Hallo :winken:
Ich schreibe ja schon einige Wochen hier mit - jetzt möchte ich mich endlich ordentlich vorstellen.
Ich bin 19 Jahre alt und mache gerade mein Abitur an der Marburger Waldorfschule. Nebenher verdiene ich ein bisschen Geld mit Nachhilfestunden für eine Klassenkameradin (Englisch-LK) und einen (inzwichen) Sechstklässler (Deutsch), manchmal hüte ich bei Nachbarn oder Bekannten die Kinder und in unregelmäßigen Abständen arbeite ich als Küster/Messner/Sakristan (bereite also "meine" Kirche oder Kapelle für einen Gottesdienst vor). Leider bin ich nicht so wahnsinnig praktisch begabt, verdiene also nicht so viel nebenher. Mein jüngerer Bruder hat durch seinen Job im Getränkemarkt sicher mehr zum Ausgeben... Aber Geld ist nicht alles - und mir muss man schon gute Gründe bieten, damit ich meine Zeit mit etwas verschwende, worauf ich gar keine Lust habe...
Ich habe mit sechs Jahren (ein paar Monate vor meiner Einschulung) Lesen gelernt und viele Jahre Bücher regelrecht gefressen. Alle "Hanni und Nanni"-Bände, alle "Dolly"s, überhaupt viel von Enid Blyton, dazu alles, was noch an Jugendliteratur bei meinen Großeltern herumstand (wer kennt Berte Bratt?), 60% aller Karl Mays, Historienschinken, alle 70 "Prinz Eisenherz"-Bände (letzte Woche habe ich in der Bücherei endlich Band 71 gefunden und gelesen. Ist aber nicht mehr so schön wie früher *schnief*)
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Ich lerne schrecklich gerne (nicht zu verwechseln mit "pauken" *schüttel*), das ist wohl der erste Grund, warum ich mich auch irgendwann an höhere Literatur und ältere Bücher herangemacht habe - ich wollte wissen, was daran so toll ist, und ich wollte sie gelesen haben.
Vor gut einem Jahr gab es dann einen Einbruch - irgendwann fiel mir auf, dass ich kaum noch zum Lesen komme - einerseits. Und wahnsinnig viel lese - andererseits. Tatsächlich habe ich im vergangenen Jahr fast ausschließlich Bücher für die Schule gelesen:
ZitatAlles anzeigenHeinrich von Kleist: Über das Marionettentheater
Nur eine Kurzgeschichte, die mich aber lange beschäftigt hat!
Johannes von Tepl: Der Ackermann aus Böhmen
(in Auszügen im Original, die andere Hälfte in Zusammenfasungen)
Das war lustig zu lesen! Und faszinierend im geschichtlichen Kontext.
Bert Brecht: Der gute Mensch von Sezuan (12. Klasse)
Siehe da: dieser Brecht war viel leichter zu lesen als der erste. Auch Schüler werden klüger^^. Ansonsten gilt das Gleiche wie für den Galilei: Spannendes Thema, und ich uneins mit dem Herrn Brecht.
E. T. A. Hofmann: Der Goldene Topf
Während ich es las, schrieb ich auch gerade an einer Geschichte (Fanfiction) - Hofmann hat meinen Stil ein ganzes Kapitel lang deutlich geprägt.
Hendrik Ibsen: Nora oder Ein Puppenheim
Die Nacht in der ich den Aufsatz darüber geschrieben habe, war eine der verrücktesten meines Lebens. Das Fieber der Arbeit packte mich...
Max Frisch: Stiller
Ja ja, er ist nicht Stiller, aber hätte Frisch nicht einfach zum Psychologen gehen können, anstatt mich mit seinen Identitätsproblemen und -spielen zu nerven? Seit diesem Roman hege ich eine dezidierte Abneigung gegenüber Frisch, ohne sein schriftstellerisches Talent anzuzweifeln.
Friedrich von Schiller: Maria Stuart
Wir hatten es vorher schon einmal in der 10. Klasse in Auszügen gelesen (grauenhaft), und dann hatte ich es mir diesen Sommer für ein Referat 'reingezogen - aber erst als wir es jetzt ordentlich durchgenommen haben, konnte ich mich damit versöhnen und bin inzwischen ziemlich begeistert.
Georg Büchner: Woyzeck
Büchner ist meistens unbeliebt bei Schülern ... Mir geht der Hintergrund des Stückes total auf die Nerven, "was der Dichter uns damit sagen will" - wenn überhaupt hätte mich eine nähere Beschäftigung mit den verschiedenen Fassungen locken können. Tja, shit happens.
Franz Kafka: Der Prozess
Nachdem wir in der elf schon einige Kurzgeschichten von K. gelesen und "Vor dem Gesetz" ausführlich besprochen hatten, kam nun der Roman dazu. Abgesehen von dem Kapitel im Dom habe ich noch nicht so recht einen Zugang dazu gefunden.
Albert Camus: Der Fremde
Nach einer kurzen Gewöhnungsphase finde ich den Roman phantastisch. Trotzdem sagt er mir irgendwie nichts. Bin mal gespannt, wir schreiben nämlich am Montag die Klausur über den Fremden und den Prozess...
Für meine Jahresarbeit habe ich mir außerdem ein knappes Dutzend Novellen durchgelesen, und für mein Referat über Schiller (Biographie, Werkbiographie, "Die Räuber") dessen Dramen "Die Räuber", "Kabale und Liebe", "Dom Karlos" und "Wilhelm Tell" sowie die Erzählung "Der Verbrecher aus Infamie" und einige philosophisch-literaturtheoreitsche Schriften von ihm gelesen.
In meiner Freizeit versank ich hinter meinem PC und las - Fanfiction. Bergeweise. Bis tief in die Nacht und bis die Sonne wieder aufging. Meine Augen haben wahnsinnig gelitten (habe inzwischen minus zehn Dioptrin :-/ ), aber ich hatte eine spannende Zeit, in der ich viel Englisch gelernt und manches wissenwerte über das Schreiben gelernt habe. Schließlich habe ich mich selbst an eine Fanfiction gemacht und - viel wichtiger - mich für mein Abitur an eine novellenartige Erzählung gewagt. Noch nie hat mich eine Arbeit so lange gefesselt und begeistert!
Trotzdem wurde es mir in letzter Zeit unheimlich, dass ich nur noch so wenig zum Bücher lesen komme. Und dann stieß ich auf der Suche nach Material zu Camus' "der Fremde" auf dieses Forum und bin geblieben. Es gefällt mir sehr gut. Der Ton ist meistens höflich und freundlich, und es ist toll, sich auch außerhalb der Schule über Bücher unterhalten zu können. Ich fühle mich richtig inspiriert weiterzumachen, meine alte Neugierde wieder auf die Klassiker zu lenken...
Zum Schluss noch etwas Werbung in eigener Sache:
Wer Zeit un Lust hat, ist herzlich gebeten und eingeladen, doch mal einen Blick auf meine Arbeiten zu werfen und eine Kritik zu hinterlassen. Das wäre schön
Liebe Grüße
Nightfever