Juni 2005 - W.M. Thackeray: Jahrmarkt der Eitelkeit

  • Hallo Steffi,
    Hallo Erika


    Kapitel 44: Oja - Becky die Verführerin, die Sinnliche, eine singende Nixe. Das Bild am Anfang des Kapitels paßt doch sehr gut.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo ihr beiden !


    JMaria schrieb:

    Zitat

    Außerdem leiht sie sich Bücher von ihm aus und unterstreicht dick mit Bleistift humor- und gefühlvolle Stellen


    Ja, gell, das fand ich auch ... :grmpf:


    Gruß von Steffi


  • Hallo Erika
    Hallo Steffi,


    Erika, danke für deine Gedanken zum Tode Sir Pitt, das wäre mir auch nicht aufgefallen. Und wie es im Leben so spielt, auf Tod folgt Hochzeit und Geburt ...


    ich habe mir auch noch gedacht, wenn doch einiges an griechischer Symbolismus darin steckt, ob Thackeray nicht auf den Aufbau einer klassischen Tragödie benutzt hat.


    Aber an die Aufteilung der Kapitel trau ich mich nicht ran.
    Schade, dass Hubert sich hier nicht mehr meldet, er hätte uns bestimmt helfen können bzw. hätte es bestimmt sofort erkannt.


    bis dann
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Zitat von "Steffi"

    Überhaupt finde ich, dass Thackeray doch immer mehr ernstere Themen anschlägt z.B. auch die Existenzangst von Amelia oder die Situation von Sir Pitts Ehefrau.


    Hallo zusammen,


    die Existenzangst der Amelia fand ich sehr erschreckend. Als Mutter möchte sie ihrem Kind doch das bestmöglichste geben und trotz ihrem intensiven Beschützerinstinktes weiß sie auch, wann sie loslassen muß.


    Ich bin gespannt, wie sie sich entscheidet. Ob sie ihren Sohn aus Not Mrs Osborne gibt, vielleicht denkt sie, wenn sie diesen Pfarrer heiratet, dann kann sie ihre Situation verbessern?


    bis Kapitel 50 darf der Leser darüber rätseln, denn in dahin hat Rebecca den Vorrang und wie gleich. Diese Frau ist ein Phänomen in ihrer Eitelkeit und ihrem Streben aufwärts. Wie sie nun Frauen fallen läßt, weil sie unter ihr stehen, nur weil sie vom König empfangen wurde. *kopf_schüttel*


    wie grotesk: Sir Pitt besucht Bekka, Rawdon besucht Lady Jane.


    und wie Rebekka wieder Geld aus einem ihrer Verehrer heraus gekitzelt hat und statt der Brisk ihr Geld zurück zugeben, kauft sie ihr ein teures schwarzes Seidenkleid. Nicht zu glauben.


    und trotz allem:
    in der Eitelkeit aller Personen findet man meiner Meinung nach keine Boshaftigkeit. Ist Eitelkeit die Grauzone von Gut und Böse?


    Ich komme zum 50. Kapitel


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria, hallo Erika !


    Maria schrieb:

    Zitat

    ch habe mir auch noch gedacht, wenn doch einiges an griechischer Symbolismus darin steckt, ob Thackeray nicht auf den Aufbau einer klassischen Tragödie benutzt hat.


    Leider kenne ich mich da auch viel zu wenig aus und kann da nicht weiterhelfen. Vielleicht gibt es eine Struktur der Kapitel ?


    Amelias bzw. die weitere Entwicklung Georgys sind sehr interessant. Ich habe mich immer gefragt, was denn an der fügsamen, sanften und gutherzigen Amelia so an Eitelkeit dran ist, aber Thackeray erklärt es dann wunderbar !! Natürlich musste ich wieder ziemlich schmunzeln.


    Die Obere Gesellschaft wird ja auch sehr ätzend geschildert - genauso, wie heutzutage die Promis wurden eben damals die Adligen bewundert. Kein Wunder, dass auch heute noch solche Klatsch- und Skandalgeschichten gut ankommen beim Publikum. Also, daran hat sich ja überhaupt nichts geändert.


    Nur leider treibt Becky es zu weit - der "arme" Rawdon kommt nun endlich dahinter, was es mit Becky auf sich hat :breitgrins: Tja, aber auch die militärische Ehre kommt nicht zum Zug, sodaß Rawdon eigentlich nur noch mehr gedemütigt wird. Aber wie man Becky kennt, wird sie bestimmt wieder auf die Füße fallen. Dass aber das französische Mädchen ihre Stunde nutzt ... nun ja, sie hatte halt ein gutes Vorbild ! :breitgrins:



    Zitat

    in der Eitelkeit aller Personen findet man meiner Meinung nach keine Boshaftigkeit. Ist Eitelkeit die Grauzone von Gut und Böse?


    Das ist ein guter Gedanke. Vielleicht auch etwas, das das Leben lebenswert und aufregend macht ? Natürlich nur in Maßen angewendet.


    Ich komme zum 54. Kapitel (glaube ich).


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen

    Zitat von "Steffi"


    Leider kenne ich mich da auch viel zu wenig aus und kann da nicht weiterhelfen. Vielleicht gibt es eine Struktur der Kapitel ?


    Ja genau, das meine ich damit. Man müßte in der Lage sein die Kapitel in eine Struktur zu fassen die der klassischen Tragödie anlehnt:


    1. Akt: Exposition (Vorbereitung):
    Das könnte Rebekkas und Amelias Auszug aus dem Mädchenpensionat sein bis zu dem Zeitpunkt wo sich die Wege der beiden trennen?


    2. Akt Vorbereitung des Höhepunktes:
    Der Leser lernt die beiden zukünftigen Ehemänner der beiden Frauen kennen,
    Evtl. geht der 2. Akt bis zur Heirat (?)


    3. Akt Höhepunkt und Wendepunkt:
    Das Festland, Krieg, Amelias Witwenschaft, Rebekkas Aufstieg in die Gesellschaft.


    Der Wendepunkt?


    Und zu den restlichen Akten, da weiß ich ja noch nicht wohin der Erzähler uns führen wird und ich muß zugeben, ich wage mir nicht auszumalen, was noch kommt, denn der Erzähler wird mich bestimmt zum wiederholten male überraschen.


    Die restlichen Akte wäre:


    4. Akt Retardation: (Verzögerung des Handlungsablaufs)


    5. Akt Katastrophe:


    Katastrophe klingt jetzt sehr extrem dramatisch, aber mal sehen....


    Das sind jetzt nur von mir so Gedankenspiele, das braucht jetzt alles gar nicht so stimmen.


    Zitat von "Steffi"

    Amelias bzw. die weitere Entwicklung Georgys sind sehr interessant. Ich habe mich immer gefragt, was denn an der fügsamen, sanften und gutherzigen Amelia so an Eitelkeit dran ist, aber Thackeray erklärt es dann wunderbar !! Natürlich musste ich wieder ziemlich schmunzeln.


    Ich bin jetzt im Kapitel 51 und bis jetzt habe ich noch keine Erklärung gefunden, ich denke sie kommt noch.


    Zitat von "Steffi"

    Die Obere Gesellschaft wird ja auch sehr ätzend geschildert - genauso, wie heutzutage die Promis wurden eben damals die Adligen bewundert. Kein Wunder, dass auch heute noch solche Klatsch- und Skandalgeschichten gut ankommen beim Publikum. Also, daran hat sich ja überhaupt nichts geändert.


    Genau. Habt ihr auch bemerkt, wie weit der Erzähler mit diesen Gedanken geht?
    Eigentlich bis zum Gemeinwohl. Wenn die Eitelkeit nicht wäre, gäbe es viel mehr zwischenmenschliche Konflikte:


    ....ja, dann wäre der Jahrmarkt der Eitelkeit wirklich eine öde Wildnis und ein unleidlicher Aufenthalt. In diesem Fall würde jeder gegen den Nachbarn die Handerheben, mein lieber Herr, und mit den Wohltaten der Zivilisation wäre es aus. Wir würden uns streiten, den andern schmähen und einander meiden. Unsere Häuser würden zu Höhlen werden, und wir würden in Lumpen gehen, weil wir uns um niemanden mehr kümmerten. Die Mieten würden heruntergehen. Die Geselligkeit würde aufhören. Alle Kaufleute der Stadt würden Bankrott machen.....


    Also mich fasziniert dieser Gedankengang. Er ist überspitzt dargestellt, doch steckt doch Wahrheit darin. Was der Erzähler wohl sagen würde, wenn er unsere Weltzustände sehen könnte. Was würde Thackeray wohl sagen?


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen !


    Maria, du hast schon recht mit deier Einteilung, die kann ich ganz guit nachempfinden.


    Den Krieg bzw.Amelias Witwenschaft sind eindeutig Wendepunkte - auch thematisch wird Thackeray doch ernster und er verliert etwas das Komödienhafte.


    Verzögerung: Dobbins Auslandsaufenthalt, Rebeccas Höhenflug und die beiden Todesfälle.


    Auf die Katastrophe bin ich ja auch mal gespannt. :breitgrins:



    Zitat

    Wenn die Eitelkeit nicht wäre, gäbe es viel mehr zwischenmenschliche Konflikte:


    Genau ! Plötzlich ist die Eitelkeit nicht mehr bloß ein Kritikpunkt oder ein Anlass für Ironie und Satire sondern er schreibt (fast) ganz ernsthafte Gedanken.


    Zitat

    Was der Erzähler wohl sagen würde, wenn er unsere Weltzustände sehen könnte. Was würde Thackeray wohl sagen?


    Das ist gerade das faszinierende. Ich möchte gerne wissen, wie überspitzt er seine Gesellschaft dargestellt hat - er schreibt ja auch immer über eine Zeit vor 50 Jahren, wahrscheinlich um auch die weitere Entwicklung deutlich zu machen. Leider sind die meisten seiner Darstellungen Wirklichkeit geworden - ohne übertrieben zu sein.


    Gruß von Steffi

  • Zitat von "Steffi"

    Verzögerung: Dobbins Auslandsaufenthalt, Rebeccas Höhenflug und die beiden Todesfälle.


    :klatschen: - stimme dir zu.


    Zitat


    Das ist gerade das faszinierende. Ich möchte gerne wissen, wie überspitzt er seine Gesellschaft dargestellt hat - er schreibt ja auch immer über eine Zeit vor 50 Jahren, wahrscheinlich um auch die weitere Entwicklung deutlich zu machen. Leider sind die meisten seiner Darstellungen Wirklichkeit geworden - ohne übertrieben zu sein.


    damit hast du recht.


    Die Katastrophe ist nun für Becky eingetreten. Ich weiß wirklich nicht was ich von ihrem unschuldig Getue halten soll. *kopf_kratz*
    sie hat ihm den Job besorgt, aber sie hat den Bogen einfach überspannt und Rawdon hat sich weiter entwickelt, ohne dass sie etwas mitbekommen hat.


    Ich komme nun zum Kapitel 56


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo !


    Ja, Becky scheint tief abzustürzen. Aber sie hat es ja nun wirklich übertrieben, oder ? Es wird allerdings nicht ganz deutlich, ob sie selber an ihre Unschuld glaubt. Hmm ...


    Jetzt folgen erstmal ein paar Amelia-Kapitel. Dobbin kommt ja wieder zurück und ... naja, ich will mal nicht zu viel verraten.


    Aber dann, auf der Deutschlandreise in Pumpernickel an der Pumper :breitgrins: :breitgrins: - zuerst eine nette Beschreibung der damaligen herzöglichen Höfe. Als Engländer steht man selbstverständlich über den Dingen ! Und wen treffen wir da in der Spielhalle ? Dreimal dürft ihr raten ! Ich befürchte, das wahre Unheil kommt erst noch.


    Gruß von Steffi

  • Zitat von "Steffi"



    Amelias bzw. die weitere Entwicklung Georgys sind sehr interessant. Ich habe mich immer gefragt, was denn an der fügsamen, sanften und gutherzigen Amelia so an Eitelkeit dran ist, aber Thackeray erklärt es dann wunderbar !! Natürlich musste ich wieder ziemlich schmunzeln.


    Hallo zusammen,
    Hallo Steffi,


    mmh - ich komme jetzt zur Rheinreise. Ich frage mich ob ich etwas übersehen habe. Wie sieht Thackerays Erklärung in Bezug auf Amelias Eitelkeit aus?


    Georgy scheint ein lenkbareres Kind zu sein, wenn er mit Dobbin zusammen ist. Ich denke da an den Theaterbesuch.


    Im Tode der zwei Alten gab es dann doch Versöhnung mit Amelia.


    Zitat


    Ja, Becky scheint tief abzustürzen. Aber sie hat es ja nun wirklich übertrieben, oder ? Es wird allerdings nicht ganz deutlich, ob sie selber an ihre Unschuld glaubt. Hmm ...


    auch - Hmmm :rollen:

    Zitat


    Aber dann, auf der Deutschlandreise in Pumpernickel an der Pumper :breitgrins: :breitgrins: - zuerst eine nette Beschreibung der damaligen herzöglichen Höfe. Als Engländer steht man selbstverständlich über den Dingen ! Und wen treffen wir da in der Spielhalle ? Dreimal dürft ihr raten ! Ich befürchte, das wahre Unheil kommt erst noch.


    na, da bin ich ja gespannt. Bist du schon durch?
    Erika wie weit bist du?


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo ihr beiden !


    JMaria schrieb:

    Zitat

    Bist du schon durch?


    Ja, ich bin schon fertig. Die letzten 3 oder 4 Kapitel konnte ich gar nicht mehr aufhören :breitgrins: Meistens bin ich ja nach so einem Wälzer eher froh, wenn ich das BUch dann hinter mich gebracht habe, aber diesmal war ich richtig traurig. Wie gerne hätte ich Thackerays Spiel noch länger zugeschaut ! Ich glaub, es ist eines der wenigen Bücher, die mich wirklich beeindruckt haben. Die menschliche Unzulänglichkeit wird hier in einem historischen Kontext dermaßen klar und unterhaltend aufgedeckt, dazu noch die humorvollen und manchmal zynischen Stellen :klatschen: Ich bin hin und weg :smile:


    Zitat

    Ich frage mich ob ich etwas übersehen habe. Wie sieht Thackerays Erklärung in Bezug auf Amelias Eitelkeit aus?


    Ich muss mal nachschauen, wo genau es steht.


    Habt ihr auch ein Nachwort ? Ich muss nochmal nachlesen, es gibt einige interessante Gedanken darin.


    Gruß von Steffi

  • Zitat von "Steffi"

    . Wie gerne hätte ich Thackerays Spiel noch länger zugeschaut ! Ich glaub, es ist eines der wenigen Bücher, die mich wirklich beeindruckt haben. Die menschliche Unzulänglichkeit wird hier in einem historischen Kontext dermaßen klar und unterhaltend aufgedeckt, dazu noch die humorvollen und manchmal zynischen Stellen :klatschen: Ich bin hin und weg :smile:


    Habt ihr auch ein Nachwort ? Ich muss nochmal nachlesen, es gibt einige interessante Gedanken darin.


    Gruß von Steffi


    Hallo Erika, hallo Steffi


    ich bin nun auch durch und stimme dir zu, liebe Steffi. Mit etwas Wehmut trenne ich mich von der Geschichte. Ich hätte gerne in dieser Weise mehr über die menschlichen Unzulänglichkeiten gelesen. Aber vermutlich war der gesamte Mensch in seiner Eitelkeit dargestellt, und alles andere wäre nur eine Wiederholung gewesen. Thackeray schreibt bewundernswert.


    Wenn ich mal einen Vergleich zu Jane Austen und George Eliot anstelle, gibt es hier unter diesen 3 großen Schriftstellern der 18. und 19. Jahrhunderts, Gemeinsamkeiten, doch jeder der drei führt sie anders aus.


    -Jane Austen benutzt ausgefeilte, feine Dialoge ohne zu Moralisieren.
    -George Eliot dagegen tritt schon mal in ihrer Erzählung auf und mahnt mit erhobenen Zeigefinger, was der Mensch zu tun und lassen hat. Sie predigt gerne.
    -William M. Thacheray macht es auf seine ironische, leichte Art. Aber die Pfeile sitzen.


    weiter in Vanity Fair:


    Im Kapitel 56 lesen wir, dass auf Mr. Veals Karten AOHNH gedruckt steht. Das bedeutet Athene


    Die tollsten Namen erschienen in den Kapitel, als die Gesellschaft in Deutschland weilte:
    Pumpernickel, Bullminster, Tapeworm, Schlüsselback, Fanny von Butterbrot .... :breitgrins:


    dann taucht wieder unsere Becky auf. Kapitel 63 und was für eine Zeichnung sich da Thackeray ausdenkt. Direkt gruslig.


    Kapitel 64: Becky hat einen Napoleonshut auf. Bezieht sich das evtl. auf Heimatlos?


    über Becky sagt der Erzähler, dringt er nicht unter die Oberfläche, denn dort könnte es wie folgt aussehen:

    Wer Lust hat, mag unter die ziemlich durchsichtigen Wellen schauen und ihn
    (der Schwanz des Ungeheuers) in teuflischer Häßlichkeit und Glätte sich winden und drehen sehen, wie er gegen Knochen schlägt und sich um Leichen schlingt....


    als am Ende Joe Sedley starb, wagte ich es auch nicht zu tief in die Wellen zu schauen...


    wie erging es euch?


    schön fand ich, dass Amelia endlich mit William Dobbin zusammenkam. Hat ja lange genug gedauert.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo JMaria, hallo Erika !


    nochmals zu Amelias Eitelkeit:
    Thackeray beschreibt Amelia als charakterlos. Georgy sei " ... von einer liebevollen, schwachen und zärtlichen Mutter erzogen worden, ... hatte leichtes Spiel mit einem so sanften und nachgiebigen Geschöpf ..." (Kapitel 55). Später gibt er auch den Grund an: "Was wissen die Männer denn vom Märtyrertum der Frauen ? ... Unaufhörliche Sklaverei ohne jegiche Entschädigung, ständige Sanftmut und Güte, die ständig mit Grausamkeit vergolten wird ... Zarte Sklavinnen sind sie und müssen notgedrungen heuchlerisch und charakterschwach werden." (Kapitel 55). Die absolute Liebe Amelias, auch eine Art Selbstsucht, ist also verantwortlich für Georgys Charakter, der ja zugegebenermaßen ebenso eitel und ichbezogen wie sein ater ist. Diese absolute Liebe erinnert mich auch an Schillers Kabale und Liebe und die in Safranskys Biografie beschriebene Liebesphilosophie.
    Thackeray soll in Amelia auch Erinnerungen an seine Frau Isabella, man denke an die Depressionen und Anzeichen geistiger Umnachtung auch von Amelia, aufgenommen haben.


    Folgende Themen haben mich im Nachwort von Max Wildi besonders interessiert: einmal die Rolle der Diener, denn obwohl nur immer am Rande erwähnt, spielen sie doch die Rolle der Beobachter und die Mahner des sozialen Gewissens. Dann das Fehlen der Erotik, ein Fingerzeig auf Thackerays puritanischen Denkens und Erziehung. Er war als Mitglied der herrschenden Klasse wohl nicht frei von Standesdünkel, trotzdem merkt man im Jahrmarkt der Eitelkeit auch die Erstarrung des viktorianischen Bürgertums, ähnlich wie bei Galsworthy.


    Ich habe auch versucht, Parallelen zu Jane Austen herzustellen. Sie beschreibt ebenso lebendige Personen und Begebenheiten, aber Thackeray geht noch darüber hinaus, denn er sieht quasi nicht nur von außen zu sondern ich finde seine Charaktere vielschichtiger und realistischer - sie verharren nicht in einer bestimmten Position sondern entwickeln sich weiter.


    Zitat

    Im Kapitel 56 lesen wir, dass auf Mr. Veals Karten AOHNH gedruckt steht.

    Ah, darüber habe ich mich schon gewundert - danke !!


    Die köstlichen Namen - nicht nur in Deutschland - sind einfach klasse ! z.B. auch Crawley - die Kriecher ...


    Zitat

    Kapitel 64: Becky hat einen Napoleonshut auf. Bezieht sich das evtl. auf Heimatlos?

    Ich würde sagen, nicht nur auf heimatlos sondern auch auf übersteigerte Egozentrik und das unheimliche Wiederauftauchen von Becky.


    Joe Sedleys Schicksal fand ich auch ziemlich gruselig - so in den Bann von Becky zu geraten; überhaupt ist doch gegen Ende alles sehr traurig. Auch bei Dobbin und Amelia bin ich mir nicht so sicher, ob ich Dobbin gratulieren soll. Amelia liebt ja eigentlich nur aus Dankbarkeit und weil alle es von ihr erwarten. Auch wieder so ein Trick von Thackeray, fürchte ich.


    Liebe Grüße von Steffi

  • Hallo Steffi,
    Hallo Erika,


    danke noch für die Erklärung zu Amelias Eitelkeiten. Stimmt, sie liebt vermutlich wirklich nur aus Dankbarkeit. Obwohl hier Thackeray noch den Gedanken offen läßt, dass Amelia an Dobbin den Brief schrieb, bevor Amelia die Wahrheit von Rebekka erfuhr. Aber vielleicht hat sie es im Herzen bereits gewußt, wie ihr verstorbener Mann sich verhielt und wollte es nur sich selbst nicht eingestehen.


    toll, dass du noch das Nachwort erwähnst. Vieles bemerkt man erst, wenn man darauf hingewiesen wird. So gehts mir jedenfalls.


    Thackeray ist ein großartiger Erzähler und es war eine schöne Leserunde.


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)