegramm hat sie nicht mehr erreicht, umgekehrt empfängt er ihre Briefe erst, als es schon zu spät ist. Und es scheint, als ob ihre letzten Zeilen Marcel nicht trösten können. Besonders eindrücklich finde ich die Stelle, als er von den "unzähligen Albertinen" spricht, die er nicht vergessen könne.



    Die Frage ist ja, wie kann man seine "gefärbten Erinnerungen" umgehen um an die Realität zu kommen und geht das überhaupt ?


    Gute Frage! Ich glaube, dass es nicht geht, denn eine von allen persönlichen Einflüssen gereinigte, quasi völlig neutrale Erinnerung wäre aus meiner Sicht blass und leblos und damit noch "unrealistischer".


    Das hatte ich beim letzten Eintrag vergessen: ja, der Band heißt bei mir "Die Entflohene".


    Viele Grüße
    Manjula

    [size=10px] &quot;Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden.&quot; [/size]

  • Hallo Steffi,
    hallo Manjula


    Gute Frage! Ich glaube, dass es nicht geht, denn eine von allen persönlichen Einflüssen gereinigte, quasi völlig neutrale Erinnerung wäre aus meiner Sicht blass und leblos und damit noch "unrealistischer".


    das ist auch meine Meinung.


    Zitat


    Das hatte ich beim letzten Eintrag vergessen: ja, der Band heißt bei mir "Die Entflohene".


    Viele Grüße
    Manjula


    der neue Titel finde ich bezugsnaher. "Die Entflohene" klingt so, ich sag mal, materiell, körperlich, lebend. "Die Flüchtige" klingt für mich sowohl das genannte, wie auch immateriell. Als Tote hat sich Albertine verflüchtigt, lebt aber doch in seiner Erinnerung verschieden weiter, doch sie hat sich ihm entzogen, verflüchtigt. Ups, ich kanns nicht besser erklären.


    und natürlich dürfen wir Marcel nicht alles glauben, was er schreibt.
    so z.B.


    Warum hatte sie mir nicht gesagt: Ich habe diese Neigung? Ich hätte nachgegeben, ich hätte ihr erlaubt, sie zu befriedigen, und würde sie noch in diesem Augenblick küssen


    Schöne Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)