Mai 2003: Honoré de Balzac - Ursule Mirouet

  • Hallo Sandhofer,
    hallo Hubert,


    nachdem nun alle Reue gezeigt haben, möchte ich mich anschließen. Ihr kennt doch die alte Geschichte, wo der König das Komma vergessen hatte und der Henker nun folgenden Brief erhielt:


    [size=18px]Hängen soll er nicht leben lassen![/size]


    Vielleicht hat dieser Kommafehler zum Tod eines Unschuldigen geführt? Es ist sicher eine interessante Diskussion wert. In unserem Fall ist dieser Fehler für „Ursule Minouret“ nicht von großer Bedeutung. Das Hauptanliegen dieser Seiten, dafür habt ihr Euch ausgesprochen, ist das Gemeinsame Lesen eines Werkes von Balzac. Ein Drittel haben wir bereits geschafft. Wollen wir nun fortschreiten. Alles Gute, Frank. :winken:


    (Nun habe ich endlich auch ein Avatar, eine Karikatur von Balzac, der darüber wachen wird, dass wir sein Werk nicht verunglimpfen.) :bang:

  • Hallo Maria,
    die Spekulationen über das Erbe nehmen nun Gestalt an. Eine Heirat mit den Tunichtgut Désiré wird in Erwägung gezogen, um eventuell das ganze Vermögen zu bekommen.
    Es gibt aber noch etwas, das stärker ist als Geld, der Stammbaum!


    „Niemals!“ rief Zélie. „Nie, solang ich am Leben bin, wird Désiré die Tochter eines Bastards heiraten, eine aus Mitleid angenommene Tochter, auf der Straße aufgelesen.“


    Hieran erkennt man ganz deutlich, wo die „wahren Werte“ :zwinker: der Gesellschaft zu finden sind. Die Minourets haben schließlich einen fünfhundertjährigen gutbürgerlichen Stammbaum.


    Langsam fange ich ja nun auch an, mir um Ursules Schicksal Gedanken zu machen. Den Désiré, soll sie ja nun nicht gerade bekommen, diesen Taugenichts. :entsetzt: Trotzdem wird hier ein Stammbaum höher eingeschätzt als die Millionen. Sozusagen nach dem Sprichwort:


    "Vornehm geht die Welt zugrunde."


    Etwas später, als Madame Crémiére Kontakt zum Doktor aufnehmen will, wimmelt es sie ab, mit dem Hinweis:


    „Ursule verdient ihren Namen, sie ist sehr ungesellig.“


    Wir wissen ja, dass es nur ein Vorwand ist, aber als ich dann auf so einer Namensseite nachgeschaut habe (als "Nicht-Französisch-Könner"), habe ich gelesen, Ursa heißt Bär und Ursule heißt „Die kleine Bärin“


    (Es ist so, dass ich meine Einschätzung immer bis zu der Seite abgebe, die ich gerade gelesen habe. Manchmal fällt es mir am nächsten Tag mit der nächsten Seite, wie Schuppen von den Augen, dass ich mich in einem völligen Irrtum befunden habe. Aber das ist immer die „Gefahr“, wenn man „live" berichtet.) :breitgrins:


    So nun muss ich schlafen, Tschüß, Frank. :baden:

  • Die Bemerkung kann sich auch auf den Orden der Ursulinerinnen beziehen, die sehr zurückgezogen im Kloster leben.


    Hallo Alamir,
    ich freue mich, dass ich nun auch die „Geister“ geweckt habe. :redface:
    Vielleicht hast du recht, könnte möglich sein. Woher kommen die Ursulerinnen, wann haben sie gelebt? Weißt du etwas darüber oder sind sie Phantasie aus SciFi?
    Alles Gute, Frank. :smile:

  • Hallo Frank
    Ich bin noch da, doch bin einfach nicht zum Lesen gekommen, aber zum Glück ist nun bald Wochenende und noch dazu ein laaaanges.

    Dein Atavar ist ja gigantisch :breitgrins:


    Hier noch ein paar Sätze aus der Rororo-Monographie, die ich zum Verständnis sehr hilfreich fand:


    Es gibt Dichter, bei denen wir fühlen, daß sie über ihrem Werk oder zumindest mit ihm auf gleichem Fuß stehen. Gustave Flaubert überragte seine Romane; bei Stendhal erleben wir mit, wie die Luzidität und die Prägnanz seines Stils sich entzünden und schärfen ind der Glut eines auf Selbstbeobachtung erpichten Naturells; wir wissen, dass Tolstoj und Dostojevkij ihre eigene Wirklichkeit gelebt haben und daß die Gestalten ihrer romane dasselbe tun; und die Persönlichkeit Goethes kommt im beiläufigsten Satz seiner von Eckermann aufgezeichneten Gespräche voll zum Ausdruck. Doch Balzac? Bei ihm hat man den Eindruck, er habe sein Werk nicht eigentlich sich selbst entrungen, sondern sein Werk habe ihn, den Urheber, in sich hineingesogen; nicht der Töpfer sei er gewesen, der dem Tonkrug die Form gibt, sondern der Hohlraum, der seine Formung dem ihm umschließenden Gefäßen verdankt.


    quote=Frank:
    Hieran erkennt man ganz deutlich, wo die „wahren Werte“ der Gesellschaft zu finden sind. Die Minourets haben schließlich einen fünfhundertjährigen gutbürgerlichen Stammbaum.


    Langsam fange ich ja nun auch an, mir um Ursules Schicksal Gedanken zu machen. Den Désiré, soll sie ja nun nicht gerade bekommen, diesen Taugenichts. Trotzdem wird hier ein Stammbaum höher eingeschätzt als die Millionen. Sozusagen nach dem Sprichwort:


    "Vornehm geht die Welt zugrunde."


    ah, jetzt bist du bereits etwas weiter als ich. Also, das wäre ja schlimm, wenn Ursule mit Desire verkuppelt werden würde. *graus*
    Bin auch dagegen.


    eure Gedanken über die Bedeutung des Namens Ursule sind sehr aufschlußreich. Im Moment sieht es mir nicht nach einem kleinen Bären aus, eher eine Ursuline, die in die Isolation getrieben wird? Dennoch steckt in Ursule bestimmt eine Kämpfernatur, darauf warte ich, dass das noch in Erscheinung tritt.


    Wie findest du die Erörterung der damaligen Rechtsprechung?


    Also wie es aussieht, geht Ursule leer aus.


    „Es erhob sich eine Freude unter den das Gold schon in Haufen raffenden Erben, die mit Lächeln, halbem Sich-von-den-Sitzen-Erheben, ….. „


    Bis das Wort „ABER“ kam.


    Bin gerade an der Stelle, wo der Notar das Schicksal von Ursule abwägt. Was bleibt ihr im Falle des Todes ihres Onkels. Die zwei Möglichkeiten Adoption und Heirat. Adoption ist unmöglich und Heirat makaber.


    Schon in anderen Werken Balzacs habe ich bemerkt, dass sich Balzac sehr viel mit der Rechtsprechung auseinandergesetzt hat. Am extremsten war es in „Oberst Chabert“, wo der todgeglaubte Mann wieder auftaucht und "seine" Rechte fordert. Aber das soll nur ein Hinweis sein, das er selbst vor brisanten Fällen nicht zurückgewichen ist.


    ich glaube in Ursule Mirouet wird es zu Ähnlichkeiten zu Oberst Chabert kommen. Die Geldgier der Verwandtschaft ist erschreckend.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Zitat von "Frank W."

    Die Bemerkung kann sich auch auf den Orden der Ursulinerinnen beziehen, die sehr zurückgezogen im Kloster leben.


    Hallo Alamir,
    ich freue mich, dass ich nun auch die „Geister“ geweckt habe. :redface:
    Vielleicht hast du recht, könnte möglich sein. Woher kommen die Ursulerinnen, wann haben sie gelebt? Weißt du etwas darüber oder sind sie Phantasie aus SciFi?
    Alles Gute, Frank. :smile:


    Der Orden der Heiligen Ursula wurde 1553 in Italien gegründet, und 1614 der Augustinischen Klosterregel unterstellt. Die Aufgaben waren ursprünglich Armenpflege, bald aber auch Erziehung, und mit dieser Aufgabe waren die Ursulinerinnnen lange der größte Orden für Frauen. Es gibt den Orden heute noch.


    Orden waren lange ein Rückzugsgebiet, besonders für Frauen, ich weiß allerdings nicht, ob es noch zu Balzacs Zeit so war, daß ein Mädchen durch den Eintritt ins Kloster einer ungeliebten Ehe entgehen konnte.

  • @Hallo Alamir,
    danke für die umfassende Auskunft. Bist ja doch nicht so gruslig, wie dein Name (Alamir ai Khan, der Weltenwanderer). :zwinker:
    Vielleicht finden wir im Roman noch einen Hinweis. Ich freue mich, dass du interessiert bist. Du hast dich gerade zum Ratgeber für mittelalterliche Historie qualifiziert, danke. :smile:



    @Hallo Maria,
    ich dachte schon, du wärst „verschütt gegangen.“ Ich freue mich, dass nichts passiert ist. :zwinker:
    Ich habe auch nur begrenzte Zeit zum Lesen, deshalb freue ich mich besonders, dass ich nicht so „hetzen“ muss.


    Zum Zitat: …Bei ihm hat man den Eindruck, er habe sein Werk nicht eigentlich sich selbst entrungen, sondern sein Werk habe ihn, den Urheber, in sich hineingesogen; nicht der Töpfer sei er gewesen, der dem Tonkrug die Form gibt, sondern der Hohlraum, der seine Formung dem ihm umschließenden Gefäßen verdankt.


    Schreib bitte mal die Seite mit, ich habe die Rororo-Monographie auch.


    „Balzac ist der Hohlraum im Krug.“. Andere haben geschrieben, er ist in die „Menschliche Komödie hineingetaucht und nie wieder herausgekommen.“ Das klingt natürlich alles sehr schön und mystisch. Nur eins kann nicht sein, dass Balzac seine Form dem ihm umschießenden Gefäß verdankt. Das würde bedeuten, dass Balzac erst durch die „Menschliche Komödie“ seine Form (ich beziehe mich auf die geistige) errungen hat. Doch so wäre es verständlich, „Die Umwelt formt den Menschen“.


    Wollen wir mal realistisch bleiben, was hat er getan? Er hat eine Phantasiewelt geschaffen von 2700 Darstellern, davon ca. 200 „Stammpersonal“. Jeden dieser „Leute“ hat er ein Gesicht gegeben, seinen Hauptdarstellern: einen Lebensweg, eine Herkunft, einen Beruf, eine Familie, Freunde, Kinder, Schicksale (Freud und Leid) und hat sie begleitet von Geburt bis zum Tode. Es sind „Typen“, die wir heute noch finden. Es befassen sich weltweit (selbst in Japan- siehe meine Linkseite) Wissenschaftler mit dem Werdegang seiner „Darsteller“. Balzac selbst ein „Phantasiemensch“, lebte von der Vorstellung. In seinen letzten Tagen rief er in seiner Phantasie nicht seinen Hausarzt, sondern Bianchon, den Arzt aus der „Menschlichen Komödie“. Er steckte voll drin und nur so konnte er dieses Werk beherrschen und darstellen. Die Romanfiguren schwebten ständig in seinen Gedanken. Die Charaktere und Typen, die bildete er nicht selbst, die entsprangen seiner Beobachtungsgabe, es waren Abbilder der Leute aus der Gesellschaft, denen er täglich begegnete. Balzac war ein „Genie“. Er befasste sich mit allen Wissenschaften seiner Zeit, er las und informierte sich über alles, was ihm zugänglich war und verarbeitete es in seinem Werk.


    Wie man ihn auch darstellen möge; wäre er anders gewesen, hätte er dieses gigantische Werk nicht so schreiben können. Ursule ist nur ein Steinchen im großen Mosaik.


    Nochmal zu den Skulpturen von Rodin (im RoRoRo-Buch), m.M.n. sind sie nach Balzacs Tod entstanden und da kann er nicht Modell gestanden haben.



    Alles Gute, Frank. :winken:

  • Zitat von "Frank W."

    @Hallo Alamir,
    danke für die umfassende Auskunft. Bist ja doch nicht so gruslig, wie dein Name (Alamir ai Khan, der Weltenwanderer). :zwinker:
    Vielleicht finden wir im Roman noch einen Hinweis. Ich freue mich, dass du interessiert bist. Du hast dich gerade zum Ratgeber für mittelalterliche Historie qualifiziert, danke. :smile:


    Hallo Frank,


    den Namen Alamir gibt's wirklich - oder zumindest in der Literatur? Ich habe den für eines meiner Romanprojekte erfunden, und da ist er ein gotischer Adliger (ala - gotisch: "Adler").


    Mittelalterliche Geschichte ist meine Spezialität (jawohl, richtig mit Studium und so :zwinker: ).

  • Hallo Alamir, da lag ich zwar mit dem Namen etwas daneben, aber dass du das Mittelalter beherrschst, habe ich gleich erkannt. Inzwischen habe ich ein paar andere Postings von dir gelesen und weiß nun, dass Alamir weiblich ist. :smile:


    Vielleicht lese ich mal irgendwann „Katharina von Medici“ uns suche ein paar Hinweise zu Folterwerkzeugen oder Hexenverbrennung, dann würde ich mich vertrauensvoll an dich wenden. :zwinker:


    Mittlerweile habe ich festgestellt, dass ich hier nur von Koryphäen umgeben bin. Das schöne ist, man hat für jeden Bereich einen kompetenten Ansprechpartner. Tschüß, Frank. :winken:

  • Hi Leutchen :rollen:


    Da bei Euch so viel los ist, wäre ich vielleicht an einem verspäteten Leseeinstieg interessiert, wenn Ihr nicht schon zu weit seid. Kann ich noch mithalten, auf welchen Seiten bewegt Ihr Euch schon?


    Bye, Ivy

  • Hallo Ivy


    ich würde mich freuen, wenn du einsteigen würdest. Ich bin noch auf S. 107 und bin ein eher langsamer aber stetiger Leser. Bei mir geht es erst wieder morgen weiter mit Balzac.


    Hallo Frank
    das Zitat stammt aus der Rororo Bildmonographie: Balzac' von Gaetan Picon auf der Seite 7 / 2. Abschnitt.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hi, Ivy,


    wir haben diese spontane Leserunde an Balzacs Geburtstag begonnen. Nun meldet sich noch eine Evelyne Marti. Nun rate mal, wie der Name von Balzacs Frau war? Natürlich Evelina. Wenn dass keine Vorsehung ist? Herzlich willkommen in unserer Gemeinschaft. Wir blättern auch gern nochmal zurück, wenn es Fragen gibt. Sag wenn das Buch eingetroffen ist, dann sind auch schnell 100 Seiten gelesen. Maria hat ja auch noch ein anderes Buch :zwinker: , wenn sie möchte können wir derweil etwas über Balzac "plaudern". Ein sehr interessantes Leben.
    Aber ich will hier nichts bestimmen und freue mich über Ivy. Alles Gute, Frank.

  • Hallo hallo, Ihr seid ja wirklich nett! :smile:


    Danke für die liebe Begrüssung!


    Evelina - das muss tatsächlich Vorsehung sein! :zwinker:


    Ich habe sowieso etwas Schicksalgöttinnenhaftes an mir! :breitgrins:


    Da Pfingsten dazwischen liegt, werd ich das Buch erst nächste Woche abholen können, hab mich etwas gewundert über den niedrigen Preis der Insel-Taschenbuchausgabe, ist hoffentlich das Richtige. Wie viele Seiten hat es eigentlich insgesamt?


    Sobald ich es hab, werd ich mich jedenfalls reinknien ins Lesen und versuchen, Euch auf sportliche Art einzuholen, war ja schliesslich in Schulzeiten auch mal beste 100m-Sprinterin der Klasse, na ja, ist schon lange, lange her. :roll:


    Bye, Ivy

  • Hallo zusammen,
    Hallo Frank


    Nun hatte ich mich vor dieser Leserunde mit der Swedenborg-Theorie befasst. (siehe auch meine hp, Seite Religion) Der Roman „Seraphita“ ist das beste Beispiel dafür (eine im fleischlichen Leib eingekerkerte engelhafte Phantasiegestalt aus Frau und Mann). Balzac hat sich mit all diesen Theorien seiner Zeit auseinandergesetzt. Er verwendet sie in seinen Romanen, lässt Ansichten „aufeinanderprallen“, wie hier dieses Treffen mit dem Freunden. (s.77 in meinem Buch).
    Es ist einfach eine Analyse der Theorien und heute, wer kennt heut noch Swedenborg?


    ich mußte ein bißchen suchen, habe aber deine Seite: Religion gefunden. Danke dir.


    Balzac hat den Ruf, Schöpfer des französischen realistischen Romans zu sein (Bertelsmann sowie viele andere Lexika).
    Realismus bedeutet nicht Anhänger einer fiktiven Idee zu sein. Soviel zu den Theorien, auch wenn es manchmal gespenstig aussieht. Er hat E.T.A. Hoffmann gelesen.


    Ursule Mirouet ist erst mein zweiter Roman von Balzac, aber ich kann bisher nicht feststellen, dass Balzac einer fixen Idee nachgeht. Außer man sieht die Ergründung menschlicher Beweggründe als fixe Idee.


    Wollen wir mal realistisch bleiben, was hat er getan? Er hat eine Phantasiewelt geschaffen von 2700 Darstellern, davon ca. 200 „Stammpersonal“. Jeden dieser „Leute“ hat er ein Gesicht gegeben, seinen Hauptdarstellern: einen Lebensweg, eine Herkunft, einen Beruf, eine Familie, Freunde, Kinder, Schicksale (Freud und Leid) und hat sie begleitet von Geburt bis zum Tode. Es sind „Typen“, die wir heute noch finden. Es befassen sich weltweit (selbst in Japan- siehe meine Linkseite) Wissenschaftler mit dem Werdegang seiner „Darsteller“. Balzac selbst ein „Phantasiemensch“, lebte von der Vorstellung. In seinen letzten Tagen rief er in seiner Phantasie nicht seinen Hausarzt, sondern Bianchon, den Arzt aus der „Menschlichen Komödie“. Er steckte voll drin und nur so konnte er dieses Werk beherrschen und darstellen. Die Romanfiguren schwebten ständig in seinen Gedanken. Die Charaktere und Typen, die bildete er nicht selbst, die entsprangen seiner Beobachtungsgabe, es waren Abbilder der Leute aus der Gesellschaft, denen er täglich begegnete. Balzac war ein „Genie“. Er befasste sich mit allen Wissenschaften seiner Zeit, er las und informierte sich über alles, was ihm zugänglich war und verarbeitete es in seinem Werk.


    was soll ich sagen. Es ist beeindruckend, wenn man intensiver über Balzac forscht und du bist darin die Quelle überhaupt.
    Soviel ich gelesen habe, suchte er auch die Phantasiewelt und bei dem Kaffeekonsum und wenigen Schlaf, hatte er wohl selbst Erfahrung mit hypnotischer Somnambulismus (Ursule Mirouet).


    Das Jenseits.
    ein weiterer Begriff, den ich bereits erwähnte. Der Doktor sprach zu Ursule, dass sie ihn bei Probleme rufen könnte (nach seinem Tode).


    der 2. Hinweis kommt auf der S. 117 (ich habe doch noch ein bißchen Zeit gefunden weiter zulesen):
    der Doktor spricht mit dem heuchlerischen Notar:

    ...wenn einer von ihnen irgend etwas an dem, was ich für dies Kind tun zu müssen glaube, stört.... so werde ich aus jener Welt zurückkehren, um ihn zu peinigen!...


    @Ivy,
    mein Inseltaschenbuch hat mit Anmerkungen 301 Seiten.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria,


    Soviel ich gelesen habe, suchte er auch die Phantasiewelt und bei dem Kaffeekonsum und wenigen Schlaf, hatte er wohl selbst Erfahrung mit hypnotischer Somnambulismus (Ursule Mirouet).



    Ich zitiere aus „Balzac“ von Ernst Robert Curtius: „Es war eins seiner Geheimnisse, dass sein Leben vom Herzen beherrscht sei. Eines Tages besuchte er den berühmten Magnetiseur Dupotet und gab dort einer Somnambule seine Hand. Sie legte sie sich auf den Magen, ließ sie aber sofort voller Schreck wieder los: <<Was ist das für ein Kopf?>>, rief sie aus. <<Es ist eine Welt, es erschreckt mich.>> …“


    Man kann sagen, dass er auch so eine Erfahrung hatte.



    „Das Hellsehen der Somnambulen war durch den tierischen Magnetismus Mesmers und seiner Schule populär geworden. ………..


    „Balzac sah in Mesmer einen wunderbaren Geist, der <<die in den Mysterien der Isis, in denen von Delphi, in der Höhle des Trophonios verborgene Wissenschaft >>wiederentdeckt habe. Der Magnetismus sei in Ägypten, Chaldäa, Indien und Griechenland gepflegt…….“


    Nun kommt der Bezug zu Ursule Minouret:


    „Durch den Magnetismus lässt Balzac den skeptischen Dr. Minoret zum Gottesglauben und zu reinster katholischer Frömmigkeit bekehrt werden. Von der magnetischen Heilmethode hielt Balzac große Stücke.“


    Dieser Ernst Robert Curtis (1886-1956, Professor der Romanistik in Marburg, Heidelberg und Bonn) setzte sich in seinem Buch „Balzac“ mit dem Geheimnis und der Magie in Balzacs Werken auseinander.


    „In dem Gesamtvorwort der Menschlichen Komödie hat Balzac über sein Verhältnis zum Magnetismus gesagt:<<In gewissen Fragmenten dieses langen Werkes habe ich versucht, die erstaunlichen Tatsachen, ich kann sagen, die Wunder der Elektrizität, zu popularisieren, welche sich beim Menschen in eine unberechenbare Kraft umwandelt……..



    Na ja, hier habe ich auch etwas Nachholebedarf. Soviel erstmal zur Mystik.



    Ursule Mirouet ist erst mein zweiter Roman von Balzac, aber ich kann bisher nicht feststellen, dass Balzac einer fixen Idee nachgeht. Außer man sieht die Ergründung menschlicher Beweggründe als fixe Idee.


    Ich hatte zwar fiktive Idee geschrieben, aber über diese Sache müssen wir noch mal nachdenken.



    Was soll ich sagen. Es ist beeindruckend, wenn man intensiver über Balzac forscht und du bist darin die Quelle überhaupt.


    Liebhaber sind nie objektiv.



    Das Jenseits.
    ein weiterer Begriff, den ich bereits erwähnte. Der Doktor sprach zu Ursule, dass sie ihn bei Probleme rufen könnte (nach seinem Tode).


    der 2. Hinweis kommt auf der S. 117 (ich habe doch noch ein bißchen Zeit gefunden weiter zulesen):
    der Doktor spricht mit dem heuchlerischen Notar:


    ...wenn einer von ihnen irgend etwas an dem, was ich für dies Kind tun zu müssen glaube, stört.... so werde ich aus jener Welt zurückkehren, um ihn zu peinigen!...


    Du bist hier näher an einer „Lösungsfindung“ als ich.


    Na ja, manchmal waren die Ideen der damaligen Zeit schon verschoben. Jede Theorie hatte ihre Anhänger. „Die Suche nach dem Absoluten“, wie auch ein Roman von Balzac heißt.


    Also Maria, ich betrete hier selbst unbekanntes Terrain und ich bin froh, dass du mich führst. :smile:



    Tschüß, Frank.

  • Hi Maria und Frank


    Ihr macht mich wirklich total neugierig, kann es kaum erwarten, bis Pfingsten vorbei ist und ich endlich mitlesen kann!


    Na, da schaufelt mal schön weiter Sekundärstoff herbei, damit ich es nur noch mundgerecht konsumieren muss! :breitgrins:


    Bye, Ivy

  • Hallo zusammen,



    danke für den Hintergrund über Magnetismus. Da Dr. Minoret der wissenschaftliche Typ ist, paßt diese These um ihn zum Glauben zu führen. Alles andere, wie z.B. nur Ursule's oder des Pfarrer's Bemühungen wären wohl fehlgeschlagen.


    Heute wird der Begriff Somnambulismus auf Schlafwandeln angewendet.
    Hat also mit dem ursprünglichen, ausser der 'Bewußtlosigkeit', nichts mehr zu tun. (Bewußtlosigkeit ist vielleicht der falsche Begriff in Bezug auf Schlaf *grübel*).


    Zitat


    „In dem Gesamtvorwort der Menschlichen Komödie hat Balzac über sein Verhältnis zum Magnetismus gesagt:<<In gewissen Fragmenten dieses langen Werkes habe ich versucht, die erstaunlichen Tatsachen, ich kann sagen, die Wunder der Elektrizität, zu popularisieren, welche sich beim Menschen in eine unberechenbare Kraft umwandelt……..


    gab es damals nicht auch Versuche mit Elektrizität um Tote aufzuerwecken? oder hab ich das aus einem Schauerroman, der damaligen Zeit?


    Zitat

    Ursule Mirouet ist erst mein zweiter Roman von Balzac, aber ich kann bisher nicht feststellen, dass Balzac einer fixen Idee nachgeht. Außer man sieht die Ergründung menschlicher Beweggründe als fixe Idee.


    Ich hatte zwar fiktive Idee geschrieben, aber über diese Sache müssen wir noch mal nachdenken.


    ups - wo hab ich da nur hingeschaut. Kam da mein Unterbewußtsein hervor? :breitgrins:


    Was soll ich sagen. Es ist beeindruckend, wenn man intensiver über Balzac forscht und du bist darin die Quelle überhaupt.


    Zitat

    Liebhaber sind nie objektiv.


    *ggg*


    Balzac ist gewissermaßen auch eine Erholung nach Zola: Therese Raquin.
    aber deswegen nicht uninteressanter, nur anders.


    Liegt vermutlich an dem Realismus und dem Naturalismus :zwinker:




    mal abwarten, wer weiß wohin uns Balzac führt.


    Dr. Minoret ist jedenfalls ein beeindruckend intelligenter Mann der die Heuchelei des Notars schnell durchschaut.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria,


    ich hatte mich mal gefragt, warum es so viele Balzac-Biografien gibt, er hatte doch nur ein Leben? :rollen:
    Nun glaube ich es zu wissen, jeder hat den anderen noch etwas übrig gelassen. Oder anders: einige haben Bücher geschrieben, in denen sie ihre Behauptungen über Balzac aufgestellt haben, die andere „Gruppe“ hat ihr Geld damit verdient, indem sie die Theorien der Vorgänger widerlegten. :rollen:


    So ist es m.M.n. auch mit der Biographie von Gaetan Picon. Sehr schön geschrieben und illustriert. Er stellt aber einige Behauptungen auf, die widersprüchlich erscheinen. Ein anderer Biograf, Ernst Sander, nennt die Biografie von Picon: „eine im Psychologischen und Gedanklich-Analytischen imponierende Deutung der Persönlichkeit Balzacs.“
    Was lernen wir daraus? Jeder Biograf hat den Schriftsteller Balzac auf seine Art gedeutet. Manchmal hat man sich Balzac auch nach seinen Vorstellungen „hingebogen“. :entsetzt:


    Ich will damit sagen, dass nicht jede Deutung realistisch sein muss.


    z.B. RoRoro Biographie Seite 24:


    „Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Balzac unter diejenigen einzureihen ist, die sich von ihrer literarischen Produktion distanzieren. Bei ihnen liegt das Geniale in der geheimnisvollen Befähigung, ohne jede reale Erfahrung die Wahrheit intuitiv durch die Phantasie zu erfassen.“


    Ich deute: Er hatte zwar viel Phantasie gehabt (was ist Phantasie?: Einbildungskraft, Ideen, gedankliche Vorstellungen die über das Sein (Ist) hinausgehen), aber dass er sich von seinem Werk distanziert, habe ich noch nicht bemerkt. Dass man die Wahrheit intuitiv erfassen kann, bedeutet für mich, dass er ein Träumer gewesen sein muss, der zufällig die Wahrheit geträumt hat. :redface:


    Also immer mit Vorsicht genießen, oder ich irre mich?
    Alles Gute, Frank. :winken:

  • Zitat von "Frank W."

    Hallo Maria,


    ich hatte mich mal gefragt, warum es so viele Balzac-Biografien gibt, er hatte doch nur ein Leben? :rollen:
    Nun glaube ich es zu wissen, jeder hat den anderen noch etwas übrig gelassen. Oder anders: einige haben Bücher geschrieben, in denen sie ihre Behauptungen über Balzac aufgestellt haben, die andere „Gruppe“ hat ihr Geld damit verdient, indem sie die Theorien der Vorgänger widerlegten. :rollen:


    So ist es m.M.n. auch mit der Biographie von Gaetan Picon. Sehr schön geschrieben und illustriert. Er stellt aber einige Behauptungen auf, die widersprüchlich erscheinen. Ein anderer Biograf, Ernst Sander, nennt die Biografie von Picon: „eine im Psychologischen und Gedanklich-Analytischen imponierende Deutung der Persönlichkeit Balzacs.“
    Was lernen wir daraus? Jeder Biograf hat den Schriftsteller Balzac auf seine Art gedeutet. Manchmal hat man sich Balzac auch nach seinen Vorstellungen „hingebogen“. :entsetzt:


    Hallo zusammen,
    hallo Frank


    bestimmt ist es so, wie du es schreibst. Du kennst dich in der Materie auch viel besser aus. Gaetan Picon befaßt sich tatsächlich intensiv mit der Persönlichkeit Balzacs'. Ihm zu Gute spricht, dass er immer seine Aufschlüsselung mit Texten aus Balzac's Romanen unterlegt. Das ist schon beeindruckend. Natürlich kann das ein anderer Balzac-Experte widerlegen, doch für mich als Laie, gibt es einen Einblick in die Komplexität des Schriftstellers, das ihn mir näher bringt. Für den Einstieg in Balzac's Schaffen und Wirken, würde ich die Monographie empfehlen.


    Gaetan Picon interpretiert das obige auf die Aussage hin, die Balzac in einem Vorwort von La Peau de Chagrin macht. Dort schreibt Balzac selbst, dass es unterschiedliche Autoren gibt...


    ob Gaetan es richtig gedeutet hat, kann ich nicht gut beurteilen. Dazu kenne ich Balzac's Romane zu wenig.


    Aber allemal interessant, sich weiter mit ihm zu befassen und das obwohl ich eigentlich lieber deutsche Schriftsteller lese :smile:


    Kannst du mir verraten, warum es relativ viele Karrikaturen von Balzac gibt? Das ist mir bei anderen Schriftsteller nicht so bewußt aufgefallen.


    Gestern und heute habe ich in der Monographie gelesen.


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)