Zitat
:smile: Den Ausdruck habe ich noch nie gehört - bedeutet das "es ist nicht relevant"?
Zitat
ludolf hat hier zitiert, dass das ganze doch neuestens wörtlich zu nehmen sei...
Danke, hier ist das Stichwort: "neuestens".
Darauf wollte ich die ganze Zeit hinaus - Interpretationen von Texten unterliegen zeitgeistbedingten Änderungen. Der Zeitgeist wird bestimmt durch Faktoren, die mit dem Verständnis der Gesellschaft zu tun haben, in der man lebt.
Die Freizügigkeit des Hoheliedes wurde umgelenkt auf die Ebene der bestimmenden christlichen Aspekte, um es zu "entschärfen". Heute sind wir in der Lage, diesen Text (wieder) als das zu sehen, was er war - ein Loblied auf nur eine Form der Liebe, ohne Scham und ohne Furcht. Ich möchte es als Einleitung sehen für ein Leben, in dem zu einem späteren Zeitpunkt die weiteren Formen der Liebe als Selbstverständlichkeit in den Kanon des Lebens eingebunden werden.
Das sehe ich als ungeheuere Erleichterung an, als Bereicherung. Der Mensch an sich ist ein Wesen mit einer Vielzahl an Emotionen. Eros, Philia und Agape können nebeneinander existieren und sich untereinander vermischen - und sie tun es auch im Miteinander der Menschen.
Die Literatur ist ein Spiegel des Lebens. Mit einem Unterschied: da die Literatur ein "Kunstprodukt" ist (im besten Sinne des Wortes und auch im übertragenen), kann man in der Kunst leichter Ideale aufzeichnen. Diese Ideale wandeln sich jedoch, womit wir wieder beim Zeitgeist wären. Der Zeitgeist heute verwechselt oft "Erotik" und "Sex". Das ist bedauerlich, jedoch nicht zu ändern. Wenn man jedoch diese beiden Begriffe trennen kann, dann sieht man, dass die Erotik eine belebende und erfrischende Wirkung haben kann. Sex gleitet leicht in Pornographie ab.
Jeder von uns, der sich mit Literatur beschäftigt, weiss das eigentlich. Mein ursprünglicher Einstieg in das Thema war der Ansatz, dass man sich nicht eines Erlebnisses berauben darf, nur weil man zu sehr in einem Denkschema befangen ist und allein dadurch Texte ablehnt, ohne sich deren eigener Wertigkeit bewusst zu sein.
Wenn man sich mit solchen Texten beschäftigt, die Hintergründe untersucht, wie sie entstanden sind, warum sie entstanden sind, welchen Zeitgeistströmungen sie unterlagen und dann nach einer Weile sagt "es gibt mir nichts, weil mir hier gewisse Aspekte fehlen, die mir persönlich wichtig sind" - dann ist es auch gut. Die Freiheit hat jeder von uns.