Thematisierung des Umgangs mit dem Holocaust...

  • Hallo zusammen,


    ich weiß, ich habe schon oft auf rätselhafte Schüleranfragen geschimpft, aber meine Frage paßt wohl am ehesten in diese Kategorie. Zur Erklärung hole ich etwas weiter aus:


    Ich habe vor einer Woche einen ersten groben Umriß meiner Examensarbeit mit meiner Dozentin entworfen (schreiben werde ich die Arbeit wohl Anfang 2006). Die Arbeit beschäftigt sich mit dem wissenschaftlichen Diskurs (Harald Welzer, Gabriele Rosenthal, u.a.) über den Umgang der Nachfolgegenerationen mit dem Holocaust, sowie der literarischen Aufarbeitung dieses Diskurses. Ganz grob lassen sich die Generationen folgendermaßen charakterisieren:
    1.G.: Zur Zeit der NS-Herrschaft lebende Menschen - Umgang mit dem Holocaust ist durch Verdrängung, Abstreiten oder 'Nicht-Wissen' gekennzeichnet.
    2. G.: Deren Kinder - starkes Bedüfrnis nach Aufarbeitung, Konflikte mit der 1. G. bzgl. deren Verhalten und daraus resultierend oftmals die Unfähigkeit zur Kommunikation mit der 1. G.
    3. G.: Enkel der 1. G. - große zeitliche Distanz -> kein direkter Bezug mehr zu den eigentlichen Ereignissen oder deren unmittelbaren Folgen in der Nachkriegszeit, z. T. Überfrachtung mit 'Wissen' über den Holocaust in Schule, Medien, etc., ohne Aufarbeitungsmöglichkeiten an die Hand zu bekommen, bessere Möglichkeiten zur Kommunikation mit der 1.G., da direkte Vorwürfe an die 1. G. meist nicht mehr oder weniger stark erhoben werden.


    Als Ansatz für die literarische Umsetzung soll Grass' Novelle 'Im Krebsgang' dienen, in welcher eben diese Generationsproblematik sehr deutlich, neben anderen Themen, aufgegriffen wird.
    Allerdings sind die Figuren in dieser Hinsicht oft sehr plakativ und oberflächlich gestaltet, was in meiner Arbeit zu problematisieren ist. Besonders deutlich wird dies bei der Darstellung der 3. Generation, die sich bei Grass doch sehr ins Extreme wendet und nur einen sehr kleinen Bereich der wissenschaftlichen Debatte aufgreift (fehlende Aufarbeitung führt in der 3. Generation zu Rechtsradikalismus) und stark von Grass' politisch-moralischem Zeigefinger überprägt ist.


    Der zweite Teil meiner Arbeit soll sich folglich kritisch mit dem durch Grass gezeichneten Bild der 3. Generation auseinandersetzen. Dies möchte ich im Vergleich zur Darstellung des Umgangs der 3. Generation mit dem Thema Holocaust, bzw. dem Thema NS-Vergangenheit durch Autoren der 2. oder 3. Generation herausarbeiten.


    Dabei habe ich zunächst an Christian Krachts 'Faserland' gedacht, ferner werde ich mir Maxim Biller, Tanja Dückers, Marcel Beyer und Uwe Timm näher anschauen und bin noch auf der Suche nach weiteren Autoren, die dieses Thema behandelt haben.


    Das bringt mich endlich zu meiner Frage: Um eine geeignete Auswahl für die zum Vergleich herangezogenen Autoren bzw. Texte treffen zu können, suche ich noch weitere Autoren, die sich ebenfalls mit dieser Thematik auseinandergesetzt haben. Ich weiß, daß das im Grunde kein Thema für das Klassikerforum ist, aber bei den vielen Leseratten hier, könnte es ja sein, daß der/die ein oder andere doch einen hilfreichen Lesetipp hat, da die Thematisierung wie z.B. bei Krachts 'Faserland' oftmals wohl nicht Hauptthema des Textes ist, sondern eher im 'Untergrund' verläuft, was meine Suche natürlich nicht gerade erleichtert.
    Bin für jeden Hinweis dankbar.


    Gruß
    Berch

  • Ich bin nicht sicher, ob das noch in dein Suchraster fällt, aber es gibt von Willi Fährmann ein Jugendbuch, das zu Beginn der Nazi-Herrschaft spielt: "Unter die Asche die Glut". Es ist schön spannend und lässt verschiedene Ansichten zu Wort kommen, wenn auch die Perspektive der Hauptperson (katholische Jungschar) überwiegt. Dabei kommt der Holocaust nur ganz am Rande vor, die allgemeine Dangsalierung durch die Nazis schon mehr.
    Willi Fährmann ist Jahrgang 1929, gehört also noch in deine 1. Generation. Allerdings eher in die Gruppe, zu der auch ein Bekannter von mir gehört: Unter den Nazis gelitten, obwohl nicht direkt von ihnen verfolgt.


    Doch, ich könnte mir vorstellen, dass du damit etwas anfangen kannst.


    Ansonsten kenne ich nur noch einen Doppel-Roman aus der Betroffenen-Perspektive: Stefanie Zweigs "Nirgendwo in Afrika" + "Irgendwo in Deutschland".


    Ich wünsche dir jedenfalls viel Erfolg für deine Arbeit


    LG
    Nightfever

  • hallo berch,


    ich bin nicht sicher, ob mein vorschlag genau zu deinem thema passt, es geht um rachel seifferts 'the dark room' bzw. 'die dunkle kammer', die autorin ist engländerin, 1971 geboren, damit wohl 3. generation, achja, mutter ist deutsche, vater australier...


    das buch beschäftigt sich in 3 episoden (eine zu beginn, eine zu ende des 2. weltkriegs, eine in der gegenwart) mit der frage der kollektivschuld bzw. der schuld an verbrechen seiner vorfahren mit ns/ss-vergangenheit... so geht es z.b. in der gegenwarts-episode um einen jungen lehrer, der der ss- vergangenheit seines verstorbenen opas nachspürt und sich damit mehr und mehr von seiner familie entfernt und die positiven erinnerungen an seinen großvater in frage stellt...


    ich hab das buch gerade gelesen, fand es sehr beeindruckend, lohnt sich meiner meinung nach also auch, falls du es nicht für deine examensarbeit verwenden kannst...


    gruß,


    aljaz