Juni 2005 - W.M. Thackeray: Jahrmarkt der Eitelkeit

  • Zitat von "Erika"

    An einigen Stellen wird Mrs Bute Crawley als "blackfaced" charakterisiert. Leider habe ich in meinen Wörterbüchern keine befriedigende Übersetzung gefunden. Vielleicht könnt Ihr mir weiterhelfen. Es ist bei der Tanzszene, die in Beckys Brief beschrieben ist. (She is a little, blackfaced old woman in a turban). Ich fürchte, es ist kein schmeichelhafter Ausdruck. :zwinker:


    Gruß
    Erika


    :blume:


    Hallo zusammen
    Hallo Erika


    lt. Webster's bedeutet es:


    Black-faced \Black"-faced`\, a.
    Having a black, dark, or gloomy face or aspect.


    ein finsteres, düsteres Aussehen, würde ich sagen. :-)


    LG Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • Hallo zusammen,
    Hallo Steffi


    die Kritik ist zwar nicht versteckt, aber ich habe gemerkt, dass ich mich durch die Satire gerne davon ablenken lasse. Ich empfinde den Erzählstil schon fast verführerisch. Du hast auch in einem vorigen Beitrag das Wort 'frankophil' in die Diskussion fallen lassen. Das ist bemerkenswert, wie er auch positive Dinge aus Frankreich hervor hebt, wenn auch mit einem Augenzwinker, wenn ich an die Ansicht des Heiratens mit einem Rechtsanwalt denke *g*


    vielleicht kann man Osbornes' Verhalten auch auf das britische Empire beziehen? Ein aufstrebender Handelssohn, der gerne in den Adel hinein heiraten würde. Das erinnert mich an Edith Whartons' "Die Freibeuterinnen". Reiche Amerikanerinnen die von ihren Eltern an den englischen Adel verheiratet wurden ;-)


    Joseph Sedley Symbol für den Kolonialismus Englands?


    ein interessanter Ansatzpunkt für eine Diskussion, danke Steffi. :bang:


    auf dieser Webseite habe ich gelesen, dass Thackeray Napoleon auf St. Helene sah, was dann wirklich wichtig für "Vanity Fair" wurde.


    http://www.cliffsnotes.com/Wil…ote/id-158,pageNum-1.html


    Thackeray hat auch unter Pseudonym folgendes geschrieben:


    http://gaslight.mtroyal.ab.ca/gaslight/2dflmenu.htm


    in der FAZ las ich über den Kinofilm "Vanity Fair":

    Nicht ohne Grund hat Thackeray sein 1848 erschienenes Buch einen „Roman ohne Helden” genannt. Er wollte, anders als Jane Austen vor und Charles Dickens nach ihm, die Geschichte einer Zeit, nicht die eines Individuums erzählen.


    das erklärt auch vieles.
    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria,
    danke für deine Deutungshilfe. Ich hatte mir Ähnliches schon gedacht.


    Ich habe Kapitel 13 beendet. Amalias Verliebtheit ist nur schwer zu ertragen. :zwinker: Zumal Thackeray ja deutlich den Kontrast aufzeigt zwischen ihren verliebten Phantasien und der Realität. Osborne Senior scheint nicht begeistert zu sein über die Wahl seines Sohnes. Offensichtlich gibt es Gerüchte über finanzielle Schwierigkeiten bei den Sedleys.


    Daneben ist die energische Art Beckys geradezu herzerfrischend. Aber Landarztfrau will sie nicht werden. Sie hat höhere Ziele!!


    Kritisch beurteilt Thackeray den Gedanken junger Damen einen alten reichen Mann zu heiraten, um versorgt zu sein. Das wird wohl noch einmal wichtig werden.


    Gruß
    Erika


    :blume:

    Wer Klugheit erwirbt, liebt das Leben und der Verständige findet Gutes.
    <br />Sprüche Salomo 19,8


  • Hallo Steffi
    Hallo Erika
    du bist bestimmt wieder ein paar Seiten weiter. Steffi hat es bereits erwähnt, es ist interessant, wie schnell die Situation sich ändert. Rasant wie eine damalige Kutschfahrt, die Geschicht rollt so angenehm dahin.


    du wirst überrascht sein, was Becky macht *g*
    ich war sehr überrascht.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Steffi, hallo Maria,
    ich hatte Probleme mit meinem Internet-Anschluss, daher die Verspätung, entschuldigt mich bitte.


    Ja, das ist in der Tat eine erstaunliche Entwicklung. Hätte Becky nur ein wenig gewartet, dann wäre sie jetzt am Ziel ihrer Träume angekommen. Offensichtlich waren die Ansprüche an eine 3. Lady Crawley nicht mehr so hoch. Die 2. war ja schließlich auch schon die Tochter eines Eisenwarenhändlers. Ist das bei Euch auch die Übersetzung für iron-monger? Aber, was soll´s. Knapp vorbei ist auch daneben. Nun ist sie also mit dem etwas einfältigen Sohn verheiratet, der ihr freimütig gesteht, dass sie für beide denken muss. :zwinker: Der Vergleich mit Simson und Delilah lässt nichts gutes ahnen für die Zukunft dieses hoffnungsvollen jungen Mannes (Richter 16,4-31).....


    Gruß
    Erika
    :blume:

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    <br />Sprüche Salomo 19,8

  • Hallo Steffi, hallo Maria,
    soeben habe ich Kapitel 17 beendet. Nun hat sich erfüllt, was sich schon vorher angekündigt hat. Amalias Vater ist pleite. Wie Amalia damit wohl umgehen wird.


    Bezeichnend die Schilderung aus Beckys Eheleben. Die große Liebe ist es wohl nicht. Sie hält seine geistige Beschränktheit tapfer aus:


    "If he had but a little more brains," she thought to herself, "I might make something of him;" but she never let him perceive the opinion she had of him ......


    Etwas aus seinem Mann machen, da dachte ich gleich an Hilary und Bill Clinton. :zwinker:



    Am Anfang jedes Kapitels befinden sich kleine Bilder, in die der Anfangsbuchstabe eingearbeitet ist. (Dafür gibt es auch einen Fachausdruck, der mir leider entfallen ist.) In Kapitel 18 lautet das erste Wort our. Das O ist der Spiegel über dem sich verbeugenden Narren. Wie ist das in der deutschen Übersetzung. Fängt das erste Wort dort auch mit O an?


    Gruß
    Erika


    :blume:

    Wer Klugheit erwirbt, liebt das Leben und der Verständige findet Gutes.
    <br />Sprüche Salomo 19,8

  • Zitat von "Erika"

    Hallo Steffi, hallo Maria,
    Nun ist sie also mit dem etwas einfältigen Sohn verheiratet, der ihr freimütig gesteht, dass sie für beide denken muss. :zwinker: Der Vergleich mit Simson und Delilah lässt nichts gutes ahnen für die Zukunft dieses hoffnungsvollen jungen Mannes (Richter 16,4-31).....


    Gruß
    Erika
    :blume:


    Hallo Erika
    Hallo Steffi


    danke für die Bibelstelle, Erika, ich werde heute abend die Verse auffrischen. Ist schon lange her, als ich die Geschichte Simson und Delilah las. Es paßt gerade, also kann ich es dazu nutzen, die Bibel mit einzubinden.


    Ich habe eine kleine Thackeray-Pause gemacht, damit du aufholen kannst und werde am Wochenende weiter machen.


    Im Moment bin ich ganz aufgeregt. Ich habe mir das Thomas Mann Handbuch von Koopmann, das es endlich in der TB-Ausgabe gibt, heute gekauft. Beim durchblättern und im Inhaltsverzeichnis habe ich gesehen, dass Thomas Mann auch etwas über Thackeray sagte.


    Ich werde euch berichten.


    :bang:


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria,
    danke für deine Rücksichtnahme, ich brauche doch länger als gedacht, um dem Text auf Englisch folgen zu können. Sicher erfasse ich nicht alle Feinheiten; es fehlt mir schlicht die Zeit, um alle Vokabeln nachschlagen zu können, dennoch genieße ich es, mal wieder ein Buch auf Englisch lesen zu können.


    Auf die Äußerungen von Thomas Mann zu Thackeray bin ich gespannt!


    Gruß
    Erika


    :blume:

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  • Hallo Erika,


    Zitat

    Wie ist das in der deutschen Übersetzung. Fängt das erste Wort dort auch mit O an?


    Das hab ich mich auch gefragt und tatsächlich, die Anfangsbuchstaben sind immer gleich. Im 18. Kapitel lautet der Anfang: Obwohl unsere kleine Erzählung darüber verwundert ist, müssen wir sie doch einen Augenblick unter ganz berühmte Ereignisse und Persönlichkeiten versetzten, ...


    Das bringt mich wieder darauf, dass Thackeray nicht nur den Erzähler sondern auch die Geschichte selbst immer wieder personifiziert. Etwas später erfahren wir, dass der Erzähler mit Dobbin bekannt ist, er wendet sich mal direkt an weibliche Leser, dann wieder nur an männliche usw. Es ist wirklich spannend, das zu beobachten.


    Ich habe auch ein Päuschen gemacht und komme zum 24. Kapitel. Amelia ist inzwischen auch verheiratet, nun ja :breitgrins: Ob man das unter Liebesheirat verstehen soll ? Immer mehr gewinnt man Einblicke in die innere Motivation der Charaktere und das ist nicht gerade sehr positiv. Aber die Art und Weise, wie Thackeray das beschreibt ist einfach köstlich.


    Gruß von Steffi

  • Zitat von "Erika"

    Auf die Äußerungen von Thomas Mann zu Thackeray bin ich gespannt!


    Gruß
    Erika


    :blume:


    Hallo Steffi,
    Hallo Erika


    hier mal in Stichpunkten:
    - Katia Mann hat in den frühen 20iger Jahren an einer deutschen Übersetzung von Vanity Fair für den List-Verlag gearbeitet!


    -Der Erzähler des Zauberberg hat, vor allem im 2. Teil, viel mit Thackerays Erzähler gemeinsam. Zitat:
    Beide ziehen durch ihre zahlreichen Bemerkungen und Beobachtungen Aufmerksamkeit auf sich und sprechen den Leser häufig diekt an, um seine wichtige Rolle als Zuhörer zu unterstreichen.


    -Zauberberg und Vanity Fair beginnen mit einer kurzen Einleitung aus fünf Absätzen, die über Zeit und Ort der Handlung orientieren soll.


    Zitat:
    von Anfang an sind die Erzähler zugleich Vermittler zwischen Romanfigur und Leser.


    und
    -Thomas Mann zählte Vanity Fair zu den Büchern die er sofort nach einem Verlust seiner Bibliothek ersetzen würde.


    Ich glaube, mir gehts auch so. Thackerays Stil ist angenehm und aufaufdringlich und humorvoll und voller Leben.


    Viele Grüße und schönes Wochenende
    wünscht euch
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    Es wird Zeit, dass ich meine Gedanken zu den nächsten Kapitel (bis 24) niederschreibe, sonst vergesse ich sie wieder.


    Was mir auffiel, dass zu fast jeder Person der Handlung Ansätze zur Besserung ihres Charakters zu sehen sind, aber dann kommt die Eitelkeit und wusch ----> weg sind die guten Bemühungen.


    Beispiele:


    Kapitel 23: Hauptmann Dobbin als Vermittler.
    Da denkt man zuerst: Wie uneigennützig und dann erfährt der Leser vom Erzähler, dass auch Dobbin das nur macht um einen Vorgang (die Heirat) zu beschleunigen, damit er seinem ‘Schrecken’ ein Ende setzt. Somit greift er wegen seinem Eigennutz der evtl. positiven Entwicklung Amelias’ vor und verhindert, dass sie sich weiterentwickelt. Wer weiß, ob nicht aus Amelia eine stärkere Frau geworden wäre, wenn er nicht eingegriffen hätte:


    Kapitel 24:
    Bei diesen Worten wurde der arme Dobbin bis über beide Ohren rot in dem ehrlichen Gefühl, dass er ein Verräter war. Ohne ihn wäre es vielleicht nie zu diesem Streit gekommen. Warum hatten sie Georges Heirat nicht hinausgeschoben? Er hatte das Gefühl, dass George jedenfalls sich ohne tödlichen Schmerz von Amelia getrennt haben würde. Auch Amelia würde sich vielleicht von dem Leid über den Verlust erholt haben. Und warum das alles? Weil er sie so liebte, dass er sie nicht unglücklich sehen konnte, oder weil ihm die schmerzvolle Ungewißheit so unerträglich war, dass er seine Leiden lieber mit einem Male ersticken wollte - wie wir etwa nach einem Todesfall auf ein schnelles Begräbnis drängen .....


    Wie seht ihr Dobbins’ Einmischung, Eitelkeit oder wahre Liebe?


    Auch Jane Osborne, George Schwester, hatte die Möglichkeit sich weiter zu entwickeln, indem sie Dobbins’ Vorschlag hätte annehmen können und eine Vermittlerrolle zu übernehmen. Sie war nach dem Gespräch nicht abgeneigt, aber dann bemerkte ihr zukünftiger Schwager, dass sie ja nun mit einer reicheren Mitgift rechnen könnte, und schon war die Eitelkeit wieder da.


    Das Kapitel 23 endet mit einem Kinderbeispiel:


    “Polly.... Deine Schwester hat einen Pfennig bekommen”. Woraufhin die Kinder sogleich von der Pfütze aufsprangen und wegliefen, um Peggy den Hof zu machen. Und als der Omnibus abfuhr, sah ich Peggy mit ihrem Gefolge höchst würdevoll auf den benachbarten Stand der Frau mit dem Zuckerwerk zu marschieren.


    Die Kapitel sind voll mit der Studie des Menschen in diversen Situation und meist natürlich in Zusammenhang mit der Eitelkeit. Sehr interessant ausgeführt und dem Leser ungeschoben ohne zu Predigen.


    Wenn ich da an den Erzählstil von George Eliot denke, ist hier ein großer Unterschied zu erkennen. Bei George Eliot verwandelt sich der Erzähler öfters mal in einen Ermahner und predigt dem Leser was zu tun bzw. was zu lassen ist.


    Das heißt jetzt aber nicht, dass ich George Eliot nicht gerne lese, im Gegenteil. Interessant finde ich die Unterschiede.


    Wie seht ihr diese Kapitel (bis 24) ?


    Zitat von "Steffi"

    Das bringt mich wieder darauf, dass Thackeray nicht nur den Erzähler sondern auch die Geschichte selbst immer wieder personifiziert. Etwas später erfahren wir, dass der Erzähler mit Dobbin bekannt ist, er wendet sich mal direkt an weibliche Leser, dann wieder nur an männliche usw. Es ist wirklich spannend, das zu beobachten.


    danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Es gibt wirklich ein paar köstliche Passagen über die Ehe *G*


    Kapitel 19:
    Gelübde, Liebesschwüre, Dankesversicherungen: wie seltsam liest sich das nach einiger Zeit! Es sollte ein Gesetz geben, das die Vernichtung jedes geschriebenen Dokuments nach einem kurzen angemessenen Zeitraum gebietet (außer den Quittungen über bezahlte Rechnungen).


    :breitgrins:
    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • noch eine Ergänzung zum vorherigen Beitrag:


    wie fandet ihr die freimütige Einstellung von George Vaters, dass er George mit eine dunkelhäutigen Insulanerin vermählen wollte, weil sie ein dickes Erbe besitzt?


    Klar, es ging ihm nur um das Geld, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein amerikanischer Schriftsteller gewagt hätte zu schreiben, auch nicht im 19. Jahrhundert. Oder bin ich da auf dem Holzweg?


    Ich kenne mich leider mit den amerikanischen Schriftstellern des 19. Jahrhunderts nicht gut aus und wollte euch dazu fragen.


    Gruß
    Maria
    PS: bin im 27. Kapitel

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo ihr beiden !


    Ich bin nun auch schon etwas weitergekommen und bei Kapitel 30.


    Die ganze Gesellschaft fährt auf den Kontinent. Eigentlichd es Krieges wegen, aber es wirkt mehr wie eine lustige Landpartie :breitgrins: Sehr genau werden die gesellschaftlichen Beziehungen untereinander geschildert - und mittendrin natürlich unsere Becky, die es wirklich faustdick hinter den Ohren hat. Schon sehr raffiniert, wie sie immer im Mittelpunkt steht.


    Vorhin (beim Kücheaufräumen ) habe ich überlegt, ob Becky nicht sehr überzeichnet ist und ob ich auch so eine Becky kenne. Ja, ich kenne solche Beckys leider und das besonders Fatale an allen Beckys ist ja, dass sie immer ohne Unrechtsbewußtsein so handeln. Also Thackeray hat nicht üebrtrieben, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.


    JMaria schrieb:

    Zitat

    aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein amerikanischer Schriftsteller gewagt hätte zu schreiben, auch nicht im 19. Jahrhundert.

    Mich wundert, dass das überhaupt ein Schriftsteller Mitte des 19.JH gewagt hat :zwinker: Auch ich kenne mich bei den amerikanischen Schriftstellern nicht genügend aus. Wenn ich an Melvilles Eingeborenen-Bild denke, so ist das jedoch genauso zynisch wie Thackerays.


    JMaria schrieb:

    Zitat

    Wie seht ihr Dobbins’ Einmischung, Eitelkeit oder wahre Liebe?


    Ich finde schon, dass die Eitelkeit bzw. der Egoismusm im Vordergrund steht. So hat Dobbin die Gelegenheit, Amelia unverbindlilch zu sehen, er riskiert keine Abfuhr und Enttäuschung, muss keine Verantwortung übernehmen und scheint sich als Leidtragender sehr wohl zu fühlen. Dobbin ist ja überhaupt das Sinnbild des understatements - gut Freund mit allen aber dermaßen unscheinbar, das er nicht auffällt. Obwohl er immer so nett und tolpatschig scheint, hat er doch Karriere in der Armee gemacht und langsam frage ich mich, was hinter ihm steckt. Oder ist das etwa ein von Thackeray wieder heimlich lanziertes Mißtrauen ??


    Gruß von Steffi

  • Hallo Erika, hallo Steffi


    Zitat von "Steffi"

    Die ganze Gesellschaft fährt auf den Kontinent. Eigentlichd es Krieges wegen, aber es wirkt mehr wie eine lustige Landpartie :breitgrins: Sehr genau werden die gesellschaftlichen Beziehungen untereinander geschildert - und mittendrin natürlich unsere Becky, die es wirklich faustdick hinter den Ohren hat. Schon sehr raffiniert, wie sie immer im Mittelpunkt steht.


    aha, ich vermisse nämlich bereits Becky *g*
    interessant fand ich die 27. Kapitelüberschrift Amelia stößt zu ihrem Regiment, jaja, es gibt keinen Helden :zwinker:
    Mrs. O'Dowd ist eine offenherzige Frau, die das Kommando hat.


    Zitat


    Vorhin (beim Kücheaufräumen ) habe ich überlegt, ob Becky nicht sehr überzeichnet ist und ob ich auch so eine Becky kenne. Ja, ich kenne solche Beckys leider und das besonders Fatale an allen Beckys ist ja, dass sie immer ohne Unrechtsbewußtsein so handeln. Also Thackeray hat nicht üebrtrieben, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.


    bis jetzt finde ich Becky auch nicht überzeichnet.


    Zitat

    Mich wundert, dass das überhaupt ein Schriftsteller Mitte des 19.JH gewagt hat :zwinker: Auch ich kenne mich bei den amerikanischen Schriftstellern nicht genügend aus. Wenn ich an Melvilles Eingeborenen-Bild denke, so ist das jedoch genauso zynisch wie Thackerays.


    daran kann ich mich garnicht mehr erinnern :rollen:


    Zitat

    Ich finde schon, dass die Eitelkeit bzw. der Egoismusm im Vordergrund steht. So hat Dobbin die Gelegenheit, Amelia unverbindlilch zu sehen, er riskiert keine Abfuhr und Enttäuschung, muss keine Verantwortung übernehmen und scheint sich als Leidtragender sehr wohl zu fühlen. Dobbin ist ja überhaupt das Sinnbild des understatements - gut Freund mit allen aber dermaßen unscheinbar, das er nicht auffällt. Obwohl er immer so nett und tolpatschig scheint, hat er doch Karriere in der Armee gemacht und langsam frage ich mich, was hinter ihm steckt. Oder ist das etwa ein von Thackeray wieder heimlich lanziertes Mißtrauen ??


    eine gute Erfassung des Dobbin-Charakters.
    wenn ich dann lese, dass der Erzähler erwähnt, dass es eine Zeit geben wird, in der Amelia Dobbin auf eine andere Art bemerken wird, dann werde ich wieder unsicher.


    Ich frage mich, wie Thackeray die Geschichte zuende bringen wird, denn ich kann mir absolut nicht vorstellen, wohin der Erzähler den Leser führen möchte. Ihr?


    ich komme zum 29. Kapitel


    verregnete Grüße von
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    ich bin nun im 32. Kapitel, und sehe dass es ein recht langes Kapitel wird. Deswegen noch etwas zu den Kapiteln 29 bis 31:


    Im Kapitel 29 trifft man wieder auf Rebekka, die ich wie bereits erwähnte, vermißte, aber sie kostet Nerven, wenn sie auftritt. Das Mädchen hat wirklich kein Gewissen. Steffi, du hast recht, sie geht durch die Welt ohne etwas an sich ran zulassen, den Vorteil sieht sie und nutzt sie bereitwillig. Arme Amelia, die der Leser manchmal rütteln möchte.


    Endlich, im 31. Kapitel sagt Amelia ihre Meinung. Doch Rebekka ist nur kurz betroffen. Wenigstens schickt sie Mrs. O'Dowd zu Amelia um sie auf zurichten.


    Großartig wie Mrs. O'Dowd den Marschbefehl aufnimmt und die Sachen ihres Mannes richtet, so dass er ausgeruht ins Feld zieht. Sie zeigt Größe und auch Liebe zu ihrem Mann. Im Krieg läßt sie ihre Eitelkeit (Irland ist immer um Längen besser als der Rest der Welt *g*) hinter sich und denkt an ihren Mann, der sich sonst ganz ihr unterordnet.


    Vergnüglich und traurig zu gleich ist es, wenn man liest wie Rawdon seiner Rebekka alles wertvolle hinterläßt, falls er nicht zurück kommt. Und sie hortet ihre Uhren wie eine Elster. Läuft die Zeit ab? Rebekka hat viele Uhren, Amelia keine!


    George dagegen nimmt seine Kostbarkeiten mit.


    Erstaunliche Charkterstudien, die mich sehr beeindrucken.


    Joseph nicht zu vergessen, der flüchten möchte. Wie großartig ruft Mrs. O'Dowd: Ich rühre mich nicht eher von der Stelle, ehe ich nicht von O'Dowd den Marschbefehl bekomme!" .


    einige beeindruckende Passagen und Gedanken gibt es in diesen Kapitel über Krieg und den Frauen die zurück bleiben.


    ich habe nun mit dem 32. Kapitel begonnen und bin gespannt ob Joseph noch Pferde auftreibt. Ich vermute mal, dass Rebekka mit ihren 2 Pferden, die ihr Rawdon zurück ließ aushilft ;-)


    noch was: Isidor, der Diener spechtet schon nach den Wertgegenständen seines Herrn. Er ist ebenso eitel wie sein Herr, denn er denkt es ist dann sein rechtmäßiges Eigentum, wenn sein Herr entweder auf der Flucht, tot oder verhaftet ist. :entsetzt:


    bis dann
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Ergänzung:


    so im nachhinein fällt mir auf, dass die Personen, die sehr eitel sind, im Notfall doch liebenswerte Eigenschaften zulassen: Rawdon, Mrs O'Dowd, sogar George der ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn es auch nicht lange anhält, Joseph in seiner Angst vergißt seine Eitelkeit.


    Nur Rebekka und Amelia bleiben immer gleich.


    Was meint ihr. Oder gibt es im Verhalten der beiden Heldinnen Veränderungen die ich nicht sehe?


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo !


    Maria schrieb:

    Zitat

    Oder gibt es im Verhalten der beiden Heldinnen Veränderungen die ich nicht sehe?


    Eher zum schlechteren, würde ich sagen *ggg* Amelia ist weiterhin der Prototyp der liebenden Ehefrau - leider keine "Venus" wie die Majorin. Amelia schaltet einfach den Verstand aus - jedermann zu gefallen ist ihr am wichtigsten, aber das gelingt eben nur mit einem gewissen verschlagenen Charakter, den Becky immer mehr an den Tag legt. In England war sie ja eher noch unbekümmert und spottlustig, in Brüssel, konfrontiert mit der Realität (die Uhrenanekdote fand ich auch genial *ggg*), kommt ihr Geschäftssinn voll zur Entfaltung. Wobei, und das finde ich bemerkenswert, sie ja nicht unbedingt Schaden zufügt. Dem feigen Joseph, der angesichts der (eingeredeten) Gefahr sich nur um seinen Leib sorgt - essen kann er ja noch :zwinker: - gönne ich das Pferdegeschäft und dass die zwei Damen der Gesellschaft in der pferdelosen Kutsche bleiben müssen, finde ich auch okay. Insofern finde ich Becky tatsächlich amüsant-unterhaltend sympathisch !


    Über Rawdon bin ich mir noch nicht schlüssig. Ich glaube, er denkt weniger an Rebecca sondern es ist auch ein Teil seiner Eitelkeit, wenn er quasi seinen Geldwert aufaddiert. Er ist halt doch ein toller Kerl - zumindest in seinen Augen :breitgrins:


    Ich bin nun mitten im 32. Kapitel und bin gespannt, was Thackeray noch so alles einfällt. Ich muss sagen, ich habe noch nie so ein amüsantes und zugleich sarkastisches Buch gelesen. :klatschen:


    Gruß von Steffi

  • Hallo Steffi, hallo Maria,
    nach einer längeren Pause melde ich mich wieder. Entschuldigt, dass ich so lange nichts mehr von mir hören ließ ... :redface:


    Gestern habe ich mir die deutsche Ausgabe gekauft und hoffe bald zu Euch aufschließen zu können. Im Moment beschäftige ich mich mit Dobbins aufopferungsvollem Einsatz für das junge Glück.


    Gruß
    Erika


    :blume:

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  • Hallo Erika


    welche Ausgabe hast du dir gekauft?
    wie findest du Dobbins Bemühungen?


    Steffi

    Zitat

    Eher zum schlechteren, würde ich sagen *ggg* Amelia ist weiterhin der Prototyp der liebenden Ehefrau - leider keine "Venus" wie die Majorin. ......


    Über Rawdon bin ich mir noch nicht schlüssig. Ich glaube, er denkt weniger an Rebecca sondern es ist auch ein Teil seiner Eitelkeit, wenn er quasi seinen Geldwert aufaddiert. Er ist halt doch ein toller Kerl - zumindest in seinen Augen


    du triffst es wieder auf den Punkt. :bang:


    schönes Wochenende wünscht euch
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria,
    ich habe mir die Ausgabe aus dem dtv-Verlag gekauft. Welche Ausgabe lest Ihr?


    Dobbins Selbstlosigkeit ist für den heutigen Leser nur schwer nachvollziehbar. Er liebt Amalia und hilft ihr, den Mann zu gewinnen, den sie(!) liebt. Eine extrem selbstlose Liebe, vorsichtig gesagt.


    Mich erinnert dieses Motiv entfernt an einen anderen englischen (?) Roman. Dort verheiratet ein Pfarrer die Frau, die er liebt, an einen anderen. Diese Entsagung begründet er dann auch noch religiös. :rollen: Leider ist es schon lange her, dass ich diesen Roman gelesen habe. Ich meine, dass es Jane Eyre war, aber sicher bin ich mir nicht ....


    Gruß
    Erika


    :blume:

    Wer Klugheit erwirbt, liebt das Leben und der Verständige findet Gutes.
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