Anspruchsvolle Literatur und Parapsychologie

  • Hallo zusammen!


    Xeno, natürlich hast Du auch mal Recht! :breitgrins:


    Sandhofer, ich bin gespannt auf Deine Erläuterungen, denn gerade das gefällt mir an Literaturforen: andere Sichtweisen zu Werken und Autoren kennenlernen und für sich etwas davon mitnehmen. Ich lerne immer gern dazu und muss Gegenargumenten oftmals teilweise zustimmen.


    Das mit Postmoderne ist ja nicht unbedingt falsch, aber der Name May neben Meyrink, Joyce, Kafka, Musil? Ich habe May auch gelesen und konnte kein bisschen Metaebene oder sowas finden. Meyrink gehört dagegen eindeutig in die Garde von Joyce, auch sehr experimental und meinetwegen post/modern, auf alle Fälle kein bisschen wie May und Doyle.


    Das oben von mir empfohlene Buch ist übrigens sehr literaturwissenschaftlich und führt unzählige Parallelen zu anderen Werken der Weltliteratur an (Motive, Stoffe, Gattungen usw.), zeigt auch die verschiedenen Definitionen der Phantastik auf (von Todorov, Lem bis zu Kafkas Traumphantastik), sehr lesenswert und trotz der hohen Informationsdichte kein bisschen trocken, kurz: sehr empfehlenswert! :breitgrins:


    siehe den Amazon-Link unten dazu!

  • Hallo Evelyne und Alle,

    Zitat von "Evelyne Marti"


    Gustav Meyrink ....Seine Werke sind sehr komplex und weisen eindeutig eine Meta-Ebene auf. Schwachpunkte sind wie bei Kafka das fragmenthaft Zusammengesetzte, das liegt am irrationalen Stoff.


    Danke für diese Aussagen. Sie helfen mir ein bißchen in der vor einiger Zeit hier gestellten Frage über eine Erzählung von Meyrink weiter, und mir erscheint der genannte Text dadurch etwas klarer! Ansonsten habe ich nämlich keine Ahnung, was den Autor betrifft. :redface:


    Viele Grüße,
    Gitta

  • Hallo Gitta


    Ja, Meyrink arbeitet wie Kafka mit Traumelementen, schreibt das auch explizit, als wären es luzide Träume, wo man sich des Träumens bewusst wird. In der von Dir erwähnten Erzählung Meyrinks stehen die Vampire m.M.n. traumsymbolisch für unsere Sterblichkeit. Die Erzählung erinnert mich u.a. an Kafkas Landarzt, mehr zu meiner Sichtweise in:

    http://www.diskussion.kafkaesk.de/viewtopic.php?t=159

  • Zitat von "Evelyne Marti"


    Ja, Meyrink arbeitet wie Kafka mit Traumelementen, schreibt das auch explizit, als wären es luzide Träume, wo man sich des Träumens bewusst wird. In der von Dir erwähnten Erzählung Meyrinks stehen die ampire m.M.n. traumsymbolisch für unsere Sterblichkeit.


    Hallo Evelyne,


    das kann ich gut nachvollziehen! Es kommen ja eine Menge Giftpilze und andere giftige Pflanzen in der Erzählung vor, die zu einem entspr. Sud verarbeitet werden, der dann die Halluzinationen hervorruft. Irgendwie erinnert mich das Ganze auch an Voodoo u. ä. Dinge. :entsetzt:


    Viele Grüße,
    Gitta

  • Hallo zusammen!
    Hallo Evelyne Marti!


    Danke für den Link nach kafkaesk.de! Sie hat mir Deine Position wieder klarer gemacht. (Die ich übrigens so wenig teile wie der dortige Site Admin: Traumsymbolische Textdeutung m.M. [list]ist allzu beliebig
    ist ein Pleonasmus in dem Sinne, dass man auch einfach von "symbolischer Deutung" sprechen könnte
    verrät meist mehr über den Deutenden als über den Text und dessen Autor
    reduziert den Text oft in einem simplen 1:1-Muster (Vampir = unsere Sterblichkeit).[/list:u] Selbst ein schlechter Text müsste ein halbes Dutzend Interpretationsmöglichkeiten bieten, ein guter theoretisch unendlich viele.)


    Was nun Meyrink betrifft, so muss ich gestehen, dass ich ausser der ersten Seite seines Golem nichts von ihm gelesen habe. Rezensionen wie Mit der düsteren, grotesken Geschichte steht Gustav Meyrink in der Tradition von E. T. A. Hoffmann und Edgar Allan Poe. (Quelle) geben mir auch nicht den Eindruck, etwas verpasst zu haben: Einer, der 100 Jahre später noch so schreibt wie E. T. A. Hoffmann ...


    Meyrink scheint der Nachzügler zu sein, oder, wie ihn meine Literaturgeschichte (Lehnert: Geschichte der deutschen Literatur) sinngemäss nennt: die Brücke von der Romantik zum Expressionismus. Viel mehr hat sie allerdings zu Meyrink auch nicht zu sagen. Ungefähr ähnlich viel sagt sie zu Karl May.


    Nun ist der Expressionismus in vielen Fällen leider nicht ganz frei von bombastischem Sprachschwulst. Und wenn ich auf der ersten Seite vom Golem als ersten Satz lese Das Mondlicht fällt auf das Fußende meines Bettes und liegt dort wie ein großer, heller, flacher Stein., dann tun mir schon mal die Füsse weh, auf die der Stein geplumpst ist ... Die Steine kommen dann noch wieder. Dann wird Buddha hinein gemixt ...


    In grauenerregender Weise zog er dann seine Lippen mit der Hasenscharte empor und sprudelte gereizt irgend etwas Unverständliches in einem gurgelnden, stolpernden Baß hervor, daß dem Käufer die Lust weiter zu fragen verging und er abgeschreckt seinen Weg fortsetzte. Zu viele Adjektive und - mit Ausnahme vielleicht von "stolpernd" - zu wenig innovativ gesetzt, um in dieser Zahl auftreten zu dürfen.


    Ja, und weiter habe ich ehrlich gesagt nie gelesen.


    Karl May übrigens, dies nur nebenbei, stellt in seinem Spätwerk ebenfalls Träume dar, die im Einzelfall äusserst interessant und wohl gar "Hochliteratur" sind, dennoch würde ich ihn sprachlich und inhaltlich nicht durch die Bank auf dieses Podest stellen.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hi all, hallo Sandhofer


    Ich dachte mir, dass Du Meyrink nicht wirklich kennst. Der Zugang ist schwierig, aber er lohnt sich. Die erste Seite eines Buches sagt noch nicht viel aus. Auch T.Manns Anfänge sind oft schwach. :zwinker:


    Meyrink ähnelt kein bisschen Poe oder Hoffmann, von denen ich ebenfalls viel gelesen habe, sondern Meyrink gehört eindeutig in die moderne Pioniergeneration von Joyce & Co.


    Eigentlich hatte ich mir eine echte Werkanalyse erhofft, doch Dein Urteil beruht auf einer einzigen Seite, na ja. Vielleicht reicht das für Dich. Ich persönlich würde bei einer so kurzen Lektüre nicht gleich den Stab über den Autor brechen, vor allem, wenn er literaturwissenschaftlich gesehen durchaus in die oberen Ränge gezählt wird.


    Aber über Geschmack lässt sich nun mal nicht streiten (und wenn ja, würde ich es nicht anstreben), jedem das seine! :breitgrins:


    Und man kann ja wirklich nicht alles lesen, da bevorzugt man eben bestimmte Bücher und verwirft andere aus diesen und jenen Auswahlgründen. Ich persönlich bin mit den Jahren vorsichtiger geworden und urteile nicht mehr zu vorschnell, lese vor allem zuerst die Primärliteratur, bevor ich mich der dazugehörigen Sekundärliteratur zuwende, sonst verstellt die Sekundärliteratur m.M.n. eher den Zugang.


    Ich finde toll, dass Du so ehrlich bist, hättest ja auch so tun können, als ob Du wirklich über Meyrink Bescheid weisst. :breitgrins:


    Wenn Meyrink und meine Interpretation nicht Dein Fall ist, finde ich das vollkommen okay! :zwinker:

  • Habt ihr schon William Butler Yeats erwaehnt? Ich kam mit ihm in Beruehrung als ich angefangen hab, in Irland Literatur zu studieren.. unheimlich faszinierende Stuecke, und ein ebenso faszinierender Mann.


    Hier The Second Coming aus dem sehr esoterischen Werk 'A Vision' aus dem Jahr 1925..



    TURNING and turning in the widening gyre
    The falcon cannot hear the falconer;
    Things fall apart; the centre cannot hold;
    Mere anarchy is loosed upon the world,
    The blood-dimmed tide is loosed, and everywhere
    The ceremony of innocence is drowned;
    The best lack all conviction, while the worst
    Are full of passionate intensity.


    Surely some revelation is at hand;
    Surely the Second Coming is at hand.
    The Second Coming! Hardly are those words out
    When a vast image out of Spiritus Mundi
    Troubles my sight: somewhere in sands of the desert
    A shape with lion body and the head of a man,
    A gaze blank and pitiless as the sun,
    Is moving its slow thighs, while all about it
    Reel shadows of the indignant desert birds.
    The darkness drops again; but now I know
    That twenty centuries of stony sleep
    Were vexed to nightmare by a rocking cradle,
    And what rough beast, its hour come round at last,
    Slouches towards Bethlehem to be born?

    'The universe is made up of stories, not of atoms.' Muriel Rukeyser