Weimar - am Puls der Zeit

  • Hallo :winken:,


    ein Forenteilnehmer hat anderer Stelle einmal die Bedeutung der Weltstadt Paris mit Berlin und London verglichen und die Bedeutung, diese auf das Kulturleben und die Literatur genommen hat.


    Dem ist natürlich so, aber während in Paris zwischen 1789 und 1805 die Köpfe rollten und Eroberungskreige geführt wurden, trifft sich zu gleicher Zeit in und um Weimar die geistige Elite Deutschlands, Leute wie Goethe, Schiller, Herder und Jean Paul und das ist nur die Spitze des "Eisberges", die Liste ließe sich fast endlos fortsetzen. Alles Dichter und Denker die wesentlicher Bestandteil dieses Fforums sind.


    Ich denke, daß das Weimar zwischen 1790 und 1810 als "Weltstadt des Hochklassizismus" bezeichnet werden kann, wobei ich mich natürlich gerne von Gegenargumenten überzeugen lasse.


    Grüße Leila

  • Hallo Leila,


    mit deinem Urteil über Weimar kann ich dir einigermaßen zustimmen, aber den Vergleich mit Paris finde ich nicht ganz gerecht. Auch in Weimar gab es Todesurteile (z.T. von Goethe selbst unterzeichnet, wenn ich mich nicht täusche), nur herrschte dort halt gerade eine friedliche Monarchie/Aristokratie, während man in Paris um eine neue Regierungsform rang. Auch dort waren große und geniale Köpfe am Denken. Das Robespierre ein *** war, ändert daran nichts :zwinker:

  • Hallo Nightfever,


    ungerecht in Bezug auf Paris wollte ich ganz sicher nicht sein, sondern nur die Bedeutung Weimars in jener Zeit herausheben und was sie uns letztlich bis heute gegeben hat. Das ist gewaltig.


    Das soll keineswegs die Bedeutung von Paris schmälern. Das Paris der Jahre von etwa 1880 bis 1914 ist sowieso unerreicht, da wirken Berlin, London und Wien eng und unbedeutend, von Weimar sprach damals niemand mehr.


    Aber von 1790 bis etwa 1810 war Weimar wie strahlender ein strahlender Komet am Himmel, der bis heute nachstrahlt.


    Grüße Leila

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Leila Parker"

    Ich denke, daß das Weimar zwischen 1790 und 1810 als "Weltstadt des Hochklassizismus" bezeichnet werden kann, wobei ich mich natürlich gerne von Gegenargumenten überzeugen lasse.


    Na ja: Was seine Grösse betrifft, war Weimar wohl eher ein Kuhdorf. Für eine "Weltstadt" hielten sich - ausser den französischen Besatzern - wohl relativ wenig Ausländer dort auf. Weltberühmt wurde Weimar m.M. erst nach der von Dir angesprochenen Epoche - als der alte Goethe daselbst Hof hielt.


    Grüsse


    Sandhofer
    PS. Was ist "Hochklassizismus"?

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Lieber Sandhofer,


    nun wollte ich es genau wissen. Nach einer Ausarbeitung Hermann Schiller waren die Jahre von 1786 - 1805 die Zeit der Hochklassik in Weimar. Sie endete wohl wesentlich mit dem Tod Schillers am 9. April 1805.


    Ihre Auffassung, dass dies die Zeit nach 1810 bis zum Tod Goethes 1832 war, kann ich überhaupt nicht zustimmen. Das war doch schon eine Zeit der geistigen Tristesse in Weimar, wo nur noch viele zu dem, wie wir heute sagen würden, Superstar nach Weimar pilgerte.
    Natürlich gab es zu jener Zeit Goethes "Faust II" und die für uns heute so wichtigen "Gepräche mit Eckermann".


    Grüße Leila

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Leila Parker"

    Ihre Auffassung, dass dies [i.e. die Epoche der Hochklassik? - Sandhofer] die Zeit nach 1810 bis zum Tod Goethes 1832 war, kann ich überhaupt nicht zustimmen.


    Jetzt vermengt sich m.M. einiges. Zum einen: Ich sprach von Weimar als "weltberühmter" Stadt - nicht von seiner literarischen Blütezeit. ("Weltberühmt" werden Orte und Dinge ja immer erst dann, wenn die meisten wirklich wichtigen Leute von dort wieder weg sind ...) Wenn's um Weimars literarische Hoch-Zeit geht, darf allerdings dann wieder Jena mit der daselbigen Uni nicht vergessen werden.


    Zum andern sprachst Du, Leila Parker, in Deinem Startbeitrag von "Hochklassizismus" nicht von "Hochklassik". Klassizismus ist für mich eine mehr oder weniger sklavische Nachahmung von als "klassisch" empfundenen Mustern - Klassik eine genuine Hervorbringung von einer späteren Nachwelt dann als "klassisch" geltenden Mustern. Deshalb habe ich nachgefragt. (Weil: Goethe wie Schiller orientierten sich an den "klassischen" Griechen. Wieweit also haben wir eine deutsche Klassik vor uns, wie weit ist es eben 'nur' Klassizismus?)


    Zum dritten gibt es m.W. v.a. im angelsächsischen Raum Tendenzen, die deutsche 'Klassik' eben nicht als solche, sondern als (zwar gewichtige, aber doch eben) Strömung der romantischen Bewegung anzusehen.


    Grüsse


    Sandhofer


    PS. Bis jetzt kannte ich genau 2 Foren-User, die mich gesiezt haben. Der eine kannst Du nicht sein ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Lieber Sandhofer,


    es war eher der große Respekt den du bei geniesst, wenn ich mir einen großen Teil deiner über 1400 Beträge durchlese. Daher das "Sie".


    Also darf ich Du sagen?


    Natürlich hast Du so gesehen recht. für mich waren und sind es eben die Impule die Weimar bis 1805 geprägt haben und die bis heute nachhallen. Natürlich lässt sich auch über die Zeit von 1805 bis Goethes Tod 1832 trefflich diskutieren.


    Was hältst Du überhaupt von Eckermann? Er wird ja vielfach nicht sehr positiv beurteilt.


    Grüße Leila

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Leila Parker"

    Was hältst Du überhaupt von Eckermann? Er wird ja vielfach nicht sehr positiv beurteilt.


    Eine Diskussion zu Eckermann findest Du hier.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich habe mal eine faszinierende Vorlesung zu dem Thema gehört, "Weimar als Kulturkosmos" o.ä. - Es ist völlig richtig, daß Weimar seinerzeit eher ein Dorf war, aber was für eines! Die Versammlung verschiedener Geistesgrößen an einem kleinen Ort (s. auch Worpswede) kann sehr erstaunliche Wirkungen hervorbringen.

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Roquairol"

    Ich habe mal eine faszinierende Vorlesung zu dem Thema gehört, "Weimar als Kulturkosmos" o.ä. - Es ist völlig richtig, daß Weimar seinerzeit eher ein Dorf war, aber was für eines! Die Versammlung verschiedener Geistesgrößen an einem kleinen Ort (s. auch Worpswede) kann sehr erstaunliche Wirkungen hervorbringen.


    Eine sehr gute Darstellung liefert m.M.:
    Walter H. Bruford: Culture and Society in Classical Weimar, 1775-1806(London, 1962)
    auf deutsch: Kultur und Gesellschaft im klassischen Weimar. 1775 - 1806. (Göttingen, 1966)


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Roquariol,


    Du hast es mit zwei Sätzen auf den Punkt gebracht. Es war etwas unglücklich von mir, überhaupt Paris nur ansatzweise zu nennen ins spiel zu bringen. In der Tat, Worpswede ist da ein sehr guter Vergleich mit Weimar.


    Grüße Leila

  • Hallo zusammen :winken:,


    zu diesem Thema möchte ich noch eine Passage aus dem Buch von Ludwig Raschdau "In Weimar als preußischer Gesandter 1894-1897" (Berlin 1939) zitieren:


    "Weimar ist ein doch sehr kleiner Ort und von einigen größeren Gebäuden, Museum, Schloß, Post, Bahnhof abgesehen, kann Weimar schon zu Goethes Zeit so ausgesehen haben. ... Enge Straßen im alten Teile, altmodische Giebel, sehr hohe Dächer, das Volk behäbig und spießbürgerlich, so konnte der Ort wohl Goethe bei der Beschreibung des Osterspaziergangs als Muster vorgeschwebt haben. wirtschaftlich ist Weimar, zum Teil absichtlich, zurückgeblieben..."


    Man kann Sandhofer und den anderen Forenteilnehmern nur zustimmen, außer der geistigen Größe, die Weimar besonders zwischen 1790 und 1805 und bestenfalls zu Goetehes Zeiten überhaupt beherbergte, ist die Stadt eigentlich völlig unbedeutend.


    Liebe Grüße
    Leila :smile:

  • Hallo zusammen,


    zur aufgeklärtenLiberalität des hochklassischen Weimar folgende Zitate zur Erstveröffentlichung der "Römischen Elegien" Goethes in Schillers Zeitschrift "Die Horen":


    Herder: Die Horen müßten nun mit dem u gedruckt werden, :redface:


    der damalige Weimarer Gymnasialdirektor Böttiger:...alle ehrbaren Frauen in Weimar [seien] empört [gewesen] über die bordellmäßige Nacktheit, die meisten Elegien [seien nach Goethes Rückkunft aus Italien] im ersten Rausche mit der Dame Vulpius geschrieben.
    :redface:
    (zitiert nach S. Damm: Schiller - Eine Wanderung
    Wahrlich eine Weltstadt :zwinker:


    HG


    finsbury